1 Religionspädagogik und Religionsdidaktik

Den Auftakt zu dieser neuerlichen Tour d´Horizont über aktuelle interessante Neuerscheinungen bildet der in der bewährten Reihe „Religionspädagogik innovativ“ im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-036160-7) erschienene eindrucksvolle Grundlagenband Religion – Religiosität – Religionskultur. Ein Grundriss religiöser Bildung in der Schule von Ulrich Kropač unter Mitarbeit von Klaus König. Der Verfasser beschreibt in der Einleitung präzise das Ziel seines Ansatzes: „Ziel des vorliegenden Buches ist es – in aller Kürze gesagt –, einen Begriff von religiöser Bildung am Lernort Schule zu entwickeln. ,Religiöse Bildung' ist für die katholische Religionspädagogik seit etwa dreißig Jahren ein unverzichtbarer Topos, der in der einschlägigen Literatur dem Begriff und der Sache nach in hohem Maße präsent ist. Anders aber als in der evangelischen Religionspädagogik finden sich in der katholischen kaum Versuche, einen Begriff von religiöser Bildung systematisch – und auch monographisch – zu erarbeiten. In diese Lücke stößt der vorliegende Entwurf. Diese Zielsetzung eröffnet ein weites, anspruchsvolles Feld, das aber zielführend nur dann bearbeitet werden kann, wenn es eingegrenzt wird. So verzichtet das Buch bewusst darauf, unmittelbar in die Unterrichtspraxis vorzustoßen. Wichtige religionspädagogische Fragestellungen, die damit verknüpft sind, wie z. B. religionsdidaktische Prinzipien, Inhaltsbereiche religiösen Lernens oder Planung und Gestaltung von Religionsunterricht werden nicht thematisiert. Die Absicht des Buches ist eine andere: Ihm geht es darum, grundlegend zu entfalten, was unter religiöser Bildung in der staatlichen Schule heute zu verstehen ist, welches Proprium ihr zukommt, in welcher Weise sie mit dem gegenwärtigen Bildungsdiskurs verwoben ist, wie sie angesichts eines wachsenden Anteils von religionsskeptischen und konfessionslosen Menschen plausibilisiert werden kann und durch welche grundlegenden Inhalte, Kompetenzen sowie Organisationsformen sie sich auszeichnen sollte.“ (13) Der Autor führt sodann zurecht aus: „,Religion‘ und ,Bildung’ sind Vokabeln, die im allgemeinen Sprachgebrauch eine ausgedehnte, unscharfe, bisweilen verwirrende Bedeutungsaura umgibt. Aber auch in fachwissenschaftlichen Diskursen sind die beiden Termini nicht leicht zu fassen. Beide führen ein gewichtiges historisches Erbe mit sich, das zahlreiche Facetten kennt, die sich nicht auf einen Nenner bringen lassen. Diskussionen in der jüngeren Gegenwart haben ebenso wenig konsensfähige Resultate erbracht. Mehr noch als für ,Bildung‘ trifft dies auf ,Religion‘ zu. Hier ist eine breit geteilte wissenschaftliche Definition nicht in Sicht. Wer sich der Aufgabe stellt, einen Begriff von religiöser Bildung vorzulegen, muss also Entscheidungen treffen. Er hat die Begriffsgeschichte und die aktuell laufenden Diskussionen um ,Religion‘ und ,Bildung‘, aber auch damit zusammenhängender Termini wie ,Religiosität‘ und ,Religionskultur‘, zu sichten, markante Positionen zu rekonstruieren und zu gewichten, um schließlich zu einem eigenen Standpunkt zu gelangen, der argumentativ ausgewiesen werden kann. Diesen Herausforderungen stellt sich das Buch.“ (ebd.) Mit Blick auf den Fokus Religionsunterricht und dessen Profilierung ist dies dem Verfasser umfassend gelungen!

Jochen Sautermeister und Elisabeth Zwick sind die verantwortlichen Herausgebenden der im Verlag Ferdinand Schöningh (ISBN 506-78595-4) veröffentlichten Diskurse aus historischer, systematischer und praktischer Sicht zu dem Thema Religion und Bildung: Antipoden oder Weggefährten? Sie beschreiben zunächst luzide den Status quo des spannenden und spannungsvollen Verhältnisses zwischen den beiden Begriffen: „Ob man die mit dem Schlagwort des ‚katholischen Mädchens vom Lande’ suggerierte Bildungsferne religiöser Schichten betrachtet oder die ungeachtet seiner staatsrechtlichen Verortung im Grundgesetz gemäß Artikel 7 Absatz 3 immer wieder diskutierte Frage nach der Legitimität des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen, offen bleibt, welches Verständnis von Religion zugrunde gelegt und wie im Zuge dessen das Verhältnis  von  Religion  und Bildung jeweils gedacht wird. Ist Religion ein Sektor des Lebens neben vielen anderen, ein dem Privaten und Gefühlhaften zuzuordnender, irrationaler und gesellschaftlich irrelevanter Bereich, der als Teilzeitbeschäftigung des traditionsverhafteten Bürgertums zwar noch Elemente eines Bildungsgutes an sich trägt, in sich jedoch für Bildung als dem mit Vernunft assoziierten Element wenn nicht hinderlich, so doch zumindest überflüssig ist? Dass diese Betrachtungsweise obsolet geworden ist oder zumindest der Ergänzung bedarf, zeigen jedoch nicht nur aktuelle Konfliktfelder. Gerade in Folge der sozialen und politischen Wirkmächtigkeit religiöser Überzeugungen ist Religion vielmehr als ein Faktor gesellschaftlicher Realität zu erachten, die mitunter mit dem Anspruch verbunden wird, sämtliche Lebensbereiche bis hinein in den öffentlichen Raum sowie Recht und Politik zu bestimmen. Religion tritt so als ambivalentes Phänomen in Erscheinung, das für persönliches und soziales Gelingen wie auch für Verantwortungsübernahme und moralische Bildung eine Ressource, zugleich aber auch eine Quelle von Gewalt, Diskriminierung und seelischer Verletzung darstellen kann. Wirkmächtigkeit wie aber auch Konflikthaftigkeit religiöser Überzeugungen erfordern es daher, das Verhältnis von Religion und Bildung unter den je gegebenen Bedingungen neu zu reflektieren. Setzt Religion nicht gerade Bildung voraus, wenn sie sich nicht in der Religionisierung psychischer, sozialer und politischer Probleme erschöpfen will bzw. soll? Wenn sie jedoch Bildung voraussetzt: Um welche Form von Bildung handelt es sich? Genügt eine wie auch immer verstandene Allgemeinbildung zu einem adäquaten Umgang mit Religion oder ist hierbei ein umfassender Bildungsbegriff heranzuziehen und eine umfassende Bildungspraxis erforderlich, die rein kognitive, ästhetische, emotionale oder spirituelle Aspekte nochmals in sich aufzuheben vermögen?“ (9) Sodann erfolgt ein kurzer Überblick über den Inhalt des ertragreichen Buches: „Der vorliegende Band wendet sich dem Themenfeld Religion und Bildung aus verschiedenen Blickwinkeln zu. In Folge der für den europäischen Kulturkreis charakteristischen inneren Vernetzung von Religions- und Bildungsgeschichte werden aus geschichtlicher Perspektive Facetten der Begegnung und Verschränkung von Religion und Bildung in verschiedenen Ausprägungen und Gestalten betrachtet. Aufgrund seiner Wirkmächtigkeit für den europäischen Kulturkreis steht dabei das okzidentale Christentum im Fokus der historischen Analysen, wobei auch dessen biblische Grundlagen und Perspektiven aus exegetischer Sicht reflektiert werden. Das okzidentale Christentum steht auch im Zentrum systematischer Analysen, die das Verhältnis von Religion und Bildung aus bildungstheoretischer, philosophischer, theologischer und ethischer Perspektive reflektieren. In Anbetracht von Migrations- und Globalisierungsprozessen sowie der gesellschaftlichen und politischen Wirkmächtigkeit der Religionen sind aber auch Analysen zum Verständnis des Verhältnisses von Religion und Bildung in Judentum und Islam im europäischen Kulturkreis neben dem Christentum angezeigt. In welcher Form das Themenfeld Religion und Bildung wiederum pädagogische und psychologische Relevanz aufweist, verdeutlichen verschiedene Beiträge aus einer Praxis-orientierten Perspektive.“ (ebd.) Zur letzteren trägt vor allem auch der wichtige Beitrag „Religiöse Bildung – Fundamentalismusprophylaxe?“ von Bernhard Dressler bei (375–391).

Religionsdidaktik lautet das in der bewährten Reihe „Grundwissen Theologie“ im Verlag Ferdinand Schöningh (ISBN8252-4935-9) als UTB erschienene, ökumenisch ausgerichtete Buch von Jan Woppowa, dessen Ziel es ist, „durch theoretische Grundlegungen und entsprechende Denkimpulse einen Beitrag zum Aufbau religionsdidaktischer Reflexionsfähigkeit zu leisten. Reflexionsfähigkeit ist notwendig zur Planung, Durchführung und Beurteilung religiöser Lernprozesse, insbesondere im schulischen Religionsunterricht (RU)und gilt als Schlüsselkompetenz eines professionellen religionspädagogischen Habitus. Im Habitus eines Menschen manifestieren sich seine inneren Dispositionen, die ihn handlungsfähig machen, in einer nach außen sichtbaren Gestalt von Eigenschaften und realisierten Handlungen. Im professionellen Habitus von Religionslehrer*innen wird ständig zwischen Innen- und Außenseite ausbalanciert, also bspw. zwischen Fachwissen oder biographischen Erfahrungen einerseits und unterrichtlichem Handeln oder religionsdidaktischen Problemlösungen andererseits. Die Fähigkeit zur Reflexion gilt dabei insofern als eine Schlüsselkompetenz, als sie Voraussetzung dafür ist, eine bestimmte empirische Situation (Erfahrung, Problemstellung) mittels eines zugrunde liegenden fachwissenschaftlichen bzw. fachdidaktischen Repertoires deuten zu können. Auf diese Weise entsteht reflektierte Praxis, aus der wiederum veränderte Praxis hervorgehen kann. Religionsdidaktische Reflexionsfähigkeit ist zentraler Bestandteil einer umfassenden religionspädagogischen Kompetenz. Lehrende, die als Experten diese Kompetenz ausgebildet haben und anwenden können, kann man daher als reflektierende Praktiker bezeichnen. Sich auf diesen persönlichen professionsbezogenen und biographischen Lernprozess einzulassen, auch und besonders im Zusammenhang mit Praxisphasen bzw. einem an vielen Hochschulstandorten eingeführten Praxissemester in der Schule, dazu möchte diese Einführung motivieren.“ (13f.) Der Autor versteht Religionsdidaktik als „eine Teildisziplin der Religionspädagogik, die als übergreifende wissenschaftliche Theorie der Reflexion religiöser Lern- und Bildungsprozesse und der hiermit verbundenen Faktoren und Bedingungen verstanden werden kann. Das Kompositum aus Religion und Pädagogik macht bereits darauf aufmerksam, dass ihr Ziel nicht einfach die Vermittlung einer vorgegebenen Glaubensgestalt im Sinne einer Anwendungswissenschaft ist, sondern vielmehr in einer Förderung der religiösen Selbstbestimmung (Bildung und Subjektwerdung) des Menschen liegt. Als praktisch-theologische Handlungswissenschaft bezieht sich die Religionspädagogik dabei auf verschiedene Lernorte und Handlungsfelder in Familie und Elementarbereich, Gemeinde (Sakramenten-/Erwachsenenkatechese, Liturgie und Gottesdienst u. a.), Schule (RU, Schulpastoral) und Gesellschaft (Erwachsenenbildung, kirchliche Jugendarbeit u. a.).“ (19) Ein idealer Begleiter für alle Lehramtsstudierenden der Theologie aller Schulformen!

Manfred Riegger veröffentlichte im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-034958-2) in der bewährten Reihe „Religionspädagogik innovativ“ den spannenden Band Handlungsorientierte Religionsdidaktik. Teil 1: Haltungen, Wirkungen, Kommunikation. In seiner Einleitung schreibt der Autor: „Um unterrichtliches Handeln planen und gestalten zu können, dabei aber unnötige Irr-, Ab- und Holzwege im Unterricht zu vermeiden, sind vielfältige Kenntnisse nötig, die in diesem Buch thematisiert werden. Grundsätzlich sind dabei zwei Arten des Wissens zu unterscheiden: Einmal gibt es theoretisches Wissen, das man gelernt hat, welches sich aber nicht aktivieren lässt, wenn man es braucht. Seit Whitehead (1929) wird dieses Phänomen als träges Wissen (engl. ‚inert knowledge’) bezeichnet. Ich versuche mit Ihnen einen anderen Weg einzuschlagen. Mit diesem Buch soll anwendbaren Wissens erworben werden. Dabei darf man sich Wissen nicht als Substanz im Kopf vorstellen. Es entsteht vielmehr in der Koordination zwischen einer Person und einer Situation. Daher biete ich theoretisches Wissen handlungsorientiert, erfahrungsgebunden und situationsspezifisch an, damit es in der Praxis handelnd umgesetzt werden kann. Regeln, Prinzipien, Unterrichtsmethoden usw. werden mit Situationen aus der Praxis verknüpft, offen für persönliche, erfahrungsbezogene Reflexion. Dadurch wird zu eigenem Handeln reflexiv beigetragen – ohne simple Rezeptologie! Das reflexive Handeln wird durch spezifische Aufgabenangebote auf unterschiedlichen Ebenen angeregt.“ (8) Es werden in drei Kapiteln folgende Themen bearbeitet: „Was ist handlungs- und wirkungsorientierte Religionsdidaktik? Wie ist die Unterrichtsdramaturgie zu gestalten? Was versteht man unter Sozialformen und wie gestaltet man sie? Einzelne Inhalte können hier nur angedeutet werden: Neben Begriffserklärungen wird Korrelieren, Unterrichtsplanung und -vorbereitung sowie Evaluation handlungsleitend erörtert. Als phasenübergreifende Prinzipien werden erläutert: Atmosphäre, Motivation, Denkfähigkeit der Lernenden, schulbezogene Theologie und Feedback. Der zeitliche Aufbau von Unterricht wird anhand folgender Phasen beispielhaft dargestellt: Vorbereitung, Einstieg, Ziele bzw. Kompetenzerwartungen, Erarbeitung, Verarbeitung und Ausstieg. Mit Hilfe von unterschiedlichen Perspektiven werden Ziele, Kompetenzen, Anforderungssituationen und Lernaufgaben konkretisiert. Sozialformen wie Frontalunterricht, Gruppenunterricht, Partnerarbeit, Einzelarbeit ermöglichen das soziale und kooperative Miteinander im Unterricht.“ (9) Es gelingt dem Band sehr gut, aus verschiedenen Perspektiven Ziele, Kompetenzen, Anforderungssituationen und Lernaufgaben nachvollziehbar zu veranschaulichen, um Lesende in Wahrnehmung und Evaluation zu schulen!

Die Begriffsentwicklung des Elementarisierungsprojektes zeichnet Gerhard Büttnerin seinem im Calwer Verlag (ISBN 7668-4492-79) erschienenen verdienstvollen Buch Elementarisierung im Religionsunterricht nach. In der Einleitung schreibt er: „Ich beginne dabei mit grundlegenden Überlegungen darüber, in welchem Sinne es denn überhaupt möglich ist, vom Elementaren oder Exemplarischen zu sprechen. Danach spüre ich der Argumentation von Wolfgang Klafki in dieser Frage nach. Schließlich mache ich deutlich, wie tastend die Konzeptentwicklung bei Karl Ernst Nipkow verläuft und welche Metamorphosen die Teilbegriffe dabei durchmachen. Folgt man den Weiterentwicklungen Friedrich Schweitzers, stößt man auf einen ähnlichen Befund. Hier wird besonders deutlich, wie sehr das Projekt von der Einbeziehung empirischen Materials profitiert. Dies provoziert natürlich dazu, mit zusätzlichen empirischen Befunden – besonders aus dem Bereich der Kindertheologie – selbst nochmals neue Akzente zu setzen. Dabei erscheint es mir besonders hilfreich, nicht nur auf die pädagogischen Absichten zu schauen, sondern auf die Praktiken, die in starkem Maße den Unterricht bestimmen.“ (13) Bis in die Unterrichtspraxis hinein werden anhand klassischer Themen wie „Mose“ oder „Sturmstillung“ die Prinzipien des bewährten Elementarisierungsmodells vorgestellt! Kongenial passt dazu die Lektüre der Neuerscheinung Elementarisierung 2.0 – Religionsunterricht vorbereiten nach dem Elementarisierungsmodell von Friedrich Schweitzer, Sara Haen und Evelyn Krimmer, die im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (ISBN 525-70266-6) erfolgte. In der Einleitung heißt es zum Selbstverständnis dieses Bandes: „Dieses Buch trägt den Titel ‚Elementarisierung 2.0‘. Damit ist kein spezieller Bezug auf die Digitalisierung gemeint, sondern es soll zum Ausdruck gebracht werden, wie sich dieser Band zur bisherigen Elementarisierungsdiskussion verhält. Zum einen wird der Elementarisierungsansatz ganz allgemein auf dem neuesten Stand seiner Entwicklung dargeboten. Zum anderen geht es um eine Reihe wichtiger Neuerungen, die im vorliegenden Band in zusammenhängender Weise aufgenommen werden:

  • Von Anfang an lebte und lebt der Elementarisierungsansatz von einer konsequenten Berücksichtigung der Kinder- und Jugendforschung, insbesondere im Blick auf die religiöse Entwicklung im Kindes- und Jugendalter. Heute sind dazu neue Befunde und Sichtweisen verfügbar, die nun in den Elementarisierungsansatz integriert werden. 

  • Schon früh wurde zudem der Versuch unternommen, den Elementarisierungsansatz durch empirische Unterrichtsforschung zu stützen und weiterzuentwickeln. Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten ganz allgemein in Gang gekommene empirische Bildungsforschung bietet dazu neue Impulse, die nicht zuletzt in Gestalt einer empirisch-fachdidaktischen bzw. religionsdidaktischen Unterrichtsforschung rezipiert werden. Auch darauf ist der hier dargestellte Elementarisierungsansatz von Anfang an eingestellt.

    • Die mit der empirischen Bildungsforschung verbundene Kompetenzorientierung von Unterricht, die inzwischen für alle Bildungspläne in Deutschland kennzeichnend ist, muss auch bei der Planung von Unterricht berücksichtigt werden. In der vorliegenden Darstellung wird Unterricht nach dem Elementarisierungsmodell als Weg zum Kompetenzerwerb verstanden.

    • Bezog sich der Elementarisierungsansatz ursprünglich vor allem auf biblische Themen, so ist schon seit einiger Zeit die Ausweitung dieses Ansatzes zu einem allgemeinen religionsdidaktischen Modell bestimmend, das nicht nur für bestimmte Themenbereiche gelten soll. Dieser Weg wird im vorliegenden Band konsequent weiterverfolgt, indem ein breiter Umkreis thematischer Beispiele zu verschiedenen Schulstufen berücksichtigt wird – biblische Themen, geschichtliche Themen, ethische Themen, interreligiöse Themen.

    • Über frühere Darstellungen hinaus wird der Elementarisierungsansatz im Folgenden auch ausdrücklich auf die Aufgabe der Artikulation von Unterricht bezogen. Das macht ihn im Blick auf die Vorbereitung von Religionsunterricht noch besser handhabbar. - Spezielle Hinweise für Einsteigerinnen und Einsteiger, die noch wenig Erfahrung mit der Vorbereitung von Unterricht haben, sollen das Arbeiten mit dem Elementarisierungsansatz weiter erleichtern.“ (8f.)

Ein wertvoller Leitfaden und ein verheißungsvoller Schritt hin zur Sicherung „guten Religionsunterrichts“!


Die im Verlag Mohr Siebeck (ISBN 16-156324-9) erschienene vorzügliche Göttinger Dissertation Religion inszenieren. Ansätze und Perspektiven performativer Religionsdidaktik von Florian Dinger widmet sich der kritischen Erarbeitung möglichst der ganzen Breite performativ-didaktischer Ansätze und der Berücksichtigung auch derer interdisziplinären wie historischen Interdependenzen. Besonders wichtig erscheint dem Verfasser die Frage nach dem handlungsorientierenden Impuls dieser „neuen" Didaktik, also ihrem Beitrag zur möglichen Beförderung religiöser Bildungspraxis an den verschiedenen Lernorten. Den Aufbau seiner ertragreichen Studie beschreibt er wie folgt: „Zuerst erfolgt eine theoretische Fundierung performativer Religionsdidaktik in religionspädagogisch-systematischer Perspektive (§1). In diesem Teil der Untersuchung werden zuerst einige grundsätzliche Vorklärungen zum Begriff des ‚Performativen’ vorgenommen. Daraufhin wird eine repräsentative Auswahl performativ-didaktischer Einzelentwürfe als unterschiedliche ‚Spielarten performativer Religionsdidaktik’ dargestellt. Ausgewählt wurden acht performative Ansätze, die sich entweder aus heutiger Sicht im entsprechenden Fachdiskurs als besonders einflussreich erwiesen haben, und/oder besondere Differenzierungen performativer Didaktik erkennen lassen. Hierbei wird jeder der eigens untersuchten Ansätze wiederum mithilfe von vier Kategorien untersucht, die das Verständnis von performativer Religionsdidaktik präzisieren helfen. Dies sind (1) die jeweils zugrunde gelegte Situationsanalyse, (2) die zentral berücksichtigten Begründungstraditionen, (3) die entwickelten didaktischen Theoriegebäude sowie (4) die darin konkret angestrebten methodischen Konsequenzen. An dieser Stelle wird angestrebt, die Vielzahl an vorliegenden Veröffentlichungen möglichst umfassend zu berücksichtigen. Dabei werden teilweise sehr unterschiedliche Vorstellungen performativer Religionsdidaktik Kontur gewinnen. Deshalb wird die systematische Analyse den umfangreichsten Teil dieser Untersuchung ausmachen. Der zweite Untersuchungsschritt setzt in religionspädagogisch-vergleichender Perspektive die in §1 dargestellten Entwürfe zu vergleichbaren performativen Aufbrüchen in der Didaktik benachbarter Fächer in Beziehung (§2). Das die Untersuchung in diesem Abschnitt leitende Forschungsanliegen besteht darin, interdisziplinäre und fächerübergreifende Überschneidungen, Interdependenzen und nicht zuletzt Differenzen aufzuzeigen, welche die inzwischen entstandenen Konturen performativer Religionsdidaktik mit geprägt haben könnten. Hierfür wird die Arbeit insbesondere auf zwei Beispiele gesondert eingehen, nämlich erstens auf den ‚handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht’, der ein Bündel von didaktischen Ansätzen aus der Deutschdidaktik umfasst, und zweitens auf die Didaktik des Schulfaches ‚Darstellendes Spiel’. Dieses (weithin) neue Schulfach folgt in bisher einzigartiger Weise einer performativen Grundstruktur. Anhand beider Beispiele wird geprüft, inwieweit didaktische Intentionen und methodische Innovationen performativer Religionsdidaktik mit teilweise entsprechenden Entwicklungen auch außerhalb der Religionspädagogik verknüpft sind. Der dritte Teil der Untersuchung fragt in religionspädagogisch-historischer Perspektive nach der Eigenart bzw. dem Proprium performativer Religionsdidaktik vor dem Horizont der religionsdidaktischen Geschichte (§3). Angestrebt wird hier zunächst, performative Elemente in historisch relevanten Konzepten christlich-religiöser Bildung (wieder) zu entdecken, um so schließlich das spezifisch Neue der hier untersuchten performativ-didaktischen Innovationen deutlicher identifizieren zu können. Zuerst wird dieser Untersuchungsteil anhand einiger Schlaglichter nachzuweisen suchen, dass solche performativen Elemente die Geschichte christlicher Bildungsbemühungen schon seit ihren Ursprüngen prägen, ja, im Grunde sogar auf Wirken und Auftreten Jesu selbst gemäß seiner Darstellung in den Evangelien zurückgehen. Der Schwerpunkt der historischen Analyse liegt dann aber auf solchen Konzepten, die Möglichkeiten und Grenzen religiöser Bildung mit Blick auf den schulischen Religionsunterricht ausloten. Die entscheidenden Herausforderungen, mit denen performative Religionsdidaktik am öffentlichen Lernort Schule heute konfrontiert ist, erscheinen aus historischer Perspektive erst nach der Etablierung des Religionsunterrichts als Schulfach im Zuge der Aufklärung fachdidaktisch vergleichbar. Im Einzelnen werden hierfür fünf religionsdidaktische Konzepte in den Blick genommen, die in je unterschiedlicher Ausprägung Vergleichshorizonte zu performativer Religionsdidaktik erkennen lassen. Die der historischen Analyse zugrunde gelegten Kriterien ergeben sich aus den Ergebnissen der theoretischen Fundierung performativer Religionsdidaktik (§1) und sind deshalb erst an späterer Stelle vorzustellen. Die Ergebnisse der drei ersten Untersuchungsteile bilden die Grundlage des Auswertungskapitels. Dieses wägt in religionspädagogisch-handlungsorientierender Perspektive die Tragweite und Tragfähigkeit performativer Ansätze für die Gestaltung zukünftigen Religionsunterrichts ab (§4). Den Analysen in systematischer, vergleichender und historischer Perspektive kommt im Rahmen dieser Arbeit also dienende Funktion zu, insofern sie die kritische Beurteilung im handlungsorientierenden Teil vorbereiten und fundieren sollen. Entsprechend des handlungsorientierenden Interesses werden dort allerdings bewusst nur in Ausnahmefällen Ergebnisse als abschließende Thesen zur Eignung oder Nichteignung der noch zu untersuchenden Spielarten performativer Religionsdidaktik formuliert, sondern zumeist in Form von handlungsorientierenden Impulsen dargestellt. Dies soll schon auf der Darstellungsebene des Auswertungskapitels hervorheben, dass die Ergebnisse der Untersuchung als kritisch-konstruktive Anregungen zur weiteren Präzisierung und Weiterentwicklung der Didaktik selbst verstanden werden wollen. In jenem Schlusskapitel kommt auf diese Weise in besonderem Maße das Grundanliegen der vorliegenden Arbeit insgesamt zum Ausdruck. Vor allen anderen Zielen möchte sie einen Beitrag zur Beförderung religionsunterrichtlicher Praxis aus religionspädagogisch-theoretischer Perspektive leisten. Dem gegenwärtigen Arbeitsbereich des Verfassers als Religionslehrer an einer öffentlichen Schule entspricht das ausgesprochene Eigeninteresse an diesem besonderen Lernort. Die im oben beschriebenen Sinne multiperspektivisch angelegte Untersuchung der fachdidaktischen Grundlagen, Konkretionen, Interdependenzen und Innovationen performativer Religionsdidaktik erfolgt also ‚im Interesse einer theoriegeleiteten, rechenschaftsfähigen Erziehungs- und Unterrichtspraxis’“. (4ff.) Ein wertvoller handlungsorientierender Beitrag zu einer Weiterentwicklung performativer Religionsdidaktik!

Spannende Einblicke in heterogene Lernorte bietet der im LIT Verlag (ISBN 643-13934-4) von Nicola Bücker, Antje Roggenkamp und Peter Schreiner herausgegebene Band Empirische Methoden und Forschendes Lernen im Gespräch. In ihrer Einführung heißt es: „Forschendes Lernen dient vor dem Hintergrund akademisch reflektierter, empirisch beforschter eigener oder fremder Praxis, die Dritten gegenüber offen zu legen ist, sowohl der Sensibilisierung für eigene (Unterrichts-)Routinen als auch dem Hinterfragen gefühlter Wahrheiten. Darüber hinaus scheint uns, dass der Auseinandersetzung mit Forschendem Lernen aus verschiedenen Gründen eine eigene Dignität zukommen kann: Es eröffnet bereits im Studium Einblicke in künftige Praxisfelder; es trägt zur Ausbildung eines forschenden Habitus bei, der u. a. für die Analyse eigenen Unterrichts aktiviert werden kann, und es erlaubt gerade dadurch Einblicke in Kontexte, die jenseits sichtbarer Beobachtungen die eigenen, vorgefassten Perspektiven verfremden können. Wie verschiedene Beiträge zu diesem Sammelband zeigen, findet zudem Forschendes Lernen häufig in Teams und in engem Austausch mit den betreuenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern statt. Insofern dürfte das Forschende Lernende nicht nur – wie vom Gesetzgeber angestrebt – die Ausbildungspraxis verändern und angehenden Lehrerinnen und Lehrer eine forschende Haltung ermöglichen. Es dürfte auch das wissenschaftliche Forschen dadurch spürbar beeinflussen, dass sich empirisch wahrgenommene Praxis und diese Praxis hermeneutisch reflektierende Theorie aufeinander zubewegen. Dabei wird allerdings darauf zu achten sein, dass beide Ansätze die jeweils eigenen Voraussetzungen zur Sprache bringen, damit ihre fachspezifischen Standards erkennbar bleiben.“ (12f.) Dazu passen die im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (ISBN 525-77024-5) von Sönke Zankel und Niklas Günther über 65 veröffentlichten Beispiele für die schulische Praxis zum ThemaForschendes Lernen und Projektarbeit im Religionsunterricht. Neben theoretischen Hinführungen zum Projektlernen und zu Forschendem Lernen sowie ausgewählten Praxisbeispielen enthält vor allem das dritte Kapitel (23-46) hilfreiche Anregungen und Methoden zur Projektrealisierung. Malte Kling legt mit seiner im LIT Verlag (ISBN 643-13907-8) erschienenen Paderborner Dissertation Das Praxissemester als Übergang eine interessante praktisch-theologische Untersuchung des Rollenwechsels von Studierenden zu Lehrenden vor. Der Verfasser schreibt in der Einleitung: „Was bedeutet eigentlich Praxissemester? Worin unterscheidet es sich von anderen Semestern an der Universität? Und warum bedarf es eines eigenen Praxissemesters? Ist die universitäre Lehramtsausbildung ansonsten praxisfern oder gar praxislos? Insbesondere dieses Verhältnis von Theorie und Praxis und die daraus resultierenden Fragestellungen nehme ich in dieser Arbeit in den Blick, ist doch die Forderung nach mehr Praxis eine der häufigsten und ältesten der nachkriegsdeutschen Bildungspolitik. Die Beleuchtung des Verhältnisses von Praxis und Theorie ist zudem wichtiger Bestandteil der Praktischen Theologie. Das Praxissemester ist allerdings nicht nur eine zusätzliche Praxisphase, die schulpraktische Anteile im Studium erhöhen soll – die Ziele sind vielfältiger. Dabei rücke ich insbesondere drei Ziele in den Vordergrund, die meiner Meinung nach die Intentionen des Praxissemesters im Kern treffen und am deutlichsten aufzeigen: 1. den erweiternden Ausbau von Kompetenzen durch mehr Praxis, 2. die verstärkte Verknüpfung von Theorie und Praxis und 3. die Abmilderung des sogenannten Praxisschocks in der zweiten Ausbildungsphase (Referendariat). Bei der Formulierung dieser Ziele wird bereits erkennbar, dass mit dem Begriff Praxis zumeist Praxiserfahrungen innerhalb des Berufsfeldes Schule gemeint sind. Auch der Ausdruck Praxisschock suggeriert, dass Studierende mit etwas für sie Schockierendem konfrontiert werden. Hierauf werde ich bei den Überlegungen zum Verhältnis von Theorie und Praxis eingehen und aufzeigen, warum meiner Meinung nach der Begriff der Praxistheorie oder der praxeologischen Theorie für die Debatte gewinnbringend sein kann. Zudem eröffnet diese Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Theorie und Praxis eine praktisch-theologische Perspektive auf das Praxissemester. Ein enorm wichtiger Bestandteil meiner Forschungen zum Praxissemester sind – besonders mit Blick auf meine empirische Studie – auch die Belastungen für Studierende, die mit dieser Phase der Ausbildung verbunden sind. Diesen Herausforderungen werde ich unterschiedliche Unterstützungsressourcen im Praxissemester gegenüberstellen, um aufzuzeigen, inwiefern das Praxissemester trotz hoher Anforderungen erfolgreich gestaltet werden kann. Hierbei werde ich auch explizit auf kirchliche Unterstützungsressourcen eingehen, da in der empirischen Studie Studierende mit dem Unterrichtsfach Evangelische Religionslehre befragt werden. Exemplarisch verdeutlichen werde ich meine Ausführungen zum Praxissemester anhand der Beispiele aus Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Dabei wird der Fokus auf den durch den deutschen Bildungsföderalismus entstandenen Unterschieden liegen. Zunächst werde ich das Augenmerk jedoch auf einen anderen Untersuchungsaspekt meines Themas richten. Da ich das Praxissemester hinsichtlich des angestrebten Rollenwechsels als Übergang thematisiere, werde ich zu Beginn meiner Arbeit unter der Überschrift Übergangstheorien erläutern, inwiefern dies für heutige Untersuchungen zu gesellschaftlichen Änderungen relevant ist. Dabei werde ich zunächst Klassiker der Übergangsforschung, die an religiösen Phänomenen entwickelt wurden und daher für meine Forschung im Kontext der Religionspädagogik besonders geeignet sind, in den Blick nehmen: Arnold van Genneps Struktur- und Prozessanalyse aus Les rites de passage (dt.: Übergangsriten) sowie Victor Turners darauf aufbauende Werke The Ritual Process: Structure and Antistructur (dt.: Das Ritual: Struktur und Anti-Struktur) und From Ritual to Theatre. The Human Seriousness of Play (dt.: Vom Ritual zum Theater: Der Ernst des menschlichen Spiels) stellen noch immer einen äußerst wichtigen Beitrag für die moderne Lebenslaufforschung dar und wurden in der (Praktischen) Theologie vielfach rezipiert. Dass Lebenslauf- und Übergangsforschung einen Schwerpunkt Praktischer Theologie ausmachen, werde ich trotzdem noch einmal verdeutlichen. Die Konzentration Turners lag bei seiner Untersuchung von Übergängen auf van Genneps Schwellenphase, die den Mittelpunkt zwischen Trennungs- und (Wieder-) Angliederungsphase ausmacht. Dieser Fokussierung folgend werde ich insbesondere die Schwellenwesen, also die Übergangssubjekte, thematisieren, da sie in Übergängen starken Unsicherheiten, Instabilitäten und Ambiguitäten sowie Paradoxien ausgesetzt sind, die die Schwellenphase zu einer Phase des Umbruchs, der Unordnung und der Unordnung machen. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Erläuterungen zu Übergangstheorien wird die Erörterung der These ‚Alles ist Übergang’ sein. Dabei werde ich die Argumentation auf die Unabschließbarkeit von Bildungsprozessen und das lebenslange Lernen ausrichten, die insbesondere im Berufsfeld Schule eine wichtige Rolle spielen. Hierbei wird auch Henning Luthers theologische Identität-als-Fragment-Theorie erläutert werden. Dadurch eröffnet sich eine weitere theologische Perspektive auf das Praxissemester. Aufbauend auf den Darstellungen zu Turner und van Gennep werde ich einige Ansätze moderner Lebenslaufforschung erläutern. Dies ist notwendig, um die eigene empirische Studie in den wissenschaftlichen Kontext einzuordnen. Zudem wird an dieser Stelle deutlicher, inwiefern die Theorien Turners und van Genneps auch heute noch relevant und übertragbar sind. Dies schafft die Ausgangslage für die Erarbeitung einer eigenen empirischen Studie und die daraus resultierenden Schlüsse.“ (10f.) Lesenswert ist insbesondere auch die Zusammenführung der Ergebnisse der qualitativen Studie mit den Überlegungen zum Praxissemester als Übergang in Form von zehn Thesen (213-220). 100 Rechtsfragen zu Religionsunterricht und Schule. konkret, juristisch, kompetent lautet die im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (ISBN 525-70252-9) von Erhard Holze und Stefanie Pfister erarbeitete Sammlung von 100 Rechtsbeispielen, die unmittelbar der Schulwirklichkeit und Lehrpraxis entnommen sind. Sie soll Studierende und Lehrende des Faches Religionslehre und Schulleitungen ermutigen, „sich im Dschungel der Paragrafen, Gesetzestexte und kirchlichen Vorgaben zurechtzufinden. Dabei sollen die Leser/innen die Kompetenz erwerben, die juristische Problematik zu erkennen, bundesländereigene und ggf. konfessionsspezifische Lösungsvorschläge nachzuvollziehen und damit ihre eigene religionspädagogische Urteilskompetenz und schulische Handlungskompetenz weiter auszubilden. Durch die Hinweise auf die konkreten rechtlichen Texte mit den entsprechenden abgedruckten Auszügen der aktuellen Gesetzesvorgaben (GG, Schulgesetz, Runderlasse, Allgemeine Dienstordnung für Lehrkräfte, Auszüge aus amtlichen Schulblättern, Lehrplanhinweise etc.) können Schulleitungen sowie Lehrende fundiert die richtigen Entscheidungen treffen. Für einen besseren Überblick sind die Rechtsbeispiele in acht thematische Bereiche geordnet: 1. Rechtsbeispiele zu grundsätzlichen Fragen des Religionsunterrichts 2. Rechtsbeispiele zu Religionslehrerinnen und –lehrern 3. Rechtsbeispiele zum Fach Ethik / Praktische Philosophie 4. Rechtsbeispiele zum islamischen Religionsunterricht 5. Rechtsbeispiele zu Religionsunterricht und Inklusion 6. Rechtsbeispiele zu riskanten Fällen in Religionsunterricht und Schule 7. Rechtsbeispiele zu weiteren relevanten Aspekten des Religionsunterrichts 8. Rechtsbeispiele zu Schulgottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen in der Schule. Jedes Kapitel gliedert sich dabei –im Sinne eines Dreischritts von Wahrnehmen, Beurteilen und Handeln – wie folgt: Jeder Rechtsfall wird zunächst einzeln vorgestellt (Wahrnehmung), dann erfolgt die rechtliche Beurteilung mit den bundesländer­ oder ggf. konfessionsspezifischen Variationen anhand der juristischen Textgrundlagen (Beurteilung), anschließend wird die religionspädagogische Einschätzung gegeben, wobei auch die rechtlichen Spielräume mit Lösungsmöglichkeiten zur praktischen Gestaltung genannt werden (Handeln).“ (12f.)


Bernd Kollmannhat im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-034114-2) das sehr empfehlenswerte Lehrbuch Neutestamentliche Schlüsseltexte für den Religionsunterricht veröffentlicht, das einen gelungenen Brückenschlag zwischen Bibelexegese und Bibeldidaktik unternimmt. Der Autor schreibt zum Inhalt: „Es setzt mit Überblicken zu Grundfragen biblischen Lernens und zu neueren bibeldidaktischen Methoden ein, bevor es sich zentralen Themenfeldern des Neuen Testaments zuwendet. In den einzelnen Kapiteln schließt sich an eine Erörterung sowohl fachwissenschaftlicher als auch fachdidaktischer Grundfragen der unterschiedlichen Bereiche jeweils die exegetische Bearbeitung von Schlüsseltexten an, die zudem einen Ausblick auf konkrete religionspädagogische Anknüpfungspunkte und didaktische Konkretionen bietet. Religionspädagoginnen und Religionspädagogen in Studium und Beruf erhalten so verlässliche Informationen über fachwissenschaftliche Hintergründe und fachdidaktische Perspektiven der zentralen neutestamentlichen Texte und Themen. Die Auswahl der Schlüsseltexte orientiert sich an den Lehrplänen für den Religionsunterricht, womit es um wichtige und repräsentative Texte des Neuen Testaments für die religionspädagogische Praxis geht. Es handelt sich aber auch in dem Sinne um Schlüsseltexte, dass sie wegen ihrer besonderen Bedeutung Kindern und Jugendlichen einen vertieften Zugang zur Bibel erschließen. Die Mehrzahl der im Rahmen der didaktischen Konkretionen angesprochenen Kunstwerke, Popsongs, Zeitungsberichte und Texte ist im Internet leicht zugänglich.“ (9)


Mit ihrer im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht unipress (ISBN 8471-0869-6) in der bewährten Reihe „Arbeiten zur Religionspädagogik“ erschienenen Kasseler Dissertation weil von einem selber weiß man ja schon die Meinung. Die metakognitive Dimension beim Theologisieren mit Kindern legt Damaris Knapp eine sehr innovative Studie vor. Sie führt wie folgt in ihr Forschungsinteresse ein: „Bezogen auf das vorliegende Forschungsprojekt stellt sich deshalb zunächst die Frage, was Kinder diesbezüglich mitbringen, wie sie sich (ihr) Lernen erklären, welche Strategien sie nutzen und welche Fähigkeiten sie brauchen, um zunehmend Verantwortung übernehmen und selbstgesteuert lernen zu können. Diesen Fragen soll in der vorliegenden qualitativen Studie bezogen auf das Theologisieren im Religionsunterricht nachgegangen werden. Inhaltlich wird nach Konzepten und Vorstellungen der Kinder in Bezug auf das Lernen gefragt und gleichermaßen danach, welche Voraussetzungen sie im Bereich von Reflexion und Metakognition mitbringen. Für Lehrende ist ein solches Wissen wichtig, um zu erfahren und einschätzen zu können, worauf sie zurückgreifen und was sie bewusst im Unterricht fördern können. Gleichzeitig wird danach gefragt, was das Theologisieren zur Förderung reflexiver und metakognitiver Fähigkeiten beitragen kann. Da Kinder Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen sollen, ist es wichtig, dass Lehrende wissen, was Kinder darüber denken und wie sie sich Dinge dabei erklären. Es wäre sinnvoll und wünschenswert, dass Gespräche, wie sie hier exemplarisch im Rahmen der Studie durchgeführt wurden, im Alltag des Religionsunterrichts ihren festen Platz erhalten. Entscheidend für gelingendes Lernen und die Konzeption damit verbundener, förderlicher Unterrichtssettings ist die Frage, inwiefern es der Lehrperson gelingt, ‚das Lernen mit den Augen ihrer Lernenden’ zu sehen. Voraussetzung dafür ist, dass Lehrende wissen bzw. einschätzen können, wie sich ein Kind seinen Erfolg bzw. Schwierigkeiten erklärt, was es sich bei der Bearbeitung einer Aufgabe gedacht hat, was ihm beim Lernen (nicht) geholfen hat, womit es zufrieden ist oder wie das nächste Ziel aussehen kann und was es braucht, um dieses zu erreichen. Erklärungen der Kinder zu eruieren und an diese anzuknüpfen, ist eine herausfordernde Aufgabe für Lehrerinnen und Lehrer. Ausgehend von diesen Überlegungen war es schlüssig, die Kinder in der vorliegenden qualitativen Studie, die der empirischen Unterrichts- bzw. Lehr­Lern-Forschung zuzuordnen ist, selbst zu Wort kommen zu lassen, wie es auch in der Kindheitsforschung durchaus üblich ist. Grounded Theory – als der Studie zugrunde liegender Forschungsstil – bot der offenen, explorativen Herangehensweise einen entsprechenden Rahmen. Gruppendiskussionen und Kreisgespräche als zentrale Erhebungsinstrumente ermöglichten schließlich einen Einblick in die Konstruktionen der Kinder ausgehend vom Religionsunterricht.“ (14f.) Sodann schreibt die Verfasserin zum Aufbau ihrer Arbeit: „Aus religionspädagogischer Perspektive steht das Theologisieren mit Kindern (Kap. 2) im Zentrum der Arbeit, welches durch weitere Perspektiven, wie den Konstruktivismus (Kap. 3), die Kommunikation (Kap. 4) und das Lernen von Kindern (Kap. 5), ergänzt wird. Die genannten Perspektiven werden jeweils in Bezug zum Theologisieren gesetzt, so dass sie die aktuelle kindertheologische Diskussion um neue Aspekte erweitern können. Da es um das Lernen der Kinder beim Theologisieren geht, soll hier die religionspädagogische Sichtweise durch andere Perspektiven auf das Lernen angereichert werden. Diese mehrperspektivische Herangehensweise kann neue Akzente hervorbringen und gleichzeitig das Lernen beim Theologisieren in die allgemeine Lerndiskussion hineinnehmen.“ (17) In ihrer Zusammenführung der Ergebnisse fasst die die Autorin zusammen. „Kinder können durchaus differenziert und qualifiziert über ihr Lernen sprechen. Dabei verfügen sie über ein Konzept von Lernen, das weder eindimensional noch unreflektiert ist, sondern in welchem komplexe Zusammenhänge bewusst sind und formuliert werden. Die Kinder haben zahlreiche Strategien ausgebildet, die für die Reflexion und Metakognition von Bedeutung sind. Dem Ergebnis der Studie kommt insofern Bedeutung zu, als die Erkenntnisse auf Aussagen von Kindern aus Reflexionen über erlebten Unterricht basieren, denn wer das Denken, Handeln und Lernen von Kindern verstehen möchte, muss sich auf ihre Sichtweisen einlassen können auch im Unterrichtsalltag, nicht nur im Rahmen einer Forschungsarbeit.“ (333) Abschließend erfolgt eine Einordnung in die Kindertheologie: „Dies geschieht in zwei Richtungen: Einerseits geht es um einen übergreifenden Bildungswert des Theologisierens mit Kindern und andererseits um die Verortung innerhalb der Theologie mit Kindern. Da es in Theologischen Gesprächen über die Inhalte hinaus um die Förderung prozessbezogener Kompetenzen geht, ist eine übergreifende Dimension des Lernens in kompetenzorientierter Perspektive bereits im Blick. Gerade Kompetenzen wie Kommunizieren, Begründen, Deuten oder Urteilen werden beim Theologisieren an konkreten Inhalten deutlich und weisen eine nicht zu übersehende Lebensrelevanz auf. Sollen diese prozessbezogenen Kompetenzen als übergreifende Kompetenzen religiöser Bildung bewusst gefördert werden, reicht eine ‚Reflexion über religiöses Denken’ auf der inhaltlichen Ebene nicht aus. Wird einseitig die inhaltliche Dimension in den Blick genommen, besteht die Gefahr der Vermittlung. Eine Didaktik, die die Lernenden in umfassender und zukunftsorientierter Perspektive im Blick hat, muss auch das Lernen als solches zum Gegenstand von Unterricht machen. Gleichzeitig kann in den prozessbezogenen Kompetenzen, welche den Lernprozess fokussieren, ein verbindendes Element zwischen den einzelnen Unterrichtsfächern gesehen werden. So kommt dem Theologisieren ein übergreifender Bildungswert zu, der eine Reflexion des gesamten Lernens nahelegt. Die Bedeutung der Ergebnisse der Studie sind auch für die Kindertheologische Diskussion relevant. Das Theologisieren für Kinder kann bezogen auf die metakognitive Dimension des Lernens vernachlässigt werden, da es hier insbesondere um Inhalte geht, die Lehrende einbringen. Auch beim Theologisieren der Kinder gibt es keine zentralen Ansatzpunkte. In beiden bisher genannten Bereichen kann aber selbstverständlich eine Selbstbeobachtung während des Lernens erfolgen. Interessant ist vielmehr das Theologisieren mit Kindern. Im gemeinsamen Gespräch kann die Lehrperson das Nachdenken der Kinder auf unterschiedlichen Ebenen anregen. Die inhaltliche Ebene ist dabei zunächst im Blick, doch ebenso können der Lernprozess und damit verbundene Lernstrategien und Emotionen reflexiv eingeholt werden. Ziel wäre es, den Kindern in unterschiedlichen Phasen des Lernens die Möglichkeit zur Reflexion auf allen Ebenen zu geben. Dies kann sowohl mündlich als auch schriftlich in methodisch abwechslungsreicher Form geschehen. Ein angemessenes und lernförderliches Verhältnis von Inhalt und Lernprozess bei der Reflexion muss ausgelotet werden. Wie viel Reflexion des Lernprozesses dient dem Lernen bzw. wann wäre ein Zuviel gegeben, so dass Inhalte kaum mehr relevant sind? Das Theologisieren ist somit ein geeigneter Ort, um mit den Kindern ausgehend von der inhaltlichen Auseinandersetzung auch auf deren Lernprozess selbst zu blicken, diesen zu reflektieren und Konsequenzen für das weitere Lernen zu ziehen. Für den Aufbau metakognitiver Fähigkeiten ist es unerlässlich, der Reflexion nicht nur vereinzelt Aufmerksamkeit zu schenken, sondern diese kontinuierlich in den Unterricht einzubeziehen.“ (333f.) Eine sehr anregende Untersuchung, zu der gut die Lektüre der generationenübergreifenden Impulse für Schule und Gemeinde von Gerhard Büttner und Larissa Carina Seelbach unter Mitarbeit von Michael Klein passt, die im Calwer Verlag (ISBN 7668-4457-6) unter dem Titel Kinder und die großen Antworten erschienen sind. Mit ihrem Konzept schlägt das Autorenteam vor, auf theologische Klassiker zurückzugreifen und fragt: „Was erhoffen wir uns davon? Augustin, Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin und Martin Luther argumentieren auf ihre Weise vormodern. Ihre Denkweise entspricht damit der metaphysischen der Kinder, die wissen wollen, ‚wie’ etwas ‚ist’. Die vier Theologen repräsentieren gewissermaßen das ‚westliche Christentum’, insofern sie auf ihre Weise für die römisch-katholische Traditionslinie (und deren reformatorische ‚Fortsetzung’) stehen. Diese unterscheidet sich von der der Ostkirche, von der sie sich im Laufe des Mittelalters getrennt hat, wobei Anselm noch an den Verhandlungen beteiligt war. Man kann sagen, dass die westliche Theologie dem Prinzip folgt, das Anselm so formuliert hat: dass nämlich der Glaube nach der Vernunft fragen lässt (fides quaerens intellectum). Unsere vier ‚Klassiker’ umspannen eine Zeit vom 4. bis zum 16. Jahrhundert. Sie lebten alle auf ihre Weise in einer lateinisch geprägten Denkwelt. Deshalb erscheinen sie heutigen Leser/innen manchmal durchaus miteinander verwandt. Doch beim genaueren Betrachten – auch unserer kleinen Textausschnitte – zeigen sich interessante Unterschiede. Augustin hat in seinen berühmten ‚Bekenntnissen’ einen Theologiestil entfaltet, der stark vom Erleben der eigenen Person ausgeht, ein Stil, in dem ihm mehr als tausend Jahre später der Augustiner-Mönch Martin Luther gefolgt ist. Dem stehen mit Anselm und besonders Thomas zwei Denker gegenüber, die überzeugt sind, dass sie auf der Grundlage der Synthese von antiker Philosophie und biblischer Tradition grundsätzlicher denken und alle Fragen gewissermaßen ‚von oben her’ angehen können. Gerade Thomas ist damit – obgleich er vorreformatorisch im Prinzip von Katholiken und Reformierten in Anspruch genommen werden könnte – zum exemplarischen Denker des Katholizismus bis heute geworden.“ (9f.) Das Buch enthält spannende Impulse zu Fragen wie „Was ist Zeit?“ und „Wer ist Gott?“ über „Ist Gott gerecht?“ und „Wie gehöre ich zur Kirche? bis „Wozu brauche ich Jesus Christus?“ und „Kommt etwas nach dem Tod?“. Erhellende religionspädagogische Feinanalysen enthält das im LIT Verlag (ISBN 643-14251-1) veröffentlichte Buch Gottesvorstellungen von Grundschulkindern heute von Marceline Mailand. Die Verfasserin schreibt zu leitender Fragestellung und Inhalt: „Die vorliegende Arbeit ist aus der Frage nach den Gottesvorstellungen von Grundschulkindern von heute entstanden. Wie stellen sich Kinder im Grundschulalter Gott vor? Dieser Frage wurde in den letzten Jahrzehnten in der empirisch forschenden Religionspädagogik vermehrt durch die Analyse kindlicher Bildprodukte nachgegangen. Doch inwieweit können die als Auftragsarbeit entstandenen Bildprodukte tatsächlich Auskunft über die Gottesvorstellungen der Kinder geben? Manuela Wiedmaier veröffentlichte 2008 eine Kinderbildstudie, in welcher nicht das Bildprodukt, sondern vielmehr der Prozess des Malens im Vordergrund der Untersuchung steht. Wiedmaier betrachtet – als erste in der Geschichte der forschenden Religionspädagogik – das Malen der Kinder nicht lediglich als Methode, sondern den Malprozess als Forschungsgegenstand und Methode zugleich. Somit analysiert sie nicht ausschließlich das durch das Malen entstandene Bild, sondern fragt danach, wie sich Kinder zu zweit beim Prozess des Maiens mit ihren Gottesvorstellungen auseinandersetzen. Doch wie malen Kinder heute, nunmehr zehn Jahre nach Wiedmaiers Untersuchungen, ein Bild von Gott? In der vorliegenden Studie werden die Ergebnisse von drei Malprozessen mit jeweils zwei Kindern im Sinne Wiedmaiers feinanalytisch untersucht und – auch vergleichend mit den Ergebnissen ihrer Studie – gedeutet.“ (9) Eine spannende Relecture!


Silke Klattelegt in ihrer im Universitätsverlag Hildesheim (ISBN 487-15734-4) veröffentlichten Dresdener Dissertation mit dem TitelUnd man kann auch Sport machen, mit Gott sag ich jetzt mal.“eine umfangreiche empirische Untersuchung zu subjektiven Sichtweisen von Grundschülern an evangelischen Schulen im Kontext von Beschreibungen Erwachsener vor. In ihrer Einführung erklärt die Autorin: „In der vorliegenden Dissertation stehen Beschreibungen des evangelischen Profils im Zentrum. Zur Erhebung des Datenmaterials werden evangelische Schulen in Trägerschaft der Schulstiftung der Nordkirche ausgewählt. Diese Schulen wurden vornehmlich nach 1989 gegründet. Die Auswahl fällt hierbei auf Grundschulen mit Orientierungsstufe. Das Interesse richtet sich auf Bereiche und Wirkungsfelder, die im Hinblick auf die religiöse Profilierung bedeutsam sind. Dazu gehören sowohl die Schulkultur, der Schulalltag mit dem Fächerkanon und die Schulgemeinschaft, als auch Kontakte der Schulen nach innen und außen. Befragt werden Kinder und Erwachsene, die gemeinsam an evangelischen Schulen leben, lernen und arbeiten. Deren subjektive Beschreibungen, wie sie das Evangelische an ihrer Schule wahrnehmen, sind von zentraler Bedeutung. Der Schwerpunkt der vorgelegten Arbeit liegt daher auf einer empirischen Untersuchung mit tatsächlichen Erfahrungen und Beschreibungen des Evangelischen. Die Beschreibungen der Schüler stehen dabei im Fokus. Mit Hilfe von leitfadengestützten Interviews werden schulische Akteure befragt, die unterschiedliche Perspektiven auf das Profil ihrer Schule haben. Besonderes Interesse erfahren dabei die Grundschüler selbst. Erwachsene Akteure werden aus den Personengruppen der Schulleitung, der Lehrerschaft, der kirchlichen Vertreter und der Eltern ausgewählt. Als Auswertungsverfahren findet die qualitative Inhaltsanalyse Anwendung.“ (10f.)


Ebenfalls im Hildesheimer Universitätsverlag (ISBN 487-15784-9) ist die innovative qualitative Erhebung Habituelle Veränderungen der Beratungskompetenz durch Coachingausbildung von Silke Silanoe erschienen. In ihrer verdienstvollen Hildesheimer Dissertation widmet sich die Verfasserin mittels qualitativer Interviews mit Ausbilderinnen und Ausbildern in der zweiten Phase der Lehrkräftebildung dem pädagogisch wie religionspädagogisch interessanten und aktuellen Thema des professionellen Handelns in der Schule. Die in dieser Studie zu ihrer habituellen Beratungskompetenz befragten Personen vertreten neben ihrer Tätigkeit als Fachleiterin und Fachleiter im Kernseminar zusätzlich das Fach Evangelische beziehungsweise Katholische Religionslehre. Sie haben alle das für die Lehrkräftebildung in Nordrhein-Westfalen neue Instrument zur Optimierung der Ausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes „Personenorientierte Beratung mit Coachingelementen“ kennengelernt. In der jüngeren Bildungsforschung wurde wieder neu betont, wie zentral die Lehrkräfte für den Erfolg von Unterricht sind. Dies gilt nochmals gesteigert für den Religionsunterricht, weil er wie kein anderes Fach persönliche Themen behandelt und von daher auch eine professionell dosierte Authentizität der Lehrenden erfordert. Zudem bietet er wegen seiner thematischen Vielfalt und seiner Schüler_innenorientierung einen großen didaktischen Freiheitsspielraum, den Religionslehrkräfte individuell gestalten können. Religionslehrende sind in den vergangenen Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher quantitativer und qualitativer empirischer Studien gewesen, die allesamt die hohe Komplexität und Multifaktorialität des Topos Religionsunterricht belegen. Allerdings stellte noch keine wissenschaftliche Arbeit die Professionalität beziehungsweise den „Habitus“ von religionspädagogischen Ausbilder_innen im Kernseminar in den Mittelpunkt. Hier schließt die vorliegende Dissertation eine große Forschungslücke. Zurecht konstatiert die Verfasserin, dass die allgemeinpädagogische Forschungslage bezüglich dieser Adressatengruppe spärlich bleibt und dass sich das Interesse an dieser Zielgruppe auf Unterrichtsanalyse und auf Kriterien zur Beurteilung von Unterricht beschränkt. Es existiert keine religionspädagogische Studie, die Ausbildende von Referendar_innen der Fächer Evangelische beziehungsweise Katholische Religionslehre zur Zielgruppe hat. Die vorliegende Dissertation leistet deshalb einen wertvollen Beitrag zu einer religionspädagogischen Professionstheorie. In ihrer Einleitung formuliert die Verfasserin die zentrale Fragestellung wie folgt: „Die vorliegende Studie versucht die Frage zu beantworten, inwieweit sich der professionelle Habitus im Hinblick auf Gesprächsführungskompetenzen, Feedbackkultur und Haltungsausprägungen von Ausbilderinnen und Ausbildern im Kernseminar, die auch als Fachleiter in und Fachleiter für dieFächer Evangelische bzw. Katholische Religionslehre tätig sind, durch die erfolgreich absolvierte Coachingausbildung im Hinblick auf die Umsetzung in alltäglichen Beratungssituationen im beruflichen Kontext verändert.“ (32) Diese qualitativ-rekonstruktive Forschungsarbeit mit explorativem Charakter gibt den Forschungsstand zur religionspädagogischen Berufsausbildung umfassend wieder, generiert luzide Antworten auf die in der Einleitung formulierte zentrale Fragestellung und formuliert äußerst ausbildungsrelevante Folgerungen aus den empirischen Ergebnissen (250 ff.). Die Ergebnisse der Verfasserin stützen die These, dass „strukturierende, habituelle Veränderungen durch die Assimilation subjektiver Theorien im Hinblick auf rationales, reflexives, autonomes und kommunikatives Handeln wahrgenommen werden konnten.“ (249)


Georg Wagensommer und Friedrich Schweitzer zeichnen als Herausgeber verantwortlich für das im Waxmann Verlag (ISBN 8309-3908-5) erschienene innovative Buch Wertebildung, Interesse und Religionsunterricht. Ethisch und religiös ausgerichteter Unterricht im Vergleich mit spannenden theoretischen und empirischen Untersuchungen zur Wirksamkeit des BRU, zu deren Hintergrund die Herausgebenden schreiben: „Dieser Band führt empirische und theoretische Studien zur Wertebildung zusammen. Der Akzent liegt auf der Frage, wie die Bildung von Werten gefördert werden kann und welche Rolle dabei die Interessen der Schülerinnen und Schüler spielen. Diese Frage lässt sich in verschiedene Diskussions- und Arbeitszusammenhänge einordnen. Immer wieder wird zu Recht kritisch konstatiert, dass der verbreiteten Forderung nach Werteerziehung oder Wertebildung keine Forschung zu den entsprechenden Möglichkeiten in der Schule gegenüberstehe. Es gibt zwar zahlreiche Studien dazu, welche Wertorientierungen heute bei Jugendlichen zu finden sind – das ist nicht zuletzt ein Thema der regelmäßig durchgeführten Shell-Jugendstudien –, aber was in Schule und Unterricht tatsächlich getan werden kann, damit hier gesellschaftlich wünschenswerte Wertorientierungen ausgebildet werden, liegt zumindest hinsichtlich der Empirie weitgehend im Dunkeln. Allgemeine Wertestudien geben darüber naturgemäß noch keinen Aufschluss. Solche Studien können lediglich aufzeigen, an welchen Werten Jugendliche sich orientieren - woher diese Werte jedoch stammen und welche Rolle dabei speziell die Schule und der (Religions- oder auch der Ethik-) Unterricht spielen, kommt in den entsprechenden Untersuchungsfragen nicht in den Blick. Die in diesem Band versammelten Darstellungen und insbesondere die empirische Untersuchung, über die hier berichtet wird, stellen insofern vor allem im Blick auf den Religionsunterricht einen Einstieg in die Forschung zur Wertebildung dar. Wie wirksam ist ethische Bildung in Schule und Unterricht? Welche Formen und Themen sind dabei besonders wichtig? Wie kann ein solcher Unterricht die Interessen von Schülerinnen und Schülern erfolgreich aufnehmen? Interessieren sich die Schülerinnen und Schüler eher für religiöse oder ethische Themen?“ (11). Und zur übergreifenden Fragstellung schreiben die Herausgeber: „Welche Profilierung von Religionsunterricht bzw. konkret: welche Form der Ausgestaltung von Unterrichtseinheiten findet bei den Schülerinnen und Schülern stärkeres Interesse – eine ethische oder eine religiöse Profilierung? Trifft es zu, dass eine religiöse Profilierung auf weniger Interesse stößt, während eine ethische Profilierung größeres Interesse hervorruft? Für die Untersuchung wurden diese Fragen in die Gestalt von drei Hypothesen überführt: 1. Die Zuwächse beim Interesse der Schülerinnen und Schüler sind bei ethisch profilierten Unterrichtseinheiten größer als bei religiös profilierten Unterrichtseinheiten. 2.         Die ethisch profilierten Unterrichtseinheiten führen zu einem stärkeren Zuwachs bei der moralischen Urteilsfähigkeit. 3. Die ethisch profilierten Unterrichtseinheiten führen bei den Schülerinnen und Schülern zu einer stärkeren Veränderung der Wertorientierungen. Auf die Prüfung dieser Hypothesen war die Untersuchung entsprechend bezogen. Alle drei Hypothesen sind dabei im vorliegenden Zusammenhang bedeutsam, auch wenn sie sich zu überschneiden scheinen. Die erste Hypothese nimmt unmittelbar die beschriebenen Kontroversfragen ethischer statt religiöser Profilierung des Unterrichts auf. Die zweite Hypothese berührt eine mögliche Rückfrage bzw. ein Zusatzargument, das auch dann gegen eine religiöse Profilierung sprechen könnte, wenn eine solche von den Schülerinnen und Schülern gewünscht sein sollte: den Einwand nämlich, dass dabei keine angemessene Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit gewährleistet sei. Die dritte Hypothese hebt in ähnlicher Weise auf Wertorientierungen ab, um dafür so sorgen, dass nicht nur kognitive, sondern auch emotionale Aspekte der Wertebildung im Blick sind.“ (13f.) Ebenfalls im Waxmann Verlag sind zwei englischsprachige Neuerscheinungen veröffentlicht worden: Zum einen der von Peter Schreiner herausgegebene Band (ISBN 8309-3942-9) Are you READY? Diversity and Religious Education across Europe – The Story of the READY Project mit folgendem Inhalt: „This book gives highly valuable and profound insights into the place of Religious Education in different classrooms in Europe. READY, Religious Education and Diversity, is unique as an innovative exchange project of teacher students and teacher educators in Religious Education sponsored by Erasmus+. Mutual exchange visits in the participating countries create opportunities for crucial debates about approaches to Religious Education, its underlying theory and practical experiences of teaching and learning. Narratives from educational practice in five different countries actualise the ongoing debates on Religious Education models, religion in schools ethos and mission, school culture, objectives in Religious Education, religious literacy, Religious Education and truth claims, and Religious Education in relation to European education policy. The exchange method links between informed discussions and real classroom situations, and also theoretical and practical expertise. In the project students, teachers, teacher students and teacher educators are linked together, and so also curricula-studies and contextual conditions are issues of exchange and debate. Visits by travelling are supplemented by exploring and using the exchange platform eTwinning of the European Commission, so far mostly used to link classrooms in schools, and now through READY also used to link groups of religion teacher education in different countries. READY is a pilot project for exchange and documentation of teacher education, and new guidelines for this online communication have been developed as part of the project. Reports, newsletters, teaching examples and academic contributions are published on this platform for common use. DVDs with modules on religion and diversity are also made available from the READY project. The book gives insights into teacher students reasoning when visiting Religious Education set in other models than their own. The Austrian and German confessional models meet with the Swedish, English and Scottish diverse multireligious models and certain preunderstandings are revealed and discussed vividly. The observations are studied and reflected upon in theoretical chapters from the perspectives of education, didactics, theology and religious studies by experienced teacher educators.” (9) Zum anderen das von Martin Ubani herausgegebene Buch (ISBN 8309-3846-0) New international studies on religions and dialogue in education, das in vier Kapiteln folgende Themen beinhaltet: „The volume at hand includes 14 original refereed international articles. Their topics include studies on religious education in different contexts ranging from higher education to home education, and research on education about religions to confessional education. They highlight different aspects concerning religion and dialogue in education. The book is divided into 4 chapters. The first chapter is called ‘Interreligious and non-religious dialogue in education’. This chapter includes four articles. The articles discuss issues concerning dialogue and education in home education, public education and in spiritual education. The second chapter of the book is called ‘Socio-cultural issues on pluralism and education’. lt consists of three articles that depict different topics concerning the sociocultural context and learning. The third chapter focuses on the teachers. lt is called: ‘The educator meets religions’. lt consists of four articles that examine the theme of the book from the teachers', student teachers' and instructors' viewpoints. The fourth chapter includes three articles. The chapter is called: ‘New developments in religious education’.” (8f.)

2 Praktisch-theologische Handlungsfelder

Angela Kaupp und Patrik C. Höring haben im Verlag Herder (ISBN 451-38808-8) das annähernd 600-seitige imposante Grundlagenwerk Handbuch kirchliche Jugendarbeit herausgegeben. In ihrer Einleitung schreiben sie: „Der Fokus dieses Handbuches liegt auf der kirchlichen Jugendarbeit im Bereich katholischer Träger und Strukturen. Daher sei an dieser Stelle bereits auf andere Einführungswerke, etwa aus evangelischer oder sozialpädagogischer Sicht, verwiesen. Die Darstellung von Angeboten der Jugendarbeit im Bereich der evangelischen Kirchen, im muslimischen oder jüdischen Kontext sowie in internationaler Perspektive hätte den Umfang dieses Buches überschritten. Mit dem genannten Fokus beschränken wir uns zudem auf einen Teilbereich der Jugendpastoral, die allgemein als eine altersspezifische Form kirchlichen Handelns bzw. als die theologische Perspektive auf das Handeln kirchlicher Träger im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe verstanden werden kann. Jugendarbeit als ein prominenter Teilbereich darin verstehen wir als wesentlich durch junge Menschen selbst realisierte Form einer mit Gleichaltrigen verbrachten Freizeit, die in non-formalen und informellen Settings Lern-, Bildungs- und Sozialisationsprozesse jenseits von Familie und Schule/Beruf ermöglicht. Gleichwohl werden auch Handlungs- und Kooperationsfelder reflektiert, die üblicherweise nicht unmittelbar einer solchermaßen verstandenen Jugendarbeit zugeordnet werden.“ (16f.) In der Tat ein Basiswerk für Studium, Forschung und Praxis! Kaupp ist auch die Herausgeberin des im Matthias Grünewald Verlag (ISBN 7867-3140-5) veröffentlichten Standardwerks Pluralitätssensible Schulpastoral. Chancen und Herausforderungen angesichts religiöser und kultureller Diversität, das nicht nur einen Beitrag zu einer pluralitäts- und differenzsensiblen Praxis der Schulpastoral leisten, sondern auch die theoretische Fundierung von Praxis und die wissenschaftliche Reflexion dieses kirchlichen Handlungsfeldes vertiefen will. Der Band ist wie folgt gegliedert: „I. Pluralität und ihre Auswirkungen auf Schule und Religion analysiert die derzeitige gesellschaftliche Situation aus soziologischer, schulpädagogischer und theologischer Fachperspektive. II. Schulpastoral – pluralitäts- und religionen-sensibel erarbeitet aus theologischer bzw. religionspädagogischer Perspektive Kriterien für eine Schulpastoral, die sich den Herausforderungen wachsender religiöser Pluralität, aber auch Indifferenz stellt. III. Pluralitäts- und Religionen-Sensibilität konkret stellt Beispiele differenz- bzw. pluralitätssensibler Arbeit in Schulen vor.“ (8ff.) Zurecht benennt die Verfasserin folgende Konsequenzen für das Studium: „Angesichts einer Verschulung der Jugendzeit ist es förderlich, wenn Lehramtsstudierende nicht nur befähigt werden, ‚guten Unterricht’ zu erteilen, sondern wenn sie sich auch mit außerunterrichtlichen Handlungsformen in der Schule beschäftigen, die zu einer humanen Schulkultur beitragen können. Neben dem Handlungsfeld ‚Schulpastoral’ wäre es wünschenswert, wenn Studierende Gelegenheit hätten, die Strukturen und Berufsbilder weiterer Kooperationspartner von Schule zu reflektieren. Im Studium kann nur eine erste theoretische Einführung geschehen. Eine Theorie-Praxis-Verzahnung, wie die Schulpraktika in der Lehrer/innenbildung anzuzielen, wird nur selten möglich sein. Zu überlegen ist jedoch, wie das Kennenlernen der ‚Schulpastoral’ auch in Schulpraktika eingebunden werden kann. Hierzu ist es notwendig, dass diese nicht nur als Unterrichtshospitation gestaltet sind. Sinnvoll wäre auch, die Möglichkeiten der Kooperation von Schule und Gemeinde in Gemeindepraktika zu thematisieren. Ideal wäre für die konkrete Umsetzung nicht nur eine Kooperation der praktisch-theologischen Fächer, wie der Religionspädagogik, der Pastoraltheologie und der Liturgiewissenschaft, sondern auch mit der Pädagogik des Erwachsenenalters, der Sozialpädagogik oder der Psychologie.“ (161f.) Klaus Kießling und Jakob Mertesacker haben die von ihnen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (ISBN 525-70264-2) herausgegebenen pastoralpsychologischen Beiträge Seelsorge interkulturell überschrieben. In der Einführung schreiben die beiden zurecht: „Seelsorge gilt mit Recht als Herzstück der Pastoral – einer Pastoral, die sich im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils als kreative Konfrontation des Evangeliums mit unserer Gegenwart versteht. Pastoral lässt an Hirten, an bäuerliches Leben denken, an biblische Kultur, an Agrikultur – und nicht etwa an heutige Kulturwelten. Die Konfrontation des Evangeliums mit unserer Gegenwart geht also von allem Anfang an mit fremden, wenn nicht befremdlichen Ansprüchen einher. Seelsorge ist konzeptionell eine interkulturelle Qualität eigen, noch bevor Fragen einer interkulturellen Seelsorge laut werden, sei es aufgrund muslimischer Patientinnen und Patienten in katholischen oder evangelischen Krankenhäusern, sei es aufgrund ausländischer Priester in Deutschland, sei es aufgrund vielfältiger Migrations- und Fluchtbewegungen. ‚Seelsorge interkulturell’ lässt programmatisch anklingen, dass es nicht allein um Gestalten interkultureller Seelsorge geht, sondern um eine Interkulturalität, wie sie zum Selbstverständnis jeder Seelsorge gehört.“ (7)


Mit der im Waxmann Verlag (ISBN 8309-4001-2) vom Comenius Institut herausgegebenen Studie Evangelische Erwachsenenbildung. Empirische Befunde und Perspektiven wird die evangelische Erwachsenenbildung zum ersten Mal Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung, die das Ziel verfolgt, die Strukturen dieses kirchlichen Handlungsfelds empirisch gestützt möglichst umfassend darzustellen. Zielsetzung und Ausgangslage werden von Nicola Bücker und Peter Schreiner wie folgt beschrieben: „Dadurch soll den kirchenpolitisch Verantwortlichen Orientierungswissen zur Weiterentwicklung des Bildungsbereichs bereitgestellt werden. Zwar wurden zu einzelnen Aspekten der institutionell verfassten evangelischen Erwachsenenbildung bereits verschiedene Studien durchgeführt; diese waren jedoch zumeist entweder darauf ausgerichtet, in einem praktischen Sinn unmittelbar in das System der evangelischen Erwachsenenbildung zu intervenieren und institutionelle Verbesserungen und Innovationen zu bewirken,  oder sie dienten als Teil der Erwachsenenbildungsforschung der Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Theorien in diesem Bereich. Vor diesem Hintergrund stellt der erste Bildungsbericht zur evangelischen Erwachsenenbildung eine Pilotstudie dar, die in weiten Teilen auch explorativen Charakter hat. Dies liegt vor allem an der begrenzten Datenlage in diesem Bildungsbereich, die bereits in der Machbarkeitsstudie zur Evangelischen Bildungsberichterstattung festgestellt wurde. Einige Informationen zu institutionellen Rahmenbedingungen und inhaltlichen Veranstaltungsschwerpunkten liefert die Statistik der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE), dem Dachverband der evangelischen Erwachsenenbildung. In dieser werden Einrichtungen erfasst, die entweder direkt als öffentliche Weiterbildungsanbieter anerkannt sind und entsprechend über die Weiterbildungsgesetze der Bundesländer finanziell gefördert werden oder durch ihre Verbindung mit einer Landesorganisation an deren Anerkennung partizipieren. Ein großer Teil evangelischer Erwachsenenbildungsarbeit findet jedoch auch außerhalb des öffentlich geförderten Weiterbildungssystems statt, beispielsweise in Verbänden der Frauen- und Männerarbeit, in landeskirchlichen Fortbildungsinstituten oder in eigenständigen evangelischen Initiativen und Arbeitskreisen. Zu diesem Bereich liegen bislang kaum empirisch fundierte Angaben vor, obwohl er für die oben angesprochene und hier angestrebte umfassende Darstellung des kirchlichen Handlungsfelds ‚evangelische Erwachsenenbildung’ konstitutiv ist. Entsprechend zielt der vorliegende Bildungsbericht sowohl auf die Darstellung der öffentlich geförderten als auch der nicht geförderten evangelischen Erwachsenenbildung – wobei letzteres nur in Bezug auf einzelne Landeskirchen möglich war.“ (19f.) Zur Begriffsbestimmung und zu den Grundlagen des Bildungsberichts heißt es: „Die grundsätzliche Entscheidung, den Untersuchungsgegenstand ‚evangelische Erwachsenenbildung’ über die öffentlich geförderte Erwachsenenbildung hinaus zu erweitern, impliziert ein erhebliches terminologisches Problem, weil dadurch Institutionen in den Blick kommen, die sich in einem ordnungspolitischen Sinne nicht der ‚evangelischen Erwachsenenbildung’ zurechnen lassen. Die Abgrenzung des so erweiterten Bildungsbereichs von anderen kirchlichen Handlungsfeldern stellt somit eine besondere Herausforderung dar. Um zu verdeutlichen, dass in dem vorliegenden Bildungsbericht neben öffentlich anerkannten und geförderten Erwachsenenbildungseinrichtungen auch öffentlich nicht geförderte berücksichtigt werden, wird im Folgenden zur Bezeichnung des gesamten Bereichs der Begriff professionelles Bildungshandeln mit Erwachsenen in evangelischen Organisationen verwendet, der um der Lesbarkeit willen mit Termini wie ‚evangelischer Erwachsenenbildung’, ‚evangelisches Bildungshandeln mit Erwachsenen’, ,evangelischer Erwachsenenbildungsarbeit’ u. ä. abgekürzt wird. Wird ausschließlich auf die Gruppe der durch Weiterbildungsmittel öffentlich geförderten Einrichtungen oder die Gruppe der Einrichtungen, die nicht entsprechend dieser Regelungen anerkannt und gefördert werden, Bezug genommen, wird dies im Text explizit erwähnt.“ (20) Zum Aufbau des Bildungsberichts und der Vertiefungsstudie schreiben die Verfasser: „Wie eingangs beschrieben basiert der Bildungsbericht auf zwei Studien. Zunächst werden die Ergebnisse der Auswertung der DEAE- und Verbundstatistik präsentiert, nachdem die Statistik selbst und ihre Datengrundlage vorgestellt wurden (Kap. 3). Dieser Teil des Bildungsberichts liefert Erkenntnisse zur öffentlich geförderten evangelischen Erwachsenenbildung in der gesamten EKD, die in einem ausführlichen Zwischenfazit zusammengefasst und hinsichtlich ihrer Implikationen für die weitere Forschung sowie für die Weiterentwicklung von evangelischer Erwachsenenbildungsarbeit diskutiert werden. Im Anschluss folgt eine Darstellung der Anbietererfassungen mit ihrem methodischen Vorgehen und den zentralen Ergebnissen, die Einblicke in die Gesamtstruktur von öffentlich geförderter und nicht geförderter evangelischer Erwachsenenbildung in ausgewählten Regionen erlauben (Kap. 4). Auch diese Studie wird durch ein ausführliches Zwischenfazit mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse, Forschungsdesiderata und Anregungen für die Praxis evangelischer Erwachsenenbildungsarbeit abgeschlossen. Im Gesamtfazit des Berichts werden schließlich die Erkenntnisse aus beiden Studien zusammengeführt (Kap. 5). Die Vertiefungsstudie, die im Anschluss an den Bildungsbericht präsentiert wird, beginnt mit einem kurzen Abriss des theoretischen Hintergrunds und des methodischen Vorgehens der Untersuchung, bevor die sieben Einrichtungen der Erwachsenen- und Familienbildung hinsichtlich ihrer institutionellen Merkmale, ihrer Programme sowie der Programmplanung ihrer hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeitenden vorgestellt werden. Im Schlussteil werden die Befunde der Einzeluntersuchungen vergleichend zusammengefasst und analog zum Bildungsbericht hinsichtlich ihrer Konsequenzen für mögliche Folgeuntersuchungen und für das praktische evangelische Bildungshandeln mit Erwachsenen diskutiert.“ (28) Eine wichtige, erstmals umfassend empirisch gestützte Darstellung der evangelischen Erwachsenenbildung!


In der im Verlag W. Kohlhammer erscheinenden bewährten Reihe „DIAKONIE. Bildung – Gestaltung – Organisation“ sind zwei interessante Bände veröffentlicht worden: Zum einen der von Beate Hofmann und Babara Montag herausgegebene Band Theologie für Diakonie-Unternehmen. Funktionen – Rollen – Positionen (ISBN 17-034588-1), der nach Rolle und Funktion der Theologie in der Leitung diakonischer Unternehmen fragt. In der Einführung schreiben die Herausgeberinnen: „In diesem Buch sind Reflexionen und Beobachtungen derjenigen versammelt, die diese Leitungsaufgabe als Theologinnen und Theologen derzeit in einem diakonischen Unternehmen wahrnehmen. Exemplarisch wurden dazu theologische Vorstandsmitglieder und Direktoren von Diakonie-Unternehmen aus dem größten diakonischen Landesverband, der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) angefragt. Sie wurden gebeten, ihre Wahrnehmung der Rolle und Funktion der Theologie in der Steuerung und Leitung diakonischer Unternehmen zu reflektieren.“ (14) Und weiter heißt es: „In der Gesamtschau diskutieren die Beiträge vor allem Funktionen der Theologie im Bereich des normativen Managements, bei der Deutung des Unternehmenshandelns, seiner theologischen und kirchlichen Verankerung. Umstritten ist die persönliche Wahrnehmung der Rolle. Während die einen die Vorbildrolle der leitenden Theolog*innen z.B. im Blick auf spirituelle Praxis und persönliche Authentizität betonen, verweisen andere stärker auf funktionale Dimensionen der Theologie auf der Mesoebene, die auch aus theologischen Gründen unabhängig von der ‚Glaubensdisposition des Amtsinhabers’ (Hohlweger) wahrgenommen werden sollten. Ein gegenüber den Anfängen diakonischer Unternehmenstheologie neuer Aspekt ist die Reflexion der Theologie im multirationalen Spannungsgeflecht diakonischer Unternehmen. Einige Beiträge, die vor allem aus größeren Diakonie-Unternehmen kommen, reflektieren die neuen Anforderungen im Blick auf Sprachfähigkeit, Gestaltung von Reflexionsräumen und multirationaler Entscheidungsmoderation, die sich daraus für leitende Theolog*innen ergeben. Unterschiedlich wird das Verhältnis von organisierter Diakonie und verfasster Kirche reflektiert. Während die einen sich vor allem als personalisierte Brücke zwischen beiden verstehen, tritt für andere diese Rolle in den Hintergrund. Sie reflektieren eher die Funktion der Theologie als fachliche Perspektive in der Unternehmenssteuerung. Deutlich zeigt sich die Notwendigkeit, die Ekklesiologie der Diakonie weiterzudenken.“ (21) Zum anderen der von Hanns-Stephan Haas und Dierk Starnitzke geschriebene Band Gelebte Identität. Zur Praxis von Unternehmen in Caritas und Diakonie (ISBN 17-034980-3), in dessen Vorwort die beiden Autoren schreiben: „Identität will gelebt sein, und sie wird gelebt. In ihr drückt sich aus, was wesentlich ist. Das gilt von Einzelnen wie von Organisationen. Dass Identität gelebt wird, scheint so selbstverständlich zu sein, dass die gelebte Identität häufig gar nicht beschrieben wird, sondern nur die Postulate und Zuschreibungen von Identität behandelt werden. Dabei erschließt sich der Reichtum gelebter Identität erst, wenn man sie wahrnimmt. Diese Wahrnehmung oder genauer: der eklektische Versuch ihrer Wahrnehmung und Beschreibung prägt dieses Buch. Wir wollten wissen, wie Unternehmen in Caritas und Diakonie ihre Identität verstehen und leben. Es ging uns um Deskription, nicht um normative Bewertung. Was ist, nicht was sein soll, stand für uns im Zentrum des Interesses, und es verband sich zugleich mit der Frage, was wir in Unternehmen von Caritas und Diakonie in diesen Beschreibungen voneinander lernen können.“ (9) Und weiter führen die Autoren aus: „Die vorliegende Untersuchung weist eine stringente Argumentation auf, die im Eingangskapitel näher erläutert wird. Nachdem wir im Kapitel I. in die Thematik eingeführt haben, stellen wir in Kapitel II. konkrete Beispiele des Umgangs mit Fragen der Gestaltung christlicher Identität von 21 Unternehmen aus Caritas und Diakonie dar. In Kapitel III. werden diese Praxisbeispiele auf einer Metaebene analysiert und ausgewertet. Das führt uns in Kapitel IV. zu einem Theoriemodell, in dem die Erkenntnisse aus den Untersuchungen abstrahiert und theoretisch reflektiert werden. Der gesamte Argumentationsgang hat das Ziel, den Leserinnen und Lesern auf den verschiedenen Darstellungs- und Reflexionsebenen Anregungen für die eigene Gestaltungspraxis zu geben.“ (12) Zwei wichtige Neuerscheinungen mit Antwortversuchen auf die drängende Frage nach dem theologischen Profil von diakonischen Unternehmen!

3 Religion – Religionssoziologie – Religionspsychologie

Rudolf Englert hat im Matthias Grünewald Verlag (ISBN7867-3151-1) den äußerst empfehlenswerten Band Was wird aus Religion? Beobachtungen, Analysen und Fallgeschichten zu einer irrlichternden Transformation veröffentlicht. Im Vorwort stimmt er die Lesenden auf sein gelungenes Projekt der Beschreibung der Vielfalt und der inneren Komplexität des Religiösen ein: „‚Sind Sie religiös’? Hm ... Tja ... Schwer zu sagen. Dorothee Sölle, Theologin und Poetin, erzählt, wie peinlich sie als Studentin davon berührt war, als ‚religiös’ identifiziert zu werden. Als sie nach einem Fachwechsel das Studium der Theologie aufnimmt, erstaunt sich jemand aus der großbürgerlichen Umgebung ihrer Eltern: ‚Ich wusste gar nicht, dass Sie so religiös sind!’ Ach, du Schreck. Sölle sagt, sie habe in der Theologie nach der Wahrheit und nach Perspektiven für ein wahrhaftiges Leben gesucht. Aber als ‚religiös’ wollte sie nicht wahrgenommen werden. Vielleicht klang das in ihren Ohren zu fromm, zu einfältig, zu unintellektuell, zu gestrig. Und überhaupt: Hatte Dietrich Bonhoeffer nicht das ‚Religiöse’ grundlegend problematisiert und eine nicht-religiöse Interpretation des Christentums gefordert? Heute, fast siebzig Jahre nach Sölles Erschrecken, betrachtet sich ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in Westdeutschland als ‚religiös’, darunter sogar Konfessionslose. Meist bleibt in entsprechenden Umfragen allerdings offen, was die Befragten unter der Selbsteinschätzung ‚religiös’ verstehen. Stufen sie sich als ‚religiös’ ein, weil sie an Gott glauben? Oder weil sie einer Religionsgemeinschaft angehören? Oder weil sie ‚religiös’ empfinden? Oder weil sie immer wieder einmal über ‚religiöse Fragen’ nachdenken? Religion kann offensichtlich vieles sein. Und das ist es, worum es in diesem Buch geht: die Vielfalt und vor allem die innere Komplexität des Religiösen. Wie hängt das, was ‚Religion’ alles sein kann, miteinander zusammen: Glaubensinhalte, Gefühle, Zugehörigkeit, Lebenspraxis, Gottesdienst usw.? Und zwar nicht überhaupt und im Allgemeinen, sondern unter den gegenwärtigen Bedingungen einer sowohl säkularen als auch religiös pluralen Gesellschaft. Die Frage ist: Wohin entwickelt sich ‚Religion’ unter diesen Bedingungen? Wie verändert sie sich? Welche ihrer Komponenten verlieren an Bedeutung, welche werden wichtiger? Ich habe dieses Buch als Religionspädagoge geschrieben. Ich wollte etwas genauer wissen, was es heute bedeutet, ‚Religion’ zu lernen. Das ist so etwas wie der Versuch, aus der Rolle dessen, der Religion anbietet und zu Religion einlädt, herauszutreten und die Perspektive derer einzunehmen, an die sich dieses Angebot und diese Einladung richten. Warum ist es für viele heute so schwierig, sich auf dieses Angebot einzulassen? Was sind die heiklen Punkte? Womit tut man sich schwer? Was müsste sich ändern? Um bei alledem nicht zu sehr im Abstrakten zu bleiben, gehe ich häufig von Fallgeschichten aus. Inwieweit diese tatsächlich etwas erkennen lassen, was für die religiöse Gegenwartssituation und ihren Wandel exemplarisch ist, wäre im Einzelfall zu diskutieren.“ (11f.) Der anregende Band gliedert sich in fünf Teile: I. Die Architektur des Religiösen II. Die Erosion des Dogmatischen III. Die Zukunft des Christlichen IV. Die Gegenwart des Überkommenen sowie V. Der Sinn des Gefährdeten. Das letzte Kapitel mündet in die religionspädagogischen Perspektiven „Das Bemühen um religiöse Resonanzfähigkeit“, „Stärkung des Sinns für den Realitätsbezug religiöser Gefühle“, „Ausweitung des Blicks auf partizipative Lernformen“ und „Religionsunterricht reicht nicht aus“. Eine wichtige religionspädagogische Zeitansage! Atheismus adieu. Warum das, was ist, nicht alles ist lautet der Titel des im Claudius Verlag (ISBN 532-62819-5) erschienenen Buches von Ralf Frisch, der in der Einleitung schreibt: „Dies ist ein Buch über die großen und letzten Fragen. Ich bin davon überzeugt, dass es letzte Antworten auf diese letzten Fragen gibt und dass wir uns nicht mit vorletzten Antworten zufriedengeben sollten. Ich glaube, dass das Ganze einen tieferen Sinn hat und dass wir diesen Sinn erkennen können. Und ich denke, dass es möglich und nötig ist, die wesentlichen Fragen des Daseins allgemeinverständlich und nachvollziehbar zu beantworten. Denn die Antworten auf Fragen, die alle Menschen unbedingt angehen, sollten alle Menschen verstehen können, die ein Buch aufschlagen, von dem sie sich eine Beantwortung dieser Fragen versprechen. (…) Ich frage auf den folgenden Seiten allerdings nicht als Biologe, Chemiker oder Physiker, wie das Universum, das Leben und das menschliche Bewusstsein entstanden sind, woher die Gesetze unseres Kosmos kommen und ob wir im All allein sind. Ich frage eigentlich auch nicht als Philosoph. Vielmehr frage ich als Theologe nach dem Sinn des Ganzen, nach dem Geheimnis des menschlichen Geistes, nach der Freiheit unseres Willens, nach dem Leben nach dem Tod, nach Gut und Böse und nach dem Schöpfer des Alls. Die Antworten, die ich gebe, werden in den Augen von Natur- und Humanwissenschaften daher bestenfalls als Metaphern für das natur- und humanwissenschaftlich Unergründbare wahrgenommen werden.“(7f.) Der Verfasser möchte mit seinem mutigen Versuch den notorischen Gottesleugnern die aus seiner Sicht besseren Argumente entgegenhalten.


Ruth Conrad, Volker Henning Drecoll und Sigrid Hirbodian sind die Herausgebendendes im Verlag Mohr Siebeck in der bewährten Reihe „colloquia historica et theologica“ erschienenen umfassenden Sammelbandes Säkulare Prozessionen. Zur religiösen Grundierung von Umzügen, Einzügen und Aufmärschen. Conrad führt wie folgt in das Thema ein: „Prozessionen sind religiös konnotiert, da sie häufig auf einen Kult und auf eine außeralltägliche, göttliche Kraft bezogen sind. Im westlichen Christentum entwickeln sie sich zudem zu einem konfessions- und damit auch religionskulturellen Differenzmarker. Indem die Reformatoren sich vom (spät-) mittelalterlichen Prozessionswesen distanzieren, bringen sie ein verändertes Christentums- und Religionsverständnis zum Ausdruck. Daher kommt es langfristig zu weitreichenden Transformationen der religiös-konfessionellen Bedeutungszuschreibung an öffentliche Einzüge, Umzüge und Aufmärsche: Katholischerseits rücken die kirchlich-liturgischen Prozessionen in den Status eines öffentlichen Konfessionsbekenntnisses. Sie werden ein „’Kennzeichen katholischer Konfessionszugehörigkeit’. Protestantischerseits entwickeln und etablieren sich funktionale, ,säkulare' Äquivalente. Dies ist der Ort, an dem die Rede von ‚säkularen Prozessionen’ in einem ersten Schritt zu verorten ist. ,Säkular' meint dann zunächst die als Wirkung der Reformation zu beschreibende Ablösung von einem expliziten normativ-kirchlichen Kontext unter Beibehaltung einer – jeweils näher zu beschreibenden – ‚religiösen’ Grundierung und eines entsprechenden Verweishorizontes.“ (4f.) Die Autorin fährt präzise fort: „Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich folgende Bestimmung: Die Rede von ‚säkularen Prozessionen# und die Frage nach deren ‚religiöser Grundierung’ zielt gerade nicht darauf, die Dichotomie von ,religiös' versus ,säkular' oder ein wie auch immer gelagertes Säkularisierungstheorem ritualtheoretisch zu revitalisieren. Vielmehr soll sie – gerade aufgrund ihrer scheinbaren Paradoxie – dazu verhelfen, die partielle Ablösung des öffentlichen Prozessionswesens aus kirchlichen Kontexten und die damit verbundenen religions- und konfessionskulturellen Transformationen differenzierter in Blick zu bekommen. Die Begriffe ‚religiös’ und ,säkular’ erweisen sich in ihrer je konkreten Bestimmung als soziokulturell bedingt und historischen Wandlungen unterworfen. Das gilt auch im Hinblick auf das öffentliche Prozessionswesen. Es ist davon auszugehen, dass Prozessionen mehrdimensionale soziale Praktiken zur Dar- wie Herstellung soziokultureller Ordnungen wie kollektiver Werte und Orientierungen sind. Sie kommunizieren religiöse und soziokulturelle Orientierungsmuster und gesellschaftliche Deutungsmodelle ‚in Verschränkung’. Sie oszillieren zwischen Religion und Politik, zwischen Gesellschaft und Religion. Die Rede von ‚säkularen Prozessionen’ lenkt nun den Blick darauf, dass diese ‚Verschränkung’ erstens dynamisch ist, nicht stabil vorliegt, sondern sowohl epochenintern wie epochenübergreifend Wandlungen unterliegt, und dass sie zweitens soziokulturell imprägniert ist. Daher hat die Rede von ‚säkularen Prozessionen’ heuristische Funktion, die den Blick dafür schärfen soll, Transformationen des Verschränkungsverhältnisses von Religion, Politik und Gesellschaft, wie es sich in Prozessionen als einem öffentlichen Kollektivritual darstellt, detailliert wahrnehmen und diskutieren zu können: Anlässe verändern sich. Begründungsmuster verlagern sich. Neue Akteure und Trägergruppen treten auf. Religiöse Imprägnierung und Funktionalisierung wandeln sich, sowohl innerhalb wie jenseits konfessionskultureller Differenzen. Der Blick richtet sich also auf die ‚fortwährende Antreffbarkeit des Religiösen im Säkularen’, und zwar in einer doppelten Bewegung: Einerseits bedienen sich ,säkulare' Anlässe der symbolischen Kommunikationskraft und performativen Macht des Religiös-Liturgischen. Andererseits durchlaufen christlich-kirchliche Riten Säkularisierungsprozesse, indem sie außerhalb des Raumes der Kirche Aneignung finden, also beispielsweise Prozessionen stattfinden, die ihren Anlass nicht dem kirchlichen Kalender verdanken, oder einzelne Elemente des religiös-kirchlichen Prozessionswesens zitiert werden.“ (7f.) Sodann weist die Verfasserin darauf hin, dass sich gerade die konfessionskulturellen Differenzen als erkenntnisfördernd erweisen: „Sie werden in diesem Band deutlich herausgestellt. Der Vergleich bleibt damit – wiewohl epochenübergreifend – in einem klar umrissenen religiösen und kulturellen Rahmen. Innerhalb des Epochenvergleichs wurden indes Akzente gesetzt und historische Schwerpunkte gebildet. Weil sich gesellschaftliche Brüche immer auch ‚durch Entzauberung der Rituale und Symbole, die die alte Ordnung verkörpern’ vollziehen, markiert für das Prozessionswesen des hier interessierenden soziokulturellen Raumes – neben der Reformationszeit – die Französische Revolution einen markanten Einschnitt. Von hier aus ergibt sich die Struktur des Bandes mit vier Sektionen: (I.) Antike/ Alte Kirche; (II.) Spätmittelalter/Frühe Neuzeit (die Reformation als Differenzmarkierung); (III.) 19. und 20. Jahrhundert (einsetzend mit der Französischen Revolution) und (IV.) Gegenwart.“ (10) Schließlich erklärt Conrad zur Einführung: „Insgesamt erwies es sich für die hier interessierenden Fragen zusätzlich als zielführend, nicht nur epochen-, sondern auch fachspezifische Modelle der Deutung von Prozessionen, Um- und Einzügen wie Aufmärschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Perspektiven der allgemeinen Geschichtswissenschaft sowie der historischen Stadtforschung, der Theaterwissenschaft und empirisch verfahrenden Soziologie werden also mit ritualtheoretischen und liturgie- und kirchengeschichtlichen Fragestellungen verknüpft. In ihrer disziplinären Breite zeigen die Beiträge zugleich die materiale Vielfalt der Prozessionenforschung: Analysiert werden liturgische Texte, Gesetzestexte, Berichte, Filme, Ergebnisse aus Teilnehmenden Beobachtungen etc. Über die methodischen Grenzen wie Reize eines solchen Verfahrens wird zu diskutieren sein. Aber es bleibt zu hoffen, dass eine solche Zusammenschau einen Beitrag zu einer interdisziplinären Phänomenologie von Prozessionen, Umzügen und Aufmärschen zu bieten vermag. Nicht wenige Beiträge bieten ausgehend von dem je spezifischen Material ‚dichte Beschreibungen’ städtischer Prozessionen, Umzüge und Aufmärsche. So vermögen sie die jeweils internen politischen wie kirchlich-religiösen Machtstrukturen, soziale Inklusions- und Exklusionsmechanismen, religiöse Praktiken, soziokulturellen Verschiebungen, aber eben auch lokale religiöse wie säkulare Mentalitäten und Traditionen sichtbar zu machen.“ (12) Insgesamt ein erhellender und wegweisender Band!


Das anschauliche und leicht verständliche Lehrbuch Religionssoziologie von Patrick Heiser ist im Verlag Wilhelm Fink (ISBN 8252-5013-3) erschienen und versucht, alle wesentlichen Phasen und Theorien der Religionssoziologie aufzugreifen. Der Autor schreibt zum Aufbau seines Buches: „Sein Ziel ist es, dass Sie die Religionssoziologie des 21. Jahrhunderts nicht abstrakt kennenlernen, sondern jeweils anhand empirischer Beispiele, über die Sie bei Ihren alltäglichen Beobachtungen vielleicht auch schon gestolpert sind. Wir blicken daher in leere Kirchen, um die Säkularisierungstheorie (und die Kritik an ihr) zu rekonstruieren. Wir besuchen volle Pilgerwege, um die Individualisierung religiöser Praktiken zu verdeutlichen. Und wir diskutieren die Popularität von Weltjugendtagen, um Marktmodelle kennenzulernen. Diese drei religiösen Phänomene werden zunächst jeweils mittels aktueller religionssoziologischer Konzepte erklärt. Erst zum Ende der einzelnen Kapitel komme ich dann darauf zu sprechen, welche theoretischen Annahmen uns die Klassiker und Neoklassiker der Religionssoziologie zur Verfügung gestellt haben, um die jeweiligen Phänomene erklären zu können.“ (17) Ein durchaus gelungener Ritt durch die Religionssoziologie des 21. Jahrhunderts! Ulrich Ertel und Alois Münch haben im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (ISBN 525-40640-3) den Sammelband Religion und Psychose herausgegeben, in dem den vielfältigen Beziehungen zwischen Religion und Psychose beziehungsweise Schizophrenie nachgegangen wird. In ihrem Editorial heißt es: „Die komplexen Konzepte der Religiosität und Spiritualität und ihre Beziehungen zu psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie wurden in der Forschung bis Ende des 20. Jahrhunderts wenig berücksichtigt, sieht man einmal von den zahlreichen psychoanalytischen Veröffentlichungen in der Folge von Daniel Paul Schrebers ‚Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken’ ab. Dabei spielen die Neigung zur Pathologisierung religiöser Aspekte sowie die in der Folge zunehmender Säkularisierung abnehmende religiöse Bildung und Bindung eine Rolle, die sich auch im Unbehagen vieler Behandler im Umgang mit diesem Thema niederschlägt. Religiöse/spirituelle Themen werden im Hinblick auf Schizophrenie zumeist mit Halluzinationen und Wahnideen in Verbindung gebracht. Neue Studien unterstützen jedoch eine salutogene oder auch resilienzfördernde Funktion religiöser/spiritueller Themen für die Krankheitsbewältigung psychotischer Patienten und Patientinnen – ‚Krankheit ist der kürzeste Weg zu Gott’. Bei den in diesem Band vorgestellten überwiegend psychoanalytischen Beiträgen verweist die salutogene Funktion angesichts existenzieller Krisen und Grenzsituationen und deren Verarbeitung jedoch auf die unbewusste Funktion, die die wahnhafte Verwendung beziehungsweise der wahnhafte Gebrauch religiöser Praxis, Inhalte und Themen für die Aufrechterhaltung des intrapsychischen Gleichgewichts und für die Ermöglichung einer Kommunikation auch und gerade in einer therapeutischen Beziehung hat. Die Vielfalt der Beiträge zeugt im Übrigen davon, dass die Religion, Religiosität und Spiritualität als unbewusste Matrix unserer Kultur trotz Säkularisierung und Rationalisierung in der Moderne nicht nur in den Wahnideen der Patienten ihren Niederschlag finden.“ Eine vorzügliche Einführung in die Entwicklungspsychologie haben Werner Greve und Tamara Thomsen im Springer Verlag (ISBN 531-17006-0) unter dem Titel Entwicklungspsychologie. Eine Einführung in die Erklärung menschlicher Entwicklung in der bewährten Reihe „Basiswissen Psychologie“ veröffentlicht. Im Vorwort wird die Intention dieses Lehrbuches erklärt: „Diese Einführung in die Entwicklungspsychologie ist etwas anders aufgebaut als die meisten anderen. Es geht um die Erklärung von Entwicklung, also um die Frage, warum wir uns entwickeln – warum so, wie wir es tun, und warum wir uns überhaupt entwickeln. Die verschiedenen Kapitel und Abschnitte diskutieren verschiedene Perspektiven auf diese Frage, insbesondere die Einflussdimensionen biologische, soziale und autonome Entwicklungsbedingungen. Das Buch ist so gemeint, dass es am besten von vorne nach hinten gelesen wird – viele der späteren Kapitel und Argumente werden frühere voraussetzen, manche der vorne aufgeworfenen Fragen werden im weiteren Verlauf wieder aufgegriffen. Es ist ein Einführungsbuch und wird daher viele Aspekte nur anreißen und manche sehr vernachlässigen. Und es soll zugleich für die Entwicklungspsychologie werben – und für die Erklärungsperspektive, die wir hier behandeln.“ Die Werbung ist geglückt!

4 Andere theologische Disziplinen

Ein beeindruckendes Lehrwerk Evangelische Theologie legt in der gleichnamigen Reihe in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig Ulrich H. J. Körtner mit seinerüber 700seitigen Dogmatik vor, das zweifellos dazu beiträgt, Theologie erfolgreich zu studieren. Das Opus magnum gliedert sich in fünf Hauptteile: 1. Christliche Dogmatik als soteriologische Interpretation der Wirklichkeit. 2. Die Erschließung der Wirklichkeit mit den Kapiteln „Der Glaube“, „Die Botschaft des Glaubens als Wort Gottes“ und „Enthüllung der Wirklichkeit“ 3. Die von Gott geschaffene Wirklichkeit mit den Kapiteln „Der dreieinige Gott“, „Der Mensch als Geschöpf Gottes“ und „Die Welt als Schöpfung Gottes“ 4. Die erlösungsbedürftige Wirklichkeit mit den Kapiteln „Die Sünde“, „Das Übel und das Böse“ und „Die Gerechtigkeit Gottes“ sowie 5. Die Wirklichkeit der Erlösung mit den Kapiteln „Gottes Handeln in Jesus Christus“, „Das Wirken des göttlichen Geistes“, „Die Rechtfertigung des Sünders“, „Die Heilsmittel“, „Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ und „Die Erneuerung der Welt“. Der Verfasser erläutert im Vorwort seinen Ansatz wie folgt: „Ein Lehrbuch der Dogmatik zu schreiben, ist heutzutage kein leichtes Unterfangen, stößt doch schon allein der Begriff des Dogmatischen auf große Vorbehalte. Er klingt nach Ideologie und Voreingenommenheit, nach einem autoritätshörigen Glauben, der nicht bereit ist, sich in Frage stellen zu lassen oder selbst in Frage zu stellen. Dabei ist, recht verstanden, genau das Gegenteil der Fall. Dogmatik als gedankliche Rechenschaft des christlichen Glaubens bedeutet seine permanente Selbstkritik. Ihre Aufgabe ist es, die christliche Rede von Gott kritisch zu prüfen und die Frage zu beantworten, wie sich unter Gegenwartsbedingungen verantwortlich vom christlichen Glauben und seinen Inhalten sprechen lässt. Bisweilen kann freilich der Eindruck entstehen, als spielten verbindliche Inhalte für den Glauben heute gar keine Rolle mehr. Es ist viel von individueller gelebter Religion und von Spiritualität die Rede, während gleichzeitig ein besorgniserregender Schwund an elementaren Kenntnissen christlicher Glaubensinhalte wie auch an Bibelkenntnissen zu verzeichnen ist. Die ‚Entsubstantialisierung‘ des Glaubens, die im Gefolge der Aufklärung und seit Schleiermacher stattgefunden hat, birgt die Gefahr, dass der Begriff des Glaubens seine christlichen Konturen verliert und nur noch im Sinne eines unbestimmten Urvertrauens verstanden wird. Allerdings geht es beim christlichen Glauben nicht um Gegenstände und Sachverhalte, die von derselben Art sind wie beispielsweise diejenigen in den Naturwissenschaften. Das heißt aber nicht, dass der christliche Glaube gänzlich inhaltslos wäre. Er gibt, recht verstanden, nicht nur zu denken, sondern auch durchaus etwas zu wissen. Solches Wissen kritisch zu prüfen und zu vermitteln, ist die Aufgabe der Dogmatik, die sie keineswegs nur für die akademische Theologie, sondern auch für Kirche und Gemeinde zu erfüllen hat. Sie hat ihren Beitrag zu leisten, dem stattfindenden Traditionsabbruch, dem Sprachverlust und dem damit einhergehenden Verlust theologischer Urteilsfähigkeit entgegenzuwirken. Von den Anfängen bis in die Gegenwart gibt es eine Vielfalt von Ausprägungen des christlichen Glaubens. Man kann sogar von Christentümern im Plural sprechen. Jede Dogmatik hat ihren eigenen konfessionellen Kontext ebenso wie die konfessionelle Pluralität christlicher Theologie zu bedenken. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Lehrbuch evangelischer Dogmatik, das sich dem lutherischen und dem reformierten Erbe reformatorischer Theologie verpflichtet weiß. Der Protestantismus umfasst aber noch weitere Traditionen. Die vorreformatorischen Kirchen der Hussiten und der Waldenser gehören ebenso dazu wie der Methodismus, aber auch die aus dem Täufertum hervorgegangenen Kirchen. Letztlich lässt sich auch die anglikanische Kirche und Theologie der protestantischen Konfessionsfamilie zuordnen, wenngleich sie sich selbst als via media zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche versteht. Aus Platzgründen kann der innerprotestantische Dialog nur in seinen Grundzügen zur Sprache kommen. Das vorliegende Lehrbuch richtet sein Augenmerk dabei besonders auf die Leuenberger Konkordie (1973) und die Lehrgespräche der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE).“ (XVf.)


Michael Weinrich hat im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (ISBN 8252-5093-5) als UTB die fast 500seitige profunde Einführung Karl Barth. Leben – Werk – Wirkung veröffentlicht. Zurecht schreibt der Autor in seinem Vorwort: „Die letzten hundert Jahre der Theologiegeschichte lassen sich ohne eine eingehende Wahrnehmung von Karl Barth (1886-1968) nicht angemessen verstehen. Seit seinem Vortrag „Der Christ in der Gesellschaft" 1919 in Tarnbach (Thüringen) zog er den Fokus der theologischen Aufmerksamkeit auf sich. Es hat keine fünf Jahre benötigt, bis Barth, der inzwischen auf einer Stiftungsprofessur außerordentlicher Professor in Göttingen geworden war, im Bereich von Theologie und Kirche so ziemlich in aller Munde war. Seitdem befindet sich der theologische Diskurs nicht nur in der systematischen Theologie, wenn nicht in einer direkten, so doch in einer indirekten Auseinandersetzung mit Karl Barth. Gewiss kann man sich gegen ihn stellen und ihm auf der ganzen Linie widersprechen, aber wenn man auf der Höhe der Zeit sein will, wird es kaum möglich sein, seine Theologie einfach zu ignorieren. Deshalb ist es in jedem Falle geboten, eine möglichst ausgewiesene Vorstellung von den Motiven und Anliegen dieser Theologie zu haben. Darum geht es in diesem Buch.“ (9) In einer ersten Annäherung wirbt der Verfasser erneut für die Behandlung mit dem großen Theologen: „Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass Karl Barth wohl der bedeutendste Theologe des 20. Jahrhunderts gewesen ist. Der Grund dafür liegt vor allem in seiner Neuentdeckung der besonderen Aufgabe der Theologie und der von ihm entschlossen vollzogenen kritischen Revision ihrer Tradition in ihrer ganzen Breite. Auch dort, wo Barths Impulse auf Skepsis oder auf unterschiedlich intensive Ablehnung stießen, nötigten sie dazu, die überkommenen theologischen Einsichten und die ihnen zugrunde liegenden methodischen und inhaltlichen Orientierungen kritisch zu sichten und erneut zu begründen. Indem Barth vor allem die liberale Theologie und den Kulturprotestantismus, die beide im 19. Jahrhundert bestimmend wurden, grundsätzlich in Frage stellte und zugleich sehr ambitionierte Anforderungen an eine den Bedingungen des 20. Jahrhunderts gerecht werdende Theologie stellte, war eine selbstverständliche Fortschreibung der herrschenden theologischen Konventionen nicht mehr möglich. Und so ist es vor allem seine Theologie gewesen, die den theologischen Kontroversen vor allem in der protestantischen Theologie direkt oder indirekt eine spezifische Prägung gegeben hat. Kein anderer theologischer Entwurf hat eine vergleichbar herausfordernde Beachtung gefunden. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts erweist sich Barths Theologie unter den sich rasant verändernden Umständen und Bedingungen in durchaus neuer Weise als ein keineswegs abgegoltener Entwurf mit teilweise überraschender Aktualität. Dabei hat ihre Wahrnehmung längst konfessionsübergreifenden Charakter gewonnen. Zunächst war es im 20. Jahrhundert die katholische Theologie, die ein bis in die Gegenwart anhaltendes Interesse an seiner Theologie zeigte. Heute kann festgestellt werden, dass sie sowohl in den dogmatischen als auch in den ethischen Auseinandersetzungen weltweit eine ökumenische Bedeutung erlangt hat, die nur sehr wenigen theologischen Entwürfen zuteilwird. Gewiss werden Barths Vorschläge sehr unterschiedlich wahrgenommen, aber es scheint sich eine Art Konsens über die von Barth angeregten theologischen Sensibilisierungen herauszubilden, der nicht zuletzt auf dem ökumenischen Potenzial seiner auf das Wort Gottes ausgerichteten biblisch orientierten Theologie basiert.“ (13) Eine hervorragende Einführung in den leidenschaftlichen Theologen Barth!


Aufbruch und Widerspruch. Schweizer Theologinnen und Theologen im 20. und 21. Jahrhundert lautet der Titel des von Angela Berlis, Stephan Leimgruber und Martin Stallmann im Theologischen Verlag Zürich (ISBN 290-18147-5) herausgegebenen 850seitigen Bandes. Das Team schildert im Vorwort des gewichtigen Sammelbandes Inhalt und Intention: „Der vorliegende Band präsentiert in zehn Kapiteln 55 ‚Schweizer Theologinnen und Theologen’ vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hinein ins 21. Jahrhundert, und zwar in ihrer Bedeutung für die Theologie, die Kirchen und die Gesellschaft. Die Persönlichkeiten sind mit ihrem Oeuvre vor dem biografischen und zeitgeschichtlichen Hintergrund gezeichnet. Entstanden ist eine blühende theologische Landschaft der Schweiz mit bunten Farben: Schwerpunkte bilden das biblische und historische Forschen, die systematische Reflexion, die ökumenischen und religionswissenschaftlichen Aspekte und natürlich die Arbeit in den praktischen Fächern der Theologie. Von einer typisch schweizerischen Theologie kann zwar nicht die Rede sein. Aber wie der Diskurs in anderen Wissenschaften findet auch das Theologietreiben in der Schweiz in weltweiter Kommunikation und in lebendigen transkulturellen und interreligiösen Kontakten statt. Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer sind in andere Länder gereist und haben das theologische Denken dort gepflegt. Ebenso zahlreich sind Theologinnen und Theologen von nah und fern in die Schweiz gekommen, haben sich hier integriert und ein erstaunliches Werk vorgelegt. Der Titel ‚Aufbruch und Widerspruch’ spielt auf sozialgeschichtliche und theologiegeschichtliche Veränderungen an, die unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Er signalisiert den Aufbruch der Kirchen und der theologischen Denkwege seit dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Gründung des ökumenischen Rates der Kirchen (1948), mit der Seelisberger Konferenz (1947), einem ersten Brückenschlag zwischen Juden und Christen in der Nachkriegszeit, und dann vor allem mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (samt der dort vollzogenen anthropologischen Wende der Theologie) ist eine große Begeisterung für Theologie und Kirchen entstanden, die eine bis dahin ungekannte ökumenische Annäherung und Kooperation brachte. Vorübergehend wuchs im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die Zahl der Theologiestudierenden. Schon früher hatte es zahlreiche Widersprüche in der theologischen Landschaft gegeben: Die christkatholische Kirche entwickelte sich aus dem Widerspruch gegen die 1870 formulierten Dogmen in der römisch-katholischen Kirche. Auf reformierter Seite erhob sich nach dem Ersten Weltkrieg heftiger Widerspruch gegen den Kulturprotestantismus. Tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zogen unterschiedliche theologische und kirchenpolitische Antworten auf diese Widersprüche nach sich. Die Pluralisierung und Individualisierung nehmen heute weiter sichtbar zu und erschweren die Prägung durch Gemeinschaft und Solidarität, Versöhnungsbereitschaft und Lernfähigkeit, alles Grundeigenschaften, für die ethisches theologisches Denken steht. Die Globalisierung wird konterkariert durch wachsende Nationalismen und Regionalismen, und im Religiösen zeichnen sich eine starke Privatisierung und ein markanter Rückgang kirchlich gebundener Religiosität sowie ein Aufschwung individueller Spiritualität ab.“ (17f.) Für religionspädagogisch Interessierte sind insbesondere auch die Beiträge über Walter Neidhart, Sr. Oderisia Knechtle, Klaus Wegenast, Fritz Oser und Vreni Merz-Widmer lesenswert.


Wolfgang Huber porträtiert in seinem im Verlag C. H. Beck (ISBN 406-73137-2) veröffentlichten Buch Dietrich Bonhoeffer. Auf dem Weg zur Freiheit eindrucksvoll einen der wirkmächtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Einführend schreibt der Verfasser: „Ein Mensch lässt sich auf verschiedene Weise porträtieren. Fotografiert oder gezeichnet, gemalt oder als Skulptur kann uns die Person vor Augen treten. Auch durch Erzählen kann ein Bild von ihr entstehen. Die Stationen ihres Lebens, die für sie wichtigen Beziehungen und die dramatischsten Ereignisse zwischen Leben und Tod können geschildert werden. Doch nicht nur Ereignisse, Begegnungen und Beziehungen gehören zu einer Person. Ebenso wichtig sind ihre Überzeugungen und ihr Denken. Für einen Menschen, der aus innerer Gewissheit seinen eigenen Weg gegangen ist und auf jeder Station von seinem Denken Rechenschaft abgelegt hat, ist ein allein lebensgeschichtlich angelegtes Porträt unzureichend. Man muss die tragenden Gewissheiten dieses Menschen verstehen und die Veränderungen seines Denkens nachzeichnen. Für Dietrich Bonhoeffer gilt das allzumal. Er war nicht nur ein Mitglied der Konspiration gegen die Diktatur Adolf Hitlers; er war zugleich ein überzeugungsstarker und literarisch produktiver Theologe. Weder der Entzug der Lehrbefugnis an der Berliner Universität noch ein im ganzen Deutschen Reich gültiges Veröffentlichungsverbot konnten ihn am Schreiben hindern; glücklicherweise ist mehr von seinen Manuskripten erhalten, als man unter den Bedingungen von Diktatur und Krieg erhoffen konnte. In Bonhoeffers wechselvoller Geschichte hingen Glauben und Leben, Theologie und Widerstand eng miteinander zusammen. Es lohnt sich, sein Denken vor dem Hintergrund seiner Lebensgeschichte zu betrachten. Dazu ist ein Porträt erforderlich, das nicht nur an Ereignissen, sondern ebenso an Gedanken orientiert ist. Das Denken ist in der Biographie verankert, aber nicht in ihr gefangen. Bonhoeffer dachte immer wieder über die eigene Zeit und die Bedingungen der eigenen Existenz hinaus. Seine Theologie entwickelte sich auf besonders überraschende Weise gerade in einer Zeit, in der er als Häftling des Regimes äußerlich betrachtet zur Untätigkeit verurteilt war. Seine Bereitschaft, immer wieder neu anzufangen, bewährte sich gerade in dieser Zeit. Auf seinem Lebensweg wagte Bonhoeffer mutige Schritte und wich vor Enttäuschungen wie vor Gefahren nicht zurück; das kann auch heute ein Ansporn sein. Als Theologe und denkender Zeuge einer abgründigen Zeit scheute er neue Ansätze und kühne Vorstöße nicht. Das ermutigt dazu, sich auch heute wichtigen Fragen zu stellen und nach eigenen Antworten zu suchen. Auf Hitlers persönliches Geheiß wurde Dietrich Bonhoeffer am 9. April 1945 im Alter von neununddreißig Jahren ums Leben gebracht. Wen wundert, dass sein Leben und sein Denken fragmentarisch geblieben sind? Doch gerade ein Fragment fordert dazu auf zu erkunden, wie das Ganze wohl gemeint war. Bonhoeffer hoffte darauf, dass sich das in seinem Fall erkennen ließe.“ (9f.) Im Epilog „Was bleibt“ führt der Autor zurecht aus: „Fragt man nach Personen aus dem Bereich der christlichen Theologie, deren Stimmen nach 1945 weltweit ein vielfältiges Echo auslösten, so ist aus dem Bereich der deutschsprachigen Theologie insbesondere Dietrich Bonhoeffer zu nennen. Er steht damit nicht allein; Karl Barth und Karl Rahner, Dorothee Sölle und Hans Küng, Jürgen Moltmann und Johann Baptist Metz und manche andere können in einem solchen Zusammenhang genannt werden. Aber in seinem Fall übt der Zusammenklang von Lebensgeschichte und Lebenswerk eine große, noch immer anhaltende Faszination aus. Diese Resonanz hängt mit einer Reihe von Faktoren zusammen: dem zugeschriebenen Status eines Märtyrers, der postumen Veröffentlichung wichtiger Texte, der polyzentrischen Internationalität des Echos auf sein Werk.“ (279)


Mualla Selcuk und Martin Thurner haben im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-034471-6) den durchgehend zweisprachig deutsch-türkischen Sammelband Der Mensch in Christentum und Islam herausgegeben, der aus der Grundidee hervorging, „am Leitfaden menschlicher Existenz die Theologie der jeweiligen Religionen zu entfalten und stets darauf zurückzubeziehen. Ausgangspunkt dafür war die verbindende Überzeugung, dass der Glaube die Offenbarung Gottes für den Menschen ist. Im Blick auf diesen gemeinsamen Bezugspunkt lassen sich Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gut erkennen, was die Bedingung für Verständnis und Respekt zwischen den Religionen ist.“ (9) Thurner begründet den Ansatz einer christlich-islamischen Anthropologie wie folgt: „Die Erarbeitung einer dementsprechend ausgerichteten interreligiösen Anthropologie steckt erst in ihren Anfängen. Die vorliegende Publikation möchte einen weiteren Schritt dazu versuchen. Die Entscheidung, zunächst den christlichen und islamischen Blick auf den Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, ergibt sich dabei nicht primär aus der zufälligen Tatsache, dass die Autoren muslimische und christliche Theologen sind. Christen und Muslime bilden gemeinsam die beiden größten Weltreligionen und umfassen gemeinsam mehr als die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung. Aus dieser Stellung ergibt sich eine besondere Verantwortung gerade dieser beiden Religionen für das Wohlergehen und den Frieden der Menschheit. Dieser Verantwortung können Christentum und Islam nur gerecht werden, wenn sie in ihrem Verhältnis untereinander mit gutem Beispiel vorangehen. Dem gilt das Bemühen des folgenden Experiments, die Bedeutung der Religionen für die Menschwerdung des Menschen aus christlicher und muslimischer Sicht gemeinsam zu erhellen. Die Religionen stehen mit den Menschen, die sie leben, in unauflösbarem Bezug und können daher nie in einer abstrakten Reinform erfasst und dargestellt werden. Daraus entstehen die unterschiedlichen individuellen, kulturellen und geschichtlichen Deutungen. Was in diesem Sinne ganz allgemein gilt, trifft auf die Inhalte der folgenden Beiträge konkret zu: Bedingt durch die jeweilige akademische und religiöse Prägung der Autoren und die daraus resultierende individuelle Zugangsweise können die Ausführungen natürlich nur eine Möglichkeit in einem potenziell viel breiteren Spektrum an Deutungsvarianten darstellen. Dies wird zur Folge haben, dass der Leser in den Ausführungen zur eigenen, aber auch zur anderen Religion Aspekte vermisst, die ihm wichtig erscheinen. Im Christentum wird die konfessionelle Zugehörigkeit der Autoren (katholisch oder evangelisch) zu anderen Schwerpunktsetzungen führen, im Islam mag sich daraus eine Spannung ergeben zwischen den vorgetragenen theologischen Positionierungen und dem Bild in der medial-öffentlichen Diskussion. Derartige Differenzen können aber weder vermieden noch sollten sie ignoriert werden. Gerade der interreligiöse Diskurs mag Wege aufzeigen, wie man in vorurteilsfreier Offenheit ohne unkritische Aufgabe der eigenen Identität damit umgehen kann.“ (18f.) Ein wichtiger Band für den interreligiösen Dialog!


Ebenfalls im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-033369-7) ist das von Maren Bienert und Monika E. Fuchs herausgegebene Buch Ästhetik – Körper – Leiblichkeit. Aktuelle Debatten in bildungsbezogener Absicht erschienen, das sich interdisziplinären Reflexionshorizonten widmet und fragt: „Wie kann sich Bildung und Bildsamkeit im Angesicht bewertungskriteriologischer Verschiebungen und mediatisierter Normgebungsverfahren vollziehen? Wie kann gelingendes Lernen unter Berücksichtigung ästhetischer, körperlicher und leiblicher Zugänge aussehen?“ (11) Der Band ist wie folgt aufgebaut: Teil 1 widmet sich zunächst grundlegenden Überlegungen. Aus kunstdidaktischer Perspektive untersucht Birgit Engel das Verhältnis von Entzug und Verantwortung und zielt auf bildende Begegnungen mit einer ästhetischen Aufmerksamkeit. Mit Blick auf religionsdidaktische Forschungsvorhaben eröffnen Jörn Neier und Linda Schwich Zugänge und Annäherungen an die Begriffe Menschenbilder, Körperbilder, Selbstbilder. Teil 2 (Bildung & Ästhetik) zielt auf Rezeptionen und Spannungsfelder von Ästhetik, die unter medizinischer, medienethischer und exegetisch-theologischer Perspektive beleuchtet werden: Peter M. Vogt fragt aus ärztlicher Sicht nach Ästhetik in der Medizin im Spannungsfeld von Indikation und Optimierung. Ingrid Stapf nähert sich medienethisch dem Wechselspiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Netz an, und die Exegetin Ruth Ebach prüft Schönheit, Reinheit, Gesundheit und Fülle als ästhetische Konzeptionen im Alten Testament. In Teil 3 (Bildung & Körper) geht es um Leib-Erleben und Körperinszenierung und hier insbesondere um Inszenierungspraktiken, -wirkungsweisen und -strukturen. Dies geschieht aus medien- und jugendsoziologischer, aus medizinischer, sowie aus kommunikations-wissenschaftlicher Perspektive. Die beiden Ärztinnen Anna Buck und Marina Knelles-Neier fokussieren Leib, Leben und Lebendigkeit und eröffnen konkrete Einblicke in die Transplantationsmedizin. Julia Schreiber, Soziologin und Erziehungs-wissenschaftlerin, untersucht Körperlichkeit und Leiblichkeit im Kontext spätmoderner Optimierungsanforderungen. Helena Atteneder blickt in ihrem kommunikationswissenschaftlichen Beitrag auf alte und junge Körper im Cyberspace, und die Medienwissenschaftlerin Dagmar Hoffmann untersucht Ästhetiken, Wahrnehmungen und Aneignungsprozesse am Beispiel mediatisierter Körper. Abschließend weitet Teil 4 (Bildung & Leiblichkeit) den Horizont für Be­ und Entgrenzungen. Sportwissenschaftliche, systematisch-theologische und ethische Zugänge fragen nach Kontexten von Leiblichkeit und deren ethischen Implikationen: Der Sportwissenschaftler Dennis Wolff widmet sich dem objektivierten Körper und markiert Tendenzen einer Verdinglichung des Körpers sowie Praktiken der Selbst-Bildung durch Self-Tracking. Die Theologin Elisabeth Gebhardt untersucht den Zusammenhang von Leib und Moral und erörtert Grenzgänge zu aktuellen Phänomenen der Ernährung. Abschließend reflektiert Maren Bienert in ihrem systematisch-theologischen Beitrag Leib und Tod. Dass gerade jene interdisziplinäre Projektanlage ein Vielfaches dazu beiträgt, die sich ergebenden bildungstheoretischen Fragen präziser konturieren zu können, zeigt der zusammenfassende Schlussbeitrag von Hiltrud Stärk­Lemaire. Die Religionspädagogin kommentiert ihre Beobachtungen mit einer bildungstheoretischen Perspektive auf Ästhetik - Körper - Leiblichkeit.“ (11f.)


Menschenbilder und Gottesbilder. Geschlecht in theologischer Reflexion lautet das von Laura-Christin Krannich, Hanna Reichel und Dirk Evers in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-05372-8) herausgegebene Buch zu einem der am kontroversesten diskutierten Themen in unserer Gesellschaft. Dazu heißt es im Vorwort der Herausgebenden: „Dies ist vermutlich eine der wenigen allgemein zustimmungsfähigen Aussagen über Geschlecht. Die Debattenlage ist vielfältig: Auch 100 Jahre nach der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Frauen in Deutschland geht es um Fragen der Teilhabemöglichkeiten von Frauen in der Gesellschaft, um Unterrepräsentation in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, um die ungleiche Verteilung der Arbeitslast in Familie und Haushalt und den Gender Pay Gap. Doch drehen sich die Debatten längst nicht mehr nur um frauenspezifische Themen. Auch die Lebensrealität von Männern gerät zunehmend in den Blick, etwa wenn es um den statistischen Unterschied im Hinblick auf die durchschnittliche Lebensdauer geht, um Gerechtigkeit in Sorgerechtsprozessen oder auch Fragen der Bildungsgerechtigkeit in Schulen – Stichwort: Jungs als Bildungsversager. Schon diese Fragen erhitzen die Gemüter – doch noch viel mehr gilt das für all jene Debattenstränge, die um die binäre Kodierung der geschlechtlichen Ordnung kreisen. Denn Geschlecht scheint eine unhinterfragbare Tatsache unseres Lebens zu sein. Der Medienwissenschaftler Tobias Matzner bezeichnet Geschlecht deshalb nicht als Wissen, sondern als Gewissheit, eine grundlegende, in der Regel ungeprüfte Überzeugung des Alltags. Eben dieser Gewissheit droht durch Geschlechterstudien die Erschütterung, denn sie hinterfragen die Selbstverständlichkeit der geschlechtlichen Ordnung – und machen sie dadurch erklärungsbedürftig. Was ist Geschlecht? Welche Funktionen erfüllt Geschlecht im gesellschaftlichen Zusammenleben? Und natürlich auch: Worauf beruht der Unterschied der Geschlechter? Gerade die Grundthese der Gender Studies, dass Geschlecht als soziale und kulturelle Tatsache untersucht werden muss statt (primär) als biologische, erfährt heftige Gegenwehr, die sich nicht zuletzt in den Schlagworten Gender-Ideologie, Genderwahn oder Gender Gaga artikuliert.“ (5) Und weiter wird ausgeführt: „Die Komplexität und Vielschichtigkeit von Gender Studies werden die Eingeweihten nicht überraschen. Zwar erscheinen Gender Studies in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals als ein einheitlicher (und hoch ideologieverdächtiger) ‚Block’. Doch Gender Studies sind eine inter- bzw. transdisziplinäre Angelegenheit. Darin ähneln sie der Theologie, die ihrerseits ebenfalls ein interdisziplinäres Unternehmen darstellt. Wirft man die Frage auf, was ein Gespräch von Theologie und Gender Studies ergeben könnte, dann ist im Grunde sehr erläuterungsbedürftig, was das heißen soll: Wer unterhält sich da eigentlich mit wem? Denn hier stehen sich ja nicht etwa zwei klar voneinander abgrenzbare Größen gegenüber. Mehr noch: Die Formulierung kann den Eindruck erwecken, Gender Studies seien grundsätzlich etwas der Theologie externes. Doch verdeckt diese Betrachtungsweise, dass auch die Theologie implizit und explizit mit der menschlichen Geschlechtlichkeit befasst ist und dass auch in der Theologie (und natürlich ebenso in den Kirchen) stereotype Theorien über die Eigenschaften von Frauen und Männern begegnen, die nach Aufklärung und Dekonstruktion verlangen. Wir sind deshalb – entgegen der gelegentlich begegnenden Ansicht, bei Gender Studies handle es sich lediglich um ein aktuelles Trendthema – von der fundamentalen Bedeutung der kritischen Reflexion der Kategorie Geschlecht für die theologische Wissensproduktion und Theoriebildung überzeugt. Das schließt ausdrücklich ein, dass die Theologie sich auch im interdisziplinären Gespräch über Geschlecht einbringen muss, sowohl um Anregungen aus anderen Fächern zu erhalten als auch um selbst Impulse zu setzen. Denn wenn ein echtes Gespräch stattfinden soll, müsste neben der kritischen und konstruktiven Rezeption von Einsichten aus den Gender Studies auch klar werden, was die Theologie ihrerseits an eigenen Beiträgen zu einem Nachdenken über Geschlecht beizutragen hat. Dieser Band versucht nicht, einen Überblick über die vielgestaltige theologische Geschlechterforschung zu vermitteln. Vielmehr handelt es sich bei den hier versammelten Beiträgen um Ausschnitte aus einer breiten und diversen Forschungslandschaft – um case studies aus unterschiedlichen theologischen Disziplinen, um Einblicke in verschiedenste theologische Werkstätten, in denen Geschlecht zum Thema wird. In einem Klima, in dem es oft genug kontrovers um das für und wider von Gender Studies geht, wollen wir vor allem eines zeigen: geschlechtersensible Theolog_innen bei der Arbeit. Dieses Buch soll deshalb im besten Fall eine Anregung für (Nachwuchs-)Theolog_innen sein, selbst auf Entdeckungsreisen zu gehen.“ (10f.) Dies ist zweifellos gelungen!


Ein ausgezeichnetes Lehrbuch hat Melanie Peetz im Verlag Herder (ISBN 451-38048-8) mit dem Titel Das biblische Israel. Geschichte – Archäologie – Geographie veröffentlicht. Die Autorin schreibt in der Einleitung: „Dieses Lehrbuch handelt von der Geschichte Israels in biblischer Zeit. Es geht um die Zeit, von der die Bücher der Bibel erzählen, erweitert um die Zeit, in der diese Schriften entstanden sind – also um den Zeitraum von ca. 2000 v. Chr. bis ca. 200 n. Chr. Ziel des Buchs ist es, innerhalb dieser über 2200 Jahre die Geschichte Israels historisch-kritisch zu rekonstruieren, das heißt unter anderem: Die biblische Darstellung nicht nur einfach nachzuerzählen, sondern sie im Vergleich mit anderen Quellentexten und archäologischen Funden historisch einzuordnen. Die Geschichte Israels wird in diesem Lehrbuch in acht Epochen unterteilt. Diese acht Kapitel orientieren sich an den drei wohl einschneidendsten Ereignissen der Geschichte des biblischen Israels: 722 v. Chr. Assur erobert das Nordreich Israel. Das Königreich Israel hört auf zu existieren. 587 v. Chr. Babylon unterwirft das Südreich Juda und zerstört Jerusalem mit dem Tempel. Das babylonische Exil beginnt. 70 n. Chr. Die Römer zerstören Jerusalem mit dem Tempel“ (11) Ferner erklärt die Verfasserin: „Der Begriff Israel wird in diesem Lehrbuch in einem weiten Sinn verwendet. ‚Geschichte Israels’ meint im Folgenden die Geschichte Israels und Judas sowie die Geschichte des Frühjudentums. Deshalb wird, im Unterschied zu anderen Lehrbüchern, hier ein weiter Zeitraum abgedeckt, der bis in die römische Besatzungszeit reicht. Innerhalb dieses Konzepts wird die neutestamentliche Perspektive insoweit in den Blick genommen, als die jüdischen Autoren der neutestamentlichen Schriften zu diesem Frühjudentum gehören. Dieses Lehrbuch versucht allerdings, die frühjüdischen Entwicklungen in ihrer Gesamtheit zu erfassen.“ (15)


Als eine handliche Paperbackausgabe ist im Verlag C. H. Beck (ISBN406-73025-2) Jan Assmanns fulminantes Buch Exodus. Die Revolution der Alten Welt erschienen. Im Vorwort zu seinem annähernd 500seitigen Standardwerk schreibt der Verfasser: „Im vorliegenden Buch möchte ich zu den Quellen zurückgehen, das heißt zum biblischen Buch Exodus, und es auf seine in die Länge der Zeit ausstrahlenden Grundideen hin befragen. Mein Zugang ist naturgemäß nicht der des philologisch und theologisch arbeitenden Alttestamentlers, sondern des kulturwissenschaftlich arbeitenden Ägyptologen, und mein methodischer Ansatz ist der einer ‚Sinngeschichte’. Ich verstehe den in der Überlieferung vom Auszug aus Ägypten entfalteten Monotheismus der Treue bzw. die Bundestheologie als eine Sinnformation, die mit den frühen Propheten anhebt, im Deuteronomium und der deuteronomistischen Tradition ihre kanonische Form gewinnt und durch alle Wandlungen hindurch bis heute lebendig ist. Der Begriff ‚Sinngeschichte’ lässt sich in zwei Richtungen entfalten: Sinn ‚hat’ Geschichte und Sinn ‚macht’ Geschichte. In der ersten Richtung geht es um die allmähliche Herausbildung und die Wandlungen einer semantischen Formation in ihrer historischen und gesellschaftlichen Einbettung, ihre Entwicklungsstufen und entscheidenden Wendepunkte sowie die Texte und Zeugnisse, in denen sie Ausdruck gefunden hat. In der anderen geht es um die Wirkungs-und Rezeptionsgeschichte dieser Texte und Zeugnisse. Der Auszug aus Ägypten ist in beiden Richtungen ein hervorragendes Beispiel, zum einen, was die Entwicklung dieser Überlieferung im Laufe von drei bis vier Jahrhunderten zu dem zentralen semantischen Paradigma des frühen Judentums betrifft, und zum anderen hinsichtlich der einzigartigen Wirkungsgeschichte dieses Paradigmas in den darauf aufbauenden Religionen Christentum und Islam, die zu einer grundlegenden Umgestaltung der Welt geführt haben. Die betroffene Fachwissenschaft, die alttestamentliche Theologie, ist der Frage nach Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der alttestamentlichen Texte seit Jahrhunderten mit großer Intensität nachgegangen. In der einen Richtung ging es um eine diachrone Analyse der überlieferten Textgestalt, die zu einer ebenso differenzierten wie umstrittenen Scheidung von Quellen, Dokumenten, Kompositionsschichten und Redaktionsstufen führte, in der anderen Richtung um eine Auslegungsgeschichte in jüdischer und christlicher Sicht. Diese im engeren Sinne fachphilologische Perspektive kann und will ich mir in diesem Buch nicht zu eigen machen. Sie geht erstens weit über das hinaus, was ein Fachfremder leisten und in einem einigermaßen handlichen Buch unterbringen kann, und läuft zweitens immer wieder Gefahr, das eigentliche Thema der Sinngeschichte über den Einzelfragen der diachronen Textkritik aus dem Auge zu verlieren. Außerdem möchte ich gleich eingangs betonen, dass mein Thema nicht ‚der alttestamentliche Monotheismus’ oder die ‚Theologie des Alten Testaments’ ist, sondern der Auszug aus Ägypten und seine Folgen. Die alttestamentlichen Konzeptionen von Gott und Mensch, Israel und Judentum gehen natürlich weit über das hinaus, was im 2. Buch Mose narrativ und normativ entfaltet wird, auch wenn dies bis heute den Kern der Sache bildet. Die Position, von der aus ich es in diesem Buch unternehme, die so unendlich oft erzählte, kommentierte, gedeutete und gestaltete Exodus-Tradition in ‚sinngeschichtlicher’ Hinsicht zu behandeln, ist die der teilnehmenden Beobachtung. Teilnehmend, weil auch das protestantische Christentum, aus dem ich komme, in der Tradition des Exodus-Mythos steht, teilnehmend aber auch als Deutscher, als Nachgeborener der schwersten Katastrophen und Verbrechen meines Landes, der die Exodus-Erzählung – womit nicht nur das Buch Exodus, sondern der gesamte Erzählungsbogen von Auszug über Bundesschluss und Wüstenwanderung bis zum Einzug ins Gelobte Land gemeint ist – nicht lesen kann, ohne sich der vielfältigen Resonanzen bewusst zu werden, die diese Geschichte in ihm auslöst. Beobachtend, weil die Ägyptologie einen signifikanten Standpunkt sowohl inner- als auch außerhalb dieser Tradition vermittelt. Schließlich ist es ja Ägypten und nicht etwa Assyrien, Babylonien, das Hethiterreich oder irgendein anderes Reich der damaligen Welt, aus dem die Kinder Israels ausgezogen sind. In der Tat repräsentiert das Alte Ägypten die Welt, aus der Israel ausgezogen ist, in beispielhafter, idealtypischer Weise.“ (13f.) Nachvollziehbar schreibt der Autor in seiner Einleitung: „Das Buch Exodus enthält die wahrscheinlich grandioseste und folgenreichste Geschichte, die sich Menschen jemals erzählt haben. Sein Thema ist eine Wende in der Geschichte der Menschheit, die sich nur mit den großen Evolutionsstufen auf dem Wege zum heutigen Menschen wie Schrifterfindung und Staatenbildung vergleichen lässt: Das ist die Wende vom Polytheismus zum Monotheismus, ein evolutionärer Einschnitt ersten Ranges, zumindest für die jüdisch-christlich-islamische Welt. Auch wenn sich diese Wende erst mit der Christianisierung und Islamisierung der Alten Welt wirklich revolutionierend durchgesetzt hat, ist es doch die im Buch Exodus erzählte Geschichte, die ihren Gründungsmythos darstellt. So gesehen handelt es sich hier nicht nur um den Gründungsmythos Israels, sondern des Monotheismus und damit eines zentralen Elements der modernen Welt. (..) Das Buch Exodus widmet sich den beiden wichtigsten Fragen, die die Menschen von jeher beschäftigen: der Frage nach Gottesnähe und der Frage, wer ‚wir’ sind. Die beiden Fragen gewinnen im Licht des Exodus-Mythos eine ganz spezifische Form und hängen unauflöslich zusammen, denn wer ‚wir’ sind, bestimmt sich danach, was Gott mit ‚uns’ vorhat. In dieser Form scheinen sich die Ägypter diese Fragen nie gestellt zu haben. Sie haben sich als ‚Menschen’ verstanden, nichts Besonderes, zusammen mit allen anderen Lebewesen inklusive Gottheiten im Zuge der Weltentstehung aus Gott hervorgegangen, der seinerseits nichts Besonderes mit ihnen vorhat, sondern nichts anderes anstrebt als die aus ihm hervorgegangene Welt in Gang zu halten, wobei ihn die ‚Menschen’ mit ihren Riten unterstützen können. Die Geschichte erschien ihnen nicht als ein Projekt, das sich in Verheißungen und Erfüllungen entfaltet, sondern eher als ein Prozess, der durch kulturelle Formung mit den mythischen Ur-Mustern in Einklang gehalten und dadurch vor Veränderungen bewahrt werden muss.“ (19f.)

5. Religion und Literatur

Ein sehr lesenswertes Buch hat Hans-Jürgen Benedictim Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-034974-29) mit dem Titel „Wäre ich allmächtig, ich würde retten, retten.“ Aufsätze zur Gottesfrage in der deutschen Literatur veröffentlicht. Im Vorwort erklärt der Verfasser: „Der Titel dieser Aufsatzsammlung ist der Erzählung Lenz von Georg Büchner entlehnt. Dort sagt der gemütskranke Schriftsteller Lenz zu dem Pfarrer Oberlin, als er vor dem Leichnam eines verstorbenen Mädchens steht: ‚Aber ich, wär ich allmächtig, sehen Sie, wenn ich so wäre, ich könnte das Leiden nicht ertragen, ich würde retten, retten.’ Das Leiden der unschuldigen Kinder ist bei Büchner und später dann bei Dostojewskij der ‚Fels des Atheismus’. Wie kann ein gütiger Gott diese Leiden zulassen? Die Theodizeefrage bestimmt seit dem Erdbeben von Lissabon die Auseinandersetzung mit Gott auch in der Literatur. Mit Nietzsches tollem Menschen zu sagen, dieser Gott ist tot, ist aber nicht das Ende der Gottesfrage in der Literatur, sondern eröffnet ganz andere Möglichkeiten, von Gott und dem Menschen zu reden. Ein wichtiger Satz Rudolf Bultmanns lautet: ‚Wer von Gott redet, muss von sich selber reden’. Will sagen: Gute Theologie ist auch immer aufmerksame Anthropologie – wer von Gott redet, muss vom Menschen reden. Dies allerdings unter der Bedingung seiner Entfremdung, theologisch gesprochen, der Sünde. Bultmann fährt nämlich fort, dass Gott als der ganz andere ‚mir als dem Sünder gegenübersteht’, der ohne Gott seine Existenz verfehlt. Ohne diese dogmatische Vorgabe erzählen Schriftsteller realistisch und differenziert vom handelnden und leidenden Menschen. Dabei wird die Begegnung mit dem Absoluten und Transzendierenden, das wir Gott nennen, mal angesprochen, mal abgelehnt oder verschwiegen. Sie ist aber immer wieder präsent, gerade auch in ihrer paradoxen Formulierung Bonhoeffers: ‚Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt. Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist schwach und ohnmächtig in der Welt und gerade nur so ist er bei uns und hilft uns.’ Der französisch-deutsche Schriftsteller Georges-Arthur Goldschmidt sagte mir einmal: Ich brauche Gott nicht, denn der neben mir in der U-Bahn­Sitzende ist für mich ein Geheimnis. Ich antwortete: Da sind wir nicht so weit voneinander entfernt, denn ich würde sagen, der Nächste in der U-Bahn hat etwas von dem, was uns transzendiert. Mit Bonhoeffer gesagt: ‚Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig (...). Das Jenseitige ist nicht das unendlich ferne, sondern das Nächste.’ Diese Transzendenz des Nächsten scheint in den großen Werken der Literatur auf – in dem fiktionalen Leben ihrer Figuren, in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der Bibel, mit Jesus, dem Mensch gewordenen Gott und anderen Antworten des Glaubens, mit deren literarischer Gestalt ich mich in diesem Band auseinandersetze. Meine Herangehensweise ist dabei die der dichten Interpretation.“ (7f.) Insgesamt eine reiche Ernte von Aufsätzen über Matthias Claudius, Johann Peter Hebel, Goethe, Jean Paul, Georg Büchner, Heinrich Heine, Theodor Storm, Thomas Mann, Franz Kafka, Franz Werfel, Robert Musil, Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Christa Wolf, Stan Nadolny, Michael Kleeberg, Friedrich C. Delius und Patrick Roth!


Gott hat mir nie das Du angeboten heißt das im Herder Verlag (ISBN 451-38346-5) erschienene anregende Buch von Sophia Fritz über die zeitgenössische Sehnsucht nach Gott. Im Prolog schreibt die 22jährige Verfasserin: „Ich habe kurz überlegt, ob ich jetzt, nach dem Schreiben, wegschauen würde, wenn ich Gott auf der Straße erkennen würde, und ob es mir unangenehm wäre, wenn er mich auf das Buch ansprechen würde – so, als hätte ich es ohne seine Einwilligung veröffentlicht. Ich habe ständig Angst, irgendjemandem zu nahe zu treten, selbst Gott. Dann dachte ich: Dieses Buch ist gar kein Buch über Gott. Dieses Buch ist auch kein Buch über die Bibel, sondern ein Buch, das beim Lesen der Bibel entstanden ist. Ich wollte dieses Buch nicht schreiben, weil mich Gott interessiert, sondern weil mich meine Sehnsucht nach einem Gott interessiert. Ich wollte wissen, woher mein Bedürfnis nach Gott kommt. Und was mich mein Bedürfnis nach Gott angeht. Dieses Buch ist also von Anfang an eine Suche gewesen und auch eine Suche geblieben. Fragen haben sich für mich aufgeworfen, Fragen zum Glauben, zu dem Umgang mit entwerteten Kurzfahrtentickets, den Erinnerungen an Kindergottesdienste und den Eilmeldungen auf meinem Handy. Dieses Buch ist aber auch ein Buch über Eva und Salomos Frauen, Kohelet und Hagar, Jona und den verlorenen Sohn, den barmherzigen Samariter, Maria Magdalena, Zachäus und Petrus. Was wäre, wenn sie nicht vor tausenden von Jahren gelebt hätten, sondern heute? Dieses Buch ist eine Aufforderung, sich ein eigenes Bild zu machen. Zu schauen, was da ist. Und zu schauen, was fehlt.“ (9f.) Im Text „Mein Internet ist schneller als Gott“ heißt es unter anderem: „Existiert Gott? Ich weiß nicht, wann ich mir das letzte Mal sicher war, dass es ihn gibt. Ich habe mich wirklich lange bemüht, an ihn zu glauben. Doch Gott stand für mich irgendwann nicht mehr nur für Ausmalbilder, Kindergottesdienste, Kommunionsvorbereitung und Sternsingen, für die Adventszeit und die Bilderbücher über das Jesuskind. Gott verband ich irgendwann auch mit Menschen, die LKWs in Fußgängergruppen rasen lassen, von Brücken springen, Sekten gründen, Kinder missbrauchen und Kriege anfangen. Mein kindlicher Glaube ist irgendwann verschwunden, zusammen mit einer generellen Unbekümmertheit, die nicht auf ihn bezogen war. Was ich vermisste, war seine Reaktion auf die Dinge. Ich wurde in dem Glauben großgezogen, dass es einen Gott gibt, der jeden Menschen liebt und für den es sich lohnt, Sonntagmorgen um neun in die Kirche zu gehen, für den an Weihnachten riesige Feste gefeiert werden und für den Menschen ‚Jesus lebt!’ auf ihr T-Shirt drucken lassen. Den Glauben an einen Gott, der Wunder passieren lässt, Stürme stillt, Kranke heilt und Tote lebendig macht. Und dann schalteten wir abends in unserem Fernsehzimmer die Nachrichten an – Attentate, Korruption, Flucht und Hungersnöte. Und da war nichts. Ich habe nichts gefunden. Keine Reaktion. Kein Wunder, kein Einschreiten der Gerechtigkeit, keine übermenschliche Waage, die alles im Gleichgewicht hält. Ich wusste nicht, was schlimmer war: zu wissen, dass er etwas ändern könnte und es bewusst nicht tat, oder zu denken, dass er sowieso nicht existiert und dass sich damit die Frage erübrigt, warum er nichts unternahm. Die Vorstellung, dass Gott schon so richtig im Leben stand, als er den Menschen erschaffen hat, beunruhigt mich genauso wie die, dass ich als Mensch auf der Welt keinen Einfluss haben könnte, weil Gott so beständig, allmächtig und allwissend ist und alles schon vorherbestimmt hat. Und die, dass er wankelmütig sein könnte und bedürftig. Ich könnte mir vorstellen, dass der Moment, in dem wir Gott zum ersten Mal in echt sehen, dann ziemlich ernüchternd wird. Möglicherweise sieht er in echt gar nicht so beeindruckend aus wie auf unseren Bildern, genau wie das Kolosseum oder das Empire State Building. Gott steht dann vor mir, aber der passende Soundtrack fehlt und das Licht kommt von hinten, ich knie mich vor ihm nieder und entdecke von Nahem ein paar Stellen, wo die Farbe abblättert. Gott hat mich schon sehr lange nicht mehr enttäuscht, weil ich mich schon sehr lange nicht mehr auf Gott verlassen habe.“ (11ff.) Der Autorin fehlt „ein Update von Gott, ein Adblocker für meine Gedanken, eine Lesebestätigung für meine Gedanken“ (17). Sie schreibt: „Ich bin nicht gut im Glauben. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir einen Gott wünsche, als Zeuge meiner Begegnungen, aus einer Verlustangst heraus, als Zeuge meines Lebens. Ich ertappe mich also dabei, wie ich mir Gott als eine große iCloud-Mediathek wünsche, mit genügend Datenvolumen für alle meine Erinnerungen in Farbe und in der bestmöglichen Auflösung. An diese Vorstellung von Gott kommt mittlerweile mein Handy am nächsten ran. Mein Handy ist da, wenn ich mich vor dem Alleinsein fürchte, wenn ich unruhig oder traurig bin, gelangweilt oder frustriert. Es sorgt für Ablenkung von meinen Gefühlen. Nur bei meinem Handy habe ich eine hundertprozentige Erfolgschance, dass der gewünschte Zustand sofort eintritt. Ich gehe einfach ins Internet und suche mir aus, welches Gefühl ich gerade hervorrufen möchte. Mein Drang, lieber zum Handy als zu Gott zu greifen, ist alles andere als respektlos. Ich habe zu viel Respekt vor Gott, als dass ich ihn bei meinen eigenen Problemen um Hilfe fragen würde. Also sitze ich in Ehrfurcht vor dem Nichts, ich sitze in Schweigen und bekomme keine Reaktion. Wenn Gott wie mein Handy funktionieren würde, würde ich öfter beten. Aber mit Gott ist es komplizierter.Gott gibt mir keine Ablenkung. Bevor ich anfange mit Gottzu reden, muss ich erst selbst zur Ruhe kommen. Mein Internet ist schneller als Gott, nur: Ich möchte wieder nicht erreichbar sein. Ich möchte wieder Zeit für Langsamkeit haben.“ (16f.) In der Tat ist es mit Gott komplizierter, aber die in diesem Buch geäußerten klugen Gedanken sowie wichtigen Fragen und Zweifel bergen alle in sich die wertvolle Option für Selbstvergewisserung und eigene Positionsbestimmung!


Margot Käßmann hat im Herder Verlag zwei Neuerscheinungen verfasst: Zum einendas Buch Mütter der Bibel. 20 Porträts für unsere Zeit (ISBN 451-38534-6), in dessen Vorwort sie schreibt: „Rabenmütter, Gebärmaschinen, Heimchen am Herd ... es gibt sie alle doch auch schon in der Bibel! Dass in ihr archetypische Gestalten, Grundkonstellationen menschlicher Beziehungen beschrieben sind, finde ich immer neu spannend. Diese alten Geschichten sind so aktuell, dass wir darin Vorbilder und eine Vielfalt von Lebensentwürfen finden können! Lebensentwürfe, über die Gott nicht richtet, sondern die er begleitet. Es sind Lebenswege, die, geplant oder ungeplant, einen je eigenen Verlauf nehmen – damals wie heute. So habe ich mich auf die Spur der ‚Mütter der Bibel’ begeben. Es hat mich fasziniert, was es da alles zu entdecken gab, obwohl ich meinte, die meisten der Geschichten zu kennen. Am Ende war Begrenzung notwendig, und deshalb habe ich mich auf zwanzig Frauengestalten beschränkt und sie schlicht alphabetisch geordnet. So ist eine bunte Reihe entstanden.“ (8f.) Die Autorin bekennt: „Mir ist bewusst, dass ich mich zwischen den alten Texten und der aktuellen Situation manches Mal sehr frei bewegt habe. Das vorliegende Buch will keine wissenschaftliche Darstellung sein. Mir liegt vor allem daran, dass wir die biblischen Geschichten zum Leben erwecken, in ihnen Bezüge zu uns selbst und unserer Situation entdecken. Denn genau das zeichnet die Bibel aus: Sie erzählt Geschichten, Urgeschichten von Menschen und ihrem Leben, ihrem Glauben, die die Menschheit bis heute bewegen. Das gilt auch für die Erfahrung von Müttern. Es sind nicht immer tröstliche, freundliche, auf Anhieb hilfreiche Geschichten! Das mag für manche irritierend sein. Mich hat es eher in meinem Verständnis der Bibel bestärkt, dass sie eben keine heile Welt malt, sondern um das Menschsein des Menschen mit all den Möglichkeiten und all den Schwächen weiß. Es geht um ein realistisches Menschenbild. Und um den Glauben, dass wir uns auch im eigenen Scheitern Gott anvertrauen können.“ (10f.) Zum anderen das Buch Geschwister der Bibel. Geschichten über Zwist und Liebe (ISBN 451-39414-0), zu dem die Autorin schreibt: „Bei den Müttern stieß ich natürlich immer wieder auch auf die Kinder und die verschiedenen, sehr spannenden Geschwisterbeziehungen. Und so hat es mich fasziniert, einzusteigen in die biblischen Erzählungen. Gewiss, sie sind keine Sachberichte, es gibt keine Youtube-Videos. Aber es sind Erzählungen, die seit Jahrtausenden beeindrucken, weil Grundsätzliches zur Sprache kommt: Liebe und Hass, Hingabe und Gewalt. Ich habe die Geschichten in der Bibel noch einmal gelesen, viele Geschwister gefunden und erzähle nach. Mich fasziniert, wie tief Menschliches erzählt wird, schöne Beziehungen, aber auch bittere. Mir liegt daran, sie für uns heute zum Klingen zu bringen, indem ich versuche, sie in eine Beziehung zu unseren Erfahrungen, unserem Leben heute zu bringen. Denn das ist mir wichtig: Die Bibel ist kein Buch von gestern! In jeder Generation hat sie ihre Weisheit Menschen neu erschlossen. Was mich zudem fasziniert: Sie ist ein globalisiertes Buch. Wenn wir von Kain und Abel, Jakob und Esau, Maria, Martha und Lazarus sprechen, wissen Menschen in Indonesien oder Tansania oder Brasilien sofort, um welche Geschichte es geht. Da sind wir dann Geschwister im Glauben.“ (12f.)


Sirus und der lange Schatten der Tonkrüge lautet die im LIT Verlag (ISBN 643-14018-0) verfasste originelle Geschichte für den Religionsunterricht samt didaktischem Kommentar und Glossar von Barbara Loerzer. Die Autorin erklärt: „Mit dem gewählten Zeitpunkt 34 n. Chr. ist vorausgesetzt, dass Jerusalem das Zentrum auch der innerjüdischen Erneuerungsbewegung um Jesus war. Erst nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n.Chr. setzt ein tiefgreifender Wandel ein, in dem die Weichen dafür gestellt werden, dass der Messias-Glaube der Jesusanhänger sich von der jüdischen Tradition löst. Indessen haben wichtige gemeinsame Elemente, z.B. die Tischgemeinschaft und die Hausgottesdienste, noch lange Bestand, bevor sie eine theologisch-dogmatische Umdeutung erfahren. Wenn also der Protagonist Sirus schließlich mit Philippus einen Dialog über den ,historischen Jesus' beginnt, läuft die Christentumsgeschichte relevante Kontroverse zu den unterschiedlichen Versionen des Messias-Glaubens im Hintergrund mit und verdichtet sich in der historischen Gestalt des Saulus bzw. Paulus. In der Geschichte wird dieser Sachverhalt für den Protagonisten Sirus in der Lehrautorität des Rabbi Gamaliel greifbar, der in exemplarischer Weise, die jüdische Tradition fortführend, eine Weisheit zum Ausdruck bringt, die – zumindest für die frühe Jesusüberlieferung – einen friedvollen Weg des Dialogs aufzeigt. Sims' Dilemma wird schließlich aufgelöst. Dass aber zunächst alles außer Kontrolle zu geraten scheint, ist nicht nur ein an bestimmten Stellen eingesetztes Stilmittel zum Spannungsaufbau, sondern es übermittelt den Kern der ganzen Geschichte als einer potenziellen Erfahrung der Wirklichkeit Gottes. Diese Geschichte greift also die biblische Tradition der ,erzählten Zeit´ auf, die gleichsam Zeit Gottes ist und sich in der Vielfalt religiöser Erfahrung abbildet. Die erzählten Szenen und die Dialoge sind ‚lebendige Metaphern’, die aus dem geschriebenen Wort heraus in das Leben der Leserschaft eintreten wollen und von dort aus ihre religiöse Wirkung entfalten können.“ (78ff.)


Alois Prinz ist der Autor des im Gabriel Verlag (ISBN 522-30520-4) erschienenen einfühlsamen Porträts für Jugendliche ab dreizehn Jahren I have a dream. Das Leben des Martin Luther King. Im Epilog zu seiner Biografie schreibt er: „Was wurde aus den Träumen nach dem Tod des Träumers? Gibt es eine Botschaft, die er hinterlassen hat? An welchen Martin Luther King sollen wir uns erinnern? An einen Heiligen, als den ihn viele gesehen haben? An den großen Redner und moralischen Führer? Oder an den Idealisten, der mit seinem Traum leider an der Wirklichkeit gescheitert ist? Weltweit wird heute ein Andenken an ihn gepflegt, das ihn in erster Linie als Vorbild sieht. Straßen, Plätze, Schulen und Kirchen wurden nach ihm benannt. Eine eigene Briefmarke wurde ihm gewidmet. In den USA ist er zu einer Art Nationalheld geworden. In Montgomery, Atlanta, Washington und Memphis entstanden Museen, in denen an den großen Freiheitskämpfer und die Bürgerrechtsbewegung erinnert wird. In Birmingham kann man in einem Park eine lebensgroße Statue Kings bewundern. Noch größer, fast zehn Meter hoch, ist der steinerne Martin Luther King in der Denkmalanlage in Washington. Gleich nach seiner Ermordung wurden Forderungen laut, einen eigenen Feiertag für ihn zu schaffen. Es dauerte allerdings bis zum 2. November 1980, bis der US-Präsident Ronald Reagan ein entsprechendes Gesetz unterschrieb. Er tat es nicht mit Überzeugung. Er gehörte zu jenen Politikern, die King für nicht bedeutend genug hielten für eine solche Ehrung. Es bedurfte einer Petition mit über sechs Millionen Unterschriften, um das Gesetz zu ermöglichen. Seither wird an jedem dritten Montag im Januar ein Martin Luther King Day gefeiert. Für viele ein verlängertes Wochenende, an dem sie aufgerufen sind, etwas für andere zu tun und soziale Arbeit zu leisten. Museen und der Gedenktag dienen der Erinnerung – der Erinnerung an Kings Leben, das immer verbunden ist mit seinem Traum. Dieser Traum wird meistens daran gemessen, was King wirklich erreicht hat. Die Bilanz fällt naturgemäß unterschiedlich aus. Unbestritten ist, dass es ohne King und die SCLC keine Gesetze gegen Rassismus gäbe. Mit dem Civil Rights Act von 1964 wurde die Rassentrennung verboten. Noch folgenreicher war der Voting Rights Act von 1965. Mit der steigenden Zahl stimmberechtigter Afroamerikaner konnte die schwarze Bevölkerung Wahlen beeinflussen. Es gab nun schwarze Bürgermeister und Abgeordnete, schwarze Senatoren und sogar Minister. Demokratische Präsidenten wie Jimmy Carter und Bill Clinton wären nie ohne die Unterstützung schwarzer Wähler ins Amt gekommen. Und schließlich hätte es nie einen farbigen Präsidenten Barack Obama gegeben. King hat seine schwarzen Mitbrüder und -schwestern dazu aufgefordert, das tief sitzende Gefühl der eigenen Minderwertigkeit abzulegen und die neu gewonnenen Freiheiten zu nutzen. Viele sind dieser Aufforderung gefolgt.“ (230f.) Der Persönlichkeit von Mutter Teresa widmet sich das Buch für junge Leser_Innen Tessy. Aufregende Entdeckungen in Kalkutta von Susanne Roll, das in der Neukirchener Verlagsanstalt (ISBN 7615-6602-2) erschienen ist: „Als Tessy zwölf Jahre alt wird, erfährt sie, dass ihre Eltern mit ihr für ein Jahr nach Kalkutta ziehen möchten, um dort zu helfen. Für Tessy bricht eine Welt zusammen: So eine lange Zeit und so weit weg von ihren Freunden! Nur widerwillig begleitet sie ihre Familie in das unbekannte Indien. Doch als sie eines Tages das versteckte Tagebuch eines Mädchens namens Charity findet, taucht sie ein in das spannende Leben in Kalkutta. Durch Charitys Augen erfährt sie von dem Wirken Mutter Teresas, von den Schwestern der Nächstenliebe und dem wundervollen Gedanken, für andere da zu sein. Als Tessy dann auch noch herausfinde, dass ihre Mutter Charity einst kannte, beschließt sie, Charity zu finden. Ob sie Erfolg haben wird? Eine spannende Geschichte über ein Mädchen in der Fremde, über Mutter Teresa und über die Erkenntnis, das Nächstenliebe mehr als nur ein großes Wort ist.“ (Umschlagtext)


Daniel Schneider hat ebenfalls in der Neukirchener Verlagsanstalt (ISBN 7615-6608-4) mit dem Titel 21. 21 Menschen – 21 Momentaufnahmen – 21 Möglichkeiten zu glauben herausgegeben. In seiner Einführung schreibt er: „‚Ich möchte deine Geschichte hören.’ Dieser Satz fiel mir wieder ein, als ich die Geschichten der Autorinnen und Autoren dieses Buches las. Auf den folgenden Seiten geht es genau um diese persönlichen Geschichten von Menschen, die ihre Begegnungen und Momente mit Gott schildern. Es geht um Triumphe und Tragödien, Zweifel, Wunder, sachliche Beobachtungen und übersinnliche Erlebnisse. Humorvoll und tiefgehend beschreiben ganz unterschiedliche Typen, wie sie Gott erleben und welche Schlüsse sie daraus ziehen. Und mein besonderer Moment an den vielen Gottesmomenten in diesem Buch ist der Augenblick, in dem mir klar wurde: Ich kenne kein Druckerzeugnis, das so eine Bandbreite von Frömmigkeitsstilen und unterschiedlichen Glaubensgrundsätzen zwischen zwei Buchdeckeln vereint. Und ich bin unheimlich dankbar, dass das möglich geworden ist. Denn nur so funktioniert dieses ‚Ich will deine Geschichte hören.’ Was wäre gewonnen, wenn wir alle gleichförmig und mit denselben Erfahrungen von unserer Beziehungen berichten würden? Gerade Unterschiedlichkeit, die Brüche und die Einzigartigkeit sind es doch oft, die eine Geschichte authentisch machen. (…) Und trotz aller Unterschiedlichkeit sind die Texte doch alle miteinander verbunden – durch das Geheimnis des Glaubens und die unnachahmliche und unergründliche Liebe Gottes zu uns Menschen. Glaube, der sich ganz unterschiedlich zeigt, der wahnsinnige Kräfte freisetzt und uns Menschen jubeln lässt, der manchmal wie eine Zumutung scheint und wehtun kann, der unerklärlich bleibt und trotzdem nah kommt. Glaube, der ganz viel Platz für Individualität lässt. Ein Glaube, der so alt ist und trotzdem so aktuell.“ (7ff.) heute ewig. Texte, die in den Kopf gehen und ins Herz hat Jana Highholder im Herder Verlag (ISBN 978-3-451-38479-0) veröffentlicht. Die 23 Texte sind fünf Kapiteln zugeordnet: „zuhause“; „Glanzlichter“; „wage mut“; „wunderwerke“ und „am ende der anfang“. Das Lebensmotto der Autorin: „Du hast nur das Jetzt, das Heute und die Ewigkeit danach, doch Morgen ist nicht garantiert, deswegen will ich jemand sein, der heute schon sein Leben an die Ewigkeit verliert.“ Petra Schaberger und Ayse Bosse sind die Herausgeberinnen der Anthologie Du fehlst. Geschichten vom Leben und Sterben im Verlag Q5 (ISBN 9819857-0-2). Im Werbetext heißt es: „Trauer – die große Unbestimmte. Mütter, Väter, Kinder, Freunde – wenn sie sterben, bleiben Menschen zurück, die mit dem Schmerz und der Sehnsucht leben müssen. Wie sieht sie aus, die Lücke, die ein Mensch hinterlässt?“ Aus der reichen Ernte eines vorausgegangenen Schreibwettbewerb auf Blog Q5 entstand ein Buch, „das nicht nur die vielen Facetten der Trauer zeigt, Bilder schenkt – vielleicht auch Trost – sondern die Leser*innen spüren lässt, dass sie in ihrem Erleben nicht allein sind. Die Anthologie holt betroffene Menschen in ihrer Gefühlswelt ab, scheut weder den Suizid noch den Tod von Kindern. Die kurzen Texte laden dazu ein, ins Gespräch zu kommen – mit sich selbst oder einem Gegenüber. Das Authentische hinter den Geschichten dringt durch und zeigt, wie vielfältig die Wege sind, mit seinem Schicksal umzugehen. Stumme Wut, lauter Schmerz, Verwandlung. Alles ist möglich.“ Eine reichhaltige Sammlung – nicht nur für den Religionsunterricht!

6 Bilderbücher und Unterrichtsmaterialien und –medien

Yvonne Hergane ist die Autorin des mit großflächigen Illustrationen von Christiane Pieper versehenen Bilderbuchs Sorum und Anders, das im Peter Hammer Verlag (ISBN 7795-0579-2) erschienen ist und ein wundervolles Plädoyer für gelingende Vielfalt darstellt. Es mündet in die Abschlusssätze: „Sorum sein ist voll okay. Anders sein tut auch nicht weh.“ Richard Smythe hat im Orell Füssli Verlag (ISBN 280-03584-9) das von Seraina Maria Sievi feinfühlig aus dem Englischen übersetzte Bilderbuch Nur Mut, kleiner Frosch! veröffentlicht, das auf sehr gelungene Art und Weise mit fröhlichen kindgerechten Illustrationen Zuversicht und Mut vermitteln kann. Im Rahmen eines großen Mondscheinweiher-Talentwettbewerbs aller Tiere gewinnt überraschend der sich anfangs nichts zutrauende Frosch, der dann die anderen Tiere aufbaut mit der Erkenntnis „Du weißt nicht, ob du etwas kannst oder nicht, wenn du es nicht probierst!“ Von dem kalifornischen Kinderbuchautor Mac Barnett ist im NordSüd Verlag (ISBN 314-10440-4) mit kunstvollen Illustrationen von Jon Klassen das von Thomas Bodmer aus dem Englischen übersetzte Bilderbuch Der Wolf, die Ente & die Maus erschienen. Es erklärt auf skurrile Weise, warum der Wolf jede Nacht den Mond anheult und wie ein Zusammenleben dreier unterschiedlicher Tiere zur Zufriedenheit aller gelingen kann. In dem im Gabriel Verlag (ISBN 522-30524-2) erschienenen empfehlenswerten Doppelband Die Erzählung von Ostern und Pfingsten entfalten Rainer Oberthür als Autor und Renate Seelig als Illustratorin für Kinder ab fünf Jahren mit elementaren Texten und eindrucksvollen Bildern anschaulich die Bedeutung der wichtigsten christlichen Jahresfeste. Ich und meine Angst lautet der Titel des von Francesca Sanna im NordSüd Verlag (ISBN 314-10471-8) erschienenen und von Thomas Böhmer aus dem Englischen übersetzten farbenfrohen Bilderbuchs. Die anfangs winzige Freundin namens Angst begleitet zunehmend wachsend und lähmend ein Mädchen in einem neuen Land und in einer neuen Schule, bis es endlich befreiend erkennt, dass auch alle anderen Kinder Ängste haben. Das hervorragende Buch Bösemann zu dem leider sehr aktuellen Thema häusliche Gewalt haben die Autorin Gro Dahle und der Illustrator Svein Nyhus in der Übersetzung aus dem Norwegischen von Christel Hildebrandt ebenfalls im NordSüd Verlag (ISBN 314-10481-7) veröffentlicht. Es liefert mit seinen äußerst nachhaltigen Texten und Bildern am Beispiel des kleinen Jungen Boj und des Verhaltens seines Papas als „Bösemann“ sehr hilfreiche Impulse zur Auseinandersetzung mit physischer, psychischer oder sexueller Gewaltausübung oder -androhung innerhalb der Familie. Im Ariella Verlag (ISBN 945530-20-7) erzählt die muslimische Autorin Fawzia Gilani-Williams mit Bildern der jüdischen Illustratorin Chiara Fedele in der Übersetzung von Myriam Halberstam unter dem Titel Jaffa und Fatima – Schalom, Salaam ein altes Volksmärchen nach, das sowohl jüdische als auch arabische Wurzeln hat. Das Buch setzt ein starkes Zeichen für Freundschaft, Hilfsbereitschaft, friedliches Zusammenleben, Respekt, Toleranz sowie interkulturelle und interreligiöse Verständigung! Der französische Illustrator Eric Puybaret ist der Verfasser des prächtigen großformatigen Bilderbuchs Gebete, das mit faszinierend poetischen Bildern die wichtigsten und bekanntesten christlichen Gebete in Szene setzt: unter anderem das Vaterunser, das Magnifikat, das Glaubensbekenntnis, das Gloria, das Morgengebet des Franziskus von Assisi und Psalm 23. Die einzelnen Bilder bieten jedes für sich großes religionspädagogisches Potential!


Im Thienemann Verlag (ISBN 522-20246-6) ist das preisgekrönte poetische Jugendbuch Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen von Steven Herrick in der Übersetzung aus dem Australischen von Uwe-Michael Gutzschhahn erschienen. Eine wundervolle Geschichte in Gedichtform für Mädchen und Jungen ab dreizehn Jahren über den Mut, nach den Sternen zu greifen: „Schwimmen im Sumpf, Böller loslassen, auf Bäume klettern und Leute beobachten – das sind Harrys Lieblingsbeschäftigungen. Doch so idyllisch das Landleben ist, so hart kann es auch manchmal sein. Doch er erfährt, dass es manchmal nötig ist, zu handeln statt zu beobachten, auch was die Mädchen angeht.“


Die von Michael Wermke im Verlag das Netz (ISBN 86892-150-2) herausgegebene Handreichung Warum religiöse Bildung? Kultur- und religionssensible Praxis in Kindertagesstätten und Schulen enthält wertvolle theoretische Einführungen und praxisorientierte Gestaltungsvorschläge unter anderem zu religiöser Bildung als Teil der Demokratiebildung, zur Selbstreflexion von Pädagogen, zu Geschlechtern in den Religionen, zum Umgang mit Tod und Sterben, zu Judentum, Christentum und Islam sowie zu religiösen Festen. Im Vertrauen wachsen mit biblischen Geschichten lautet der Titel eines von Susanne Brandt und Klaus-Uwe Nommensen im Don Bosco Verlag (ISBN 7698-2416-2) veröffentlichten Praxis-Sets mit Methodenbuch und 32 Mutmach-Karten für Kinder im Alter von drei bis acht Jahren. Dieses religionspädagogische Arbeitsmaterial für Kita, Grundschule und Gemeinde verhilft dazu, dass Kinder Erfahrungen aus ihrem Leben mit biblischen Geschichten in Zusammenhang bringen können ebenso wie in dem ebenfalls bei Don Bosco (ISBN 7698-2411-7) von Frank Hartmann erschienenen Buch Schwierige Geschichten in der Bibel für Kinder zwischen vier und zehn Jahren. Beide Materialien versuchen Kinder angemessen, konstruktiv, offen und fruchtbar bei der Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben zu begleiten. Differenziertes Material für Klasse 1-4 enthalten die von Gunther vom Stein im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgegebenen Bände RU für morgen, die nun als Gesamtpaket vorliegen. Band 1 (ISBN70230-7) enthält themenorientierte differenzierte Arbeitsmaterialien, die sich für den Einsatz in heterogenen Religionsgruppen in der Grundschule eignen, zu Mensch – Jesus, Band 2 (ISBN 70233-8) zu Gott – Schöpfung und Band 3 (ISBN 70234-5) zu Kirche – Religionen – Bibel. Wanda Einstein hat im Auer Verlag (ISBN 403-08162-3) lehrplangerechte Materialien zu Bibelgeschichten und religiösen Inhalten unter dem Titel Wimmelbilder im Religionsunterricht veröffentlicht. Zu jedem der 18 Wimmelbilder gibt es Erzählkarten, Suchaufträge, Wort-/Textkarten und Sprechblasen. Lebenserfahrungen – Gotteserfahrungen. Perspektivische Bibelerzählungen für Klasse 1-6 ist das im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (ISBN 525-70271-0) erschienene Heft von Gunther vom Stein und Inga Effert überschrieben, das mit Erzählungen aus dem Alten und Neuen Testament sowie dazugehörigen Bildern zum vielfältigen Erzählen, Nachdenken, Wahrnehmen, Interpretieren und Entdecken einlädt. Britta Vaorin ist die Verfasserin von im Don Bosco Verlag erschienenen praxiserprobtem Arbeitsmaterial für die Grundschule mit Lehrerbegleitheft und Kopiervorlagen zum einen zu Gottes Verheißung an Abraham und Sara unter dem Titel Stationenlernen Religion: Abraham und Sara (ISBN 7698-2444-5) und zum anderen zu Passion Jesu und Karwoche unter dem Titel Stationenlernen Religion: Der Kreuzweg Jesu (ISBN 7698-2443-8). Die Materialien sind in drei Niveaustufen für den differenzierten Unterricht ausgearbeitet und auf das entsprechende Kamishibai-Bildkartenset abgestimmt worden.


Anita Müller-Friese und Wolfhard Schweiker zeichnen verantwortlich für den breit differenzierten Praxisband Gott – Mensch der im Calwer Verlag (ISBN 7668-4493-4) erscheinenden bewährten Reihe „Arbeitshilfe Religion inklusiv. Grundschule und Sekundarstufe I“. Zurecht heißt es darin in der Einführung zur Dimension Gott: „Wer etwas von dem Gott, dessen Wesen die Liebe ist, erfahren will, muss sich Geschichten der Menschen erzählen lassen, die mit Gott Erfahrungen gemacht haben. So kommen Menschen seinem Wesen auf die Spur: Wer Gott für sie ist, wie Gott an ihnen handelt und wie verlässlich und befreiend das ist.“ (11). Und auch in der Dimension Mensch „werden den SuS biografische Zugänge zu ihrem eigenen Leben und zu Vorbildern des Glaubens angeboten sowie Begegnungen mit sogenannten Helden des Alltags eröffnet“. (82) Ebenfalls im Calwer Verlag (ISBN 7668-4489-7) erschien die neue Heftreihe „Stark in … Religion“ speziell für den Unterricht an Förderschulen in einfacher Sprache mit dem Auftaktheft Stark in … Religion 5/6, das von Jasmin Groß, Doris Hohmann, Andreas Nicht und Wolfhard Schweiker geschrieben wurde. In sieben Hauptkapiteln lernen die SuS sich selbst, die biblisch-christliche Tradition und andere Religionen kennen. Sie werden zu einem respektvollen Umgang mit ihren Mitmenschen und mit der Schöpfung angeleitet. Praxisfertige Materialien und Unterrichtshilfen für den evangelischen Religionsunterricht an Mittelschulen enthält der von Martina Steinkühler im Claudius Verlag (ISBN 532-71101-9) veröffentlichte Band freiräume 6 mit den Kapiteln „Umgang mit Konflikten“, „Alltag – Auszeit – Freizeit“, „Islam““, „Wie lebten die Menschen, denen Jesus begegnete?“ und „Jesus Christus“.

Zu einem spannenden Erkundungsrundgang zur katholischen Kirche als einem Haus und einer Gemeinschaft laden Fabian Brand und Esther Schulz in ihrem im Herder Verlag (ISBN 451-38055-6) erschienenen Buch Gott hat ein Haus gebaut mit fröhlichen Illustrationen von Werner Tiki Küstenmacher ein. Eine elementare Einführung in die christlichen Feiertage und Festzeiten bietet das im Calwer Verlag (ISBN 7668-4490-3) von Michael Landgraf mit Illustrationen von Claudia Held-Bez erarbeitete Bilderbuch zum Selbstgestalten Das Kirchenjahr. Dorothee Maas-Hitzke und Jessica Wilhelmi sind die Autorinnen des im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (ISBN 525-70262-8) veröffentlichten Heftes Das Kirchenjahr erkunden mit ganzheitlichen und differenzierten Materialien für die Grundschule. 90-Minuten-Planspiele im Religionsunterricht 5-10 lautet der Titel des im Auer Verlag (ISBN 403-09111-1) von Julia Christina Peter erschienenen Komplettpakets für den sofortigen Einsatz im Unterricht mit Beispielen für offene und geschlossene Planspiele. Acht Planspiele zu den Themen Konfessionen, Jesus und seine Rollen, Reformation, Konflikte/Gewissen, Kreationismus vs. Evolution sowie Auferstehung aus Sicht der verschiedenen Konfessionen. Inga Effert und Gunther vom Stein haben im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (ISBN 525-77023-8) differenziertes Material für Klasse 7-10 zum Thema Starke Frauen in Bibel und Kirchengeschichte veröffentlicht, das in vier Kapitel gegliedert ist: I. Frauen lehnen sich auf II. Frauen bekennen sich III: Frauen im Abseits und IV. Starke Frauen heute. Basiswissen und Bausteine für die Klasse 8-13 enthält der ebenfalls im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (ISBN 525-77027-6) in der bewährten Reihe „RUpraktisch sekundar“ erschienene innovative Band Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts im Religionsunterricht von Harmjan Dam und Katharina Kunter, in dem zwei Aspekte sowohl religionspädagogisch wie didaktisch miteinander verbunden werden: „das Kennenlernen von und Sensibilisieren für aktuelle politische, soziale und religiöse Herausforderungen sowie die Einsicht, dass viele dieser Entwicklungen ihre Wurzeln im 20. Jahrhundert haben. Es geht um die historische, die ethische und die ekklesiologische Perspektive. Dabei enthalten die dreizehn Kapitel sowohl einen Überblick mit fachlichen kirchengeschichtlichen Informationen über die jeweiligen Themen als auch direkt einsetzbare Unterrichtsmaterialien für Sek I und Sek II.“ (4)


Lieder als Lebensbegleiter. Geistliche Impulse aus Vergangenheit und Gegenwart ist das von Werner Haußmann und Manfred Pirner im EB-Verlag (ISBN 86893-277-5) herausgegebene anregende Buch mit über 60 Liedandachten bzw. Liedmeditationen überschrieben. Es enthält vielfältige Lieder und beigegebene Betrachtungen zu den Themen „In Gottes Schöpfung leben“, „Einkehr – Besinnung – Gebet“, „Ich und die Anderen“, „Mein Glaube – unser Glaube“, „Zweifel und Vertrauen“ sowie „Hoffnung und Zuversicht“. Schließlich sei noch auf das im Verlag Julius Klinkhardt (ISBN 8252-5046-1) als UTB erschienene hilfreiche Buch Rhetorik für Lehrkräfte von Thomas Burger hingewiesen. Der Autor schreibt in seinem Vorwort: „Rhetorisches Lernen bedeutet intuitives und systematisches Lernen. In diesem Buch geht es auf der einen Seite darum, die intuitiven Sprachmuster bewusst zu machen, um Reflexion zu ermöglichen und auf der anderen Seite die systematischen Strukturen der Rhetorik kennenzulernen, um sie bei Bedarf in das eigene Sprach- und Persönlichkeitsmuster einzubinden.“ (7) Dies erfolgt in den sechs Kapiteln „Einführung in die Rhetorik“, „Werkzeuge der Rhetorik“, „Körpersprache und Stimme“, „Einstiege“, „Medien“ und „Reflektieren“.