1 Die Fragestellung
Das theologische Gespräch grenzt sich mit einer gewissen Berechtigung deutlich vom fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch ab (s. 3.1): hier ein gemeinsames Nachdenken über „große Fragen“ auf Augenhöhe, dort eine inhaltlich geschlossene Lenkung der Kinder durch die dominante Lehrperson. Diese Gegenüberstellung verdeckt, dass das fragend-entwickelnde und das theologische Gespräch in der pädagogischen Norm der Selbsttätigkeit eine gemeinsame historische Basis haben. Bereits im 18. Jahrhundert zeigt sich diese Norm – unter Rückgriff auf das sokratische Ideal – deutlich.
„Der Sokratiker rechnet es sich zur Sünde, seinem Lehrlinge seine Urtheile und Überzeugungen aufzudringen; und das geschieht allemal, wenn man etwas, das der Lehrling nicht wußte, geradezu sagt. Denn sobald ich ihm sage ‚das ist; das ist nicht‘, so ist er schon gewohnt, ohne weiter nachzudenken, die Behauptung des Lehrers für Wahrheit zu halten. […] der Sokratiker drängt nichts auf. Jeder Knabe, schon das Kind von fünf Jahren, muss selbst denken, selbst folgern, selbst erfinden und selbst auf seine Begriffe und Sätze kommen […]“ (Bahrdt, 1776, S. 84)
Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch trat ursprünglich an gegen einen Unterricht, der aus Vortrag, Diktat und Abfragen von Erlerntem bestand (Spinner, 1992). Es propagierte das eigene Denken und Urteilen, in dem die Beteiligten „gemeinschaftlich forschende Freunde“ (Dinter, 1887, S. 373) sein sollten. Genau das schreibt sich auch die Kindertheologie auf die Fahnen (Freudenberger-Lötz, 2014, S. 70). Insofern lohnt es, das Verhältnis zwischen fragend-entwickelndem und theologischem Gespräch differenzierter zu beleuchten.
Ich werde dazu zunächst das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch (2) und anschließend das theologische Gespräch (3) genauer beleuchten. Beide Kapitel rekapitulieren in einem ersten Unterkapitel (2.1 und 3.1) konzeptionelle Eck- und Kritikpunkte. Im zweiten Unterkapitel (2.2 und 3.2) folgen empirische Beispiele aus dem Religionsunterricht. Im dritten Unterkapitel (2.3 und 3.3) zeichne ich beide Gesprächsformen in die Grundambivalenz von Unterricht ein. Insbesondere für theologische Gespräche ergeben sich daraus weiterführende Überlegungen (3.3.1–3.3.3). Auf diesem Weg wird sich zeigen, dass fragend-entwickelnde und theologische Gespräche die Grundambivalenz von Unterricht (hier gefasst als Konflikt zwischen Selbsttätigkeit und Effektivität) graduell – nicht jedoch kategorial – unterschiedlich bearbeiten, ohne ihr gänzlich entkommen zu können. In beiden Gesprächsformen werden Schülerinnen und Schüler (zwangsläufig) paradox adressiert. Der Vergleich zwischen fragend-entwickelndem und theologischem Gespräch mahnt im Blick auf letzteres Bescheidenheit sowie die Abschattung der Normen von Selbsttätigkeit und Effektivität
2 Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch
2.1 Die klassische Kritik
Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch wird unter die „problematische[n] Ausgangslagen“ (Bittner, 2006, S. 98–100) des Unterrichtsgesprächs gerechnet. Trotzdem ist es „bis heute eine Hauptform des Unterrichts“ (Spinner, 1992, S. 318). Die Kritikpunkte sind seit langem hinlänglich bekannt. Das gelenkte Unterrichtsgespräch gilt als „ein unökonomisches und unehrliches, die Herrschaftsverhältnisse im Unterricht verschleierndes Handlungsmuster“ (Meyer, 1989, S. 287). „Unökonomisch“ ist das gelenkte Unterrichtsgespräch deshalb, weil es darauf setzt, dass die Schülerinnen und Schüler die Antworten selbst finden sollen. Im Hintergrund steht das Prinzip des sokratischen Lehrens:
„Das Grundprinzip des sokratischen Lehrens besteht darin, dass der Lehrende das, was er vermitteln will, nicht einfach sagt, sondern dass er sein Wissen zurückhält und durch Fragen, die für ihn selbst keine Fragen sind, den zu Belehrenden zu eigenen Erkenntnissen hinführt.“ (Spinner, 1992, S. 316)
Ein Lehrervortrag – so die Kritik – wäre hier viel effektiver (Grell & Grell, 1979, S. 61). „Unehrlich“ ist das gelenkte Unterrichtsgespräch, weil es die pädagogische Asymmetrie verschleiert:
„Dadurch dass der Lehrer zum Fragenden wird, tut er so, als sei er nicht der Besser-Wissende; er nimmt die untergeordnete Position des Auskunft-Heischenden ein, aber das ist nur Schein. Gerade mit der Frage übt er – oft ohne dass er es selbst will – seine subtile Herrschaft über den Geist des ihm Anvertrauten aus.“ (Spinner, 1992, S. 314)
Obwohl das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch nach wie vor in deutschen Klassenzimmern beheimatet ist, zeigt ein genauerer Blick auf solche Gespräche doch, dass diese Kritik durchaus ihren Niederschlag in der Art der Gesprächsführung findet.[1] Betrachten wir dazu ein Beispiel aus dem Religionsunterricht einer dritten Grundschulklasse.
2.2 Ein fragend-entwickelndes Gespräch aus dem Religionsunterricht
Die Kinder besprechen in der Vorweihnachtszeit das Kinderbuch „Die vier Lichter des Hirten Simon“. Die Erzählung von Gerda-Marie Scheidl ist von Marcus Pfister illustriert und wurde 1986 erstmals veröffentlicht. In Kirche und Religionsunterricht wird sie relativ breit rezipiert. Die Geschichte spielt vor 2000 Jahren in Galiläa. Simon, ein 9-jähriger Junge, geht auf die Suche nach einem Lamm, das unter seiner Obhut verloren gegangen ist. Da er sich alleine fürchtet, bekommt er vier Lichter mit auf den Weg und trifft nacheinander einen Dieb, einen Wolf und einen Bettler, denen er jeweils ein Licht gibt. In der folgenden Gesprächssequenz rekapituliert die Lehrerin mit den Kindern, wem Simon die ersten drei Lichter gebracht hat.
(1) L: So, wen hat er zum Schluss getroffen? Wem hat er zum Schluss das Licht gebracht? Nochmal kurz. Hanna. #00:03:04-5#
(2) Hanna: Dem armen Bettler. #00:03:06-3#
(3) L: Was ist mit einem Bettler? #00:03:07-9#
(4) Hanna: Der ist alleine. #00:03:09-6#
(5) L: Und? #00:03:10-6#
(6) Hanna: Und hat keine Freunde. #00:03:12-9#
(7) L: Jasper. #00:03:15-7#
(8) Jasper: Der hat kein zu Essen. #00:03:17-8#
(9) L: Der hat nichts zu Essen, genau. Und, Lara. #00:03:20-2#
(10) Lara: Und ehm der ist ganz arm. #00:03:23-2#
(11) L: Mhm (bejahend) Janosch. #00:03:25-7#
(12) Janosch: Aber da wurde ja auch drin erzählt, dass er mit seiner an / mit seinen Freunden, dass er dann mehr Licht hat. Also hat er ja Freunde. Das stand da ja drin. #00:03:34-3#
(13) L: Hat ein Bettler so viele Freunde wie wir? #00:03:37-8#
(14) Janosch: mhm (verneinend) aber da drin kam vor, dass er Freunde hat. #00:03:42-3#
(15) L: Ok, gut. Gut aufgepasst. Aber wir haben auch festgestellt, dass wir / ehm Hannes. #00:03:47-8#
(16) Hannes: Dass er um Geld bettelt. #00:03:49-6#
(17) L: Ja. Und wir haben festgestellt, dass wir normalerweise an einem Bettler vorbeilaufen, ne. UND NICHT JEDER BLEIBT STEHEN. Das heißt, wenn ich einmal an Menschen vorbeilaufe, so tue als wenn er gar nicht da ist. Was mache ich dann? (…) Wie fühlt sich derjenige dann? Oder was meint ihr? Quentin, was wolltest du sagen? #00:04:10-4#
(18) Quentin: Ihn ignorieren. #00:04:13-6#
(19) L: Ihn ignorieren, ja. Und wie fühlt er sich dann, wenn ich ihn ignoriere? Lara. #00:04:17-2#
(20) Lara: Im Stich gelassen. #00:04:17-2#
(21) L: Im Stich gelassen. Hannes. #00:04:18-9#
(22) Hannes: Allein. #00:04:18-9#
(23) L: Allein. … #00:04:20-1#
Mit dem „nochmal kurz“ (1) markiert die Lehrerin ihre Frage als Wiederholungsfrage. Die Antwort sollte also allen Kindern bekannt sein. Hanna gibt die richtige Antwort (2). Die anschließende Frage der Lehrerin führt die Thematik weiter, indem sie den Fokus von dem einen Bettler, der in der Erzählung vorkommt, weitet auf Bettler überhaupt: „Was ist mit einem Bettler?“ (3) Hanna charakterisiert Bettler als Menschen, die „alleine“ sind (4). Sie greift damit eine Eigenschaft auf, die auch schon auf die beiden anderen Lichtempfänger (Räuber und Wolf) zutraf. Die Lehrerin öffnet nun das Gespräch, indem sie fragt: „Und?“ (5) Hanna erklärt das Alleinsein damit, dass ein Bettler „keine Freunde“ hat (6). Die Lehrerin lässt das unkommentiert und bezieht weitere Kinder in das Gespräch ein (7). Sie bestätigt (9.11) Jaspers (8) und Laras (10) Beitrag. Janosch bringt nun einen Einwand („aber“), der sich auf die Beiträge von Hanna bezieht (12). Der Bettler in der Erzählung hat doch Freunde. Als Begründung verweist Janosch auf den Text der Erzählung („da wurde ja auch drin erzählt“; „Das stand da ja drin.“). Die Lehrkraft lässt sich auf diese Begründung nicht ein, sondern verfolgt weiter die Frage, wie Bettler generell sind. Ihre Frage, „Hat ein Bettler so viele Freunde wie wir?“ (13) ist suggestiv, verfehlt aber dennoch ihre Wirkung. Janosch hält an seiner Überzeugung fest und verweist nochmals auf den Text: „Aber da drin kam vor, dass er Freunde hat“ (14). Die Lehrerin wechselt nun die Strategie. Diese Strategie besteht nicht in dem eigentlich naheliegenden Vorschlag, noch einmal gemeinsam in den Text zu schauen; sondern sie lobt Janosch dafür, dass er gut aufgepasst habe (15). Damit unterstellt sie, dass Janosch im Blick auf den konkreten Bettler in der Erzählung Recht hat. Sie gesteht ihm explizit auch zu, Einwände erheben zu dürfen und bestärkt die Norm des Aufpassens. Im Folgenden wird aber inhaltlich umso deutlicher, dass es der Lehrkraft um etwas anderes geht. Denn sie schiebt gleich etwas hinterher, was „wir […] auch festgestellt“ haben (15). Mit dem „wir“ schließt sich die Lehrkraft mit den Schülerinnen und Schülern (auch Janosch?) zu einer Wissensgemeinschaft zusammen, in der alle auf Augenhöhe agieren. Das „auch“ stellt der Erkenntnis von Janosch eine weitere Erkenntnis an die Seite. Das „festgestellt“ markiert die gesuchte Antwort als „Tatsache“, die keinen Interpretationsspielraum eröffnet. Bevor die Lehrerin selbst sagt, was „wir … auch festgestellt“ haben, nimmt sie Hannes dran. Seine Antwort (16) bestätigt sie kurz (17), ergänzt sie dann aber selbst um das, was sie offenbar „hören wollte“: „Und wir haben festgestellt, dass wir normalerweise an einem Bettler vorbeilaufen, ne.“ An diese Feststellung schließt sie eine weitere Frage an. Sie gibt dann jedoch zunächst Quentin die Möglichkeit, das zu sagen, was er sagen wollte. Die Lehrerin greift Quentins Beitrag (18) auf und schließt ihre Frage daran an (19). Sie bestätigt (21) Laras Beitrag (20). Hannes bringt dann wiederum die Antwort vom Anfang: „allein“ (22), die die Lehrkraft bestätigt (23). Damit ist Janoschs Einwand „eingeholt“.
Wir haben es hier insofern mit einem „typischen“ fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch zu tun, als die Lehrperson „einen Pfad entworfen [hat], der in Verständnis und Interpretation führen soll und der leicht in der Weise realisiert wird, dass die Schüler/innen vor allem die lehrerseitig angezielte Interpretation erschließen – oder erraten“ (Pieper, 2016, S. 76). Wir finden allerdings auch das Bemühen, offenere Impulse zu geben (5) und die additiven Beiträge der Kinder positiv aufzunehmen (9, 11, 15, 17, 19, 21, 23) sowie inhaltlichen Widerspruch zu würdigen (15). Die Lehrkraft schließt sich mit den Kindern zu einem „wir“ auf Augenhöhe zusammen. Die Augenhöhe bildet sich inhaltlich in dem Anspruch ab, dass eigentlich alle Kinder – und die Lehrkraft – die richtigen Antworten kennen, weil es sich um Wiederholungen handelt. Die Analyse hat allerdings gezeigt, dass diese Elemente letztlich ebenfalls dem Zweck unterworfen werden, die inhaltliche Lenkung umso effektiver zu gestalten.
2.3 Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch als Ausdruck der Grundambivalenz von Unterricht
Wir können die Gesprächssequenz defizitorientiert als ein Beispiel für verbesserungswürdige Unterrichtspraxis lesen. Wir können sie aber auch analytisch als ein Beispiel für die Grundambivalenz von Unterricht deuten, die das fragend-entwickelnde Gespräch in besonderer Deutlichkeit verkörpert. Wenn wir noch einmal auf die eingangs skizzierten klassischen Kritikpunkte am fragend-entwickelnden Gespräch schauen, zeigt sich bereits dort: Das fragend-entwickelnde Gespräch bearbeitet einen grundlegenden Normenkonflikt modernen Unterrichts, nämlich den zwischen Selbsttätigkeit und Effektivität. Gegenüber dem Lehrervortrag bedeutet das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch eine Verlangsamung, die sich daraus ergibt, dass die Schülerinnen und Schüler selbst auf die gewünschten Antworten kommen sollen. Die Lenkung dient in diesem Zusammenhang – zur Steigerung der Effektivität – dem beschleunigten Wissenserwerb. Die Vorstrukturierung eines Pfades soll die Schülerinnen und Schüler vor „Verirrungen“ und „Umwegen“ bewahren und dadurch die Effektivität des Lernprozesses fördern. Vorausgesetzt ist dabei zwangsläufig, dass es – inhaltlich gesehen – einen angemessenen Pfad und ein klares Ziel für alle gibt. Der Frage entspricht eine – möglichst – eindeutige Antwort. Eine wesentliche Aufgabe der Lehrkraft besteht darin, den Pfad und das Ziel bzw. die Frage und die erwünschte Antwort entsprechend zu modellieren. Dann stellt sich allerdings wiederum die Frage, welcher Raum überhaupt für Selbsttätigkeit bleibt.
Das heißt: Im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch werden die Kinder paradox adressiert (Reh & Ricken, 2012): Einerseits wird ihnen unterstellt, dass sie die Fragen beantworten können, das notwendige Wissen und Können also bereits besitzen. Andererseits impliziert die starke Lenkung durch die Fragen, dass die Kinder „an der Hand genommen werden müssen“ und noch nicht über das gewünschte Wissen und Können verfügen. Die paradoxe Adressierung besteht also darin, dass „beim fragend-entwickelnden Gespräch [den Schülerinnen und Schülern] die Mündigkeit und Erkenntnisfähigkeit unterstellt und in den Lehrerfragen zugleich performativ negiert wird“(Zabka, 2015, S. 178).
Kaspar Spinner hat in historischer Perspektive darauf hingewiesen, dass sich der Normenkonflikt zwischen Selbsttätigkeit und Effektivität als die Grundambivalenz von Erziehung und Unterricht überhaupt verstehen lässt. Er argumentiert von der Dialektik der Aufklärung her und stellt fest:
„[…] der aufklärerische Pädagoge ist […] der Macher des Menschen. Nicht nur um äußere Abrichtung der Heranwachsenden geht es ihm, sondern er muss, wenn er die Selbsttätigkeit als pädagogisches Ziel setzt, den Geist des Menschen zu seinem Objekt machen.“ (Spinner, 1992, S. 314)
So kommt es letztlich dazu, „dass eine Methode, die unter dem Anspruch [angetreten ist], die Entfaltung der Verstandeskräfte der Heranwachsenden zu fördern, in den schlechten Ruf eines gängelnden Verfahrens geraten ist“ (ebd., S. 312) – und trotzdem weiterhin praktiziert wird. Der entscheidende Gewinn dieser analytischen Sicht auf die Genese des fragend-entwickelnden Unterrichtsgesprächs besteht nun in folgender These: „Die Ambivalenz oder Dialektik von Unterricht und Erziehung ist m.E. so fundamental, dass ein Entrinnen aus den Widersprüchen nicht einfach möglich ist. Die Flucht vor ihnen reproduziert sie nur auf anderer Ebene neu.“ (ebd., S. 318) Spinner mahnt daher generell zur Vorsicht:
„Alle Rezepte, die wir fürs Lehren ausarbeiten, bringen die Gefahr mit sich, Unterricht zu einer nur noch raffinierteren Manipulationsmaschinerie auszugestalten, wenn nicht eine grundsätzliche Skepsis, die nicht aus Gleichgültigkeit, sondern pädagogischem Engagement erwächst, unser Handeln als Unterrichtende prägt.“ (ebd. S. 320)
Diese „grundsätzliche Skepsis“ bringe ich im Folgenden der Kindertheologie entgegen. Wir haben bereits gesehen, dass sie die pädagogische Norm der Selbsttätigkeit hoch hält. Die Frage ist dann: (Wo) Reproduziert sich die Grundambivalenz von Erziehung und Unterricht im Leitbild der Kindertheologie? (Wie) Wird der Normenkonflikt zwischen Selbsttätigkeit und Effektivität bearbeitet? Handelt es sich beim theologischen Gespräch womöglich – ungewollt – um eine „noch raffiniertere Manipulationsmaschinerie“ als beim fragend-entwickelnden Gespräch?
3 Das theologische Gespräch
3.1 Kindertheologie zwischen Selbsttätigkeit und Effektivität
Sowohl die Norm der Selbsttätigkeit als auch die Norm der Effektivität prägen die Kindertheologie in gesteigertem Maß. Selbsttätigkeit wird hier einerseits als pädagogische Norm verstanden und auf das Subjekt bezogen (Scheunpflug, 2012, S. 113). Kinder sollen ihre eigenen Theologien entwickeln. Um dieser Selbsttätigkeit Raum zu geben, nimmt die Kindertheologie bestimmte Akzentsetzungen vor:
Sie betont die grundsätzliche Fähigkeit von Kindern, theologische Fragen zu stellen und sich theologische Gedanken zu machen.
Sie betont – im Gefolge der „philosophischen Gespräche“ – die Orientierung an offenen, „unentscheidbaren“ (Foerster, 2002, S. 29) Fragen statt an richtigen Antworten (Bucher, 2002, S. 15). Unentscheidbare Fragen zeichnen sich dadurch aus, dass jede und jeder sie letztlich für sich – also selbsttätig – entscheiden muss. Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe, „theologische Fragen zu stellen und sich auf individuelle und gemeinsame Antwortsuche zu begeben“ (Freudenberger-Lötz, 2014, S. 70).
Sie betont angesichts unentscheidbarer Fragen die symmetrische Konstellation zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern. Jede und jeder muss für sich um die für ihn oder sie richtige Antwort ringen.
Alle drei Punkte markieren eine Differenz zur Praxis des fragend-entwickelnden Unterrichtsgesprächs, bei dem die Lehrkraft die Fragen stellt (vgl. 1.), das sich an richtigen Antworten orientiert (vgl. 2.) und das von der dominanten Lehrkraft gelenkt wird (vgl. 3.).
Im Blick auf die Effektivität steckt sich die Kindertheologie ebenfalls hohe Ziele: Mit der Behandlung unentscheidbarer, existentieller theologischer Fragen will sie an das „Innerste“ der Kinder rühren. Es geht um „große“ Fragen. „Wer Kinderfragen mit religionspädagogischem Interesse auswertet, erhält Einblicke in das, was Kinder heute wirklich beschäftigt: was sie fasziniert oder abschreckt, freut oder ängstigt.“ (Oberthür, 1995, S. 14) Eine Lehrkraft bringt die Ambivalenz dieser Unmittelbarkeit mit Blick auf eine selbst gehaltene Unterrichtsstunde zum freien und unfreien Willen in einer 5. Klasse pädagogisch reflektiert auf den Punkt:
„Es scheint mir jedoch auch besonders wichtig, wahrzunehmen, dass dieses für Schüler/innen in diesem Alter noch nicht so oft gebrauchte Instrument des eigenen Sprechens, Bedenkens und Fragens ganz schnell und direkt an ihr ‚Grundlebensgefühl‘ heranreicht, dass bildliche Vorstellungen oder ausgesprochene Gedanken, deren Bedeutungsgrenzen von Erwachsenen leichter wahrgenommen werden können, Schüler in diesem Alter doch stärker ergreift und nicht ganz so leicht loslässt.“ (Choltitz, 2002, S. 78)
Kindertheologie soll für die Kinder „orientierend und sinnstiftend“ (Zimmermann, 2013, S. 45) sowie „nachhaltig abrufbar“ (ebd.) sein. Dazu bedarf es – so Mirjam Zimmermann – einer „Theologie für Kinder“ und einer pädagogisch verantworteten Lenkung, die die Selbsttätigkeit bzw. Eigenständigkeit bewusst einschränken:
„Das freudige Bekenntnis zu dem Austritt des Kindes aus der pädagogisch verschuldeten Unmündigkeit darf nicht zur Ideologie einer zügel- und planlosen Kinderüberhöhung führen, die unter dem Deckmantel der Eigenständigkeit der Kinder eine Verantwortungsverweigerung der Pädagogen zur Folge hat.“ (ebd., S. 56)
Auch das Leitbild der Kindertheologie entrinnt also nicht den Widersprüchen zwischen Selbsttätigkeit und Effektivität, sondern bleibt – wie das fragend-entwickelnde Gespräch – in die Grundambivalenz von Unterricht und Erziehung eingezeichnet. Betrachten wir auch dazu ein Beispiel aus dem Religionsunterric
3.2 Ein theologisches Gespräch aus dem Religionsunterricht
Wir befinden uns in einer 5. Klasse. Thema ist die Frage nach dem freien oder unfreien Willen.
„Zu Beginn der Stunde erzählt Frau von Choltitz folgende Geschichte: Gaby ist wütend auf ihren Bruder (der Grund dafür wird nicht genannt), stürzt in sein Zimmer und zerstört im Affekt dessen Walkman. Warum ist sie so wütend? … Die Frage, die die Schüler/innen jetzt beschäftigt, ist: Was treibt den Menschen zu solchen unüberlegten Handlungen im Affekt? Wieso passiert einem so etwas?“ (Büttner & Rupp, 2002, S. 53)
Die Lehrerin stellt dazu Überlegungen von Martin Luther und Erasmus vor. Sie arbeitet u.a. mit einem Apfel und einer Babypuppe. Dazu fragt sie: „Was glaubt ihr jetzt eigentlich, was macht en Mensch wie entsch/entscheidet der sich, wenn er sich ganz/ganz alleine entscheiden würde, was wäre dann, wenn Gott mithilft, wie hilft er mit oder wenn Gott alles alleine macht, wie wär’s?“ Die Stunde schließt folgendermaßen (ebd., S. 68–69):
(1) L.: Wenn jetzt noch jemand käme. Nicht der Luther, nicht der Erasmus sagt: Nö, der Mensch ist überhaupt gar kein Baby, der Mensch ist ja erwachsen und der Mensch geht rum, überlegt sich was holt/isst sie/isst dann einfach den Apfel. Findet ihr das besser? Stimmt das eher? Oder was würdet ihr denn sagen? () Tillmann.
(2) Tillmann: Wenn man zum Beispiel jetzt in der Stadt ist und sieht, also so vielleicht en Stück weiter entfernt zehn Pfennig liegen, dann geht man ja auch nicht hin, weil man denkt, des/der loh/der Weg lohnt sich nicht, oder so () [Kevin: Aber ich würd‘ da hingehen.]
(3) L.: Mhm. Okay. Larissa.
(4) Larissa: Ja, also Menschen sind schon faul, aber ich denk‘ manche die arm sind, die gehen auch wegen 'nem Ein-Pfennig-Stück dahin, also ich denk‘ des is‘ halt die Reichen denen ist des ja schnuppe, ob da jetzt en Zehn-Mark-Schein liegt, weil die sind halt dann Millionär und haben halt genug Zehn-Mark-Scheine zu Hause und die denken: Oh komm, ich geh‘ lieber wieder in mei/meine Limousine und lass mich da durch die Stadt fahren als wenn ich da jetzt aussteig‘ und den/den Zehn-Mark-Schein hol‘.
(5) L.: Also hier, eigentlich von der von dem/äh von der Uhr aus hat die Schulglocke schon geklingelt. Will jetzt jemand nochmal kurz was sagen, was er selber denkt, also/nochmal erklären, wie ma/was macht Gott, was macht der Mensch oder gibt’s auch den Teufel, der da mitmacht? Ja.
(6) Tillmann: Deswegen glaub‘ ich, arme Leute [L.: Mhm.] also die haben viel mehr irgendwie vom Leben überhaupt. [Warum?] Weil/weil sie bemühen sich den Weg zu gehen und des/und so. [L.: Aha.] Sie machen des und die Reichen, die denken dann erst gar nicht erst darüber nach und so und dann ja und haben als halb/haben halt genug und die Armen, die dann die hol/die holen sich dann die zehn Mark und dann sind sie froh, dass sie zehn Mark haben und so was.
(7) L.: Is‘ des dann Gott, wenn die Armen arm sind? Die Armut hilft denen ja natürlich dann zu bemühen, (würdest du dann schon sagen) sogar Gott is so () Armut, des wär‘ ja schon fast so, wie wenn Gott schon irgendetwas Böses also was nicht Schönes hat und würdest du sagen, is‘ des übertrieben?
(8) Tillmann: Na ja, ich glaub‘ schon, also, dass Gott schon also für die Armen eher ist, also.
(9) L.: Mhm. Ja, okay, […]
Über die anschließende Stunde berichtet die Lehrkraft: „Die Folgestunde zeigt, dass diese Unterrichtsstunde des Theologisierens zum Verhältnis Mensch/Gott und dem unfreien/freien Willen die Schüler teilweise stark beschäftigt hat. Noch bevor es geklingelt hat und Tillmann seinen Ranzen im Religionszimmer überhaupt abgestellt hat, fragt er laut: ‚Aber, gell, Gott ist doch eigentlich lieb, oder?‘“ (Choltitz, 2002, S. 76)
Aus philosophiedidaktischer Perspektive ist das Unterrichtsgespräch zum (un)freien Willen als Paradebeispiel eines gelungenen theologischen Gesprächs gewürdigt worden, und zwar (u.a.) explizit mit Bezug auf die Normen des sokratischen Gesprächs:
„Diese Steuerungstechniken [die sich in der Unterrichtsstunde zeigen] lassen sich ohne Umstände als Elemente des sokratischen Gesprächs deuten, auch wenn die Lehrerin nicht bewusst damit gearbeitet hat. Verblüffende Parallelen zeigen sich zu folgenden Elementen: Das Gebot der Zurückhaltung der eigenen Einsicht, um sie den Teilnehmern selbst zu ermöglichen; das Gebot, im Konkreten Fuß zu fassen, seien es Beispiele, konkrete Erfahrungen oder Handlungsbezüge; das Gebot, das Gespräch als Hilfsmittel des Denkens voll auszuschöpfen, d.h. durch Nachfragen einen Gedanken auch möglichst vollständig aussprechen zu lassen; das Gebot an einer erörterten Frage festzuhalten, etwa durch Nachfragen zu dem gerade zur Verhandlung stehenden Thema; das Gebot, Konsens anzustreben, hier etwa durch das Nachfragen, ob etwas von einem anderen auch wirklich so gemeint ist …; und das Gebot der expliziten Lenkung, das heißt stets als Lehrer selber zu wissen, wo man im Gespräch steht.“ (Petermann, 2002, S. 123 mit Verweis auf Heckmann, 1993, S. 84–85)
In der Tat lassen sich eine ganze Reihe der gewürdigten Gesprächstechniken auch in dem kurzen Schlussabschnitt wiederfinden: Die Lehrerin stellt unterschiedliche Denkmodelle aus der theologischen Tradition vor, ohne eines davon als das „richtige“ zu markieren (1). Die Augenhöhe, auf der sich Lehrkraft und Schüler/innen begegnen (sollen), ergibt sich hier weniger aus einem (postulierten) gemeinsamen Wissen (wie im ersten Beispiel) als vielmehr aus einem gemeinsamen Nicht-Wissen um die richtige Antwort. Mit den Bildern des Babys, des Erwachsenen und des Apfels bringt sie konkrete Vorstellungsgehalte ein (1). Es geht ihr explizit darum, dass „jemand“ sagt, „was er selber denkt“ (5). Sie fragt nach (6, 7) und strukturiert das Gespräch durch zeitliche und thematische Hinweise (5).
Bei einem genaueren Blick auf die Gesprächssequenz zeigen sich allerdings wieder gewisse Ambivalenzen:
Mit ihrem Impuls (1) bringt die Lehrkraft im Sinne eines Gedankenexperiments („wenn jetzt noch jemand käme“) eine weitere Figur ins Spiel, die sie deutlich von den bisherigen Figuren abgrenzt („nicht der Luther, nicht der Erasmus“). Diese dritte Figur vertritt die Idee der Autonomie des Menschen: Der Mensch ist kein Baby, sondern „erwachsen“, er „geht rum“, er „überlegt sich was“, „isst dann einfach den Apfel“. Dieses Konzept stellt die Lehrerin neben diejenigen von Luther und Erasmus. Sie erweitert damit inhaltlich die Diskussion. Durch ihre Fragen „Findet ihr das besser?“ und „Stimmt das eher?“ markiert sie die von ihr eingebrachte Option der Autonomie als eine mögliche neben anderen (den von Luther und Erasmus vertretenen). Die Komparative „besser“ und „eher“ signalisieren, dass es um eine relative Verhältnisbestimmung der unterschiedlichen Denkfiguren geht. Die Alternative lautet also nicht „richtig – falsch“, sondern „besser – schlechter“ bzw. „eher – weniger“. Impliziert ist damit: Jede Denkfigur hat ihre relative Berechtigung, die Frage ihrer genauen Verhältnisbestimmung ist offen. Die Lehrerin adressiert die Schüler/innen damit als Diskussionsteilnehmer in einer offenen Frage. Der Beitrag von Tillmann (2) deutet die Fragestellung allerdings um: Zur Diskussion steht in seiner Äußerung nicht die Frage, ob der Mensch autonom ist, sondern, ob und warum der – fraglos – autonome Mensch etwas Bestimmtes will oder nicht. Die von der Lehrerin markierte Abgrenzung gegenüber Luther und Erasmus wirkt sich so aus, dass nun nur die neu eingebrachte Idee diskutiert wird. Kevin widerspricht der Ansicht von Tillmann („aber“): Er würde zu den 10 Pfennigen hingehen und sie aufheben (2). Die Lehrkraft macht weder auf die Verschiebung der Fragestellung aufmerksam, noch geht sie auf den Dissens zwischen Tillmann und Kevin ein. Stattdessen bestätigt sie Tillmanns (und Kevins?) Beitrag („Mhm. Okay.“) und nimmt Larissa dran. Larissa knüpft an Tillmanns Beitrag an und bringt die Unterscheidung von arm und reich ein (4): Arme würden sich für 10 Pfennige bücken, Reiche würden sich in ihrer Limousine selbst an einem 10 Markschein vorbei fahren lassen. Die Frage ist also nicht, ob der Mensch einen freien Willen hat, sondern, welche ökonomischen Umstände ihn zu einer bestimmten Entscheidung veranlassen. Inhaltlich geht die Lehrerin auf diese Äußerung nicht explizit ein, sondern weist darauf hin, dass die Stunde eigentlich beendet ist (5). Sie übernimmt es nun aber nicht selbst, eine abschließende Bemerkung zu formulieren, sondern strukturiert noch einmal die Fragestellung: „was macht Gott, was macht der Mensch oder gibt’s auch den Teufel, der da mitmacht?“ Damit lenkt sie auf das eigentliche Thema zurück und stellt die unterschiedlichen Optionen prägnant zusammen. Es geht ihr darum, von einem Schüler (bzw. einer Schülerin) zu hören, „was er selber denkt“. Damit propagiert sie explizit die (sokratische) Norm der Selbsttätigkeit. Sie adressiert die Kinder als autonome, selbst-denkende Menschen. Zwischen der Ebene der Adressierung und derjenigen der Gegenstandskonstitution ergibt sich damit eine merkwürdige Spannung: Während sie auf der Ebene der Gegenstandskonstitution drei Optionen (Mensch ist gelenkt von Gott, Mensch ist gelenkt vom Teufel, Mensch entscheidet selbst) offen zur Diskussion stellt, markiert sie auf der Ebene der Adressierung die dritte Option als die gewünschte. – So jedenfalls dürfte die Wahrnehmung durch die Schüler/innen ausfallen. Tillmanns Beitrag schließt jedenfalls direkt an das an, was Larissa gesagt hat (6). Die Frage ist für ihn, warum arme Menschen sich so und reiche sich anders verhalten. Die Armen haben „viel mehr irgendwie vom Leben überhaupt“, denn – so präzisiert er aufgrund der Nachfrage durch die Lehrkraft – sie „bemühen sich den Weg zu gehen“. Die Reichen hingegen „denken dann erst gar nicht erst darüber nach“. Interessant ist hier, dass sich die Norm des Selber-Denkens, die die Lehrerin auf der Adressierungsebene explizit benannt hat, auf der Inhaltsebene in der Charakterisierung der reichen Leute niederschlägt.[2] Die folgende Äußerung der Lehrerin führt Tillmanns Beitrag auf die ursprüngliche Fragestellung zurück (7). Im Hintergrund steht die Frage, warum Menschen arm sind: Ist Gott die Ursache, ist es der Teufel oder sind die Menschen selber schuld? Tillmann qualifiziert Armut als etwas Positives, weil die Armen sich mehr bemühen und mehr vom Leben haben. „Macht“ Gott die Menschen also arm? Das unterstellt die Lehrkraft und führt nun eine unausgesprochene Wertung ein: Armut ist eigentlich nichts Gutes. Diese beiden Setzungen haben dramatische Konsequenzen für das Gottesbild: „des wär‘ ja schon fast so, wie wenn Gott schon irgendetwas Böses also was nicht Schönes hat“. Die Formulierung „würdest du dann schon sagen“ impliziert, dass die Deutung der Lehrerin eine (logische und pointierte) Fortführung dessen sein will, was Tillmann gesagt hat. Die Lehrerin fragt nun zurück: „is‘ des übertrieben?“ Tillmann deutet die Aussage um und sagt, dass „Gott schon also für die Armen eher ist [als für die Reichen]“ (8). Gott „macht“ nicht arm, sondern er tritt für die Armen ein. Dass die Bemerkung der Lehrerin in ihm weiterarbeitet, zeigt der Beginn der darauffolgenden Stunde. Der Gedanke, dass Gott „böse“ sein könnte, beunruhigt Tillmann tiefgreifend. Er fordert seitens der Lehrerin Vergewisserung, dass Gott „doch eigentlich lieb“ ist.
Der Gesprächsverlauf bestätigt eindrücklich die „Befürchtung, dass die Lehrkraft ihre Lehrer-Rolle im institutionellen Muster nicht verlassen kann oder von den Schülern nicht aus ihr entlassen wird; in diesem Fall steuert die Lehrkraft gewollt oder ungewollt das Gespräch“ (Bräuer, 2011, S. 234–235). Während die Lehrerin einerseits viele Impulse des sokratischen Gesprächs umsetzt, bringt eine genauere Analyse andererseits Facetten einer (wohl) ungewollten Lenkung zu Tage, die entscheidende Auswirkungen auf den Gesprächsverlauf hat. Die von der Lehrkraft auf der Adressierungsebene bestärkte Norm der Selbsttätigkeit schlägt (ungewollt) auf die Ebene der Gegenstandskonstitution durch. Der Versuch, die Beiträge der Kinder an die Ausgangsfrage zurück zu koppeln, bleibt entweder ohne Wirkung (5–6) oder führt zu einer existenziellen Verunsicherung (7–8), die das starke Bedürfnis nach der Lehrerin als Garant für ein positives Gottesbild jenseits kognitiver Gedankenexperimente weckt. Insgesamt zeigt sich damit auch hier eine „Dialektik der Aufklärung“, die derjenigen des fragend-entwickelnden Gesprächs nicht unähnlich ist:
„Den Schüler/innen wird unterstellt, dass sie als paritätische Teilnehmer/innen zu Äußerungen nach Art der Lehreräußerungen fähig sind; zugleich wird aber eingeräumt, dass sie diese Äußerungsweisen in der Situation noch erlernen müssen und um eine Orientierung an der Lehreräußerung nicht herumkommen.“ (Zabka, 2015, S. 178)
3.3 Das theologische Gespräch als Ausdruck der Grundambivalenz von Unterricht
Gehen wir abschließend nochmals auf die konzeptionelle Ebene. Was bedeutet es, das theologische Gespräch als Ausdruck der Grundambivalenz von Unterricht zu verstehen? Drei Aspekte scheinen mir hier bedeutsam zu sein: die Mahnung zur Bescheidenheit, die Abschattung der Norm der Selbsttätigkeit bzw. der Subjektorientierung und die Abschattung der Norm der Effektivität.
3.3.1 Die Mahnung zur Bescheidenheit
Der erste Aspekt betrifft die Einsicht, dass es auch (oder vielleicht gerade) für das theologische Gespräch kein Entrinnen aus der Grundambivalenz von Unterricht gibt. Das mahnt zur Bescheidenheit und erfordert von den Lehrkräften eine skeptische Einstellung, zu der gehört, „dass wir den zu Unterrichtenden gegenüber die Fragwürdigkeit von Unterrichtsmethoden zugestehen. Eine skeptische Haltung trägt dazu bei, dass Unterrichten nicht zur herrschaftlichen Geste wird“ (Spinner, 1992, S. 320). Konkret bedeutet das: Es dürfte hilfreich sein, das theologische Gespräch nicht als scharfen Kontrast zum „Alltagsunterricht“ zu konzipieren, sondern als Versuch einer graduellen Verschiebung bestimmter Gesprächsroutinen.
3.3.2 Die Abschattung der Norm der Selbsttätigkeit
Der zweite Aspekt betrifft die Norm der Selbsttätigkeit. Die Überlegungen zur Grundambivalenz von Unterricht mahnen zur Vorsicht, die Subjektorientierung einseitig zu betonen nach dem Motto: Je subjektorientierter, desto besser.
Didaktisch läuft solch eine einseitige Betonung Gefahr, bei der Erhebung der Theologien von Kindern stehen zu bleiben und religiöse Lernprozesse abzuschatten. Genau dieses Defizit bescheinigt Bernd Schröder der Kindertheologie:
„[…] entwicklungsfördernde Angebote und kritische Auseinandersetzungen mit problematischen (etwa Angst einflößenden oder keine Relativierung ihrer selbst zulassenden) Gestalten von Kindertheologie sind de facto rar. In didaktischer Hinsicht scheinen solche Auseinandersetzungen die strukturellen Rahmenbedingungen von Religionsunterricht zu sprengen, sich didaktischer Operationalisierung zu entziehen und das Vertrauen zwischen Schülern und Lehrern oder den ‚pädagogischen Takt‘ (Jakob Muth) zu gefährden, den die wertschätzende Arbeit mit Kindern voraussetzt und nährt. […] Müsste nicht im unterrichtlichen Umgang mit Theologie von Kindern, vor allem aber im theologisch-religionspädagogischen Nachdenken darüber die Entwicklungsbedürftigkeit, die kritische Abgleichung kindlicher Religiosität mit Einsichten christlichen Glaubens, kurz: ihre Orientierung auf gebildete Religion hin stärker zur Geltung kommen?“ (Schröder, 2012, S. 246)[3]
Erkenntnistheoretisch ist zu berücksichtigen, dass wir die Äußerungen der Kinder niemals voraussetzungslos wahrnehmen (können). Obwohl es programmatisch „um eine Korrektur unserer [erwachsenen] Wahrnehmungsrichtung wie unserer Erkenntnisbemühung“ (Orth & Hanisch, 1998, S. 314) geht, bleiben wir doch zwangsläufig unseren theologischen Denkmustern verhaftet (Roose, 2015, S. 45–46).Theologisch zeichnet sich die Kindertheologie dadurch aus, dass sie den Subjekt- und den Theologiebegriff stark macht, gleichzeitig aber den Glaubensbegriff abschattet. Die Entstehungsgeschichte der Kindertheologie ist u.a. durch ihren bewussten Verzicht auf den Begriff des Glaubens zugunsten des (umstrittenen) Begriffs der Theologie geprägt (Büttner, 2007, S. 220). Mit dieser Akzentuierung von Theologie und Subjekt, nicht jedoch von Glaube, liegt die Kindertheologie quer zu Entwürfen der Praktischen Theologie, die entweder am Religionsbegriff orientiert sind und das Subjekt samt seinem Glauben stark machen oder die am Offenbarungsbegriff orientiert sind und die Kommunikation stark machen (Grethlein, 2015, S. 485).[4]
Angesichts der Kritik von Grümme bezüglich einer strukturellen Vereinnahmung der Kinder über einen Theologiebegriff, der zwangsläufig Glaube impliziere (2014, S. 292), stellt sich für die Kindertheologie die Frage, wie sie „Glaube“ versteht. In der Tat hat die Kindertheologie zwar eine intensive Diskussion um ihren Theologiebegriff geführt,[5] nicht jedoch eine über den Glaubensbegriff. Ein bloßes Ausklammern des Glaubensbegriffs aus der Kindertheologie greift wahrscheinlich aber zu kurz.
Weiterführend erscheint mir ein Glaubensverständnis, das nicht subjektorientiert an der individuellen Person festgemacht wird, sondern prozessorientiert an der Kommunikation. Reis und Ruster sprechen von „Glaube“ im Sinne von „einloggen, surfen, ausloggen“ (2012, S. 286). „Glaube“ ist hier also nicht zwingend mit einem stabilen, individuellen, „selbsttätigen“ Einverständnis des Subjekts verbunden. Er wird so kompatibel mit einem schulischen Religionsunterricht, der (anders als die Katechese?) das dauerhafte Einverständnis weder zur Voraussetzung noch zum Ziel der Teilnahme erklären kann und will.
3.3.3 Die Abschattung der Norm der Effektivität
Auch die Norm der Effektivität sollte – wie die Norm der Selbsttätigkeit bzw. der Subjektorientierung – abgeschattet werden. Das betrifft u.a. die Frage der Nachhaltigkeit als ein Qualitätskriterium guter Kindertheologie. Mirjam Zimmermann urteilt diesbezüglich: „Nachhaltigkeit als Gegensatz zur Zufälligkeit einer Theologie der Kinder wird als Aspekt guter Kindertheologie konstatiert.“ (Zimmermann, 2013, S. 45) Die Begründung für diese These erfolgt vom Kind her:
„Wenn Kindertheologie […] für die Kinder selbst orientierend und sinnstiftend sein soll, dann muss sie auch nachhaltig abrufbar sein, also als Ergebnis eines Orientierungsprozesses als kindertheologische Kompetenz entwickelt sein.“ (ebd., S. 47)
Hier klingt als Zielperspektive an, dass (auch) Kinder Subjekte ihres Lebens und Glaubens sind bzw. werden. Es gelte, das sinnstiftende Potenzial von Kindertheologie nachhaltig zur Entfaltung zu bringen. Das gehe nur, wenn Kinder und Jugendliche je individuelle, relativ stabile theologische Aneignungsformen der biblisch-christlichen Tradition ausbildeten. Wenn der Subjekt- und der Glaubensbegriff in der Kinder- und Jugendtheologie abgeschattet werden, ist Nachhaltigkeit als pädagogische Norm demgegenüber auf die Qualität der unterrichtlichen Kommunikation, nicht auf die Stabilität der individuellen Sinnorientierung zu beziehen. Nachhaltigkeit als Qualitätskriterium bezieht sich dann nicht auf die individuellen Positionierungen der Schüler/innen in sog. „Glaubensfragen“, sondern auf die Aufrechterhaltung des Rahmens und des Themas, auf das Bereitstellen von Anschlussmöglichkeiten, in die sich Schülerinnen und Schüler immer wieder neu und immer wieder anders einklinken können.
Eine bewusste Zurücknahme von Effektivität in der Kindertheologie mit dem Ziel, Vereinnahmung zu vermeiden, drückt sich auch in der Hochschätzung von Gedankenexperimenten aus, „die im Prinzip allen Schüler/innen zuzumuten sind“ (Büttner, 2007, S. 223). Vorausgesetzt ist dabei, dass Gedankenexperimente den persönlichen Glauben nicht berühren. Das Unterrichtsbeispiel zum (un)freien Willen zeigt allerdings, dass auch Gedankenexperimente gerade bei jüngeren Schüler/innen zu existenzieller Verunsicherung führen können. So zeigt sich: Es bleibt ein heikles und doch notwendiges Unterfangen, mit Kindern im Religionsunterricht darüber zu sprechen, „was sie fasziniert oder abschreckt, freut oder ängstigt“ (Oberthür, 1995, S. 14).
4 Schluss
Das theologische Gespräch kann – wie auch das fragend-entwickelnde Gespräch – der Grundambivalenz von Unterricht, die sich zwischen den Polen von Selbsttätigkeit/Subjektorientierung einerseits und Effektivität andererseits ausspannt, nicht entkommen. Das gilt sowohl für die theoretische Konzeptionierung als auch für die praktische Umsetzung. Diese Einsicht gilt es wach zu halten. Sie führt m.E. in der Kindertheologie konzeptionell zu einer Abschattung beider Pole sowie zu einem verstärkten Nachdenken über den von der Kindertheologie reklamierten Glaubensbegriff. Im Blick auf die praktische Umsetzung kann die Einsicht in die unentrinnbare Spannung von Selbsttätigkeit und Effektivität zu realistischeren Erwartungen an eine kindertheologisch inspirierte Unterrichtspraxis führen.
Literaturverzeichnis
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Prof. Dr. Hanna Roose, Lehrstuhl für Praktische Theologie/Religionspädagogik, Evangelisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
Die Analyse erfolgt unter Rückgriff auf gesprächsanalytische Verfahren. Zentrale Analyseeinheit ist jeweils die Sequenz, die in ihrer zeitlichen Entfaltung untersucht wird. Besondere Aufmerksamkeit erhalten einerseits die Adressierungspraktiken und die in ihnen sichtbar werdenden (expliziten und impliziten) Normen, andererseits die Gegenstandskonstitution (Bredel & Pieper, 2015; Reh & Ricken, 2012).
Man könnte hier von einer Art der „Mimesis“ sprechen (Wulf, 2007, S. 42–48).
Petra Freudenberger-Lötz widmet sich mit ihrer Forschungswerkstatt seit vielen Jahren der Umsetzung kindertheologischer Normen im Unterricht (Freudenberger-Lötz, 2007). Die Bände 11 („Kindertheologie und Kompetenzorientierung“), 12 („Kindertheologie als Theologie für Kinder“) und 15 („Kindertheologie im Unterricht“) der Jahrbücher für Kindertheologie zeigen ebenfalls eine stärkere Hinwendung zu kindertheologisch profilierten Lernprozessen. Historisch gesehen zeichnet sich im Rahmen kindertheologischer Forschung eine Entwicklung ab: „In ihrer Anfangszeit hat die Kindertheologie einen Schwerpunkt auf die ‚Theologie von Kindern‘ gelegt. […] Inzwischen haben unterschiedliche Jahrbücher neue Akzente gesetzt, die über die anfängliche Fokussierung auf explorative Studien zu einer Theologie von Kindern deutlich hinausführen.“ (Roose & Schwarz, 2016, S. 7)
Bernhard Kirchmeier beklagt in diesem Zusammenhang bei Grethlein den „Verlust des Subjekts“ (2014, S. 37–38).
Der Fokus lag dabei auf der Frage, wie sich „Kindertheologie“ zu Expertentheologie verhält.