Vorbemerkung

Zunächst zolle ich meine große Anerkennung dem Kollegen Prof. Michael Domsgen, dieses in religionspädagogischer Hinsicht durchaus noch unbekannte Terrain intergenerationellen Lernens definitorisch zu klären, inhaltlich zu umgrenzen und zukunftsweisende Perspektiven zu umreißen. Weil er in historischer wie auch systematischer Sichtung eine religionspädagogisch fundierte Bestandsaufnahme vornimmt – wie sie nach meinen Recherchen bislang noch nicht zu finden ist – kann sein Beitrag für unser Fach als Grundlagenartikel zum intergenerationellen Lernen bezeichnet werden.

Nun kommt kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt, denn ich soll Sie ja mit einer Response glücklich machen, die nicht einfach nur applaudiert, sondern auch kritisch akzentuiert, um unseren Diskurs möglicherweise zu befruchten.

Dies ist gar nicht so einfach, denn wie es sich für einen Grundlagenartikel gehört, haben wir eben eine vorrangig systematisierende Bestandsaufnahme zu hören bekommen, der man in seinen überzeugenden Differenzierungen zwischen impliziten und expliziten Lernprozessen insbesondere im Blick auf einen familiär belegten Generationenbegriff nur schwer wird widersprechen können. Weil zudem die Zusammenhänge – auch in ihrer hier durchgeführten historischen Betrachtungsweise – derart komplex sind, dass wiederum weite Felder des Diskurses nur knapp umrissen werden können, ist es nicht leicht, konkretisierend einzuhaken.

Ich möchte daher nur an wenigen Stellen eigene Akzentuierungen eintragen:

1 Zum Begriff des intergenerationellen Lernens

Beide Begriffe finden sich in der seit ca. zehn Jahren vermehrt erscheinenden erziehungswissenschaftlichen Fachliteratur. Mich interessiert zunächst das Präfix ‚Inter‘. Dieses kennzeichnet laut Duden in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven oder Verben eine Wechselbeziehung; zwischen zwei oder mehreren… sich befindend, sich vollziehend. Dieser Gedanke einer notwendig gegebenen Wechselbeziehung von Ich und Du als zwei Polen oder Parteien scheint mir zentral. In Anlehnung an meinen Schwerpunkt der Interreligiösen Bildung betone ich hierbei paradigmatisch die Wechselseitigkeit und Dialogizität des Geschehens, die selbstverständlich in einer Didaktik des Voneinander-, Miteinander- und Übereinander-Lernens umzusetzen ist.

Kann man jedoch ausgehend von diesem begrifflichen Verständnis intergenerationellen Lernens sagen: „Die Sache intergenerationellen Lernens ist so alt wie das Christentum selbst“ (S. 104)? Nein, das denke ich nicht – und meine Argumente gegen diese Sichtweise werden dann ja im Folgenden sehr präzise geliefert, nämlich wie einseitig die Generationenzuordnung in der Geschichte des Christentums und der christlichen Erziehung bis in die Neuzeit verlaufen ist. Trotz der im so genannten Kinderevangelium (Mk 10) ausgerufenen Maxime ‚Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!‘ lässt sich dieser rechtfertigungstheologisch starke Faden nicht durch das Nadelöhr einer patriarchal und hierarchisch bestimmten Christentumsgeschichte fädeln. Wir haben vielmehr eine religiöse Erziehung, die mit religiöser Sozialisation gleichzusetzen ist und mittels Imitationslernens in den Familien und Gemeinden ohne Wenn und Aber eingeübt und damit adaptiert wurde, wobei das Kindsein des Kindes oder das Jugendlichsein des Jugendlichen noch auf jahrhundertelange Zeit nicht in den Blick kamen. 

Ich sehe hier nichts von einer wie auch immer anzunehmenden Wechselseitigkeit, die für mich den Begriff des intergenerationellen Lernens vertretbar machte. Wenn es – wie Dieter Nittel im Vorwort zum Grundlagenwerk von Julia Franz betont – darum gehen soll, „das Verständnis zwischen beiden Gruppen zu fördern“ (Nittel, 2010, S. 11), so hat sich diese Initiative erst seit den 1990er Jahren als dezidiert dialogischer oder beziehungsorientierter Ansatz in der Pädagogik entwickelt.

In dieser, nun eingetragenen definitorischen Grenzziehung liegt meines Erachtens die besondere Chance, den erziehungswissenschaftlich jungen und in der Religionspädagogik noch nicht wirklich rezipierten Terminus der Intergenerationellen Bildung eng zu fassen, um den Perspektivenwechsel einer realisierbaren Wechselseitigkeit des Lernens ernst zu nehmen. Beispielhaft sei hier das seit nun knapp 20 Jahren sich etablierende Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen genannt, das dezidiert eine Theologizität der Heranwachsenden wertschätzend in den Blick zu nehmen versucht und endlich Schluss macht mit dem, was Werner Loch noch in den 1970er Jahren als Verleugnung des Kindes in der Religionsdidaktik ankreidete.

Hier treffe ich mich wieder mit meinem Vorredner, der anmerkt, dass „die erste ausdrückliche Thematisierung der Sache intergenerationellen Lernens mit der Erfahrung einhergeht, dass die Zuordnung im Miteinander der Generationen nicht mehr fraglos funktioniert“ (S.106).

2 Intergenerationelles Lernen als Krisenintervention?

Ich möchte diesen Aspekt der Krise stärker aufgreifen, um die Dringlichkeit des Anliegens zu betonen. Während der Schwerpunkt der Argumentation bei Michael Domsgen auf dem familiären Blickwinkel liegt und er hier sehr überzeugend – auch hinsichtlich religiöser Orientierungen „eher eine Generationenkontinuität als ein(en) Generationenkonflikt beobachten“ (S. 110) kann, stellen sich mir kritische Fragen, wenn ich in die Konkretion gehe: Was ist mit dem großen bzw. wachsenden Anteil der Transmission nicht-religiöser Orientierungen? Welche Relevanzen haben implizite Formen des Miteinanders der Generationen, die möglicherweise weniger kirchengebunden, aber nichtsdestotrotz durchaus religiös konnotiert sein können? Wie könnte es aussehen, wenn biographiebezogene Kontexte im Umgang mit religiösen Deutungsmustern verschiedener Generationen miteinander ins Gespräch kämen? Gäbe es theologische Themen, die für Zwei- oder Drei-Generationen-Gespräche evident wären, wie Umgang mit Zeit, Visionen, Ängsten, aber auch Leib und Seele? Welche Rolle spielen die biographiebezogenen Lebensgefühle für die Theologie? Wie spannend wäre es, hier bibliodramatisch oder bibliologisch zu experimentieren, und wie erstaunlich ist es festzustellen, wie alters- bzw. generationenspezifisch all unser bibeldidaktisches Arbeiten bislang ist.

Der Faktor der Beziehungsqualität, den Domsgen in seinem Beitrag insbesondere im Kontext eines familiären oder genealogisch-pädagogischen Generationenbegriffs betont, scheint mir der entscheidende zu sein. Doch natürlich tauchen auch hier sofort weitergehende Fragen auf: Welche Einflüsse haben Faktoren der familiären Diskontinuität im Sinne eines ständig wachsenden Anteils an Patchwork- bzw. Alleinerziehendenfamilien? Wo sind die religionspädagogischen Lernorte intergenerationeller Bildung, die diese Verunsicherungen und Ungewissheiten konstruktiv aufgreifen? Ich kann diese für religiöse Bildungsprozesse relevanten Themen nur marginal im Religionsunterricht oder in gemeindepädagogischen Konzepten finden. Die Einflüsse des so genannten ‚Elternhauses‘ wären hier zunächst in ihren intergenerationellen Zusammenhängen – oder sollten wir eher von intergenerationellen Brüchen und Verschiebungen sprechen? – zu untersuchen. Konkret: Welche sinnstiftende Bedeutung gewinnen Großeltern für Scheidungskinder? Wie geschehen religiöse Transmissionen in Familien mit alleinerziehenden Müttern – mit welchen geschlechtsspezifischen Verschiebungen für Jungen und Mädchen, wenn doch erwiesenermaßen eher die Mütter als religiöse Sozialisationsagentinnen gelten?

All diese Fragen sind nicht neu – jedoch für die Religionspädagogik im Kontext intergenerationellen Lernens noch weitgehend unentdeckt und unerforscht.

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Was zeichnet die Krise aus, die intergenerationelles Lernen für pädagogische bzw. religionspädagogische Interventionen evident macht?

Wir hörten: Es gibt einen radikalen Wandel der Traditionslogik. Das heißt: Das mehr oder weniger fraglose Hineinwachsen der jüngeren Generationen in vorgegebene Denk- und Glaubensmuster, Lebenseinstellungen und Haltungen der älteren Generationen ist nicht zuletzt durch eine pädagogische Entwicklung hin zur Subjektorientierung abgelöst worden. Wir können heute von einer stärker individualistisch geprägten, kritischen Infragestellungs-Gesinnung der Jüngeren ausgehen, die das Generationenverhältnis zu belasten scheint. Viele komplexe Faktoren wären hier genauer anzusehen: der Wandel der Erziehungsstile, Effekte einer demokratisierenden politischen Entwicklung, heftige Strukturveränderungen in den Geschlechterverhältnissen, aber auch die Folgen einer in ihren Einstellungen gescheiterten Kriegsgeneration, einer verdrängenden Nachkriegsgeneration, einer hemmungslosen Wohlstandsgeneration… Vieles mehr spielt hier mit hinein und zeigt schnell, dass intergenerationelles Lernen über die familiäre Brille hinaus auch in seinen gesellschaftlichen Bedingungsgefügen zu sichten ist. Gemeint ist ein Diskurs, der auch den historisch-soziologischen Generationenbegriff in den Blick nimmt.

3 Generationen in Diskontinuitäten

Sehr aufschlussreich ist es, wenn Sie einmal die Youtube-Videos von Dr. Steffi Burkhard bzw. des Sozial- und Jugendforschers Prof. Dr. Klaus Hurrelmann ansehen. Ja sie haben richtig gehört, Youtube-Video! Denn der mediale Wandel vom Lesen zum Video kennzeichnet eine generationenbestimmende Diskontinuität. Sie erleben im Video mit Dr. Steffi Burkhard eine Protagonistin der Generation Y oder auch ‚generation why‘ – bewusst in dieser Doppeldeutigkeit, denn diese Bevölkerungskohorte, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde, fragt nach dem Warum und stellt alles in Frage. Burkhard lässt sehr selbstbewusst und engagiert deutlich werden, wie anders das Wirklichkeitsverständnis der Generation der ‚digital natives‘ ist, welche strukturellen Veränderungen sie im Privat- und Arbeitsleben anstreben und wie wenig sie sich von altbackenen Vorstellungen der älteren Generationen beeinflusst sehen möchten. Von daher ist es auch verständlich, dass Klaus Hurrelmann und Erik Albrecht diese Generation in ihrem 2014 veröffentlichten Buch ‚Die heimlichen Revolutionäre – Wie die Generation Y unsere Welt verändert‘ nennen.

Der Grund: Die Generation Y ist an den Umgang mit Krisen wie ‚9/11‘, Finanzkrise, Eurokrise u.a. gewöhnt – es geht um ein Lebensgefühl, das Unsicherheit und Ungewissheit in gewisser Weise für normal hält und sich zu arrangieren versucht.

Ein hoher Bildungsabschluss und berufliche Unabhängigkeit sind ihnen wichtig. Dies erklärt das gegenwärtig offensichtliche Phänomen, dass Generation Y möglichst mit dem Abitur ihre schulische Laufbahn beendet und an die Universitäten und Hochschulen strömt, um sich möglichst viele Optionen offen zu halten. Überaus interessant ist ihre Einstellung zur Arbeit: Sie lehnen Hierarchien und Reglementierungen ab und wollen einen Arbeitsplatz in einem Team haben, in dem sie keiner gängelt und wo sie ihr Können unter Beweis stellen können. Im Gegensatz zur Vorgängergeneration wollen sie zwar intensiv arbeiten, jedoch auch mit ihren Kräften haushalten. Anders als die Generation X – das sind die Babyboomer, also die ab 1965 Geborenen – wollen sie die Lebensqualität immer so im Auge behalten, dass sie keine Burn-out-Generation werden. Weniger ist mehr – simplify your life! Aus diesem Grund fordern sie neue Familienmodelle ein. Bei der Familienplanung und -gestaltung setzen sie auf Gleichberechtigung, Väterzeit, auch die gleichgeschlechtliche Ehe sowie Kinderlosigkeit bekommen in wachsendem Maße Attraktivität. Im Übrigen gelten sie als so genannte ‚Egotaktiker’, die alle wichtigen Lebensentscheidungen nach den unmittelbaren Vorteilen und Nachteilen für die eigene Person und ihr Wohlbefinden abschätzen. Der größte Unterschied zu allen bisherigen Generationen liegt jedoch in der Nutzung der Neuen Medien, die quasi rund um die Uhr als Vernetzung in sozialen Chatrooms stattfindet.

Es gibt also neben den Kontinuitäten auch diese bewusste Abgrenzung: Die nachwachsende Generation möchte nicht in die Fußstapfen der vorherigen treten, sondern eigene Wege gehen. Schätzungsweise war das schon immer so. Doch die Konturen scheinen heute schärfer, die Verstehensbedingungen schwerer, die Lebenswelten und -gefühle getrennter. Was kann dies – in abschließenden Thesen – für die Religionspädagogik auf der Suche nach einer stärkeren Sichtung intergenerationeller Lernprozesse bedeuten?

4 Zukunftsweisende Impulse für eine intergenerationelle Religionspädagogik

Die große Herausforderung liegt in einer Ergänzung der berühmten Schleiermacher’schen Frage „Was will denn eigentlich die ältere Generation mit der jüngeren?“ durch den Perspektivenwechsel „Was will denn eigentlich die jüngere Generation mit der älteren?“ Erst wenn diese Wechselseitigkeit ernst genommen wird, kann es auch gelingen, echte Offenheit füreinander zu gewinnen bzw. intergenerationell zu bilden.

Die durchaus berechtigte Intention der Älteren, Lebenserfahrungen, Wahrheitsvorstellungen, Einstellungen, Haltungen – auch Glaubensvorstellungen – weiterzugeben, bedarf daher einer Kurskorrektur. Diese liegt darin, den Jüngeren, die in ihren Wirklichkeitswahrnehmungen anders und damit auch fremder geworden sind, eine dezidiert wertschätzende Haltung entgegenzubringen. Selbstverständlich dürfte dies auch Energien auf der anderen Seite freisetzen in dem Sinne, dass die jüngere Generation stärkeres Interesse am intergenerationellen Lernen entwickelt. Denn natürlich will die jüngere Generation auch viel von der älteren und findet nicht selten, wie Michael Domsgen auch beschreibt, eine vitalere Offenheit bei der Großelterngeneration.

Ein persönliches Alltagsbeispiel mag dies illustrieren, bei dem ich gerade auch einen starken Impuls zwischen der Großeltern-Enkel-Beziehung wahrnehme: Während ich noch als Jugendliche mit meinen Weltverbesserungsallüren nach dem Motto ‚Ich mag keine Tiere mehr essen‘ bei meinen Eltern quasi auf Granit gestoßen bin, hat es die Enkelgeneration geschafft, jahrhundertealte Familientraditionen von ‚Rheinischem Sauerbraten mit Omas Klößen‘ als Festessen gewaltfrei zu durchbrechen. Mittlerweile kräht quasi kein Hahn mehr danach, dass es wie selbstverständlich auch vegetarische Alternativen zu Familientreffen gibt. Was ist geschehen? Auch wenn die älteren Generationen ihre Gewohnheiten nicht ändern, so überzeugen doch die umweltethischen Argumente der Enkel, die sehr gekonnt aufzeigen können, wie unverantwortlich die Fleischproduktion vonstatten geht und dass die Auswirkungen der Massentierhaltung den Klimawandel stärker befördern als Flugreisen.

Deutlich wird an diesem Beispiel wieder das Krisenbewusstsein der Jüngeren, das in der Verbindung von umweltethischen mit Ernährungsfragen gegenwärtig sehr konkrete gesamtgesellschaftliche Konsequenzen nach sich zieht.

Dass in einer derartigen neuen Offenheit im Blick auf die Lebenseinstellungen der Enkelgeneration deutlich wird, dass intergenerationelles Lernen wechselseitig werden kann und dass theologische Fragen z.B. zum Umgang mit der Schöpfung auf dem Feld der Ethik eingeholt werden, spiegelt m.E. die großen Chancen eines wirklich auf Wechselseitigkeit angelegten Lernens von, über und mit den anderen Generationen.

Ich komme zum Schluss:

  1. Wir brauchen Lernorte und Lernarrangements, die generationenübergreifend Themen der unterschiedlichen Lebensalter vernetzt und ins Gespräch bringt. Voraussetzung zur Hebung existentialer, theologischer wie auch unspezifisch religiöser Berührungspunkte ist eine Intensivierung der generationenspezifischen Forschung für alle Lebensalter. Während wir in der Kindheits- und Jugendforschung wie auch in wachsendem Maße in der Altenforschung bereits elaborierte Forschungsbereiche haben, scheint mir die jahrzehntelange Phase zwischen jungem Erwachsenenalter und Seniorenalter eine vernachlässigte Lebensphase zu sein. Welche Bedürfnisse an religiöser Bildung hat diese mittlere Generation, die neben der Erwerbstätigkeit zumeist die junge wie auch die alte Generation finanziert, pflegt und versorgt? Entstehen mit dieser Herausforderung, die nicht selten zur Überforderung wird, nicht auch theologische Fragen, die intergenerationell relevant sind? Nur ein Beispiel: Aus der frühkindlichen Bildung weiß ich, dass junge Eltern in der Konfrontation mit den kindlichen Fragen nach dem Woher und dem Warum auch selbst wieder beginnen, für sich nach Antworten zu suchen. Und auch die Pflege der Eltern kann Bedürfnisse zur Klärung der eigenen Identität mit religiöser Qualität nach sich ziehen: Welche Hoffnungen teilen wir mit den Alten auf die Frage nach dem Wozu und dem Wohin?

  2. Ganz wichtig erscheint mir hierbei: Die Frage der lebensgeschichtlichen und generationenspezifischen Relevanzen hat immer auch eine körperbiographische Dimension; theologisch gesprochen: Die Leib-Seele-Einheit des Menschen ist gerade bei diesem Thema ein Schlüssel zur Erkenntnis wie auch zur Vernetzung. Beispielsweise: Wie verändert sich das Menschenbild der jüngeren Generation durch die Neuen Medien z.B. im Blick auf das Körperverständnis, wenn sich Jugendliche an den Schönheits- und Fitnessidealen eines ständigen Zugriffs auf Social-Media-Plattformen messen? Welche Bedeutung kann hier eine theologische Anthropologie haben, die den Aspekt einer Fragmentarität des Lebens einbringt? Wie können Erfahrungen von Vergänglichkeit des perfekt und zeitlos gewünschten Jugendkörpers, von Krankheit, von Tod – auch als religiöse Fragen – diese Scheinwelten erreichen?

  3. Mit der Integration körperbiographischer Dimensionen wird der Weg zu geschlechtsspezifischen Differenzierungen eingetragen. Denn natürlich hängen intergenerationelle Bildungsprozesse auch mit Fragen von ‚sex and gender‘ zusammen.

Doch eine Intensivierung von geschlechter- wie auch generationendifferenzierenden Forschungen sollte immer das Thema wechselseitiger Einflüsse aufeinander im Blick haben. Ein Ausbau der Elternarbeit ist großartig, aber die Chancen intergenerationeller Bildung gehen weit darüber hinaus.

Michael Domsgen hat hier sowohl in gemeindepädagogischer wie auch religionsunterrichtlicher Hinsicht wichtige Impulse benannt, die den vor allem aus der Praxis der Erwachsenenbildung entstandenen Ansatz intergenerationeller Bildung für weitere Handlungsfelder voranbringen kann. Ein konstruktiver Weg könnte auch darin liegen, über ‚Best-Practice-Beispiele‘ die religionspädagogische Theoriebildung zum intergenerationellen Lernen zu  befruchten. Sie sehen: Hier öffnet sich ein weites Forschungsfeld. Die Praxisorientierung dieses aus der Erwachsenenbildung entwickelten Ansatzes scheint mir hier besonders lohnenswert.

Literaturverzeichnis

Ahmadi, P. & Kolland, F. (2010). Stabilität und Wandel – Bildung im Lebenslauf. Report. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 33(3), S. 43–53.

Franz, J. (2010). Intergenerationelles Lernen ermöglichen. Orientierungen zum Lernen der Generationen in der Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann-Verlag.

Hurrelmann, K. & Albrecht, E. (2014). Die heimlichen Revolutionäre. Wie die Generation Y unsere Welt verändert. Weinheim/Basel: Beltz Verlag.

Jakobs, T. (2006). Dialog der Generationen. Leben. Gesellschaft. Schule. Plädoyer für eine intergenerative Pädagogik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Keil, S. & Brunner, Th. (Hrsg.) (1998). Intergenerationelles Lernen. Eine Zielperspektive akademischer Seniorenbildung (Marburger Forum zu Gerontologie 4). Grafschaft: Vektor-Verlag.

Wicki, M. (2008). Gleichzeitig – Ungleichzeitig. Stabilität und Wandel von Vorstellungen über Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen (Explorationen 55). Bern: Peter Lang Verlag.

 

Dr. Elisabeth Naurath, Professorin für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts am Institut für Evangelische Theologie der Universität Augsburg.