„Probe-Abo“ Konfi-Zeit? Eine Einführung

Würde man die Abonnentinnen und Abonnenten einer Tageszeitung fragen, wie sie zu ihrem Abo kamen, bekäme man wohl häufig die Antwort: „Mir wurde ein 14-tägiges kostenfreies Probe-Abo angeboten“. Ob das so überzeugend war, dass man dann gerne dabei blieb oder ob man es schlicht verpasste, rechtzeitig den Übergang in ein Dauer-Abo zu kündigen, dürfte unterschiedlich beantwortet werden. Die Probephase aber stellte oftmals den Einstieg in eine dauerhafte Verbundenheit mit der Sache dar.

Ist die Konfirmandenarbeit das „Probe-Abo“ junger Evangelischer mit ihrer Kirche? Und wenn ja: Erscheint es überzeugend, was man dort von der Kirche erfährt? „Konfirmandenarbeit in der Perspektive einer lebensbegleitenden Gemeindepädagogik“ zu betrachten, bedeutet, genauer hinzusehen auf die Nahtstellen, also die Phasen vor und nach der Konfi-Zeit. Dahinter steht das Verständnis einer Gemeindepädagogik als Lebensbegleitung, in der die Konfirmandenarbeit nicht als für sich stehendes Bildungsfeld, sondern als zentraler Knotenpunkt in einem Netz gemeindepädagogischer Angebote betrachtet wird. Programmatisch wird das an der EKD-Denkschrift „Kirche und Bildung“ von 2009 deutlich, die das traditionelle Anliegen eines Gesamtkatechumenats aufgreift. Es gehe darum, „durch Vernetzung und Kooperation ein für die einzelnen Kinder und Jugendlichen zu gewährleistendes Gesamtangebot zu ermöglichen, das über bloß punktuelle Begegnungen in Schule und Gemeinde hinausgeht.“ (EKD, 2009, S. 65)

1 Empirische Befunde der zweiten Konfi-Studie

1.1 Die Datenbasis

Der vorliegende Artikel untersucht die Frage der Lebensbegleitung auf der Grundlage aktueller Ergebnisse aus den empirischen Studien zur Konfirmandenarbeit, die – auch gemeinsam mit vielen Forschungspartnern aus anderen Ländern (vgl. Schweitzer, Schlag, Simojoki, Tervo-Niemelä & Ilg, 2017) – in den letzten gut zehn Jahren durchgeführt wurden. In der aktuellen Studie wurden die Konfirmandinnen und Konfirmanden, die 2012 begannen und 2013 konfirmiert wurden, erstmals auch über ihre Konfirmation hinaus einbezogen, mit Nachbefragungen der 16-Jährigen (in 2015) und 18-Jährigen (in 2017). Zudem wurden in einer bundesweiten Repräsentativbefragung junge Erwachsene zwischen 18 und 26 Jahren rückblickend zu ihrer Konfirmandenzeit befragt („Engagementstudie“). Die Ergebnisse der jüngsten Befragungen wurden im Band „Jung – evangelisch – engagiert“ veröffentlicht (Ilg, Pohlers, Gräbs & Schweitzer, 2018).[1] Dort finden sich auch weitere Details zum methodischen Vorgehen, das im Folgenden nur knapp skizziert wird.

Tabelle 1: Überblick über die zweite bundesweite Studie zur Konfirmandenarbeit

Quantitative Studie

Qualitative Studie

Jugendliche

Mitarbeitende

t1 2012

10191

1667

Befragung in Gruppeninterviews:
48 Jugendliche, die sich ehrenamtlich in der Konfirmandenarbeit engagieren
(Erhebung 2014/2015)

t2 2013

9096

1336

t3 2015

1937*

 

t4 2017

509*

 

parallel quantitative (N=2714) und qualitative (N=30) Studien zum ehrenamtlichen Engagement junger Erwachsener

* Zahl der Fragebögen, die den anderen Befragungszeitpunkten vollständig zugeordnet werden konnten.

Tabelle 1 stellt die Befragungen der zweiten bundesweiten Konfi-Studie dar. Die Fallzahlen waren wie bei der ersten Studie so angelegt, dass sie für die Befragungszeitpunkte t1 und t2 repräsentative Ergebnisse nicht nur auf Ebene der EKD insgesamt, sondern auch für die einzelnen Landeskirchen erbrachten. Während bei den ersten beiden Befragungszeitpunkten komplette Konfirmandenjahrgänge aus zufällig ausgewählten Gemeinden befragt wurden, erlauben die Daten aus den Nachbefragungen keine repräsentativen Aussagen. Bei den Befragungen t3 und t4, die auf dem Postweg bzw. über eine Online-Befragung an die ehemaligen Konfirmandinnen und Konfirmanden adressiert waren, beteiligten sich die Jugendlichen jeweils ganz individuell. Da die Fragebögen aller vier Zeitpunkte einander über einen anonymen Code zugeordnet werden können, ließ sich zeigen, dass die in t3 und t4 antwortenden Jugendlichen kein Abbild des gesamten Jahrgangs darstellen, sondern Jugendliche mit starker Kirchenverbundenheit (und hierbei insbesondere weibliche Jugendliche) mit höherer Wahrscheinlichkeit antworteten. Ein Anliegen der Längsschnittstudie lag insbesondere darin, die Einstellungen der 1937 (t1 bis t3) bzw. 509 (t1 bis t4) befragten Jugendlichen über die Zeit hinweg zu verfolgen und damit ein Bild über Entwicklungen im Zeitverlauf zu gewinnen. Solche echte Längsschnittdaten mit denselben Personen über mehrere Jahre hinweg stellen gerade im kirchlichen Bereich noch immer eine Ausnahme dar und erlauben besondere Einblicke auf ein religionspädagogisches Feld über die Zeit hinweg. Sie zeigen beispielsweise, wie sich die Einstellungen der Jugendlichen zu Glaube und Kirche zwischen 13 und 18 Jahren entwickeln. Solche Ergebnisse werden im vorliegenden Artikel nicht näher betrachtet, stellen für die Frage der lebensbegleitenden Gemeindepädagogik aber höchst interessante Erkenntnisse bereit. Leserinnen und Leser mit einem vertieften Interesse an Fragestellungen der Glaubensentwicklung finden entsprechende Darstellungen in Ilg et al., 2018, S. 180–199.

Einen eigenen Ansatzpunkt hatten die Befragungen im Kontext der Engagementstudie: Hier wurden durch das Forschungsinstitut Kantar EMNID auf repräsentativer Basis für das Bundesgebiet 2714 junge Erwachsene zwischen 18 und 26 Jahren zu Fragen des Ehrenamts, der religiösen Orientierung und (bei Evangelischen) ihrer Erfahrungen mit der Konfi-Zeit befragt. Ergänzend wurden 30 konfirmierte junge Erwachsene in narrativ biografischen Interviews um Auskunft gebeten. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse aus allen genannten Studien vorgestellt.

 1.2 Demografische Rückgänge: Grunddaten zur Beteiligung

Die relative Beteiligung an der Konfi-Zeit ist in Deutschland auf einem Niveau von etwa 90% der evangelischen 14-Jährigen stabil. Die mancherorts zu hörenden Krisenwahrnehmungen eines Rückgangs der Konfirmationsbereitschaft lassen sich in den statistischen Daten nicht bestätigen. Möglicherweise gehen sie auf eine Passage der V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zurück, in der von einem deutlichen Rückgang der Konfirmationsquoten zu lesen ist (Pickel, 2015, S. 151). Diese Passage beruht jedoch auf einer fehlerhaften Berechnung in der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (vgl. dazu Ilg, 2017).

Massive Veränderungen zeigen sich aktuell nicht bei der Bereitschaft evangelischer 13-Jähriger, an der Konfi-Zeit teilzunehmen, dagegen aber in einem anderen Bereich: Die Jahrgangsstärken evangelischer Kinder werden von Jahr zu Jahr deutlich geringer. Abbildung 1 zeigt in blauer Farbe den deutlichen Rückgang der Konfirmiertenzahlen innerhalb der letzten Jahre: Zwischen 2011 und 2016, also innerhalb von fünf Jahren, ging die Zahl der Konfirmierten um 23% zurück. Die Konfirmationsquote sank parallel zwar ebenfalls leicht auf zuletzt knapp unter 90% der evangelischen 14-Jährigen, aber der entscheidende Faktor liegt in den stark abnehmenden Jahrgangsstärken der Evangelischen (hier in roter Farbe abgebildet).

Abbildung 1: Zahl der Konfirmierten pro Jahr und evangelische Jahrgangsstärken

Anmerkungen: Die Bereitstellung der Daten erfolgte dankenswerterweise durch das Statistische Bundesamt sowie das Statistikreferat der EKD (Stand der Daten: Mai 2018).

Der deutliche zahlenmäßige Rückgang der evangelischen Jahrgangsstärken dürfte für die Kirche insgesamt mit massiven Auswirkungen verbunden sein, die – auch in den Kirchenleitungen – bislang noch viel zu selten diskutiert werden. Auf der Gemeindeebene sind die Effekte schon jetzt deutlich wahrzunehmen: Wo früher zwei Konfirmationstermine üblich waren, genügt zuweilen eine Konfirmation für die kleiner gewordene Gruppe. In ländlichen Gebieten kommen angemessene Gruppengrößen oftmals nur durch die Kooperation mehrerer Gemeinden zusammen. In manchen ostdeutschen Gemeinden gibt es mehr Kirchengebäude als Konfirmierte pro Jahr.

In der Konfirmandenarbeit wird also das demografische Problem der evangelischen Kirche greifbar. Trotz des zahlenmäßigen Rückgangs stellt sich die Konfirmandenarbeit jedoch als ein sehr vitales Arbeitsfeld dar. Die bereits genannte hohe Teilnahmebereitschaft junger Evangelischer an der Konfi-Zeit kann – angesichts massiver gesellschaftlicher Umbrüche und auch anderer Erfahrungen in benachbarten europäischen Ländern, beispielsweise Schweden – auch als eine Würdigung der Konfi-Zeit durch die Jugendlichen verstanden werden.

1.3 Die Konfi-Zeit als intensivste Erfahrung mit Kirche

Die Konfi-Zeit, die je nach Landeskirche zwischen einem dreiviertel und gut eineinhalb Jahren dauert, besteht mittlerweile aus viel mehr als nur dem klassischen Unterricht. Durchschnittlich erlebt eine Konfirmandin und ein Konfirmand bis zu ihrer und seiner Konfirmation neben den regelmäßigen Unterrichtsterminen etwa vier Konfi-Tage, einen Ausflug, ein bis zwei Freizeiten oder Konfi-Camps, gemeinsame Angebote mit der Jugendarbeit sowie einige Stunden Praktika. Allerdings: Dieser Durchschnitt setzt sich aus ganz unterschiedlichen Gestaltungsweisen vor Ort zusammen. Wirklich flächenmäßig verbreitet sind die Freizeiten und Camps, die fast überall zur Konfi-Zeit fest dazugehören. Lediglich etwa die Hälfte der Gemeinden integriert aber ein Gemeindepraktikum, einen Ausflug oder gemeinsame Aktivitäten mit der evangelischen Jugendarbeit in die Konfi-Zeit (vgl. Schweitzer, Maaß, Lißmann, Hardecker & Ilg, 2015, S. 125–132).

In jedem Fall dürfte die Konfi-Zeit für die meisten evangelischen Kirchenmitglieder die intensivste Begegnung mit Kirche während ihrer ganzen Lebensspanne darstellen[2]  – eine Begegnung, die sich je nach örtlicher Konzeption sehr unterschiedlich darstellen kann. Also: Ein mehr oder weniger lustweckendes „Probe-Abo“, das die Kirche hier bietet.

1.4 Vorerfahrungen der Konfirmandinnen und Konfirmanden

Anders als im Bild des Probe-Abos beginnt die Verbindung junger Evangelischer zur Kirche nicht mit dem ersten Konfirmandenunterricht. Dennoch: Wer sich mit Pfarrerinnen und Pfarrern unterhält, hört immer wieder die Klage, dass die Jugendlichen heute ja „gar nichts mehr mitbringen“. Gemeint ist damit eine religiöse Primärsozialisation, die aus der Familie sowie aus kirchlichen Erfahrungen in der Kindheit gespeist wird. Exemplarisch für eine solche skeptische Einschätzung kann wiederum die V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung stehen (Bedford-Strohm & Jung, 2015). Unter der Überschrift „Stabilität im Traditionsabbruch“ wird darin beispielsweise auf S. 140 resümiert, der Abbruch der religiösen Sozialisation sei „in seiner Dramatik gar nicht zu überschätzen“. Erstaunlicherweise ignoriert die V. KMU bei solchen Interpretationen jedoch ihre eigenen Daten: Unter den befragten Evangelischen gibt immerhin jeder Zweite an, zumindest hin und wieder an kirchlichen Kindergruppen teilgenommen zu haben, beim Kindergottesdienst sind es sogar drei Viertel der Befragten. Die V. KMU berichtet diese Ergebnisse zwar im Anhang (Bedford-Strohm & Jung, 2015, S. 484), greift diese Daten jedoch in der gesamten Darstellung nirgends auf. Kirchliche Angebote wie Kindergottesdienst, Jungschargruppen oder Jugendarbeit bleiben in den Darstellungen der V. KMU fast gänzlich ausgeblendet.

Wie verbreitet solche Erfahrungen mit der Kirche während der Kindheit faktisch sind, wird in den Ergebnissen der Konfi-Studien deutlich. Die Jugendlichen wurden dort zu Beginn ihrer Konfi-Zeit gefragt, ob sie vor der Konfi-Zeit mehr als drei Mal bei einer christlichen Gruppe oder Veranstaltung der Kirche teilgenommen hatten. 64% der Jugendlichen bejahten dies. Die Mehrheit der Konfirmandinnen und Konfirmanden hat also durchaus bereits Erfahrungen mit der Kirche gemacht, wenn sie als Jugendliche mit der Konfi-Zeit beginnen. Zur irrigen Annahme, dass Konfirmandinnen und Konfirmanden quasi als „kirchlich unbeschriebenes Blatt“ ihre Konfi-Zeit beginnen, kann man nur kommen, wenn man vielfältige Arbeitsbereiche der Kirche ausblendet, die durchaus noch eine Mehrheit der jungen Menschen erreichen. Dazu kann der Besuch von Krabbel- und Kindergottesdiensten gehören, Erfahrungen mit einer Kinderbibelwoche oder der Besuch einer Jungschar. Kirchliche Angebote an der Schule können ebenso eine Rolle spielen wie Gottesdienste an Weihnachten, Trauungen oder Bestattungen. Hinzu kommen möglicherweise Begegnungen mit Kirche und Diakonie im familiären Kontext (etwa im Seniorenheim der Großeltern), kirchliche Präsenz in den Medien sowie kulturelle oder touristische Begegnungsflächen mit der Kirche. Wenn Jugendliche in der Konfi-Zeit erstmals vor der versammelten Gemeinde stehen, beginnt also nicht ihr Weg mit der Kirche, wohl aber die intensivste Phase der Verbindung mit ihr (vgl. auch Ilg, 2016). Allerdings verlaufen die Lebensbiografien junger Menschen weniger einheitlich und parochiegebunden als dies in früheren Jahren der Fall war. Durch Umzüge, aber auch durch wechselnde lebensstilbezogene Prioritätensetzungen werden diskontinuierliche Biografieverläufe zu einem Normalfall, auf den sich die kirchliche Arbeit mit jungen Menschen noch nicht ausreichend eingestellt hat.

1.5 Mehrjährige Modelle der Konfirmandenarbeit

Trotz gelegentlicher Kirchenkontakte in der Kindheit: Natürlich ergibt sich für den Kontakt junger Menschen mit der evangelischen Kirche zumeist eine Art zweigipflige Verteilung mit eher vereinzelten kleinen Spitzen zwischen diesen beiden Gipfeln – nämlich der Säuglingstaufe und der Konfirmation. Daher erscheint die Idee, die Konfirmandenarbeit auf einen längeren Zeitraum zu verteilen, als grundsätzlich einleuchtend. Einige Modelle sind in dieser Hinsicht entstanden, die eine nähere Betrachtung wert wären, hier jedoch nur angedeutet werden können.

In der Regel entwickelten sich die mehrjährigen Modelle der Konfirmandenarbeit aufgrund von spezifischen gesellschaftlichen bzw. kirchlichen Situationen, sie reagierten also immer auf gewisse Veränderungen.

Deutlich abzulesen ist das an der Geschichte der evangelischen Bildungsarbeit in der DDR: Im Kontext einer religionsfeindlichen Politik wurde das Modell der Christenlehre entwickelt, die Kinder vom Schuleintritt bis zum Beginn des Konfirmandenunterrichts begleitet, an den sich die „Junge Gemeinde“ anschließt (und damit einen Begriff aufnimmt, der bereits im Mittelalter verwendet wurde, vgl. Doyé, 2012). Der lebensbegleitende Anspruch kirchlicher Arbeit im Osten Deutschlands kommt programmatisch auch in der 1973 eingeführten Konzeption vom „konfirmierenden Handeln der Gemeinde“ zum Ausdruck (vgl. Doyé, 2012 sowie Steinhäuser, 2016).

Im internationalen Kontext lassen sich in jüngerer Zeit Modelle finden, bei denen mit dem Ende des konfessionellen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen eine deutliche Verstärkung gemeindepädagogischer Bildungsarbeit einherging. Zwei eindrückliche Beispiele, die Glaubenserziehungsreform in Norwegen sowie das Religionspädagogische Gesamtkonzept (rpg) im Kanton Zürich, sind dokumentiert in Krupka & Voirol-Sturzenegger, 2017.

Als eine der wichtigsten konzeptionellen Neuansätze aus neuerer Zeit ist die zweiphasige Konfirmandenarbeit zu nennen (vgl. Behr & Mickel, 2018). Ursprünglich in der Hannoverschen Landeskirche mit dem Namen „Hoyaer Modell“ entstanden, entwickelten sich in den letzten drei Jahrzehnten in verschiedenen Landeskirchen ähnliche Modelle. Vom Anliegen geleitet, zwischen Kindertaufe und Konfirmandenalter eine weitere intensive Begegnungszeit mit der Kirche einzurichten, wurde eine erste Phase der Konfi-Zeit in das Alter der Drittklässler (zuweilen auch der Viertklässler) vorverlagert. Mittlerweile hat sich das Modell Konfi 3 bzw. Konfi 4 in einem Teil der Gemeinden und Landeskirchen etabliert. Manche Erwartungen, die von den Verantwortlichen mit Konfi 3 verknüpft worden waren, erfüllen sich jedoch nicht. Dies gilt insbesondere für die eigentlich erhoffte vernetzende Wirkung der zweiphasigen Konfirmandenarbeit als einem Brückenpfeiler hin zu anderen Angeboten. Die Evaluationsstudie zur Einführung von Konfi 3 in Württemberg bietet hierzu eher ernüchternde Befunde: „Die […] Erwartung, dass Angebote der Kinder- und Jugendarbeit die Zeit zwischen Konfi 3 und Konfi 7/8 ‚überbrücken' sollten, erweist sich als wenig realistisch. Kooperationen mit der Kinderkirche sind sehr selten […]. Gering ist auch die Kooperation mit der Jungschararbeit. […] Die fehlende Vernetzung und Kooperation gehört wohl zu den am stärksten ausgeprägten Schwächen von Konfi 3.“ (Cramer, Ilg & Schweitzer, 2009, S. 267) In einer Befragung zwei Jahre nach der Konfirmation, die im Rahmen der zweiten Konfi-Studie durchgeführt wurde, äußerten sich Konfi 3-Teilnehmende zwar grundsätzlich positiv zu ihren Konfi 3-Erinnerungen, allerdings hatte nach eigenen Angaben nur jeder Vierte von ihnen zwischen Konfi 3 und Konfi 7/8 „häufig Kontakt zur Kirchengemeinde“. Im Vergleich der Wahrnehmung ihrer Konfi 7/8-Zeit zwischen Jugendlichen mit und ohne Konfi 3-Erfahrungen lassen sich fast keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellen (Schweitzer, Hardecker, Maaß, Ilg & Lißmann, 2016, S. 109–120).

Die Erfahrungen aus mehrjährigen Modellen der Konfirmandenarbeit lassen sich in zwei Erkenntnissen zusammenfassen: Zum einen liegt die entscheidende Herausforderung in vielen Fällen weniger in der Einrichtung neuer Angebotsformen als in der Vernetzung zwischen Konfirmanden- und Jugendarbeit. Wo es mehrere Angebote gibt, scheitert die Kooperation oftmals daran, dass die Verantwortlichen ihre jeweiligen Inseln pflegen, aber die Gestaltung einer Gesamtlandschaft aus dem Blick verlieren. Zum zweiten sollte für die Konfirmandenarbeit festgehalten werden, dass bei allen Vernetzungsabsichten ins Kindes- und ins Jugendalter ein besonderer Pluspunkt der Konfi-Zeit gerade in ihrem Projektcharakter liegt: Wer sich zur Konfi-Zeit anmeldet, lässt sich auf ein Projekt mit klar definiertem Beginn und Ende ein. Auch wenn vernetzte Bildungsangebote wichtige konzeptionelle Chancen bieten, darf eine Teilnahme an der Konfi-Zeit, die mit dem Konfirmationsgottesdienst endet, nicht als defizitär dargestellt werden. Wäre die Konfi-Zeit von vornherein mit mehreren Jahren Anschlussangeboten verbunden, würden Attraktivität und Anmeldezahlen sicherlich rapide sinken.

1.6 Gottesdienst-Sozialisation durch die Konfi-Zeit? Das Ende einer Illusion

Wenn in kirchentheoretischer Hinsicht der Gottesdienst nach wie vor als Zentrum des Gemeindelebens verhandelt wird, erscheint es zunächst schlüssig, dass die Konfirmandenarbeit konzeptionell mit einer intensiven Gottesdienstsozialisation verbunden wird. Nach den Antworten der Pfarrerinnen und Pfarrer in der zweiten Studie besteht in 88% der Kirchengemeinden die Pflicht zum Besuch von Gottesdiensten, zumeist etwa 20 während der Konfirmandenzeit. Die meisten Gemeinden, nämlich 71%, setzen dabei auf Anwesenheitskontrollen mit Unterschriftenkärtchen (Schweitzer et al., 2015, S. 97).

Ohne Pflicht ginge es wohl auch nicht: Dass die Langeweile-Wahrnehmung zum Gottesdienst vom Beginn bis zum Ende der Konfi-Zeit zunimmt, ist eines der bekannten Ergebnisse der Tübinger Konfi-Studien (Schweitzer et al., 2015, S. 85–100). In den Fragebögen und Interviews mit Jugendlichen tritt eine Wahrnehmung des Gottesdienstes zutage, die mit den dogmatischen Beschreibungen dieser „Mitte der Gemeinde“ wenig gemeinsam hat. So beschreibt ein Konfirmand seine Erfahrungen beim Abendmahl: „Ich interessiere mich für Gott usw., aber in der Kirche ist es meistens langweilig. Das Abendmahl finde ich eklig, ich habe eine leichte Zwangsneurose, dass manche aus dem Kelch trinken und man muss dann seinen Chip in eine Mischung aus Traubensaft und Speichel tunken“ (Schweitzer et al., 2015, S. 84).

Wie wirken sich solche Gottesdiensterfahrungen auf lange Sicht aus? Lässt sich die traditionelle Begründung der Gottesdienstpflicht, dass nämlich mit wachsender liturgischer Vertrautheit auch die Sympathie für den Gottesdienst wachse, empirisch belegen? Die Nachbefragungen der 16-Jährigen zwei Jahre nach ihrer Konfirmation ermöglichen erstmals Antworten auf diese Fragen (vgl. Abbildung 2). Trotz der im t3-Sample überrepräsentierten Jugendlichen mit Kirchenbindung zeigt sich, dass nur sehr wenige Jugendliche monatlich oder wöchentlich an einem Gottesdienst teilnehmen (oberste Zeile der Abbildung). Ein wichtiges Ergebnis bezieht sich auf die Frage, wie diese Antworten differenziert nach der Gottesdienstverpflichtung während der Konfi-Zeit ausfallen. Lässt sich nachweisen, dass eine höhere Zahl von als Konfirmandinnen und Konfirmanden erlebten Gottesdienste zur Ausbildung einer Gottesdienstgewohnheit führt? Die Abbildung entlarvt diese Annahme als Illusion. Unabhängig von der Art der Gottesdienstpflicht fallen die Antworten der 16-Jährigen sehr ähnlich aus. Der geringste Anteil mit Jugendlichen, die dem Gottesdienst komplett den Rücken kehrten (gelb), zeigt sich in den Gemeinden, die keinerlei Pflichtgottesdienste während der Konfi-Zeit hatten. Eine hohe Zahl von (oft als langweilig erlebten) Gottesdiensten erzeugt keine Gottesdienstgewohnheit, sondern vielmehr eine negative Konnotation von Kirche insgesamt, „weil alle Jugendlichen genau erkennen, dass der Gottesdienst ein Herzstück der Kirche ist“ (Kammerer, 2013, S. 297).

 

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Pflicht-Gottesdienstbesuchen während der Konfi-Zeit und Häufigkeit des Gottesdienstbesuchs zwei Jahre nach der Konfirmation. Die Balken stellen die Antwortverteilung auf die Frage dar, wie häufig die befragten 16-Jährigen aktuell einen Gottesdienst besuchen.

Anmerkungen: N=1912. Quelle: Schweitzer et al., 2016, S. 66.

Dass junge Menschen langfristig dem Gottesdienst treu bleiben, wird durch eine hohe Zahl von Pflichtgottesdiensten während der Konfi-Zeit also nicht zu erreichen sein. Als entscheidender erweist sich vielmehr, in welcher Weise die Gottesdienste erlebt wurden. Bereits in den Befragungen während der Konfi-Zeit hatte sich gezeigt, dass das Erleben jugendgemäßer Gottesdienste sowie die eigene Gottesdienst-Mitgestaltung mit einer deutlichen Verbesserung der Gottesdienstzufriedenheit am Ende der Konfi-Zeit einhergehen. Dabei wurden Kontrastgruppen auf Grundlage zweier Items gebildet: „Ich habe [während der Konfi-Zeit] jugendgemäße Gottesdienste erlebt (z.B. Jugendgottesdienste)“ und „Ich hatte die Möglichkeit, mit eigenen Ideen zu den Gottesdiensten beizutragen“. Kontrastgruppe 1 besteht aus denjenigen Jugendlichen, die beide Aussagen ablehnen, in Kontrastgruppe 2 stimmen die Jugendlichen beiden Aussagen zu (vgl. Schweitzer et al., 2015, S. 90). Vergleicht man die Jugendlichen aus den beiden Gruppen hinsichtlich ihres Gottesdienstbesuchs zwei Jahre nach der Konfirmation, ergeben sich die in Abbildung 3 dargestellten deutlichen Unterschiede. Der Anteil derjenigen, die „(fast) nie“ den Gottesdienst besuchen, liegt bei Jugendlichen, die in der Konfi-Zeit weder jugendgemäße Gottesdienste erlebten noch mit eigenen Ideen Gottesdienste mitgestalten konnten, fast dreimal so hoch wie bei Jugendlichen, die beiden Aussagen zustimmen. Wer also in der Konfi-Zeit jugendgemäße Gottesdienste erlebte und die Möglichkeit zur Gottesdienstmitgestaltung hatte, bleibt dem Gottesdienst in den Jahren nach der Konfirmation eher treu (wenn auch insgesamt auf geringem Niveau).

 

Abbildung 3: Häufigkeit des Gottesdienstbesuchs zwei Jahre nach der Konfirmation im Kontrastgruppenvergleich

Anmerkungen: Kriterien für die Gruppenbildung: Antworten auf die Items: Während der Konfi-Zeit „habe ich jugendgemäße Gottesdienste erlebt“; „Ich hatte die Möglichkeit, mit eigenen Ideen zu den Gottesdiensten beizutragen“. Gruppe 1 (N=418): Antwort auf beide Aussagen liegt im ablehnenden Bereich (<4). Gruppe 2 (N=1693): Antwort auf beide Aussagen liegt im zustimmenden Bereich (>4). Quelle: Eigene Berechnungen des Autors auf Grundlage der Daten aus der zweiten Konfi-Studie.

Im Blick auf Gottesdiensterfahrungen wirkt also die Qualität der Erfahrungen einladend, nicht die Quantität. Diese Erkenntnis dürfte Praktikerinnen und Praktiker der Konfirmandenarbeit wenig überraschen. Dennoch wird in den allermeisten Gemeinden an der Gottesdienstverpflichtung der Jugendlichen während der Konfi-Zeit festgehalten. Dabei gäbe es für junge Menschen durchaus Bereiche der Kirche kennenzulernen, bei denen damit zu rechnen ist, dass aus den ersten Berührungspunkten eine höhere Verbundenheit erwächst. Eine dieser Möglichkeiten, das ehrenamtliche Engagement, soll im nächsten Abschnitt in den Blick genommen werden.

1.7 Übergänge von der Konfi-Zeit in ehrenamtliches Engagement

Zu den wesentlichen Aufbrüchen in der Konfirmandenarbeit in den letzten Jahrzehnten gehört das Erstarken des Ehrenamts in diesem Bereich. Nach den Erhebungen der zweiten Konfi-Studie sind in 85% der Kirchengemeinden in der EKD Ehrenamtliche an der Konfirmandenarbeit beteiligt. Trotz sinkender Konfirmandenzahlen stieg deren Zahl in den letzten Jahren an, auf zuletzt 62.000 Personen deutschlandweit. Der Großteil der Ehrenamtlichen liegt im Altersbereich zwischen 15 und 18 Jahren. Vielerorts ist es mittlerweile üblich geworden, dass Jugendliche nach der Konfirmation die Möglichkeit erhalten, eine Jugendleiterausbildung zu durchlaufen und selbst als Teamer in die Konfirmandenarbeit oder in andere Angebote der Jugendarbeit einzusteigen. Die zweite Konfi-Studie untersuchte den Übergang in das Ehrenamt nach der Konfirmation, unter anderem mit der Analyse von Prädiktoren für gelingende Ehrenamtlichkeit sowie qualitativen Befragungen junger Teamerinnen und Teamer (vgl. auch Schweitzer et al., 2016). Ergänzend bot die Repräsentativbefragung der Engagementstudie Antworten auf die Frage, wie junge Erwachsene nach ihrer Konfirmation in ein Ehrenamt gelangen.

Aus den großen Freiwilligensurveys (zuletzt BMFSFJ, 2016; vgl. auch Simonson, Vogel & Tesch-Römer, 2017 sowie Sinnemann, 2017) ist bekannt, dass Kirchenmitglieder sich weitaus stärker ehrenamtlich engagieren als Konfessionslose – und zwar nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern in fast allen gesellschaftlichen Feldern. In der Repräsentativstudie sollte nun untersucht werden, inwiefern die Konfirmandenzeit einen Beitrag zur Attraktivierung eines späteren ehrenamtlichen Engagements leistet (vgl. Ilg et al., 2018, S. 85–88). Tatsächlich gibt es in der Konfi-Zeit eine konkrete Handlungsform, die auf das Kennenlernen ehrenamtlicher Tätigkeit abzielt: das Konfi-Praktikum. Die Jugendlichen erleben dabei im Rahmen ihres Konfi-Jahres eine oder mehrere von Ehrenamtlichen geprägte Stationen, bei denen sie in verschiedenen Aufgabenfeldern hospitieren. Ob im Kindergottesdienst, dem Eine-Welt-Laden oder bei der Christbaumsammelaktion: Hier erfahren Jugendliche ganz praktisch, was Ehrenamt bedeutet, lernen Menschen kennen, die sich freiwillig einsetzen, und sie engagieren sich auch einmal selbst ehrenamtlich.

Die in Abbildung 4 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass ein solches Konfi-Praktikum nicht ohne Folgen bleibt: Unter denjenigen jungen Erwachsenen, die eine Konfi-Zeit ohne Praktikum erlebten, stimmen lediglich 9% der Aussage zu: „Die Erfahrungen in der Konfi-Zeit haben dazu beigetragen, dass mir ehrenamtliches Engagement wichtiger wurde“. Bei denjenigen jedoch, die ein Praktikum erlebten, liegt diese Quote um ein Vielfaches höher, nämlich bei 64%.

Abbildung 4: Zusammenhang der Stärkung ehrenamtlichen Engagements mit dem Erleben von praktischer Mitarbeit in der Kirchengemeinde während der Konfi-Zeit

Anmerkungen: Quelle: Ilg et al., 2018, S. 88.

Natürlich stellt der Übergang in eine ehrenamtliche Tätigkeit nur eine von mehreren Möglichkeiten dar, nach der Konfi-Zeit mit der Kirche in Verbindung zu bleiben. Sie ist allerdings eine der ganz chancenreichen Optionen. Auch im internationalen Vergleich mit den evangelischen Kirchen in anderen Ländern wird deutlich, dass hier große Potenziale liegen. So berichten die Forschungskolleginnen und -kollegen aus der finnischen Kirche davon, dass bis zu einem Drittel der dortigen Konfirmierten im Anschluss an die Konfirmation am Programm „Young Confirmed Volunteers“ teilnehmen. Im Bild des Probe-Abos gesprochen: Nach 14 Tagen erfolgt nicht die Einladung zum Abonnement, sondern gleich zum Volontariat in der Redaktion!

1.8 Die Konfi-Zeit als langfristig prägende Erfahrung von Kirche

Wenn der Vergleich von der Konfi-Zeit mit dem Probe-Abonnement einer Zeitung zutrifft, dann ist zu erwarten, dass diese Erfahrung auch langfristig die Wahrnehmung der Institution Kirche prägt. Diese Annahme lässt sich ebenfalls mit den Ergebnissen aus der Engagementstudie belegen: Die jungen Erwachsenen beantworteten unter anderem die aus den Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen bekannte Frage, ob sie sich einen Kirchenaustritt vorstellen können. Die Verteilung der verschiedenen Antworten (von „kommt nicht in Frage“ bis „werde ganz bestimmt austreten“) ist in Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: Kirchenaustrittsneigung in Abhängigkeit von Konfi-Zeit und Anschluss-Erfahrungen

Anmerkungen: Quelle: Ilg et al., 2018, S. 76. Einbezogen wurden hier nur evangelische junge Erwachsene zwischen 18 und 26 Jahren (repräsentativ für Deutschland).

Insgesamt 18% der befragten Evangelischen weisen eine Kirchenaustrittsneigung auf (hier hellgrün bzw. dunkelgrün dargestellt, vgl. Bedford- Strohm & Jung, 2015, S. 149). Die Vergleiche in der Grafik zeigen es eindrücklich: Wer unzufrieden mit der Konfi-Zeit ist, hat eine doppelt so hohe Austrittsneigung (27 %) wie diejenigen, die im Rückblick zufrieden damit sind (14 %). Eine gute Konfi-Zeit immunisiert zwar nicht gegen den Gedanken, später aus der Kirche auszutreten, senkt die Wahrscheinlichkeit dafür jedoch deutlich. Dies steht im Einklang mit Studien aus Finnland, bei denen Kati Niemelä mit einem 10-Jahres-Vergleich zeigen konnte, welchen Langzeiteffekt eine positiv wahrgenommene Konfi-Zeit auch auf die Kirchenverbundenheit Erwachsener hat (Niemelä, 2015).

Noch stärker ist die Prädiktorenkraft im Blick auf die Kontakte mit der Kirche nach der Konfi-Zeit: Unter denjenigen jungen Erwachsenen, die nach der Konfirmation keinen Kontakt mehr zur Kirche hatten, liegt die Austrittsneigung bei 29 %, während sie sich bei intensivem Nach-Konfirmations-Kontakt zur Kirche auf einem deutlich geringeren Niveau (12 %) zeigt. Die beiden Vergleiche deuten darauf hin, dass eine positiv erlebte Konfi-Zeit und insbesondere zumindest gelegentliche Anknüpfungsmöglichkeiten nach der Konfirmation den Kirchenaustritt im Erwachsenenalter deutlich unwahrscheinlicher machen.

2 Sechs Thesen

Zusammenfassend sollen zentrale Erkenntnisse in sechs Thesen verdichtet werden:

  1. Die Idee des konfirmierenden Handelns der Gemeinde geht bislang noch zu sehr von standardisierten kirchlichen Angeboten aus, die man im Zuge des Aufwachsens durchlaufen soll. Solche Angebote passen vielleicht noch für „kirchliche Standard-Biografien“, also für Jugendliche aus kirchennahen Elternhäusern mit hoher Verbundenheit zum Heimatort. Die Diskontinuität moderner Lebensläufe, die sich nicht an Parochiegrenzen hält, kommt hierbei zu wenig in den Blick. Lebensbegleitung kann sich nicht in Standardprogrammen erschöpfen, sondern wird vielmehr einem Büffet gleichen, aus dem sich verschiedene Menschen Unterschiedliches heraussuchen.

  2. Die Konfi-Zeit hat, gerade aufgrund ihres Projekt-Charakters, einen Wert in sich. Auch ohne gemeindepädagogische Einbettung bietet sie einen lebensgeschichtlich bedeutsamen Punkt, das eigene Verhältnis zum Glauben und zur Kirche zu klären. Zu einer lebensbegleitenden gemeindepädagogischen Betrachtung gehört auch die Wertschätzung in sich abgeschlossener Projektphasen.

  3. Die Konfi-Zeit bedeutet für die meisten Evangelischen die intensivste Kontaktphase mit Glauben und Kirche. Im Bild gesprochen ist sie das Probe-Abo mit der Kirche, das im Anschluss zumeist zwar nicht gekündigt, aber mit deutlich geringerer Intensität fortgesetzt wird. Angesichts dieser Bedeutung ist erstaunlich, dass bislang in der Hälfte der Kirchengemeinden auf Kontakte zur Jugendarbeit während der Konfi-Zeit verzichtet wird. Als eines der wenigen Angebote der Kirche, das von fast allen jungen Mitgliedern wahrgenommen wird, sollte die Konfirmandenarbeit noch deutlicher in ihrer Scharnierfunktion für die potenzielle Vernetzung mit anderen kirchlichen Feldern gestaltet werden.

  4. Schon allein aus institutionellem Eigeninteresse (Vermeidung späterer Kirchenaustritte) erscheint es für die evangelische Kirche ratsam, die Konfirmandenarbeit mit hoher Priorität zu begleiten und hierbei in Qualität zu investieren. Dazu gehört insbesondere eine stärkere Beachtung dieses Arbeitsfelds in der Ausbildung. Als Praxisfeld von Pfarrerinnen und Gemeindepädagogen sollte die Konfirmandenarbeit einen festen Stellenwert schon im Studium erhalten – idealerweise bereits hier mit einer Vernetzung der Studierenden für Pfarramt und Gemeindepädagogik bzw. Diakonat.

  5. Noch immer ist der Gottesdienstbesuch mit einer hohen Zahl von Pflichtgottesdiensten in die Konfi-Zeit fest eingebunden. Die Illusion, dass daraus eine Liebe zum Gottesdienst erwächst, ist empirisch widerlegt. Eine Verringerung der Gottesdienstpflicht würde von Jugendlichen und Gemeinden als Entlastung erlebt. Zugleich könnten Konfirmandinnen und Konfirmanden mit Praktika und Hospitationen stärker an jugendgemäße Erscheinungsformen von Kirche herangeführt werden. Die aktuelle Situation muss als paradox erscheinen: Gottesdienste, die von den Jugendlichen als wenig attraktiv erlebt werden, sind in großer Zahl verpflichtend. Attraktive Angebote, wie eine Kooperation mit der Jugendarbeit, sind dagegen in der Hälfte der Gemeinden nicht verankert. Die „Mitte der Gemeinde“ ist auch außerhalb des Kirchenraums erlebbar – und das sollten Jugendliche während ihrer Konfi-Zeit erfahren.

  6. Während die (in Folge der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung immer wieder kursierende) Idee, mit kirchlichen Maßnahmen die religiöse Kindererziehung im Elternhaus signifikant zu beeinflussen, als weitgehend illusionär beurteilt werden muss, bietet die Konfirmandenarbeit eine reale Chance, junge Menschen anzusprechen. Vor, während und nach der Konfirmandenphase liegen Möglichkeiten für attraktive Angebote, die zumindest einen Teil der Jugendlichen erreichen. Dazu gehört unter anderem eine niedrigschwellige Einladung zur ehrenamtlichen Mitarbeit. Und auch für diejenigen Konfirmierten, die nicht ins Ehrenamt gelangen, könnte man sich ein Beispiel an den Probe-Abos nehmen. Wer einmal ein 14-tägiges Probe-Abo hatte, wird auch im Fall keiner dauerhaften Bestellung immer wieder angeschrieben: „Sie kennen uns doch, wollen Sie nicht jetzt ein Abo beginnen?“ Warum geht man als Kirche nicht viel häufiger direkter auf junge Menschen zu – mit der Einladung zu Veranstaltungen, mit der Frage nach einer projektmäßigen Mitarbeit, mit einem freundlichen Brief zwei Jahre nach der Konfirmation? - Mit solchen Aktivitäten muss man nicht bis zur goldenen Konfirmation warten.

Ob die Konfi-Zeit eine Art Probe-Abo mit der Kirche darstellt, über dieses Bild lässt sich streiten. In jedem Fall aber gilt: In dieser intensiven Kontaktphase sollte sich Kirche von ihrer besten Seite zeigen.

Literaturverzeichnis

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Dr. Wolfgang Ilg, Professor für Jugendarbeit/Gemeindepädagogik, Evangelische Hochschule Ludwigsburg.
  1. Ein Überblick über die Perspektiven aus den bisherigen Konfi-Studien, auch mit weiteren Hinweisen zur Thematik der Lebensbegleitung, ist in Band 12 der Reihe „Konfirmandenarbeit erforschen und gestalten“ veröffentlicht (Simojoki, Ilg, Schlag & Schweitzer, 2018)

  2. Der Religionsunterricht, der in seinem zeitlichen Umfang insgesamt gesehen natürlich einen weitaus größeren Raum im Leben junger Evangelischer als die Konfi-Zeit einnimmt, muss hierbei gesondert betrachtet werden. In der Wahrnehmung junger Menschen dürfte die Konfirmandenarbeit deutlich stärker mit Kirche und (Heimat-)Gemeinde assoziiert werden als der Religionsunterricht, der sich als eine schulische Veranstaltung darstellt. Vgl. zum Verhältnis von Konfirmandenarbeit und Schule zuletzt Pum, 2018.