Academic Journal of Religious Education
Academic Journal of Religious Education
Es freut uns sehr, dass diese Ausgabe trotz der gegenwärtigen Widrigkeiten pünktlich erscheinen kann. Allerdings spiegeln sich in dieser Ausgabe die Corona-Umstände insofern wider, als die Jahrestagung der Gesellschaft für Religionspädagogik in einem digitalen Ersatzformat stattfinden musste.
Mirjam Zimmermann & Karlo Meyer & David Käbisch & Moritz Emmelmann & Susanne Schwarz
Silja Leinung & Antonia Lüdtke & Uta Pohl-Patalong
Im ersten „Corona-Semester“ sind an den Hochschulen diverse digitale Lehrformate entstanden, die die verschiedenen Elemente der Lehr- und Lernprozesse in unterschiedlicher Weise arrangiert und kombiniert haben. Am Institut für Praktische Theologie der Uni Kiel ist eine Kartographierung der vielfältigen Lehrformate erstellt worden, die potenziell auf andere Fächer und Universitäten übertragbar ist. Sie kann einerseits die künftige digitale Lehre unterstützen und erleichtern und andererseits einen Überblick darüber ermöglichen, welche digitalen Lehrformate an einer Fakultät oder in einem Fach bevorzugt eingesetzt werden. Eine Evaluation unter Studierenden und Lehrenden gibt Einblick in die Stärken und Schwächen der Formate.
Claudia Gärtner & Anna Hans & Lena Tacke & Anika Thanscheidt
Der Artikel geht anhand einer empirischen Studie an der TU Dortmund der Frage nach, welche Chancen und Grenzen in digitalen religionspädagogischen Lehrveranstaltungen für angehende Religionslehrer*innen liegen und welche Gelingensbedingungen zum Lernerfolg beitragen. Als neuralgisch erwiesen sich Beziehungs- und Kommunikationsaspekte. Die Studierenden sehen insbesondere die informellen Kommunikations- und Lerngelegenheiten mit Kommiliton*innen und Dozierenden als unverzichtbar an. Daher schätzen sie es, wenn Dozierende, trotz social distancing, eine persönliche Bindung aufbauen und Lernprozesse intensiv begleiten. Neben dem individuellen Feedback ist für Studierende die Mischung aus synchronem und asynchronem Lernen, von individueller Auseinandersetzung mit didaktisch aufbereiteten Materialien und kürzeren gemeinsamen Videositzungen für das Lernen hilfreich. Hingegen ergibt der Blick auf den religionspädagogischen Kompetenzerwerb ein ambivalentes Bild.
Andrea Dietzsch
Der Artikel gibt einen Überblick über ausgewählte Ergebnisse einer qualitativen Studie, die die Bedeutung der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden im Religionsunterricht aus der Perspektive von Schüler*innen erforscht. Er beschreibt Charakteristika einer gelungenen Beziehung zwischen Religionslehrer*in und -schüler*innen, ihre Bedeutung für die Qualität des Religionsunterrichts und das Lernen sowohl im Religionsunterricht in Präsenz als auch in digitalen Formaten. Außerdem formuliert er erste Impulse für die Beziehungsgestaltung im Religionsunterricht und eine Didaktik des digitalen Religionsunterrichts.
Michael Waltemathe
Mit der Digitalisierung waren ursprünglich Hoffnungsperspektiven verbunden, die auf der Beteiligung aller Menschen an der Wissensgesellschaft gründen. Diese Beteiligung hat Schattenseiten in Filterblasen sozialer Medien, deren gesellschaftliche Konsequenzen besonders in der Pandemie spürbar werden. Ein Rückgriff auf den Begriff der Kontingenz kann theologischem und religionspädagogischem Handeln analytische Werkzeuge geben um in der Situation multipler Realitätskonstruktionen gesellschaftliche Kohärenz zu fördern.
Antje Roggenkamp
Der Aufsatz befasst sich mit der Frage, inwiefern und unter welchen Bedingungen sich ein Theologisieren mit Digitorials vollzieht. Die exemplarische Studie zeichnet das Thema in den größeren Bereich der Mediatisierung ein. Konstruktivistische Grundannahmen zum Subjekt werden durch praxistheoretische Überlegungen zu den Dingen – und ihrer Veränderung des Subjekts – erweitert. Die empirische Begleitforschung weist die Gestaltung von Gemeinschaft als Kernkategorie eines Theologisierens mit dem Heiligen Geist aus. Sie gibt zugleich präzise an, welche konkreten Aufgaben ein Digitorial im Rahmen von Konfirmandenarbeit (nicht) übernehmen kann.
Stefanie Pfister & Matthias Roser
In ihrem Beitrag unterscheiden Roser und Pfister zwischen einer systematisch-theologischen Beschreibung und Würdigung des „digitalen Zeitalters“ im Anschluss an Johanna Haberer („Gott und die Medienrevolution“) und der hochschuldidaktischen Reflexion ebendieser digitalen Medienrevolution. Der Beitrag zeigt auf, dass auch digitale Lehre die notwendige religionspädagogische Resonanz im Miteinander erzeugen kann und stellt erprobte methodische Beispiele aus der Hochschullehre vor: ein digitales Texttheater zu Luthers Forderungen nach der Einrichtung von Schulen und Materialarrangements zu Gottesvorstellungen.
Hanna Roose
Das System Unterricht – so die systemtheoretisch inspirierte Grundannahme für diesen Beitrag – kann nur ein bestimmtes Maß an Komplexität verarbeiten. Wenn religionspädagogische Programmatik hinsichtlich der Organisation und der Gestaltung von Religi-onsunterricht zu komplex wird, bildet die schulische Praxis (z.T. unbewusste) Praktiken aus, die diese Komplexität reduzieren und die Programmatik so unterlaufen. Der Beitrag rekonstruiert einige dieser Praktiken im Rahmen von drei aktuellen Organisationsmodellen (konfessionell, konfessionell-kooperativ, RUFA). Als komplexitätssteigernd erweisen sich (religionspädagogisch geforderte) Praktiken der Differenzierung, der Verschränkung und Verknüpfung sowie der Inklusion. Als komplexitätsreduzierend erweisen sich (in der schulischen Praxis beobachtete) Praktiken der Homogenisierung, der Entkopplung und der Exklusion.
Tanja Gojny
Auch in Bundesländern mit einer starken Schulgottesdiensttradition wie in Bayern stellt sich die Frage, ob angesichts zunehmender religiöser wie weltanschaulicher Pluralität Schulgottesdienste noch zeitgemäß sind oder in Richtung alternativer Feierformen weiterentwickelt werden sollten. Der Beitrag stellt Ergebnisse einer qualitativen Studie vor, bei der Perspektiven von Schulleiter*innen auf Schulgottesdienste und alternative Angebote religiösen Schullebens erhoben wurden. Dabei wird deutlich, dass Rektor*innen Angebote des religiösen Schullebens zentral mit dem Ziel einer Förderung der Schulgemeinschaft verbinden; dies stellt insofern eine Herausforderung dar, als religiöse Angebote große Integrationskraft entfalten können, gleichzeitig aber in der Regel auch Einzelne ausschließen.
Steffi Fabricius
Den Kreuzestod Christi als ein soteriologisches Geschehen zu verstehen, erfordert ein vernetztes Wissen über Vorstellungen von Sünde, Erlösung und der (gestörten) Beziehung zwischen Gott und Mensch. Mit dem bimedialen narrativen Ansatz einer „graphic narrative“, der nicht nur direkt dem populärkulturellen Umfeld junger Erwachsener entspringt, sondern auch durch das Zusammenspiel von Wort und Bild zwei rezeptive Kanäle anspricht, kann die soteriologisch-christologische Wirklichkeit mit der der Jugendlichen kognitiv verknüpft werden und für selbige an Bedeutung gewinnen. Im Kontext einer Unterrichtseinheit zu Christi Kreuzestod, welche den methodischen Einsatz und die Gestaltung von „graphic narratives“ berücksichtigt, wird dieser Vermutung nachgegangen.
Kai Horstmann
Ausgehend von den positiven Erfahrungen der schulseelsorglichen Praxis wird der Religionsunterricht neu zum Thema: Sollte die seelsorgerliche Haltung nicht auch den Unterricht bestimmen? Zur Beantwortung dieser Frage erinnert der Aufsatz im Rahmen eines weiten Verständnisses von Schulseelsorge als Form von Kirche an der Schule an die religionspädagogischen Konzeptionen Dieter Stoodts, Gerhard Büttners und Norbert Ammermanns. Er stellt damit ein Verständnis von Schulseelsorge heraus, das nicht in den Unterricht einfließt, sondern im Religionsunterricht als dem ersten, systemimmanenten Ort religiöser Kommunikation an der Schule gründet.
Jan-Hendrik Herbst & Andreas Menne
Für religiöse Bildung stellt der politische Erfolg des Populismus eine Herausforderung dar. Einerseits ist Populismus aus demokratietheoretischer wie auch theologischer Perspektive durchaus als problematisch zu beurteilen. Andererseits können Populismus und Religion eine enge Verbindung eingehen und tun dies gegenwärtig auch vielerorts, es finden sich strategische Bezugnahmen und ideologische Übereinstimmungen. Hinsichtlich dieser Herausforderung möchten wir in diesem Artikel einige Grundlinien populismuskritischer religiöser Bildung aufzeigen. Dabei werden sowohl bereits vorhandene Reflexionen als auch bleibende Aufgaben der Religionspädagogik in den Blick genommen.
Christina Schachtner
Dieser Beitrag thematisiert die digitalen Medien als neue und Kirche und Religion als tradierte Resonanzsysteme. Die Aktualität von Resonanz für die nachwachsende Generation ergibt sich aus der 18. Shell Jugendstudie 2019, die zum einen die Sorge um die soziale und ökologische Zukunft als zentrales Anliegen der 12-25-Jährigen dokumentiert und zum andern den von Jugendlichen erfahrenen Mangel an gesellschaftlicher Resonanz. Von digitalen Kommunikationsmedien geht ein solches Versprechen aus, auch deshalb erfreuen sie sich so großer Beliebtheit. Die Jugendlichen sprechen in der Studie aber auch gesellschaftliche Offline-Institutionen wie Kirche und Religion als gewünschte Resonanzinstanzen an. Sie wollen, dass ihre Themen dort gehört werden, dass sich die Kirche als moralische Autorität positioniert. Der Beitrag versucht zu zeigen, warum gerade Kirche und Religion aufgrund ihrer Sinnstruktur als Resonanzsysteme gefordert sind.
Sebastian Röhl & Manfred L. Pirner
In verschiedenen internationalen empirischen Studien wird das Empfinden von Lehrkräften, für ihre Tätigkeit „berufen“ zu sein, mit überwiegend positiven Effekten auf ihre Gesundheit sowie ihr professionelles Selbstverständnis, Denken und Handeln in Beziehung gebracht. Im deutschen Sprachraum besteht hierzu ein eklatantes Forschungsdefizit, zu dessen Behebung mit dieser Studie ein erster bescheidener Schritt getan werden soll. Untersucht werden Effekte der Berufungsüberzeugung bei N=217 Lehrkräften eines evangelikal orientierten Schulverbundes, bei denen dieses Empfinden besonders verbreitet zu sein scheint. Die Analysen zweier Mitarbeiterbefragungen belegen die hohe Verbreitung einer religiösen Berufungsüberzeugung sowie positive Zusammenhänge mit der Arbeits- und Lebenszufriedenheit.
Tanja Gojny & Susanne Schwarz & Ulrike Witten
Die Frage nach den Inhalten im Religionsunterricht wird als gegenwärtig virulente religionspädagogische Frage identifiziert. Dieser Befund ergibt sich aus der Betrachtung der medialen Diskurse, der empirischen Forschung, der religionspädagogischen Theoriebildung und der Lehrplan- wie Schulbuchkritik. Der hier gewählte Zugang zeigt die Lagerung des Inhaltsdiskurses auf mehreren Ebenen und die uneinheitliche Verwendung des Inhaltsbegriffs. Die Virulenz des Diskurses, die begriffliche Diversität und Ebenenvielfalt sowie die aus den unterschiedlichen Zugängen eruierten Anfragen legen eine neue religionspädagogische Auseinandersetzung mit der hier so genannten Inhaltsfrage nahe, wofür abschließend Impulse formuliert werden.
Margit Stein & Veronika Zimmer
In diesem Beitrag werden auf Basis einer quantitativen Untersuchung (n=1090) die Einstellungen junger Muslim*innen und Christ*innen zu Freundschaften, operationalisiert über die bei Freund*innen als wichtig erachteten Werte, diskutiert. Eine Besonderheit dieser Untersuchung ist die detaillierte Analyse der Religionszugehörigkeit in Verbindung mit dem Migrationshintergrund, nämlich im Hinblick auf drei Generationen (selbst zugewandert, selbst in Deutschland geboren, aber Eltern bzw. Großelterngeneration zugewandert). Die einzelnen Gruppen werden für genauere Aussagen kombiniert und weitere Untergruppen unter Berücksichtigung des Herkunftslandes, der identitären Selbstverortung, des Bildungshintergrunds sowie vor allem interethnischer und interreligiöser Kontakte und Freundschaften betrachtet. Muslim*innen legen insgesamt einen größeren Wert darauf, dass ihre Freund*innen religiös sind sowie der gleichen Religion oder Herkunftsgruppe entstammen. Andere geteilte Werte in Freundschaften, wie etwa Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit oder geteilte Sportinteressen divergieren zwischen Christ*innen und Muslim*innen nicht und werden als gleich wichtig erachtet. Die Ergebnisse belegen jedoch, dass es weniger die Zugehörigkeit zum Islam, als eher der eigene Bildungs- sowie Migrationshintergrund sowie eine starke Religiosität und identitäre Identifizierung mit der Religion sind, die mit einer hohen Betonung der Wichtigkeit der Religiosität der Freund*innen sowie eher monoreligiösen Freundeskreisen in Zusammenhang stehen
Antje Roggenkamp
Die Ausführungen interessieren sich für Einstellungen, Haltungen, aber auch implizite Strategien, die angehende (Religions-)Lehrkräfte im interreligiösen Begegnungslernen ausbilden. Der Ansatz verschränkt theoretische Fragestellungen mit empirischen Methoden der qualitativen Rekonstruktion. Die Analyse des Diskursverhaltens von Christinnen und Christen sowie Musliminnen und Muslimen, die sich im Austausch über strittige Fragen der eigenen Traditionen befinden, zeigt Perspektiven für eine Institutionalisierung christlich-muslimsicher Dialoge auf.
Katharina Welling
In diesem Aufsatz geht es um die Frage nach einer angemessenen Vorbereitung von Lehramtsstudierenden der Katholischen Theologie auf einen von weltanschaulicher Pluralität geprägten Schulalltag, der zunehmend ein Aufbrechen der traditionellen Strukturen des deutschen Religionsunterrichts erfordert. Ausgehend von der im theoretischen Diskurs vorherrschenden Darstellung eines interreligiösen Dialoges als Königsweg eines zielführenden interreligiösen Lernens, dient die Umsetzung eines solchen Dialoges – angebahnt durch die schriftbasierte Methode des Scriptural Reasoning (SR) – als Forschungsgegenstand des im Folgenden thematisierten empirisch angelegten Forschungsprojektes (SR-Studie). Die resultierenden Ergebnisse implizieren Potentiale und Schwierigkeiten eines derartigen dialogischen Lernsettings und lassen Rückschlüsse auf eine didaktisch sinnvolle Umsetzung des SR im Lehramtsstudium der Katholischen Theologie zu.
Martin Schreiner
Inklusive Religionspädagogik der Vielfalt – Entscheidung als Zielhorizont des RU – Bibelwelten – Confessional Gap – Erinnerung an den Holocaust im RU – Religiöse Bildung im Elementarbereich – Pluralitätsfähigkeit evangelischer Schulen – Geht Religion auch ohne Theologie? – Keine Bibel …