Was Religionslehrer/-innen können müssen, um gut zu unterrichten, hat die religionspädagogischen Debatten in den letzten 15 Jahren maßgeblich geprägt (Rothgangel, 2015, S. 101–109; Englert, 2012, S. 77–88).[1] Neben umfangreichen Kompetenzkatalogen, die v.a. hermeneutisch erzeugt worden sind und dann im Sinne von Appellstrukturen Lehrer/-innenhandeln ausrichten sollten (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2011, S. 20–22; Englert u.a., 2006 S. 18–21; Heil, 2006),[2] haben Überlegungen einen breiten Raum eingenommen, welches Selbst- und Rollenverständnis Religionslehrkräfte pflegen (Lück, 2003), welche Bedeutung dem Verhältnis von gelebter und gelehrter Religion im Unterrichtshandeln von Religionslehrer/-innen zukommt (Feige u.a., 2000), wie Studienmotivationen, Berufsbild und Professionalisierungsphasen von Religionslehrkräften eingeschätzt werden (Englert u.a., 2006), und neuerdings auch, wie Reli-Lehrer/-innen religionsdidaktische Konzeptionen und religionsunterrichtliche Organisationsformen beurteilen (Rothgangel, Lück & Klutz, 2017; Pohl-Patalong u.a., 2016; Pohl-Patalong u.a., 2017). Je länger umso deutlicher wurde bewusst, dass eine Bestimmung der Kompetenzen von Religionslehrkräften nicht jenseits der Bildungswissenschaften und den Diskursen in anderen Fachdidaktiken entwickelt werden kann, sondern nur angesichts ihrer.

Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden eine Konzeptualisierung eines wichtigen Profilmerkmals professioneller (Handlungs-)Kompetenz von Religionslehrkräften in den Spuren der COACTIV-Studie entwickelt (Baumert u.a., 2011), nämlich die Bestimmung des Fachdidaktischen Wissens (pedagogical content knowledge) sowie des Fachwissenschaftlichen Wissens (content knowledge). Auch wenn die COACTIV-Studie nicht das einzige Modell ist, die Voraussetzungen für den Lehrberuf zu erfassen, so stellt es mittlerweile nicht nur im deutschsprachigen Raum so etwas wie den „main-stream“ dar.[3] Sein Vorteil liegt darin, dass es bisherige Forschungstraditionen aufgreift und zugleich weiterentwickelt,[4] die Denktraditionen um das professionelle Lehrer-Wissen mit der Kompetenzdebatte verbindet, über kognitive Modelle hinaus auch pädagogisch-psychologische Momente einbezieht und die dadurch eruierten Merkmale auf die Auswirkungen (auch empirisch) untersucht, die diese für den Unterricht haben (Baumert & Kunter, 2011, S. 45–47).

Lehrer/-insein geht demnach nicht auf im Wissen und Können und in Überzeugungen – also in Expertise (ebd., S. 45) –, fußt aber auf ihnen wie auch auf individuellen, beschreibbaren und damit grundsätzlich erlern- und vermittelbaren Fähigkeiten. Die Verfasser/-innen der COACTIV-Studie sprechen deshalb von „professioneller (Handlungs-)Kompetenz“, die den Lehrberuf ausmacht und legen ein mehrdimensionales Konzept vor, diese professionelle Kompetenz zu beschreiben.

1 Reli-Lehrer/-in: Eine erlernbare Profession

Dieses mehrdimensionale Modell professioneller Kompetenz der COACTIV-Studie wird im Folgenden als heuristisches Instrument für die Bestimmung professioneller Kompetenz von Religionslehrkräften herangezogen. Religionslehrkraft zu sein und zu werden, ist damit verstehbar als zu erlernendes, professionelles Wissen und Können, als Auseinandersetzung mit grundlegenden Motiven, (Glaubens-)Überzeugungen und der Fähigkeit, die eigenen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Damit sind entscheidende Weichenstellungen gelegt: Eine gute Religionslehrkraft zu sein bzw. zu werden, ist gemäß dieser Forschungstradition nicht damit identisch, eine gute Theologin oder intensiv Glaubende zu sein. Auch wenn die professionelle Kompetenz von Religionslehrkräften mit theologischer Expertise zusammenhängt und mit dem Ringen um den eigenen Glauben zu tun hat, so geht sie nicht darin auf, sondern noch darüber hinaus. Was Religionslehrkräfte können müssen, um guten Unterricht zu gestalten, ist deshalb eine Frage, die nicht einseitig von der Theologie oder der Bildungsforschung oder der Fachdidaktik oder den Glaubensgemeinschaften beantwortet werden kann, sondern im interdisziplinären Austausch zu verhandeln ist.

2 Kerngeschäft des Lehrberufs: Unterrichten

Nun kann die Adaption des COACTIV-Modells in vielerlei Hinsicht auf Religionslehrer/-innen übertragen werden: in Bezug auf die Aspekte professioneller Kompetenz, die Kompetenzbereiche oder auch die Bestimmung der Kompetenzfacetten (ebd., S. 32). Wichtig und wiederum weichenstellend bleibt, dass ähnlich wie in der COACTIV-Studie auch für den Religionsunterricht das Hauptgeschäft des Lehrberufs im Unterrichten gesehen wird (ebd., S. 29–30).

Das ist keineswegs selbstverständlich. Führt man sich Befragungen von Religionslehrer/-innen vor Augen, die nach deren subjektiv wichtigsten Aufgaben fragen, dann rangiert an oberster Stelle das Verständnis, „Pädagog/-in“ zu sein, also für die Kinder und Jugendlichen als Ansprechpartner/-in in wichtigen Lebensfragen zur Verfügung zu stehen (Englert, 2012, S. 83.85; Rothgangel, Lück & Klutz, 2017, S. 254–255; Rothgangel 2015, S. 101–109), und wenn von inhaltlichen Schwerpunkten die Rede ist, „Wertevermittlung“ zu leisten.

Unterrichten rangiert im Selbstverständnis von Religionslehrkräften also keineswegs an erster Stelle. Die Frage stellt sich, ob das so hinzunehmen ist, oder ob es sich lohnt, im Studium, Referendariat und in Fortbildungen dafür zu werben, das Unterrichtsgeschehen wieder deutlicher in den Mittelpunkt des Lehrer/-innenhandelns zu rücken.

Die folgenden Überlegungen zumindest setzen mit der COACTIV-Studie und anderen Arbeiten (vgl. etwa Helmke, 2010, S. 16–17) dabei an, das Unterrichten als Kerngeschäft des Lehrerhandelns zu verstehen. Der Fokus liegt deshalb auf der Bestimmung des sog. Professionswissens (verstanden als Wissen und Können) und näherhin auf der Frage, wie Fachdidaktisches Wissen und Fachwissen nicht nur bestimmt, sondern in ihrer wechselseitigen Bezogenheit konzeptualisiert und operationalisiert werden können. Die originär religionsdidaktische Denkfigur der „religionsbezogenen Korrelationskompetenz“ (im Unterschied, statistische Korrelationen zu erfassen) wird als Instrument vorgestellt, um den Kompetenzbereich „religionsdidaktisches Wissen“ von Religionslehrer/-innen zu bestimmen.

Um diese These nicht nur apodiktisch zu setzen, sondern möglichst weitgehend zu plausibilisieren, gilt es im Folgenden, (3) das Modell professioneller Kompetenz der COACTIV-Studie vorzustellen und auf die Professionskompetenz von Religionslehrkräften zu übertragen. Dabei steht v.a. die Bestimmung von Fachwissen und Fachdidaktischem Wissen im Vordergrund. Darauf aufbauend lässt sich beschreiben, (4) was unter religionsbezogener Korrelationskompetenz zu verstehen ist und (5) welchen Bezug religionsdidaktisches Wissen zu theologischem Fachwissen hat.

Auf diesem Weg – so die These dieses Beitrags – wird fassbarer und operationalisierbar, was Religionslehrer/-innen können müssen, damit Unterricht gelingt.

3 Das generische Strukturmodell professioneller Kompetenz der COACTIV-Studie

Zwar entstammt das Kompetenzmodell der COACTIV-Studie der Auseinandersetzung mit der Mathematik. Als generisches Modell erhebt es aber den Anspruch, auf andere Inhaltsbereiche übertragbar zu sein. Insofern ist es auch für den Religionsunterricht relevant. Näherhin ist das COACTIV-Kompetenzmodell ein aus der Literatur gewonnenes heuristisches Instrumentarium, um die individuellen Voraussetzungen zu beschreiben, die für ein erfolgreiches Lehrerhandeln bedeutsam sind, und diese dann an der Empirie zu überprüfen (Baumert & Kunter, 2011, S. 30). Da das Unterrichten als Hauptaufgabe des Lehrberufs angesehen wird, stehen Überlegungen im Mittelpunkt, was Lehrer/-innen können müssen, um Lehr-Lern-Situationen so zu gestalten, dass Schüler/-innen die schulischen Lernziele möglichst gut erreichen (ebd.).

3.1 Mehrdimensionales Kompetenzmodell

Aufbauend auf den Ordnungssystemen von Lee S. Shulman (1986, S. 4–14) und Rainer Bromme (1997, S. 177–212) und kombiniert mit den Überlegungen zum Kompetenz-Verständnis insbesondere von Franz E. Weinert entwickelt die COACTIV-Studie ein mehrdimensionales Kompetenzmodell, um die doppelte Unsicherheit des Lehrerhandelns asymptotisch zu fassen: Doppelt unsicher deshalb, weil sowohl der Unterricht nur begrenzt planbar und der Lernerfolg ein höchst subjektabhängiger Prozess ist; sowie mehrdimensional, weil es nicht nur kognitive Merkmale berücksichtigt, wie Wissen und Können (hier verstanden als Professionswissen), sondern auch Aspekte im Rahmen der „beliefs“ umfasst, also Überzeugungen/Werthaltungen/Ziele, ebenso wie motivationale Orientierungen im Sinne von: Was bewegt Lehrer/-innen, und auch Fragen der Selbstregulation, verstanden als Fähigkeit, die eigenen Ressourcen einzubringen, aber nicht überzustrapazieren.

3.2 Die drei „Ebenen“ des Kompetenzmodells

Die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die als maßgeblich für das Lehrer/-innenhandeln erachtet werden, lokalisiert das COACTIV-Modell auf drei unterschiedlichen Ebenen:

  1. Ebene: Aspekte professioneller Kompetenz. Hier werden die oben erwähnten vier Bereiche aufgeführt, die in ihrem Zusammenspiel professionelles Lehrer/-innenhandeln abbilden.

  2. Ebene: Kompetenzbereiche: Die COACTIV-Studie konkretisiert das Professionswissen in: Fachwissen, Fachdidaktisches Wissen, Pädagogisch-psychologisches Wissen sowie Organisations- und Beratungswissen, wobei die beiden letzteren nicht empirisch untersucht wurden.

  3. Ebene: Kompetenzfacetten: Auf dieser Ebene wird nochmals genauer erfasst, was unter Fachwissen, Fachdidaktischem Wissen und Pädagogisch-Psychologischem Wissen zu verstehen ist.

Abb.1. Das Kompetenzmodell von COACTIV mit Spezifikationen für das Professionswissen (in Anlehnung an Baumert & Kunter, 2011, S. 32)

3.3 Bestimmung des Professionswissens: Wissenstypen und Wissensrepräsentationen

Wiederum bedingt durch die zentrale Stellung, die dem Unterrichten im Professionshandeln von Lehrer/-innen zuerkannt wird, arbeitet das COACTIV-Modell besonders heraus, was unter dem sog. Professionswissen zu verstehen ist. Neben den schon oben genannten strukturbildenden Dimensionen/Kompetenzbereichen Fachwissen, Fachdidaktisches Wissen, Pädagogisch-psychologisches Wissen, Organisationswissen und Beratungswissen geht das COACTIV-Modell davon aus, dass diese Kompetenzbereiche als Wissensformen des Wissens und Könnens zu bestimmen sind. D.h., dass es sich bei diesen Dimensionen um Formen des sog. deklarativen, prozeduralen und strategischen Wissens handelt (Baumert u.a., 2011, S. 33). Damit wird deutlich, dass das Professionswissen von Lehrer/-innen nicht nur ein theoretisch-formales Wissen ist, das in semantischen Netzwerken repräsentiert wird, sondern auch „knowledge in action“ umfasst, also ein praktisch orientiertes Wissen meint, das den Handelnden erlaubt, eine Situation intuitiv richtig zu beurteilen und entsprechend zu handeln (ebd., S. 35).

Professionswissen ist mehr als theoretisch-formales Wissen – zum Theorie-Praxis-Konnex

Konkret heißt dies z.B., folgende Frage einer Schülerin nicht nur zu hören, sondern entsprechend der Unterrichtsdramaturgie, ihrer Dringlichkeit und (theologischen) Komplexität richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Die Schülerin äußerte sich so: „Aber wie ist' n das, wenn man sagt, Menschen erstehen wieder auf, oder wie das heißt – ähm – also, ich hab' jetzt meine Oma nicht mehr getroffen, seitdem die tot ist. Wie soll das jetzt … Weil das heißt doch immer, Jesus ist mir da begegnet und da. Aber ich lauf' jetzt meiner Oma nicht täglich über den Weg.“ (Schambeck, 2014, S. 71–84, hier: S. 76) In einer einzigen Wortmeldung wirft die Schülerin eine Vielzahl theologischer Fragen auf – wie: Was hat der Auferstehungsglaube mit der Verheißung zu tun, wichtige Menschen wiederzusehen? Wie hängt die Auferstehung Jesu mit dem Glauben an die Auferstehung von uns und von anderen zusammen? Gibt es eine Kontinuität zwischen dem Leben hier und dem Leben dort? Bin ich hier dieselbe wie dort, sind andere dort (auch körperlich) dieselben wie hier und kann ich sie (damit) wiedererkennen? Bedeutet Auferstehung eine Verlängerung des Diesseits im Jenseits? Meint die Auferstehung von den Toten, dass diese in unser Leben zurückkehren (der Oma begegnen) u.a.? Lehrer/-innenkompetenz beweist sich nicht nur daran, sowohl das situativ notwendige Fachwissen identifizieren und abrufen zu können, sondern auch situationsbezogen richtig zu entscheiden, was für den Unterrichtsverlauf und damit das Lerngeschehen in der konkreten Situation hilfreich ist und was nicht.

Warum erst die Verzahnung von Theorie und Praxis Studien- und Praktikumsphasen effektiv macht

Gerade diese Fähigkeiten, theoretisch-semantisches Wissen situationsbezogen abrufen, einbetten und auf seine Effektivität für den Unterrichtsverlauf hin ausloten zu können, sind Kompetenzen, die den engen Theorie-Praxis-Bezug des Professionshandelns von Lehrkräften widerspiegeln und insofern auch nicht lediglich theoretisch erworben werden können. Sie sind vielmehr auf konkrete Erprobungen in action angewiesen. Damit wird deutlich, dass die Bildung von Lehrkräften nicht nur als Aneignung von (fachdidaktischen, fachwissenschaftlichen, pädagogisch-psychologischen etc.) Konzepten zu modellieren ist. Die Professionalisierung von Lehrkräften braucht vielmehr auch die Einübung, Erprobung und Reflexion von Theorie-Praxis-Situationen.

Mit anderen Worten müssen in der Lehrer/-innenbildung Praxisphasen implementiert sein, in denen es möglich ist, zuvor erworbenes theoretisch-semantisches Wissen situationsbezogen anzuwenden und zugleich darauf zu reflektieren, was hier (nicht) gelang. Das heißt, dass Praxisphasen nur dann sinnvoll sind, wenn im Studienverlauf schon Konzepte angeeignet wurden, die dann in actu erprobt und reflektiert werden, um mit diesem angereicherten „praktischen Wissen“ weitere Theorie-Phasen durchlaufen und auf das Praxiswissen zurückzubeziehen. Praxisphasen unmittelbar nach der Schulzeit und noch vor dem Studium sind insofern ebenso ineffektiv wie Praxisphasen ganz am Ende des Studiums, in denen es nicht möglich ist, einen effektiven Theorie-und-Praxis-Konnex herzustellen.

Fachwissen und Fachdidaktisches Wissen als Kern des Professionswissens

Die graphische Darstellung des COACTIV-Modells suggeriert, dass auf der Ebene der Kompetenzbereiche jeder domänenspezifische Wissenstyp gleichwertig gegenüber dem anderen sei. Im Gegensatz dazu wird sowohl von pädagogisch-psychologischer Seite als auch COACTIV selbst ein besonderes Augenmerk auf die fachspezifischen Aspekte (also Fachwissenschaftliches und Fachdidaktisches Wissen) gelegt und der Kompetenz, Schüler/-innen im Unterricht kognitiv zu aktivieren und entsprechende Lernlandschaften zu kreieren, eine besondere Effizienz für gutes Unterrichten zuerkannt. Mit anderen Worten wird damit deutlich, dass das Fachdidaktische Wissen, das in engem Zusammenhang zum Fachwissen steht, als entscheidende Größe für die Lehrer/-innenkompetenz anzusehen ist.

Bezogenheit und Unterschiedenheit von Fachdidaktischem und Fachwissenschaftlichem Wissen

So sehr also Fachdidaktisches Wissen und Fachwissen einander bedingen, so geht das COACTIV-Modell in der Tradition von Shulman davon aus, dass Fachdidaktisches Wissen und Fachwissen zwei unterschiedliche Wissensbereiche je eigenen Rechts sind (vgl. etwa auch die Initiativen der KVFF bzw. GFD, Bayrhuber u.a., 2017, S. 13). COACTIV grenzt sich damit von der Michigan Arbeitsgruppe um Deborah Ball ab, die für das Fachdidaktische und das Fachwissenschaftliche Wissen nur einen Wissenskomplex, nämlich „mathematical knowledge of teaching“ annimmt (Krauss u.a., 2011, S. 135–161, hier: S. 147). COACTIV konnte diese Unterscheidung von Fachdidaktischem und Fachwissenschaftlichem Wissen auch empirisch nachweisen (Baumert & Kunter, 2011a, S. 163–192, hier: S. 184–186).[5] Zugleich wurde deutlich, dass im Bereich der Gymnasiallehrkräfte diese Unterscheidung eher weniger relevant ist als bei nichtgymnasialen. Die Autor/-innen der COACTIV-Studie interpretieren diesen Befund im Zuge der Expertisetheorie, d.h., dass bei spezialisierten Experten/-innen eine starke Vernetzung unterschiedlicher Wissensarten erforderlich ist (Krauss u.a., 2011, S. 148–149). Mit anderen Worten müssen Lehrkräfte dort, wo Wissen hochkomplex ist, auch in ihren Darstellungs- und Vermittlungsformen über hochkomplexe Fähigkeiten verfügen, um so beide Wissensformen möglichst gut miteinander zu verschränken. Damit aber ist aufgrund der Besonderheit theologischen und religionsdidaktischen Wissens Entscheidendes für die Ausbildung von Religionslehrkräften gesagt:

Spezialisiertes Expertenwissen in Theologie und Religionsdidaktik als schulartunabhängige Notwendigkeit

Bei der Bearbeitung theologischer Themen ist zu berücksichtigen, dass „Religion zu lernen“ in der Schule anders funktioniert als z.B. Mathematik bzw. Rechnen zu lernen. Das hängt mit den unterschiedlichen „Wissensstrukturen“ in den beiden Wissenschaftsdisziplinen zusammen. Für das mathematische Lernen in der Schule ist eine lineare Komplexitätssteigerung charakteristisch: also vom Einfacheren zum Komplexeren. Wer in der Grundschule unterrichtet, kann dies gut leisten, ohne ein Crack in Stochastik zu sein, auch wenn addieren und subtrahieren zu können in der beweisführenden Mathematik eine Rolle spielt. Im Religionsunterricht sieht dies anders aus. Die Gottesfrage mit Grundschulkindern zu verhandeln, ist vielleicht sogar noch anspruchsvoller als dies mit Schüler/-innen zu tun, die aufgrund ihrer kognitiven Entwicklungsstrukturen mit denkerischer Komplexität leichter umgehen können. Während mathematisches Lernen in der Schule eine lineare Komplexitätssteigerung kennzeichnet, ist für die Auseinandersetzung mit theologischen Themen eine „schon im Kern vorhandene Komplexität“ (Nukleus-Komplexität) charakteristisch (Schambeck, 2013a, S. 307–319, hier: S. 318).

Für Religionslehrkräfte heißt dies, sowohl in Bezug auf das Fachwissenschaftliche als auch Fachdidaktische Wissen höchst spezialisiert zu sein. Nur wer über eine entsprechende „Breite, Tiefe und Flexibilität“ (Baumert & Kunter, 2011a, S. 166) des (theologischen) Verständnisses verfügt, dem stehen auch entsprechende variantenreiche fachdidaktische Repräsentations- und Erklärungsmuster zur Verfügung. Und genauso sehr gilt, dass nur diejenigen Lehrkräfte produktive Unterrichtsdiskurse initiieren können, die die Konzepte und (Nicht-)Erfahrungen der Schüler/-innen zum verhandelten Unterrichtsthema kennen, und imstande sind, Lernwege so zu wählen, dass sie den Schüler/-innen und dem Inhalt gerecht werden, also über das entsprechende Fachdidaktische Wissen verfügen (ebd., S. 167). Für das Lehramt Grundschule mit dem Fach Religionslehre ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die fachwissenschaftlichen Studienanteile zu erhöhen, für das Lehramt Gymnasium die fachdidaktischen (Krauss u.a., 2011, S. 152).[6]

Da als ein Ergebnis von COACTIV deutlich wurde, dass die Art und Weise der Professionalisierung über das spätere Niveau des Professionswissens entscheidet (ebd., S. 152–153), muss sich die Organisation des Lehramtsstudiums für Religionslehrkräfte in dieser Hinsicht neu ausrichten. Dies gilt auch deshalb, weil eine Reihe von Studien zeigte, dass der Lernerfolg von Schüler/-innen in hohem Maß vom Professionswissen der Lehrkräfte abhängt (Baumert & Kunter, 2011a, S. 181). Also: je besser Lehrkräfte im Sinne des Fachwissens und Fachdidaktischen Wissens ausgebildet sind, desto wahrscheinlicher erteilen sie guten Unterricht, und desto eher werden Schüler/-innen erfolgreich lernen.

Insgesamt stellt sich also einmal mehr die Frage, wie der Konnex von Fachwissen und Fachdidaktischem Wissen zu verstehen ist, und wie dieses Zusammenspiel Einfluss nimmt auf den Erwerb des praktisch orientierten Wissens und schließlich die Bestimmung von Unterrichtsqualität.

Dazu gilt es im Folgenden zunächst zu beschreiben, was das COACTIV-Modell unter Fachwissen und Fachdidaktischem Wissen versteht, um so das doppelte Zusammenspiel (Fachwissen – Fachdidaktisches Wissen sowie Fachwissen/Fachdidaktisches Wissen – praktisch orientiertes Wissen) in religionsdidaktischer Absicht zu bestimmen. Dabei wird auch eruiert, wie Fachwissenschaftliches und Fachdidaktisches Wissen einen guten Unterricht bedingen.

3.4 Wie Fachwissen in COACTIV modelliert wird

Das COACTIV-Modell unterscheidet vier Formen – entsprechend der auf Mathematik-Lehrkräfte hin konzipierten Studie – des (mathematischen) Wissens: nämlich das (1) akademische Forschungswissen, (2) die sog. Schulmathematik, damit ist ein tiefes Verständnis der mathematischen Hintergründe der in der Schule unterrichteten Inhalte gemeint, (3) die Beherrschung des Schulstoffs entsprechend des Niveaus beim Verlassen der Schule und (4) das mathematische Alltagswissen von Erwachsenen, das auch nach Schulabgang noch zugänglich ist (Baumert & Kunter, 2011, S. 37; Krauss u.a., 2011, S. 142; Baumert & Kunter, 2011a, S. 169). Referenz für die Bestimmung des Fachwissens bei Lehrkräften ist die zweite Größe, nämlich die sog. Schulmathematik, die die tieferen Zusammenhänge kennt, in denen die einzelnen mathematischen Unterrichtsinhalte stehen.

Abb.2. Modellierung des Fachwissens in der COACTIV-Studie

Damit ist eine doppelte Bestimmung von Fachwissen vorgenommen worden: Zum einen wird das Fachwissen identifiziert mit einer Wissenslandschaft, die nicht unmittelbar in Unterrichtsthemen aufgeht, sondern diese erzeugt. Lehrkräfte müssen begründungs- und argumentationsfähig sein, warum bestimmte „facts“ so und nicht anders sind (Shulmann, 1986, S. 9).[7] Auf die Theologie als fachwissenschaftliche Bezugsdisziplin von Religionslehrkräften hin gelesen, heißt dies, z.B. bei Fragen um die Christologie, die Bedeutung und zentrale Stellung christologischer Fragestellungen für den christlichen Glauben zu kennen, um die Pluralität von Christologien zu wissen und je nach Unterrichtsthema die biblischen und theologiegeschichtlichen Gehalte in ihrer Kontextualität und bleibenden Aussagekraft für heute zu verstehen.

Zum anderen interessiert das Fachwissen im Unterschied zum akademischen Forschungswissen nur insofern, als es die Curricula prägt. Dies aber ist für die Bestimmung des theologischen Fachwissens nicht ausreichend. Wenn man sich vor Augen führt, dass z.B. in der Exegese historisch-kritische Verfahren längst mit semiotischen und rezeptionsästhetischen konkurrieren, diese in der schulischen Bearbeitung von biblischen Texten aber oft noch keine Rolle spielen, dann wird die Schwierigkeit dieser Verhältnisbestimmung deutlich. Indem das Fachwissen auf die Schulmathematik bzw. Schul-Religion eingegrenzt wird, riskiert man, auf die kritische Instanz zu verzichten, die das akademische Forschungswissen gegenüber der Schulmathematik bzw. Schul-Religion darstellt. Diese Schwierigkeit gilt es bei der Bestimmung des für Religionslehrkräfte relevanten Fachwissens auszuräumen.

3.5 Wie Fachdidaktisches Wissen in COACTIV modelliert wird

Wie oben schon deutlich wurde, zuerkennt das COACTIV-Modell dem Fachdidaktischen Wissen, entscheidend für Unterrichtsqualität zu sein und damit einen wichtigen Kompetenzbereich des Lehrberufs auszumachen. Fachdidaktisches Wissen wird als Wissensdomäne eigenen Rechts verstanden. Es umfasst das Wissen, das Schüler/-innen den Fachgegenstand, bei COACTIV eben die Mathematik, zugänglich macht (Baumert & Kunter, 2011a, S. 169).

Ausgehend von den Studien Lee S. Shulmans wird das Fachdidaktische Wissen in zwei Fähigkeiten differenziert: Zum einen umschreibt es die Fähigkeit, Wissensinhalte erklären und darstellen zu können (knowledge about instructional strategies nach Pam L. Grossmann, Instruktionsaspekt). Zum anderen umfasst es das Wissen über Vor- und Fehlkonzepte, die Schüler/-innen über einen bestimmten fachlichen Inhalt haben oder haben könnten (knowledge about students' unterstanding nach Pam L. Grossman, Schüleraspekt) (Shulman, 1986, S. 9–10). Insofern in der Mathematik die richtige Aufgabenstellung eine besondere Rolle spielt, ergänzt das COACTIV-Modell die beiden Kompetenzfacetten des Fachdidaktischen Wissens um das Wissen über das multiple Lösungspotenzial von Aufgaben.

Abb.3. Modellierung des Fachdidaktischen Wissens in der COACTIV-Studie

3.6 Wie Fachwissenschaftliches und Fachdidaktisches Wissen Unterrichtsqualität beeinflussen

Die Frage stellt sich nun, inwiefern Fachwissenschaftliches und/oder Fachdidaktisches Wissen die für die Unterrichtsqualität relevanten Dimensionen beeinflussen. Unterrichtsqualität wird aufbauend auf unterschiedlichen Forschungstraditionen in der COACTIV-Studie mittels dreier Instruktionsdimensionen bestimmt: nämlich (1) mittels des Vorhandenseins kognitiv herausfordernder und gut strukturierter Lerngelegenheiten (kognitive Aktivierung), (2) der Lernunterstützung durch sorgfältige Überwachung des Lernprozesses, individueller Rückmeldung und des adaptiven Unterrichtens (konstruktive Unterstützung) und (3) eines effektiven Klassen- und Zeitmanagements (Klassenführung) (Kunter & Voss, 2011, S. 85–113, hier: S. 87–90; Baumert & Kunter, 2011a, S. 170–171).

Die COACTIV-Studie konnte zeigen, dass das Professionswissen der Lehrkräfte entscheidenden Einfluss auf die Unterrichtsqualität nimmt. Insbesondere die kognitive Aktivierung und die Klassenführung sind für die Schüler/-innenleistungen entscheidend. Die konstruktive Unterstützung des Lernprozesses, die als fachspezifische und nicht nur sozialpädagogische Förderung skaliert war (Baumert & Kunter, 2011a, S. 182), gab zunächst wider Erwarten keinen signifikanten Einfluss zu erkennen (ebd., S. 181), im Zuge der vollständigen Überprüfung des Mediationsmodells aber schon (ebd., S. 182).

Da die Dimensionierung „Kognitive Aktivierung“ sowie „Konstruktive Unterstützung“ charakteristisch sind für das Fachdidaktische Wissen, wird deutlich, dass das Fachdidaktische Wissen einen noch unmittelbareren Einfluss auf die Unterrichtsqualität nimmt als das Fachwissenschaftliche Wissen – auch wenn das Fachdidaktische Wissen ohne substanzielles Fachwissenschaftliches Wissen undenkbar ist.[8]

Erst das Fachdidaktische Wissen ermöglicht, so die Schlussfolgerung, Unterricht so zu gestalten, dass Schüler/-innen kognitiv aktiviert werden (ebd., 182–183). Es ist der Kompetenzbereich mit der größten Effektstärke auf den Lernerfolg von Schüler/-innen. Bei schwächeren Schüler/-innen ist der Effekt fachdidaktischer Kompetenz von Lehrkräften sogar noch größer (ebd., S. 184). Will man also gerade für schwächere Schüler/-innen die Bildungschancen erhöhen, dann heißt dies, dass Anreize geschaffen werden müssen, die besonders professionellen Lehrkräfte bei leistungsschwächeren Schüler/-innen einzusetzen. Zugleich heißt dies nicht, dass Fachwissen für die Professionskompetenz unwichtig ist. Es ist vielmehr verstehbar als Rahmen und Raum, der die fachdidaktischen Variationsmöglichkeiten eröffnet bzw. begrenzt. Insofern gilt auch, dass Lücken im Fachwissen durch fachdidaktisches Wissen nicht aufgehoben werden können (ebd., S. 182–185).

4 Kompetenzbereich Fachdidaktisches Wissen als religionsbezogene Korrelationskompetenz

Bilanziert man die Konzeptualisierungen und Ergebnisse der COACTIV-Studie nun auf die Frage, was Religionslehrkräfte an religionsdidaktischem Wissen und Können aufweisen müssen, ergibt sich folgender Vorschlag: der Kompetenzbereich „Religionsdidaktisches Wissen“ lässt sich bestimmen als „religionsbezogene Korrelationskompetenz“.

Diese religionsdidaktische Übersetzung legt sich aus mehreren Gründen nahe:

(1) Erstens gehört es zum Proprium religiöser Lern- und Bildungsprozesse, theologische Themen (content knowledge) so für Schüler/-innen zugänglich zu machen, dass dadurch sowohl die kognitiven Konfigurationen aufseiten der Schüler/-innen weiterentwickelt werden (kognitive Korrelationsprozesse) als auch Anstöße gegeben werden, Schüler/-innen zu befähigen, die kennengelernten theologischen Deutepotenziale auf ihre eigenen Weltdeutungen hin existentiell auszuloten (existentielle Korrelationsprozesse).

(2) So wie in der COACTIV-Studie die Wissensfacette Repräsentationswissen und Erklärungswissen (Instruktionsaspekt) als relevant ausgewiesen wurde, so impliziert die religionsbezogene Korrelationskompetenz die Fähigkeit, religiöse Traditionen in ihrer Vielgestaltigkeit darstellen und bezogen auf die Lerner/-innen erklären zu können (knowledge about instructional strategies).

(3) Damit wurde schon deutlich, dass religionsbezogene Korrelationskompetenz maßgeblich – wie auch der Kompetenzbereich Fachdidaktisches Wissen in der COACTIV-Studie – vom Wissen über die (Fehl-)Konzepte von Schüler/-innen über fachwissenschaftliche Inhalte bedingt wird. Zudem – und in diesem Punkt geht die religionsdidaktische Übersetzung über COACTIV hinaus – ist es aufgrund des Lerngegenstands Religion, der als Diskurssystem und Lebensüberzeugung zu verstehen ist, auch entscheidend, die religiösen (Nicht-)Erfahrungen in Unterrichtsprozessen zur Geltung kommen zu lassen und sie als Religionslehrkraft zu kennen (knowledge about students' understanding and experiences).

(4) Viertens schließlich stellt sich die Frage, ob die Wissensfacette „Aufgaben“ (vgl. 3.5) im Grunde mit der fachdidaktischen Herausforderung in eins gelesen werden kann, „Lernformate“ so zu finden und zu inszenieren, dass Inhalte Schüler/-innen zugänglich gemacht werden. Zumindest ergibt sich diese Lesart aus der in der COACTIV-Studie vorgenommenen Umschreibung der Kompetenzfacette „Aufgaben“ und den entsprechenden Vorgängerstudien (ebd., S. 169). Mit „Aufgaben“ ist nämlich nicht nur das didaktische Potenzial der Aufgaben gemeint, sondern auch, welche kognitiven Aktivierungen mit den Aufgaben verbunden sind, wie Aufgaben didaktisch zu sequenzieren und Stoffe langfristig curricular anzuordnen sind (Baumert & Kunter, 2011, S. 37). Für das religionsdidaktische Wissen heißt dies, dass Religionslehrkräfte über das Wissen und Können verfügen müssen, Lernformate so auszuwählen, dass kognitive und existentielle Korrelationsprozesse eröffnet werden und Schüler/-innen die Möglichkeit haben, theologische Deutungen zu kennen, zu verstehen und auf ihre Lebensrelevanz hin beurteilen zu können sowie, wenn sie das wollen, diese Deutungen auch für ihre eigene Lebensvorstellung und -gestaltung gelten zu lassen (knowledge about opening, accompanying and evaluating cognitive and existential correlations between subject and student based on knowledge about instruments of learning opportunities) (Schambeck, 2015, S. 67–89, hier: S. 84–85).

Für die Konzeptualisierung religionsdidaktischen Wissens als religionsbezogene Korrelationskompetenz ergibt sich damit insgesamt die Bestimmung als:

  • knowledge about instructional strategies (Repräsentations- und Erklärungswissen), das auf konkrete fachwissenschaftliche Inhalte abhebt (content knowledge);

  • knowledge about students' understanding and experiences (Wissen über (Fehl-)Konzepte von Schüler/-innen über fachwissenschaftliche Inhalte und (religiöse) (Nicht-)Erfahrungen von Schüler/-innen);

  • knowledge about opening, accompanying and evaluating cognitive and existential correlations between subject and student based on knowledge about instruments of learning opportunities (kognitive und existentielle Korrelationsprozesse eröffnen, begleiten und evaluieren können mittels eines Wissens über die Bandbreite didaktischer Inszenierungsmuster).

Abb.4. Modellierung der Religionsbezogenen Korrelationskompetenz

Nun ist Theologie anders als Mathematik nicht nur ein Diskurssystem, das lediglich durch logischen Fortschritt weiterentwickelt wird. Theologie bleibt als Diskurssystem hohl, wenn es nicht auch für Menschen lebensrelevant wird, und das heißt Lebensüberzeugungen prägt. Damit aber wird das Fachdidaktische Wissen nicht nur zum Wissen, Inhalte für die Schüler/-innen zu erschließen, sondern auch die umgekehrte Richtung zu beschreiten und Schüler/-innenkonzepte für die Theologie fruchtbar zu machen.

Wissenschaftstheoretisch wird die Fachdidaktik dann in der Theologie zu einer der Disziplinen, die die religiösen Artikulationen der Menschen in das theologische Diskurssystem einbringt und dorthin zurückkoppelt, so dass theologische Aussagen mittels der religiösen Artikulationen, (Nicht-)Erfahrungen und Konzepte der Schüler/-innen affirmiert, weiterentwickelt oder auch korrigiert werden. Auch dieses Vermögen macht dann in einem weiteren Verständnis, das über den Schulkontext hinausgeht, fachdidaktische Expertise aus (knowledge about reformulating theology by learners' conceptions and experiences).

5 Fachdidaktisches und Fachwissenschaftliches Wissen – Religionsbezogene Korrelationskompetenz und Theologie

Allein durch die Bestimmung der religionsbezogenen Korrelationskompetenz, die das content knowledge umfasst, wird die schon in der COACTIV-Studie empirisch validierte substanzielle Bezogenheit von Fachwissenschaftlichem und Fachdidaktischem Wissen eingeholt. Auch diejenige Lehrkraft, die noch so gut über Schülerkognitionen und (Nicht-)Erfahrungen Bescheid weiß und über eine Vielzahl und Variationsbreite von didaktischen Inszenierungsmustern verfügt, braucht ein gesättigtes Fachwissen, um Inhalte angemessen darstellen und erklären zu können.

Für die Verhältnisbestimmung von religionsbezogener Korrelationskompetenz (Fachdidaktisches Wissen) und Theologie (Fachwissen) differenziert sich diese unmittelbare Verwiesenheit der beiden Wissensdomänen aber noch weiter, nämlich in zweifacher Hinsicht:

(1) Wie oben schon herausgearbeitet wurde, unterscheidet sich die Komplexitätsstruktur theologischen Wissens vom z.B. mathematischen Lernen in der Schule, insofern sie nicht linear verläuft, sondern eine Nukleus-Komplexität ausmacht. Theologische Themen umfassen zwar auch facts, von denen die einen einfacher zu verstehen sind als andere, aber mit den facts ist das theologische Verstehen noch nicht eingeholt. Zu wissen, dass Jesus vermutlich zwischen 7 und 4 v.Chr. geboren wurde, verdeutlicht noch nicht, was es bedeutet, an einen Gott zu glauben, der sich in die menschliche Geschichte eingeschrieben hat, fassbar und greifbar Mensch geworden ist. Historisches Wissen ist eben noch nicht theologisches. Die Nukleus-Komplexität von Theologie konkretisiert sich aber nicht nur in Form des intellektuellen Komplexitätsgrades der Themen, wie sie auf die Curricula der Schulstufen und Schularten verteilt sind, sondern zeigt sich auch als Zusammenhang, insofern in der Theologie alle Themen miteinander verwoben sind. Christologie nicht zu studieren, sondern sich nur mit der Gotteslehre zu befassen, ist theologisch genauso widersinnig, wie sich lediglich mit der Gotteslehre auseinanderzusetzen. Anthropologie und Eschatologie hängen genauso zusammen wie Gnadenlehre und Pneumatologie, die wiederum nicht jenseits der Gotteslehre und Christologie verhandelt werden kann. Religionslehrkräfte brauchen deshalb für ihr Professionswissen ein Fachwissen, das sich nicht auf eine bestimmte Themenauswahl beschränkt, sondern die Inhalte in der ihnen eigenen Komplexitätsstruktur abbildet.

(2) Damit ist auch die zweite Differenzierung des Fachwissens für Religionslehrkräfte angesprochen. Während es verständlich ist, dass sich das Fachwissen bei Mathematiklehrer/-innen auf die Schulmathematik konzentriert und den Konnex mit dem Forschungswissen lediglich mittelbar denkt, ist dies bei Theologie und Religionslehrkräften anders. Das hat zum einen wieder mit der unterschiedlichen Komplexitätsstruktur theologischer Themen (auch in der Schule) zu tun. Zum anderen ist Theologie nie nur Diskurssystem, sondern Reflexion von Glaubensüberzeugungen und stellt erst in dieser Doppelstruktur den Lerngegenstand dar. Konnte beispielsweise Anselms Satisfaktionstheorie in ihrer Zeit die Bedeutung des Kreuzestodes des Gottessohnes verständlich machen, so ist dieses Modell heute eher missverständlich denn zugänglich, was unmittelbare Rückwirkungen auf die fachwissenschaftliche Expertise der Religionslehrkräfte haben muss. Das Nachdenken über Heil und was Erlösung bedeutet, kann sich dann nicht mehr mit diesem historischen Modell zufriedengeben, sondern muss nach ausdrucksstärkeren Konzepten suchen.

Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass das Fachwissen als Bezugsgröße des Professionswissens von Religionslehrkräften in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem akademischen Forschungswissen (vgl. auch Fricke, 2017, S. 306) zu sehen ist und sich nicht nur darauf beschränken darf, die theologischen Hintergründe und Zusammenhänge der behandelten Unterrichtsthemen zu kennen.

Abb.5. Modellierung des theologischen Fachwissens

Zugleich bedeutet diese enge Verschränkung von Fachwissen und religionsbezogener Korrelationskompetenz, dass es höchste Zeit ist, eine „korrelative Theologie und korrelativ-inhaltsbezogene Didaktik“ auszuarbeiten, die schon in sich die wechselseitige und kritische Bezogenheit auf die Konzepte und Erfahrungen der Subjekte abbildet. Dass diese immer noch ein Desiderat ist und nicht längst die Theologie insgesamt wie auch die Curricula der Lehramtsstudiengänge dominiert, mag angesichts der Erkenntnisse aus der Bildungsforschung noch mehr erstaunen.

Die Professionalisierung von Religionslehrkräften, wie sie im Studium und den anschließenden Ausbildungsphasen intendiert ist, könnte mittels der vorgeschlagenen Operationalisierung des Fachdidaktischen Wissens als „religionsbezogene Korrelationskompetenz“ zumindest genauer justiert werden. Die Studienreformen von heute könnten diesbezüglich auch eine Chance sein.

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Prof. Dr. Mirjam Schambeck sf, seit 2012 Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Freiburg, zuvor an den Universitäten Bamberg (2006–2011) und Bochum (2011–2012); Forschungsschwerpunkte: Interreligiöse Kompetenz, Kommunikation der Gottesfrage in der Postmoderne, Bibeldidaktik postmodern gewendet, zum Verhältnis von Religion und Bildung, Zukunftsgestalt des Religionsunterrichts.

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  1. Zu einer Systematisierung der religionspädagogischen Professionalisierungsforschungen: Schambeck, 2013, S. 71 –112, hier: S. 88–96.

  2. Starker Rekurs auf die Konzeptualisierung von Heinrich Roth bei Englert u.a., 2006, S. 18–21; Mit empirischer Validierung: Heil, 2006.

  3. Anders, nämlich am Habitusmodell orientiert: Heil & Riegger, 2017; Heil & Riegger , 2018.

  4. Z.B. die Expertise-Forschung oder die psychologischen Forschungstraditionen (Baumert & Kunter, 2011, S. 29–53, hier: S. 45–47).

  5. Im Anschluss an COACTIV konnte diese Unterschiedenheit nun auch empirisch für Religionslehrer/-innenkompetenzen durch FALKO-R nachgewiesen werden: Vgl. Fricke. 2017, S. 328–329.

  6. Für die Professionalität von Lehrkräften ist insbesondere die Wissensfacette Erklären und Repräsentieren ausschlaggebend, insofern hier das Wissen über Schülerkognitionen und das Wissen über Inhalte kombiniert wird (ebd., S. 156–157).

  7. Shulman differenziert zwischen substantive structure einer Wissensdisziplin und syntactic structure.

  8. Jürgen Baumert und Mareike Kunter formulieren dazu: „Domänenspezifisches Professionswissen scheint also eine zentrale Bedeutung für den Leistungsfortschritt von Schülerinnen und Schüler [sic!] zu haben. Der Zusammenhang zwischen fachdidaktischem Wissen und Mathematikleistung ist linear.“ (ebd., S. 181)