Michael Wermke zum 60. Geburtstag

1 Die Herausforderung einer körperzentrierten Gesundheitsgesellschaft

Die Gesundheit ist das wichtigste Lebensziel und das höchste Gut vieler Menschen der modernen westlichen Gesellschaften. Diese Höchstschätzung der Gesundheit hat durchaus lebensgeschichtliche Ursachen und nimmt mit dem Alter zu: „Hauptsache gesund!“ wünscht man sich umso mehr, je mehr man mit Erfahrungen konfrontiert worden ist, dass die körperliche und seelische Unversehrtheit nicht selbstverständlich ist, ihr zugleich aber fundamentale Bedeutung für ein gelingendes Leben zukommt. Zu dieser lebensgeschichtlichen Höchstschätzung tritt eine gesellschaftliche Höchstschätzung der Gesundheit: Man hat vorgeschlagen, das 21. Jahrhundert im Zeichen des Übergangs zu einer „Gesundheitsgesellschaft“ („health society“) zu sehen. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass Gesundheit erstens als höchster Wert aufgefasst wird, dass Gesundheit zweitens zunehmend als machbar erscheint und dass die starke Nachfrage nach dem Gut „Gesundheit“ drittens zu einem Wachstumsmotor neuer sozioökonomischer Strukturen gerade auch in alternden Gesellschaften wird. Die überaus starke Nachfrage nach dem Gut „Gesundheit“ führt zu einem ständig zunehmenden Markt von Produkten und Dienstleistungen, die sich auf „Gesundheit“ beziehen (Kickbusch & Payne, 2003; Kickbusch, 2004; 2007).

Diese Entwicklung ist vielfach kritisiert worden: Steht der moderne Mensch der ‚Gesundheitsgesellschaft nicht in der Gefahr, ein krankes Verhältnis zur Gesundheit zu entwickeln? So leistet etwa die erhöhte Kontrollierbarkeit gesundheitsrelevanter Ereignisse, zu der die Fortschritte der Medizin (und der Hygiene) dankenswerter Weise beigetragen haben, der problematischen Ansicht Vorschub, Gesundheit sei machbar und herstellbar. Das kann zu einer Leidensunfähigkeit und Liebesunfähigkeit von Menschen führen, denen das Unverfügbare des Lebens aus dem Blick gerät. Kritisiert wird häufig und zu Recht auch die Überlagerung des Gesundheitsideals mit Fitness- und Schönheitsidealen. Diese unsachgemäße, aber medial wirksame Überlagerung wirft die Frage auf, ob das Idealbild eines gesunden und vitalen Körpers es noch zulässt, dessen Verletzlichkeit und Angewiesenheit anzuerkennen. Nicht wenige Kritiker solcher Entwicklungen sind in den letzten Jahren mit der These hervorgetreten, die berechtigte Sorge um die Gesundheit sei mittlerweile einem Gesundheitswahn oder gar einer ‚Gesundheitsreligion‘ gewichen (Lütz, 2007). Die paradoxe Konsequenz: Je mehr sich Menschen dieser Höchstschätzung der Gesundheit hingeben, desto kränker werden sie. Auch aus gesundheitsökonomischer Sicht gerate die Gesundheitsgesellschaft darum in einen Teufelskreis: Das Streben nach dem hohen Gut Gesundheit und das zunehmende Gesundheitsbewusstsein führen dazu, dass auch gesunde Menschen sich weniger gesund fühlen (wohl fühlen, fit und schön fühlen) und dass daher der Bedarf nach Krankheitsbehandlung bzw. nach Gesundheitsleistungen unaufhörlich wachse. K. Dorner hat die skizzierte Entwicklung provokativ als „Gesundheitsfalle“ gedeutet:

„Das ist die ‚Gesundheitsfalle‘ in ihrer allgemeinsten Form, die man – im Unterschied zur Gesundheit selbst – sehr wohl definieren kann: Eine Gesellschaft, die Gesundheit zu ihrem höchsten Wert erklärt, treibt als Gesundheitsgesellschaft mit Hilfe ihres Gesundheitssystems sich selbst die Gesundheit aus. Anders ausgedrückt: Ein Krankheitsbewältigungssystem, das als Gesundheitssystem sich immer nur grenzenlos steigern will, wird zur Gesundheitsvernichtungsmaschine.“ (Dörner, 2003, S. 14, auch Myrtek, 1998)

Die hiermit nur grob skizzierte Kritik hat ihre Berechtigung. Um die Motive und Wahrnehmungsmuster in der Gesundheitsgesellschaft zu verstehen, ist es allerdings erforderlich, den weiteren soziokulturellen Zusammenhängen gebührende Beachtung zu schenken. Nur so lassen sich die Herausforderungen der Gesundheitsgesellschaft auch konstruktiv – und das heißt auch: religionshermeneutisch und ethisch – in den Blick nehmen und bearbeiten.

Hier ist erstens auf den weiteren kulturgeschichtlichen Horizont der Depotenzierung des Schicksals und der Potenzierung der Machbarkeit hinzuweisen. Innerhalb dieses weiteren Horizonts sind zweitens die medizingeschichtliche Verschiebung im Krankheitsspektrum und der damit einhergehende Bedeutungszuwachs der Gesundheitsvorsorge zu bedenken. Außerdem ist drittens die evaluative Wahrnehmungsperspektive zu beachten, welche die Körperzentriertheit der gegenwärtigen Gesundheitsgesellschaft prägt. Eine körpersoziologische Betrachtung kann hier verstehbar machen, warum und in welcher Weise das diesseitsreligiöse Potential des Körpers und seiner Gesundheit überhaupt bedeutungsresonant werden konnte.

1. Das Verhältnis des modernen Menschen zu Gesundheit und Krankheit ist Teil einer Geschichte, deren Formel lautet: Depotenzierung des Schicksals, Potenzierung der Machbarkeit (Marquard, 2005b).[1]

„Die gesellschaftliche Sicht auf Gesundheit verändert sich. Das Gesundheitsmotiv durchdringt einen zunehmend größeren Teil unserer Lebenswelt. […] Auf neue Weise überlagern sich Diskurse aus sehr unterschiedlichen Gesundheitsbereichen von der Gesundheitsförderung, über Aids-Prävention, Verhaltensmodifikation, Wellness, Schönheit, Biotechnologie und Genetik. Ihnen gemein ist, dass Gesundheit immer weniger als Schicksal, sondern als ‚gemacht‘ gefasst wird. Das bedeutet, dass sowohl gesellschaftlich-politisches wie soziales und individuelles Handeln gefordert und eingeklagt werden können.“ (Kickbusch, 2004, S. 28)

Zu dieser veränderten Sichtweise trug die Entwicklung der Medizin selbst bei (Maio, 2013, S. 20). Ihre Erfolge sind Erfolge medizinisch-technischer Machbarkeit. Diese Machbarkeit nährt jenen Erwartungshorizont, der für die Gesundheitsgesellschaft charakteristisch ist. Die Frage, wie die Widerfahrnisse und die Kontingenzen des Lebens anerkannt und bewältigt werden können, weicht der Frage, wie man sie reduzieren oder vermeiden könne. Dem Arzt kommt immer weniger die Rolle eines Beistands in Krankheitsnöten zu; er findet sich unversehens in der Rolle des ‚Machers‘ von Gesundheit.

Die problematische Kehrseite der Zunahme von ‚Machbarkeit‘ ist ihr in Pflicht nehmender Charakter. Auf der ersten Stufe lautet es: Was machbar ist, kann auch gemacht werden! Auf der zweiten Stufe heißt es dann meist: Was machbar ist, soll auch gemacht werden! Auf der dritten schließlich: Was machbar ist, muss auch gemacht werden! Die Vorstellung von einer Zieloffenheit der naturwissenschaftlich orientierten Medizin käme einer Illusion gleich, würde sie missachten wollen, dass zwischen Tun und Lassen immer schon ein großes Ungleichgewicht besteht. Medizinische Forschung erweitert nicht einfach bloß den Raum des Machbaren (des ‚Könnens‘), sie führt auch dazu, dass auf der individuellen Entscheidung, Kontingenz anzuerkennen und etwas sein zu lassen – sprich: die Ergebnisse jener Forschung nicht anzuwenden – eine enormer moralischer Rechtfertigungsdruck lastet. Wer auf die Möglichkeiten pränataler Diagnostik verzichtet und die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom zulässt, weiß, was dies bedeutet. Um mit O. Marquard zu reden: Aus Schicksal ist nicht nur Machbarkeit, sondern ‚Machsal‘ geworden. Der Mensch steht unter Machzwang – vor einem Tribunal, das eine von Machbarkeit durchdrungene Gesellschaft selbst stellt (‚Übertribunalisierung‘: Marquard, 2005a, S. 49).

2. Die kulturwissenschaftliche bzw. kulturphilosophische Perspektive auf die Machbarkeit mag auf diesem Hintergrund recht kritisch ausfallen. Etwas anders stellt es sich dar, wenn man zur gesundheitswissenschaftlichen und medizingeschichtlichen Perspektive übergeht. In ihr findet Berücksichtigung, dass sich im Unterschied zu vormodernen Gesellschaften das Krankheitsspektrum in den modernen Gesellschaften fundamental verschoben hat: Nach der erfolgreichen Bekämpfung der früher epidemischen Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Cholera, Typhus, Ruhr) herrschen in den modernen Gesellschaften chronische und degenerative Erkrankungen vor. Anders als Akuterkrankungen lassen sich chronische und degenerative Erkrankungen mit Mitteln der modernen Medizin allein nicht ‚beheben‘. Man denke an Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen, Allergien, Diabetes, psychische Störungen und vor allem an chronische Schmerzen. Weil viele dieser Erkrankungen vom Verhalten, vom Lebensstil und von den Lebensbedingungen abhängig sind, rückt automatisch die Frage der Befähigung zu selbstverantwortlichem Gesundheitshandeln in den Vordergrund (Faltermeier, 2005, S. 11­­–12). Der Bedeutungszuwachs, den Prävention und Gesundheitsförderung erfahren haben, setzt die Erwartung der Wirksamkeit gesundheitlichen Handelns und damit eine gewisse Form der ‚Machbarkeit‘ voraus. Dieser Kontext darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn man die Bedeutung der Machbarkeit im Gesundheitsbewusstsein selbst in seiner Ambivalenz wirklich verstehen will. Es kann ja durchaus Freude machen und Genugtuung verleihen, seine chronischen Schmerzen durch ein angemessenes Fitnessprogramm in den Griff zu bekommen und darüber hinaus präventiv einem weiteren Bandscheibenvorfall zuvorkommen zu können. Allerdings: Gerade von dieser Seite her kann ein Mensch auch unter Machzwang geraten, insofern es im Gefälle dieser Entwicklung liegt, Krankheit auf eigene Versäumnisse, Gesundheit auf erfolgreiches Gesundheitsverhalten zurückzuführen. Die Entlastung, die der Rekurs auf ein Schicksal geboten hätte, wird immer weniger geduldet (Maio, 2013, S. 24) – Ethisch relevant wäre in diesem Zusammenhang dann vor allem auch dies, was H. Kress eine „Futurisierung der Krankheit“ nannte: Prävention, Prädiktion und Gesundheitsverhalten werden wesentlich dadurch gesteuert, dass zukünftige Krankheiten zu vermeiden bzw. zukünftige Gesundheit zu bewahren versucht wird. In der Zeitachse menschlicher Wahrnehmung verlieren dadurch die erlebte Krankheit und die erlebte Gesundung an Bedeutung. Das Interesse richtet sich darauf, möglichst im Vorhinein viel über eine zukünftige Möglichkeit in Erfahrung zu bringen bzw. es gegebenenfalls beeinflussen zu können (Kress, 2009, S. 67–68).

3. Im Anschluss an C. Taylor und H. Rosa kann man von kognitiv-evaluativen Landkarten reden, welche letztlich unser In-der-Welt-Sein bestimmen. Sie bestimmen damit unsere Weltwahrnehmung, sie bestimmen unser Begehren, das, was uns wichtig ist, aber auch das, wovor wir uns fürchten. Begehren und Furcht konzentrieren sich für spätmoderne Subjekte der westlichen Welt nun auf den eigenen Körper (Rosa, 2012; Rosa, 2016, S. 208, 210). Körpersoziologisch lässt sich die Entwicklung des Körpers zum zentralen Bezugspunkt dessen, was Sinn und Halt im Leben zu versprechen vermag, als Verlängerung des die Religion seit längerem betreffenden Individualisierungsprozesses beschreiben. Der Körper stellt sich als individuelles ‚Kapital‘ (P. Bourdieu) dar, in das zu investieren sich lohnt. Ein ‚Vorzug‘ gegenüber der herkömmlichen Religion besteht dabei darin, dass die Arbeit am eigenen Selbst mit der Erwartung einhergehen kann, mit Wohlbefinden und Anerkennung belohnt zu werden. Sie soll in einer diesseitig erlebbaren Dimension, nicht in einem eschatologischen Jenseits ihre Früchte tragen. R. Gugutzer vertritt die These, der zeitgenössische Körperkult könne deshalb als eine „individualisierte Sozialform des Religiösen“ betrachtet werden. Es handle sich um eine Religion, in welcher durch ‚Transzendenzschrumpfung‘ (T. Luckmann) eine Verschiebung von jenseitigen zu diesseitigen Transzendenzen stattgefunden habe. Innerhalb dieser Verschiebung würden traditionell religiöse Themen und Funktionen wie Vermittlung von Sinn, Orientierung und Halt und vor allem auch der durchgehende Bezug auf das Individuum wiederkehren (Gugutzer, 2012).[2] Die Sakralisierung des Profanen vollzieht sich als Sakralisierung des Selbst – und zwar so, dass sie sich als Sakralisierung des Körpers realisiert. Das Wohlergehen und die Transformation des verkörperten Selbst werden zum letzten Sinn und Zweck dieser Diesseitsreligion. Dabei zeigt gerade die Variante des Wellnesskults, dass eine äußere Körpermodellierung und ein instrumentelles Körperverhältnis auch überschritten werden kann – zugunsten eines ‚ganzheitlichen‘ Leiberlebens des Wohlbefindens. Es ließe sich sagen, dass in diesem Fall die Leibvergessenheit der modernen Körperfixierung bereits intern verarbeitet wird.

Zwei Aspekte lohnen sich auf diesem Hintergrund zu verdeutlichen:

Zum einen sind die Vorzüge des aus der religiösen Umbesetzung hervorgegangenen ‚Körpertrosts‘ zu bedenken. Das gilt ganz unabhängig von der Frage, ob und inwiefern man einen ‚Körperkult‘ im religiösen Sinne tatsächlich vorliegen sieht. Der ‚Körpertrost‘ vermag alle drei ästhetischen Grunddimensionen des religiösen Erlebens verlässlich anzusprechen und auf die verkörperte Selbstwerdung zu beziehen: „Du kannst etwas aus Dir machen!“ (schöpferisch-aktive Dimension, ‚vita activa‘ – Beispiel: Körpermodellierung) – „Du kannst etwas authentisch erleben!“ (Erlebnisdimension, ‚vita contemplativa‘ – Beispiel: Wohlbefinden) – „Du kannst etwas individuell erleiden!“ (pathische Haltungsdimension, ‚vita passiva‘ – Beispiel: Askese).[3]

Zum anderen wird nun auch der Druck deutlich, welcher auf den herkömmlichen religiösen Sinnangeboten lastet, wenn diese anschlussfähig bleiben wollen: Der zentrale Referenzpunkt ist nicht mehr die Verstehbarkeit der Welt oder der Gesellschaft (Weltdeutung), erst recht nicht eine Gotteserfahrung (Gottesdeutung), sondern der individuelle Körper und dessen Erlebbarkeit. Er bietet das Integral, um verschiedene Sinnangebote im Privatkosmos des eigenen Lebensvollzugs integrieren zu können. Was sich hier nicht ausweisen kann, wird zunehmend verlassen (Mohn, 2007, S. 68). Religionsmodelle, die sich in alter kulturprotestantischer Manier an einer Religion der Innerlichkeit oder an einer Religion des Selbstbewusstseins, an ‚Gott und die Seele‘ (A. Harnack) orientieren, überleben allenfalls als intellektuelle Kunstreligion. Dass Wellnessangebote häufig auch in Klöstern stattfinden, mag ein äußerer Ausdruck für diese letztlich funktionale Verschiebung sein. Zu Recht ist von einer „Therapeutisierung von Religion“ gesprochen worden (Karle & Thomas, 2009). Zu denken wäre in diesem Zusammenhang auch an die Zunahme der körperbezogenen christlichen Lebenskunst- und Ratgeberliteratur. Zu denken wäre an die Attraktion von Salbungs- und Heilungsgottesdiensten. Zu denken wäre insbesondere an den (freilich nicht unumstrittenen) Bedeutungszuwachs, den ‚spirituellen Ressourcen‘ mittlerweile auch im gesundheitswissenschaftlichen und medizinischen Diskurs erhalten.

2 Kritische Religion und Gottesdienst der Leiblichkeit

Um sich den Herausforderungen der Gesundheitsgesellschaft im allgemeinen und des ‚Körperkults‘ im besonderen zu stellen, ist die Frage der Anschlussfähigkeit nicht die einzige Frage, die zu stellen ist. Ebenso von Gewicht ist die Frage der Widerspruchsfähigkeit – oder in traditionellen Begrifflichkeiten gesagt: die Fähigkeit zu prophetischem Durchblick und zu prophetischer Kritik (Rieger, 2007, S. 443–462).

1. Zunächst ist theologisch dafür einzutreten, dass Dialektiken und Antagonismen, welche der gelebten Körperlichkeit bzw. der gelebten Leiblichkeit in der Gesundheitsgesellschaft eigen sind, nicht übergangen werden. So ist es beispielsweise höchst einseitig und am jungen oder mittleren Erwachsenenalter orientiert, den Körper lediglich als Kapital oder Potential der Selbstinszenierung bzw. Selbstmodellierung zu betrachten. Ganz anders verhält es sich mit zunehmendem Alter: Hier tritt vermehrt sein Potential der narzisstischen Kränkung hervor. Der Leib tritt aus seinem selbstverständlichen Gebrauchtwerdenkönnen heraus und erweist sich als anfälliger, verletzlicher Körper, welcher sich zunehmend der Modellierbarkeit und Gestaltbarkeit entzieht. In solchen Lebenskontexten ist es eine Herausforderung, sich mit einem narzisstischen Körperbild auseinandersetzen zu müssen, welches von Körperkontrolle ausgeht und Fantasien der Unverletzlichkeit und eines langen Jungbleibens in sich trägt (Peters, 2004, S. 88–92).[4] Dem Körper eignet auch das Potential zur Beschämung, insofern er sich der Verfügung, der Beherrschung und Intimisierung von Bedürfnissen und Lüsten auch entziehen kann. Er wird dann zum peinlich erfahrenen Anderen.

Hier lässt sich an kritische Einsichten der Entwicklungspsychologie oder der Leibphilosophie anknüpfen. Letztere deutet die Beschämung als Entfremdung zwischen Leib-Sein und Körper-Haben und bietet damit zugleich eine hilfreiche begriffliche Unterscheidung an (Fuchs, 2005).[5]

2. Ein ähnlich kritischer Durchblick betrifft die gesellschaftliche Hochschätzung der Gesundheit. Geht man im Sinne der eben erwähnten ‚Transzendenzschrumpfung‘ davon aus, dass der Mensch sein Glück nunmehr diesseitig in einer verkörperten Selbstwerdung selbst realisieren kann, aber auch muss – dann kommt die Gesundheit als grundlegende Voraussetzung dafür zu stehen. Genau besehen ist sie damit aber immer noch nicht höchstes Gut, sie ist fundamentales Ermöglichungsgut. Das ist eine wichtige Unterscheidung (Rieger, 2013, S. 15–18, 220–224). Diese hält fest, dass Gesundheit nicht im absoluten Sinn ein Letztziel darstellt. Sie ist eben selbst auch wichtige Voraussetzung zur Erreichung anderer Lebensziele, Werte und Güter. Man denke an Glück, selbstbestimmtes Leben oder Erfolg. Diese Lebensziele und -güter können durchaus ebenso wichtig oder wertvoll, im Blick auf sich selbst sogar weit wichtiger oder wertvoller sein als die Gesundheit. Zu diesem Sachverhalt ließe sich der A. Schopenhauer zugeschriebene und vielfach zitierte Aphorismus heranziehen: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“

Allerdings wäre weiter kritisch zu präzisieren: Gesundheit ist keineswegs das einzige fundamentale Ermöglichungsgut und sie ist auch keineswegs im strengen Sinne notwendig. Denn gelingendes Leben ist auch mit eingeschränkter Gesundheit und mit Krankheit möglich. Gesundheitliche Einschränkungen bringen nicht per se den Verlust anderer – gar aller anderen – Güter oder Ziele mit sich. Oder um noch einmal auf die Maxime der Machbarkeit Bezug zu nehmen: Auch und gerade mit Schicksal ist gelingendes Leben möglich (Maio, 2013, S. 34–35).

Theologisch-anthropologisch kommt es darauf an, dass das Ermöglichungsgut Gesundheit als vorletzte Bestimmung aufgefasst wird, welche weitere Güter, Lebensmöglichkeiten und Lebensziele zulässt. Die Frage nach dem Wert von Gesundheit ist deshalb im weiteren teleologischen Rahmen der Frage nach den Lebenszielen und nach dem Lebenssinn zu erörtern. Wir leben nicht, um gesund zu sein, sondern wir sind gesund bzw. wollen gesund sein, um zu leben (Siebeck, 1953, S. 459). An dieser Stelle wäre weiter davon zu reden, dass die moderne Gesundheitszentrierung als komplementäres Moment so etwas wie eine ‚Gesundheitstranszendenz‘ geradezu erfordert. Auf seinen Gesundheitszustand fixiert zu sein, ihn statisch festhalten zu wollen und nicht überschreiten zu können, ist häufig kein Zeichen einer gesunden Entwicklung, sondern ein Zeichen der Angst.

3. Es zeugt von Oberflächlichkeit, wenn der Gesundheitsdiskurs bei äußerer Körperkultivierung endet. Diese Oberflächlichkeit wird nur unwesentlich verringert, wenn der Bezugspunkt der Selbstwerdung zugunsten der Erreichung von Wohlbefinden erweitert wird. Was mit diesem weitreichenden Einwurf gemeint ist, lässt sich mithilfe der leibphänomenologischen Unterscheidung von Leib und Körper, erstaunlich klar aber auch schon mithilfe anthropologischer Begrifflichkeiten der biblischen Theologie verdeutlichen. Sie halten nämlich fest, dass im Unterschied zum gegenständlichen Körper, den wir haben, der gelebte, gespürte und begehrende Leib, den wir sind, allem Wahrnehmen und Handeln am Körper vorausliegt. Mittels dieser Unterscheidung kann das Paradox verstehbar werden, dass ein Körperkult eine Variante der Leibesverachtung sein kann.

Konkret: Insofern der moderne Körperkult von der Überzeugung getrieben wird, der Körper sei das wichtigste Kapital zur Selbstwerdung bzw. zur Selbstverwirklichung unseres Lebens, liegen ihm selbst leiblich-leidenschaftliche und leiblich-pathische Bedingungen voraus, welche das Handeln am Körper, seinen Umgang mit ihm und die Hoffnungen, die sich auf ihn richten, prägen. Im Selbstdarstellungs- und Kontrollstreben werden solche Zusammenhänge manifest. Gesagt werden soll: Wird dieser leidenschaftlich-begehrende und pathische Untergrund der Leiblichkeit ausgeblendet, kann mit Fug und Recht von einer Leibvergessenheit gerade auch in der Gesundheitsgesellschaft geredet werden.

Erhellend ist auf dem Hintergrund des hier geschilderten Zusammenhangs, dass bereits im Alten Testament diese leidenschaftlich-pathische Dimension des leiblichen In-der-Welt-Seins und des leiblichen Zur-Welt-Verhaltens thematisiert wird – und zwar unter dem Begriff ‚Seele‘. Der alttestamentliche Begriff der Seele steht nicht für die Verleugnung der Leiblichkeit, sondern für die Thematisierung ihrer Tiefendimension, die sich in pathischen Bedürfnis- und Angewiesenheitsbeziehungen, in ihrer Begehrensnatur, ihrer Verletzlichkeit, ihrer der Welt ausgesetzten Körperlichkeit äußert (Westermann, 1984; Janowski, 2013). Den gelegentlichen Tendenzen der Leibphilosophie, den Begriff der Seele als einen der Leiblichkeit nicht angemessenen Begriff zu verabschieden, wäre schon von daher kritisch zu begegnen (Böhme, 2008, S. 99).

Für Paulus setzt die Erlösung durch Christus gerade an dieser Tiefendimension an. Er stellt sich der Herausforderung, diese Erlösung am Ort der Leiblichkeit zu explizieren. Das zu Erlösende wird dabei nicht, wie Paulus häufig unterstellt wird, in der leidenschaftlich-begehrenden Leiblichkeit an sich gesucht, sondern in einer spezifischen Relation bzw. Ausrichtung des leidenschaftlichen Begehrens. Negativ qualifiziert wird das Sein im Fleisch aufgrund seiner Begehrensausrichtung ‚nach dem Fleisch‘ (‚kata sarka‘). Sie ist durch Selbstbezogenheit, Selbstvertrauen und Selbstinszenierung gekennzeichnet.[6] Die Leidenschaften der Sünde (‚pathemata‘,Röm 7,5) sind vitale und selbstbezogene Begehren (Röm 6,12, vgl. Gal 5,16–17). Erlösung bedeutet, dass der durch einen Herrschaftswechsel nunmehr in Christus lebende Mensch zwar nicht von seinem Leib (‚soma‘) getrennt wird,wohl aber vom Sündenleib (‚soma hamartias‘). Im Leib, der selbst sterblicher Leib (‚soma thneton‘) bleibt, gewinnt nun Christus und die mit ihm anhebende Neuschöpfung Ort und Gestalt in der weltlichen Wirklichkeit. (Röm 8, 10.13; Bauer, 1971, 169–170)[7]

G. Theißen hat in diesem Zusammenhang von einem ‚transformativen Menschenbild‘ der Bibel gesprochen (Theißen, 2007, S. 540; Theißen, 2011). Die Pointe ist darin zu sehen, dass durch Jesus Christus der Leib erst dazu gebracht wird, Leib sein zu können und Leib sein zu dürfen, nicht mehr fremdbestimmt durch ‚Fleisch‘. Etwas freier gesagt: Für Paulus entscheidet es sich am zugrundeliegenden In-der-Welt-Sein und den ihr zugehörigen Begehrens- und Zielhierarchien, ob Erscheinungsformen des Körperkults und der Gesundheitsgesellschaft als ‚sarkische‘ Fremdbestimmung angesprochen werden müssen. Diese ist es, die den Menschen in seiner Selbstbezogenheit und in seinem Selbstsicherungsverlangen hält und damit beides unmöglich macht, die rechte Wahrnehmung und den rechten Umgang mit seinem Leib. Der Mensch muss von der Selbstbezogenheit und dem Selbstsicherungverlangen erlöst werden, um ein richtiges Verhältnis zum Körper und zu seiner Gesundheit zu bekommen. Der Leib des Menschen soll befreit werden, um willentlich bejahter Ort und Mittel der Verherrlichung Gottes zu werden (1 Kor 6,19–20). ‚Leiblicher Gottesdienst‘ fasst begrifflich genau dies zusammen: Nicht anders als durch und am Leib vollzieht sich der Gottesdienst der Glaubenden, ihr Sein für den Herrn (1 Kor 6,13b; vgl. Röm 6,13).

Bei alledem bleibt wie gesagt der erlöste und nunmehr vom Geist Gottes bestimmte Leib ein sterblicher und verletzlicher Leib, mittels dessen der glaubende Mensch in die weltliche Wirklichkeit hinein exponiert bleibt. Dieser Sachverhalt ist Ursache von Spannungen und Antagonismen in der Leiberfahrung. Paulus versucht sie mithilfe einer Differenzierung von Person-Sein (Relation des Glaubens, Gal. 2,20: „Christus in mir“) und Leib-Sein (Relation des Selbst- und Weltverhältnisses, ‚soma thneton‘) zu bearbeiten. Das dadurch gewonnene Beschreibungspotential ist beachtlich: Einerseits lässt sich damit einholen, dass sich das Person-Sein als affizierbare Leiblichkeit darstellt und dadurch an den natürlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedingtheiten der Welt partizipiert. Entscheidend dabei: Was das Leib-Sein betrifft und bedrängt, vermag auch auf das Person-Sein durchzuschlagen. Dieses lässt sich nicht als unaffizierbarer Seelenkern verstehen, dem leibliche Widerfahrnisse und Verlusterscheinungen nichts anhaben könnten – im Gegenteil. Auch das glaubende Person-Sein ist ein verletzliches; es ist deshalb auf tägliche Erneuerung angewiesen (2 Kor 4,16 als ‚innerer Mensch‘). Andererseits ermöglicht das Person-Sein in Christus ein Selbstverhältnis, demzufolge nicht mehr das fleischlich-selbstbezogene Begehren den Leib ‚hat‘. Dieser wird dem Menschen vielmehr als Gegenstand – genauer: als Leihgabe – eines verantwortlichen Umgangs zurückgegeben, damit die Zugehörigkeit zu Christus leiblich und weltlich Gestalt gewinnen kann (Röm 6,10.13; Röm 12,1).

3 Ethik des Leibseins und erweitertes Gesundheitsverständnis

Die Reflexion über Gesundheit muss die Reflexion tiefer liegender evaluativen Wahrnehmungs- und Begehrensmuster des menschlichen In-der-Welt-Seins einschließen. Gesundheit wie Krankheit betreffen nicht lediglich ‚etwas‘ am Menschen, als Weise des Menschseins betreffen sie ‚jemand‘ ganz. Deshalb ist ‚jemand‘ immer auf individuelle Weise ‚gesund‘ oder ‚krank‘. Er oder sie vermag den eigenen Gesundheitszustand oder die eigene körperliche Erscheinungsweise zugleich als Fall von ‚etwas‘ betrachten und sich individuell unterschiedlich dazu verhalten bzw. damit umgehen.

Die Frage nach einem menschenangemessenen Gesundheitsverständnis ist mit Fragen normativer Orientierungen verwoben. Dazu gehören Fragen einer Ethik des Leibseins. Eine Ethik des Leibseins in christlicher Verantwortung sieht sich dabei mit zwei Extremen konfrontiert:einer Leibverachtung, die sich in Formen einer Instrumentalisierung des Leibes vollziehen kann, und einer Vergötterung des Leibes, die sich in Formen des Körperkults vollziehen kann. Ihr Ausgangspunkt ist es, Leibsein als Gabe und Aufgabe zu begreifen. Ihre Kernfrage ist es zu fragen, in welcher Hinsicht es geboten ist, Leibliches sein zu lassen und anzuerkennen, und in welcher Hinsicht es geboten ist, Leibliches zu gestalten und zu kultivieren.

Eine Ethik des Leibseins misst also der ‚Umgangsfähigkeit‘, nicht lediglich einer physisch-psychischen ‚Funktionsfähigkeit‘ hohe Bedeutung zu. Gerade dies ist, wie gleich zu sehen sein wird, auch für das Gesundheitsverständnis nicht unwesentlich.

Zuvor seien drei weitere Grundlinien einer solchen Ethik des Leibseins hervorgehoben:

1. Den Leib als Gabe zu betrachten, bedeutet, dass ihm bereits als Gegebenem, bereits in seinem Sosein und in seinem Gewordensein, Würde zukommt. Ein instrumenteller und in gewisser Weise optimierender Umgang ist damit nicht prinzipiell ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist aber eine schrankenlose Potentialisierung: als wäre die leibliche Natur nur Material zur Selbstwerdung des Menschen. Der Leiblichkeit kommt so, wie sie (von Gott) gegeben und geworden ist, Selbstzweckcharakter zu. Ihr kommt damit – wie Bonhoeffer zu Recht betonte – ein „Recht auf Erhaltung“ und sogar ein „Recht auf leibliche Freuden“ zu (Bonhoeffer, 1992, S. 179–180).

2. Aus christlicher Sicht findet das Person-Sein des Glaubens keine abschließende und vollkommene Darstellung im Leib-Sein. Es reicht über das, was im praktischen Umgang mit dem und durch den Körper und was letztlich im Prozess der leiblichen Selbstwerdung gelingt oder misslingt, hinaus. Genau dies hält auch die theologische Unterscheidung von Heilung und Heil fest: Heil und Vollendung sind dem Wirken Gottes vorbehalten. Das schließt allerdings nicht aus, sondern ein, dass sich der Mensch für Heilung und Gesundheit einsetzen kann und soll. Entscheidend ist dabei: Heil kann auch dort sein, wo Heilung ausbleibt bzw. fragmentarisch bleibt. P. Tillich hat diese Zuordnung mit der begrifflichen Differenzierung von fragmentarischer und universaler Heilung zu erfassen versucht (Tillich, 1987, S. 321–323).  Mit ihr verbindet sich eine teleologisch-transzendente Zielperspektive: Der Mensch ist als unfertiges Wesen unterwegs zu seiner letzten heilvollen Bestimmung, die in Christus als dem neuen Menschen bereits verwirklicht ist. In diesem Unterwegssein liegt die Würde auch des unheilbar kranken und des sterbenden Menschen begründet.

3. Ein christliches Ethos des Leibseins kann an kritische Körperdiskurse anknüpfen, insofern diese darauf abheben, dass das Lebensziel gelingender Selbstwerdung durch Absolutsetzungen und Vergöttlichungen von Gesundheit, Schönheit und Fitness nicht erreicht, sondern eher verdorben werden kann. Die schwierigere theologische Herausforderung besteht darin, die Bedeutung der Gottesverehrung auch positiv explizieren und vermitteln zu können. Eine häufig unterstellte und zugleich wirkmächtige (‚limitative‘) Denkstruktur zementiert nämlich Alternativen, die weithin als selbstverständlich angenommen werden: Je mehr man Gott bzw. seiner Verehrung zugestehe, desto weniger könne man dem leiblichen Leben des Menschen zugestehen. Oder noch platter: Eine Aufwertung der Gottesverehrung führe zu einer Abwertung des menschlichen Daseins und der menschlichen Lebensziele. Die positive Explikation der Gottesverehrung hängt daran, dass geradezu der entgegengesetzte (‚reziproke‘) Zusammenhang als Grundordnung gelingenden Lebens deutlich gemacht werden kann: Wenn Gott Gott ist, dann kann der Mensch Mensch bleiben. Das heißt: Wenn Gott als Gott geehrt wird, dann vermag der Mensch zu bleiben, was er ist, er vermag menschlich zu bleiben und als Mensch geachtet zu werden. Wenn Gott als Gott geehrt wird, dann vermag die Leiblichkeit des Menschen zu bleiben, was sie ist, sie vermag auf menschenangemessene Weise erhalten, gepflegt und als Aufgabe angenommen zu werden.

Die ethische Explikation der Gottesverehrung muss konsequenterweise auf den Entlastungs- und Freiheitsgewinn abheben: Das Unbedingte entlastet das Bedingte; es gibt das verletzliche und angewiesene Leben frei, verletzlich und angewiesen sein zu dürfen. Der Entlastungs- und Freiheitsgedanke ist hier deutlich positiv kodiert, insofern er nicht auf ein Vakuum hinausläuft, das der Mensch durch eigene ‚Gottwerdung‘ gleichsam aufzufüllen habe.

Es geht an dieser Stelle letztlich um eine Balance. Das Erfordernis gesundheitlichen Handelns bleibt bestehen. Der Leib ist anvertraute Leihgabe. Es liegt an dem damit angezeigten weiteren (in diesem Fall: theologischen) Orientierungsrahmen, dass dieses gesundheitliche Handeln entlastet davon ist, selbst die Realisierung gelingenden Lebens leisten zu müssen. Es gilt einem fundamentalen Ermöglichungsgut gelingenden Lebens, ohne dass am Gelingen des gesundheitlichen Handelns selbst das Gelingen des Lebens hinge. Ein solchermaßen entlastetes Gesundheitshandeln dient der Gesundheit mehr als die übertriebene Sorge um sie. Gerade die übertriebene Sorge um die Gesundheit und die übertriebene Sehnsucht nach ihr kann zu einem kranken Selbst- und Weltverhältnis führen.

Auf dem Hintergrund der skizzierten Strukturelemente einer Ethik des Leibseins drängen sich einige Leitlinien für ein menschenangemessenes Gesundheitsverständnis fast von selbst auf:

Für eine Ethik des Leibseins ist wie gesagt die Frage des Umgangs mit dem Leib bzw. dem Körper grundlegend. Es führt nun zu erheblichen Revisionen im Gesundheitsverständnis, wenn man eine von der Funktionsfähigkeit des Organismus deutlich zu unterscheidende Umgangsfähigkeit im Verständnis von Gesundheit selbst deutlich macht. Diese Einsicht hat durchaus gesundheitswissenschaftliche Plausibilität: Krankheit und Gesundheit beziehen sich zwar auf objektivierbare Sachverhalte. Diese sind aber nie in einem ‚an sich‘ gegeben, sondern im Bezug auf ein individuell-leibliches Betroffensein und auf eine ebenso individuell-praktische und gesellschaftlich-kulturell geprägte Umgangsweise.

Die Duplizität von Funktionsfähigkeit und Umgangsfähigkeit im Gesundheitsverständnis ermöglicht es offen zu halten, dass man in seiner physisch und seiner psychischen Funktionsfähigkeit gestört und dennoch gesund sein kann. Zur Gesundheit gehört die Fähigkeit, mit Krankheit leben zu können. – Die Unterscheidung ermöglicht zugleich Zusammenhänge deutlich zu machen: Krankheit und Schmerz sind nicht nur als Beeinträchtigungen auf der Ebene der Funktionsfähigkeit anzusprechen, sie vermögen sich auch als Beeinträchtigungen der Umgangsfähigkeit und letztlich als Beeinträchtigungen des ganzen In-der-Welt-Seins niederzuschlagen. Eine Krankheit vermag mich wahrhaftig zu einem kranken Menschen zu machen (Rieger, 2013, S. 147–160).[8]

Die vorgeschlagene Erweiterung des Gesundheitsverständnisses wird auch der Einbettung der Gesundheit in den pathisch-leidenschaftlichen Begehrenszusammenhang anderer Lebensziele gerecht: Zur Befähigung des rechten Umgangs mit der Gesundheit gehört es, dass Menschen sich diesem ihrem pathisch-leidenschaftlichen Begehren stellen und sie Wege zum eigenen Menschsein und zu den eigenen Lebenszielen finden können. In einer von Machbarkeit getriebenen Gesellschaft bekommt dabei die Befähigung, mit Widerfahrnissen umzugehen, einen hohen Stellenwert. Grundsätzlicher gesagt: Zum gesunden Umgang zählt das Sich-Einlassen auf ein bestimmtes leibliches und körperliches Gegebensein. Fasst man Gesundheit formal unter dem Begriff ‚Kraft zum Menschsein‘, ist ein solcher weiter Horizont bereits impliziert (Barth, 1951, S. 405–406). An dieser Stelle könnte man den fließenden Übergang zwischen der Gesundheitsförderung und der Selbstbildung lokalisieren.

4 Fragen einer Gesundheitsbildung als Selbstbildung

Gesundheitsförderung greift zu kurz, wenn sie sich lediglich auf das Bereitstellen und die Steigerung von physischen, psychischen, sozialen oder technischen Ressourcen konzentriert. Sie greift immer noch zu kurz, wenn sie sich auf die Befähigung zur Teilhabe und zur Inanspruchnahme dieser Ressourcen richtet. Sie kann Fragen der individuellen Selbstwerdung und Fragen der individuellen Lebensziele nicht ausschließen.[9] Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer als Selbstbildung verstandenen Bildung (Evers, 2016, S. 233).

Religion wendet sich der Brüchigkeit, der Verletzlichkeit und der Unabschließbarkeit des Lebens zu, aber auch dem Staunen, der Dankbarkeit und der Hoffnung des Lebens. Sie dient dadurch der Gesundheit als der ‚Kraft zum Menschsein‘. Weil dies alles auch für die Religion selbst nicht selbstverständlich ist, bedarf es einer kritischen Reflexion auf Religion bzw. auf religiöse Bildung. Sie hat darauf zu achten, dass Religion nicht zur Kontingenzbewältigungsressource verkommt oder mit uneinlösbaren Sinn- und Stabilisierungsversprechen aufgeladen wird (Schneider-Flume, 2004).

In einer Gesundheitsgesellschaft dient Religion der gesundheitlichen Umgangsfähigkeit paradoxerweise gerade durch ihr Überschreiten der Gesundheit (‚Gesundheitstranszendenz‘). Sie entspricht dadurch dem ebenso paradoxen Zusammenhang von Selbstfindung und Selbsttranszendenz (S. Kierkegaard; V. E. Frankl). Abgebildet finden sich solche Muster in vielfältigen Narrationen der Literatur und des Films. Auf diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Erzählungen im Umgang mit Gesundheit und Krankheit eine kaum zu unterschätzende Rolle spielen. Krankheitserfahrungen und Gesundheitserfahrungen kondensieren in Erzählungen oder in Memoiren, die häufig ein unterschwelliges Ethos der Pädagogisierung erkennen lassen. Die Bedeutungsresonanz solcher Erzählungen lässt sich mit verschiedenen Mechanismen erklären. So stellen sich beispielsweise psychologisch beschreibbare Vergleichsprozesse ein, die Zufriedenheit erhöhen können („diese hat solches und noch Schlimmeres erlebt“; „sie ist trotz Krankheiten gesund geblieben“ etc.). Sie können auch Transformationen der je eigenen Sinngebungsmuster ermöglichen (Bieler, 2017, S. 183–214).

C. Mulia weist der Biographiearbeit für die seelische Dimension der Gesundheit einen hohen Stellenwert zu und plädiert angesichts der Vielfalt an Lebenswelten für eine milieuspezifische Gesundheitsförderung auch im Bereich von Kirche und Diakonie (Mulia, 2016).

Abschließend sei die offene Frage notiert, inwiefern auch leibliche Übungen und leibliche Habitualisierungen zum Gegenstandsbereich religiöser Bildung gehören können und sollen. Im Raum der Theologie und Kirche war dies besonders von W. Stählin betont worden. In den 1920er und 1930er Jahren trat dieser mit theologischen Gründen für die Wiederentdeckung leiblicher Übungen und der Gymnastik ein. Er tat dies im Rahmen der von ihm geprägten Jugendbewegung und auch im Rahmen seines Bemühens um ein christliches Bildungsverständnis. „Weil der Leib wirklich die Form des Menschen, seines einmaligen und besonderen menschlichen Daseins ist, weil in diesem geist-leiblichen Wesen des Menschen alles Inwendige sich nach außen hin darstellen und alles Auswendige nach innen wirken muß, darum gibt es eine leibliche Übung, die vom Leib her zu dem innersten Wesenskern vordringt und durch das, was der Leib tut und übt, dem Menschen selber einübt und ein-bildet, was ihm zu lernen aufgetragen ist.“ (Stählin, 1968, S. 71–72)[10]

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Hans-Martin Rieger
Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland


  1. Marquard beschreibt die Säkularisierung als gravierende Umbesetzung: Nach dem Ende Gottes obliegt nun dem Menschen das, was vormals Gottes Sache war: alles selbst zu machen. Der Mensch steht unter  „Gottwerdungsdruck“, damit aber zugleich in der Gefahr, seine Menschlichkeit zu verlieren.

  2. Ebd., 292: „Der zeitgenössische Körperkult ist eine ‚unsichtbare‘, durch Transzendenzschrumpfung sich auszeichnende Religion, da hier ebenfalls das Individuum in einen ‚heiligen Status‘ gehoben wird bzw. eine ‚Sakralisierung des Subjekts‘ […] zu beobachten ist. Der Körperkult ist ein paradigmatisches Beispiel für die im Zuge der gesellschaftlichen Differenzierungs- und Individualisierungsprozesse vonstatten gehende ‚Privatisierung‘ der Religion […].“ Vgl. dazu auch die Aufnahme von körpersoziologischen Einsichten bei I. Karle (2014, S. 22–32).

  3. Vgl. dazu auch die drei Sinn- und Wertkategorien bei V. E. Frankl (2017, S. 92–93).

  4. G. Heuft hat in seinem entwicklungspsychologischen Modell der Körpererfahrung die Funktion eines „somatogenen Entwicklungsorganisators“ im Altersprozess zugewiesen; das veränderte Körpererleben und die damit einhergehenden Entselbstverständlichungsprozesse werden zur unabdingbaren Entwicklungsaufgabe im Alter (Heuft, Kruse & Radebold, 2006, S. 64–67).

  5. Wer eindrückliche Einblicke in solche Beschämungsmechanismen wünscht, sei verwiesen auf K. Gröning (2014).

  6. E. Schweizer (1964, S. 127) differenziert: „Wirklich negativ wird kata sarka erst in der Verbindung mit einem entsprechenden Verbum“, nämlich mit Vertrauen, Sich-Ausrichten-auf oder Wandeln nach dem Fleisch (ebd. 129). Das steht in Entsprechungen zu Einsichten, die sich bereits im Alten Testament finden, vgl. Jer 17,5. Nicht das Fleisch ist böse, sondern das Sich-Verlassen auf das Fleisch.

  7. Die Rede vom Leib, der tot ist um der Sünde willen (Röm 8,10), betrifft den unter der Sünde stehenden Leib, also ‚soma hamartias‘ (Röm 6,6). Die Zugehörigkeit zu ihm ist aufgehoben.

  8. Gerade dann, wenn man die herausragende Bedeutung der Umgangsfähigkeit oder der Bewältigungsfähigkeit zu Gesicht bekommt, gilt es das fragile Subjekt des Handelns stets im Blick zu haben: Dort, wo die Umgangsfähigkeit es erfordert, mit Einschränkungen zu leben und abgeben zu können, erfährt sich der leidenschaftlich-betroffene und leidenschaftlich-begehrende Mensch häufig als angefochten und überfordert.

  9. Im Blick auf die Zuständigkeit der Medizin kam es an dieser Stelle zu einem paradigmatischen Streit zwischen V. von Weizsäcker und K. Jaspers. Während ersterer mit der „Einführung des Subjekts“ in die Medizin teleologische Fragen nach dem Wozu des Menschseins zu den Aufgaben des Arztes zählen wollte, verneinte Jaspers dies vehement. Er hatte den stärker werdenden Einfluss der Psychoanalyse im Nachkriegsdeutschland vor Augen. Zu den Hintergründen dieser auch wissenschaftsphilosophisch hochinteressanten Auseinandersetzung: M. Bormuth (2008).

  10. Stählin setzt sich dabei bereits kritisch mit der Instrumentalisierung und Verzweckung der leiblichen Übungen auseinander und sieht die Gefahr der Massenformierung heraufziehen (ebd., S. 76).