Die Frage nach den religionsdidaktischen Aufgaben und Chancen eines Religionsunterrichts mit konfessionslosen Schülerinnen und Schülern gehört heute zu den zentralen Themenfeldern der Religionspädagogik. Grundsätzlich lassen sich in der Fachdiskussion drei Paradigmen für die Bildungsarbeit mit Konfessionslosen in schulischen Kontexten unterscheiden. Das erste, theologische Paradigma stellt die Kommunikation des Evangeliums ins Zentrum und fragt u.a. danach, wie Konfessionslose die Bedeutsamkeit des Evangeliums erkennen und an der Kommunikation des Evangeliums teilhaben können (vgl. Grethlein, 2012; Domsgen, 2018). Authentische Begegnungen mit einer fremden religiösen Praxis spielen in diesen Konzepten eine zentrale Rolle (vgl. Lütze, 2014). Das zweite, religionshermeneutische Paradigma stellt demgegenüber die Frage nach impliziter Religion ins Zentrum des pädagogischen Nachdenkens über Konfessionslosigkeit. Konfessionslose Schülerinnen und Schüler sollen hier u.a. lernen, die religiöse Dimension existentieller Grunderfahrungen, alltagsweltlicher Symbole, gemeinschaftsstiftender Rituale und sinnstiftender Narrative zu entdecken, zu verstehen und ggf. auf ihr Leben anzuwenden (vgl. Kubik, 2018; Rosenow, 2016; Kumlehn, 2014; Meyer-Blanck, 2014). Das dritte, alteritätstheoretische Paradigma unterscheidet sich dadurch von dem bisher genannten, dass es Konfessionslose weder zu Adressaten der Kommunikation des Evangeliums noch zu Entdeckern impliziter Religion im eigenen Leben erklärt. Es geht vielmehr darum, im Unterricht einen Prozess wechselseitiger Erschließung religiöser und nichtreligiöser Lebensorientierungen und Welterschließungsperspektiven zu ermöglichen. Leitend ist hier der Gedanke, zwischen verschiedenen Perspektiven wechseln zu können und das Eigene immer auch vom Anderen her zu denken (vgl. Dressler, 2007; Käbisch, 2014).

Bemerkenswert ist, dass alle drei Paradigmen in den 2020 erschienenen Grundlagentext „Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit“ der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend eingeflossen sind, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung (EKD, 2020). Dies entspricht dem Konsenscharakter bildungspolitischer Papiere, an denen verschiedene Autorinnen und Autoren mitgeschrieben und diverse Gremien mitentschieden haben. Profiliert ist vor allem das theologische Paradigma einer Kommunikation des Evangeliums mit Konfessionslosen. Diese sollen u.a. „die Relevanz des Evangeliums“ (EKD 2020, S. 22, 92, 145) erkennen und dazu eingeladen werden, „an der Kommunikation des Evangeliums teilzuhaben“ (S. 20). Neben dieser Argumentation klingen didaktische Ansätze an, die in der Identifikation impliziter Religion ein tragfähiges Paradigma sehen, mit Konfessionslosen ins Gespräch zu kommen, darunter die Entdeckung „religioider Themen und Fragen“ im Leben von Konfessionslosen (EKD, 2020, S. 118 sowie 116 f. und 126) sowie die Arbeit mit „existenziellen Grunderfahrungen“ und deren Symbolisierungen (EKD, 2020, S. 126; mit Verweis auf Rosenow, 2016). Konfessionslose werden in diesem Paradigma „nicht als religionslos, sondern als implizit religiös verstanden“ (EKD, 2020, S. 69 und 134). Eine Didaktik der wechselseitigen Erschließung religiöser und nichtreligiöser Welterschließungsperspektiven klingt in dem Text ebenfalls an (z.B. EKD, 2020, S. 91).

Dem Konsenscharakter bildungspolitischer Papiere ist u.U. auch zu verdanken, dass der Grundlagentext eine eindeutige Festlegung bei der Frage vermeidet, inwieweit der Religionsunterricht eine missionarische Aufgabe und Chance darstellt. Auf der einen Seite ist vom schulischen Bildungsauftrag und vom Religionsunterricht als Teil der Allgemeinbildung die Rede; auf der anderen Seite geht es aber auch darum, was sich die Kirche im Gespräch mit „spirituellen oder kirchennahen Konfessionslosen“ erhoffen könne, um „Sympathisantinnen oder gar Mitglieder zu gewinnen“ (EKD, 2020, S. 38) oder eine „dauerhafte, fruchtbare Nähe zu evangelischem Christentum oder gar zu verfasster evangelischer Kirche“ (S. 51) zu ermöglichen. Aufgrund solcher Textbeobachtungen spricht Thomas Heller davon, dass „der gesamte Text durch ein missionarisches Anliegen geprägt“ sei (Heller, 2020, S. 523) – eine Einschätzung, die nicht alle Vertreterinnen und -vertreter in der EKD-Bildungskammer teilen dürften.

Partielle Unbestimmtheit ist bekanntlich nicht nur eine Wirkungsbedingung literarischer Prosa, sondern auch bildungspolitischer Konsenstexte. Eine Stärke des Grundlagentextes kann daher darin gesehen werden, das weite Feld an religionspädagogischen Deutungs- und Handlungsoptionen erstmals auf EKD-Ebene abgesteckt zu haben. Eine weitere Stärke des Papiers ist darin zu sehen, konsequent die globale Dimension des christlichen Glaubens in die Betrachtung des Themas einbezogen zu haben. Das Policy-Papier stellt u.a. die Pfadabhängigkeit der Entwicklungen in Deutschland heraus, da in anderen Ländern (vor allem außerhalb Europas) gänzlich andere Dynamiken im religiösen Feld zu beobachten seien. Dazu zählen u.a. „das rapide Anwachsen verschiedener christlicher Denominationen sowie des Islam in der südlichen Hemisphäre, die Ausprägung fundamentalistischer oder jedenfalls nicht von der westlichen Aufklärung affizierter Lesarten des christlichen Glaubens und anderer Religionen“ (EKD, 2020, S. 18 f.). Auch wenn viele Schülerinnen und Schüler vor allem in Ostdeutschland in einer lokalen Kultur der Konfessionslosigkeit aufwachsen, in der die Nicht-Zugehörigkeit zu einer Kirche selbst schon zur Familientradition geworden ist und Religion keine unmittelbare Bedeutung für die eigene Lebensgestaltung zu haben scheint, kommen ihnen diese globalen Kontexte häufig sehr nahe: Sei es „durch Migration, durch mediale Berichterstattung, durch persönliche Begegnung im Rahmen wirtschaftlicher, kultureller, touristischer Kontaktaufnahme“ (EKD, 2020, S. 73).

Dieser Impuls des EKD-Grundlagenpapiers soll im Folgenden aufgegriffen und am Beispiel der Corona-Krise vertieft werden. Die Aufgaben globaler und ethischer Bildung treten in der Krise besonders anschaulich zu Tage, ohne dass (zumal Konfessionslosen) die religiösen Implikationen unmittelbar einleuchten. Daher ist das Thema in besonderer Weise dazu geeignet, dass Schülerinnen und Schüler die individuelle und gesellschaftliche Bedeutung von Religion entdecken, ohne diese Bildungsaufgabe auf Seiten der Lehrenden mit missionarischen Ambitionen zu verbinden.

1 Religionsunterricht als Lebensbegleitung und Teil der Allgemeinbildung in Krisenzeiten

Auch wenn die folgenden Ausführungen die Corona-Krise zum Anlass nehmen, über die Aufgaben globaler und ethischer Bildung im Religionsunterricht mit Konfessionslosen neu nachzudenken, darf nicht aus dem Blick geraten, dass wir „in einer Zeit der multiplen Krise“ leben (Gärtner 2020, 10). Diese Einschätzung betrifft in synchroner Perspektive die sog. Klima-, Flüchtlings-, Wirtschafts- und die Corona-Krise, die eng miteinander zusammenhängen; sie bezieht sich in diachroner Perspektive aber auch auf das gesamte 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart, das als eine Abfolge von Kriegen und Krisen beschrieben werden kann.

In der Religionspädagogik besteht heute ein Konsens darüber, dass Religion eine wichtige Ressource im gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit Krisen sein kann. Bereits in Grundschullehrplänen werden dazu anspruchsvolle Ziele formuliert. Dort heißt es beispielsweise: Der evangelische Religionsunterricht bietet „im Rahmen der schulischen Möglichkeiten Lebenshilfe und Begleitung an. Dazu gehört auch, im Leben der Schule Raum zu schaffen für Innehalten und Feiern, für Gebet und Gottesdienst.“ [1] Auch in Lehrplänen für die Sekundarstufe I spielt der Begriff der Begleitung ein zentrale Rolle, zum Beispiel: Während „ihrer Zeit an der Mittelschule erleben die Heranwachsenden eine Phase wichtiger Umbrüche und Entscheidungen, die auch in religiöse Fragestellungen hineinreichen. Der Religionsunterricht bietet hier besondere Begleitung und Orientierung an.“ [2]

In den vergangenen Monaten wurde intensiv darüber diskutiert, inwieweit der Religionsunterricht diesem Auftrag in der Corona-Krise nachkommen kann, wenn er in der Zeit der Schulschließungen überhaupt nicht stattfindet und dessen „Systemrelevanz“ im Wechsel- und Distanzunterricht in Frage gestellt wird (vgl. Haese, 2020).  In dieser noch nicht abgeschlossenen Diskussion darf nicht übersehen werden, dass der ‚Krieg‘ gegen Corona, d.h. das Bekämpfen des Virus (das kein Feind im Sinne eines Kriegsgegners ist) keineswegs die erste gesellschaftliche Krise ist, in der das Fach grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Der Blick in die Geschichte kann zeigen: Gerade nach Kriegs- und Krisenzeiten wurde am Ende stets für den Religionsunterricht als Teil der Allgemeinbildung plädiert.

Dies betrifft nicht nur die Krisenjahre nach den beiden Weltkriegen und die noch heute gültigen Rechtsbestimmungen zum Religionsunterricht aus den Jahren 1919 und 1949 (vgl. Art. 149 WRV und Art. 7,3 GG), sondern auch die Krisenjahre um 1989/90. In der DDR wurde bekanntlich an die Idee einer (national-)sozialistischen Einheitsschule ohne Religionsunterricht angeknüpft, auch wenn die kommunistische Propaganda das Gegenteil behauptete. Die Abschaffung des Staatsbürgerkundeunterrichts, den alle Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse besuchen mussten, stand daher auf der Agenda der Bürgerrechtsbewegung im Krisenjahr 1989/90 ganz oben, gefolgt von der Forderung, eine weltanschauliche Pluralität auch im Schulsystem zuzulassen. Die (nicht konfliktfreie) Wiedereinführung des Religionsunterrichts in den meisten ostdeutschen Ländern, insbesondere aber die Neugründung konfessioneller Schulen in einem mehrheitlich konfessionslosen Kontext war und ist eine Erfolgsgeschichte, weil u.a. der Verdacht vermieden werden konnte, dass der Religionsunterricht eine Verlängerung der Gemeindearbeit in die Schule sei und die Partizipation an der Kommunikation des Evangeliums zum Ziel habe. Bildungspapiere und didaktische Konzepte, die angesichts wachsender Konfessionslosigkeit nicht hinreichend zwischen den Lernorten der Schule und Gemeinde unterscheiden, könnten damit die akzeptierte Stellung des Fachs im Fächerkanon allgemeinbildender Schulen in Ostdeutschland (und keineswegs nur dort) erreichte gefährden.

Bei allen Unterschieden teilen die Corona-Krise und die Krise des Jahres 89/90 die Gemeinsamkeit, dass sie in einem globalen Ereignis- und Wahrnehmungshorizont standen bzw. stehen. Die Dynamik der Ereignisse am Ende der DDR ist ohne die sowjetische Reformpolitik unter Gorbatschow, die Bilder von der Niederschlagung der Demonstrationen auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking und die Öffnung des Eisernen Vorhangs in Ungarn nicht zu verstehen. Die Geschichte der DDR und ihres Endes muss daher in eine transnationale Geschichte des Kommunismus eingezeichnet werden. Bis heute streiten Historikerinnen und -historiker darüber, inwieweit die weltweite Krise des Kommunismus eher ökonomische, ökologische, politische, rechtliche, soziale oder gar religiöse Gründe hatte. Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher müssen diesen Gelehrtenstreit nicht entscheiden und können darauf hinweisen, dass jede Welterschließungsperspektive ihre spezifische Eigenlogik und Plausibilität (und damit ihren spezifischen Bildungswert) hat. Ein gebildeter Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er diverse Welterschließungsperspektiven unterscheiden kann.

Diese nicht nur im Religionsunterricht zu erwerbende Differenz-Kompetenz (vgl. Dressler, 2018) ist auch in der Corona-Krise wichtig. Gesundheitsexpertinnen und -experten verweisen zu Recht auf die Notwendigkeit von Schulschließungen, während Bildungsforscherinnen und -forscher zu Recht die negativen Folgen für Kinder und Jugendliche beklagen. In der Perspektive der Ökonomie sind die Einschränkungen eine wirtschaftliche Katastrophe, während sie in der Perspektive der Ökologie als ein Segen für die Natur erscheinen. Es gibt bei diesen Fragen keine eindeutigen, sondern nur mehrdeutige Antworten. Ein zentrales Ziel religiöser Bildung ist daher darin zu sehen, die damit einhergehende Unsicherheiten zu reflektieren und Schülerinnen und Schüler zu befähigen, Mehrdeutigkeit auszuhalten, was als Ambiguitätstoleranz bezeichnet werden kann (dazu Bauer, 2018, S. 17f. und Dressler, 2018, S. 217-228). Diese Fähigkeit ist vor allem dann gefordert, wenn der global ausgeweitete Ereignis- und Wahrnehmungshorizont Menschen in ihren lokalen Kontexten verunsichert, was derzeit in „der multiplen Krise“ (Gärtner 2020, 10) der Fal

2 Das Leben in der Weltrisikogesellschaft und die Aufgaben globaler Bildung in der Corona-Krise

Globalisierungstheoretische Zugänge sind in der Erziehungswissenschaft (vgl. Scheunpflug & Hirsch, 2000) und Religionspädagogik (vgl. Simojoki, 2014, und Simojoki, 2020) nicht neu. An dieser Stelle können daher einige Anmerkungen zum Umgang mit Nicht-Wissen in der Weltrisikogesellschaft ausreichen, um die Bedeutung von Religion gegenüber Konfessionslosen (und nicht nur diesen) plausibilisieren zu können. Der Begriff der Weltrisikogesellschaft stammt bekanntlich von Ulrich Beck, der in seinem 2007 erschienenen Bestseller drei Globalrisiken beschrieben hatte, nämlich eine ökologische, eine ökonomische und eine terroristische (Beck, 2007). Becks Analyseinstrumentarium ist nach Henrik Simojokis Einschätzung (2020) auch für das pandemische Globalrisiko geeignet, das uns derzeit auf vielen Ebenen beschäftigt, in Becks Analysen allerdings kaum eine Rolle spielt.

Dies betrifft zunächst die Unterscheidung zwischen einem Risiko und einer Gefahr, d.h. der schädlichen Wirkung, die von einer Sache oder einem Ereignis ausgehen kann. Gefahren für Leib und Leben haben schon immer das Leben von Menschen begleitet. Neu ist, dass Gefahren unter „den Bedingungen moderner Handlungsrationalität“ zu Risiken werden, die unter dem Kosten-Nutzen-Kalkül beurteilt und bewusst eingegangen werden (Simojoki, 2020, S. 405). Welches Gesundheitsrisiko sind wir beispielsweise bereit einzugehen, um die Wirtschaft und den Schulbetrieb in der Pandemie am Laufen zu halten oder Ostergottesdienste zu ermöglichen? Das Neue gegenüber früheren Gefahren ist zweitens die Globalität der Risikostruktur, die auch in der Corona-Pandemie anschaulich wird. Insbesondere unter den Bedingungen globaler Mobilität und Warenströme erweist sich die lokale Eindämmung der Pandemie als schwierig. Als drittes Merkmal der Weltrisikogesellschaft sei die Interdependenz globaler Risiken genannt. Die globale Pandemie geht mit ökonomischen, politischen, rechtlichen, sozialen, pädagogischen und religiösen Verwerfungen einher, die sich vor allem in den USA am Ende der Präsidentschaft Donald Trumps überdeutlich beobachten ließen.

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass die Unterscheidung von Welterschließungsperspektiven und die Aufgaben globaler Bildung Hand in Hand gehen müssen. Ein Gedanke aus Becks Analysen der Weltrisikogesellschaft erscheint dabei besonders wichtig für den Religionsunterricht: die Notwendigkeit, „mit unüberwindlichem Nichtwissen leben“ zu lernen (Beck, 2007, S. 211; dazu Simojoki, 2020, S. 407). Beck, der bekanntlich die „Rede von der ‚Wissensgesellschaft‘ als einen „Euphemismus der Ersten Moderne“ ablehnt, favorisiert den Begriff der „Nichtwissensgesellschaft“ (Beck, 2007, S. 211). Bis heute ist nicht genau bekannt, wie sich das Virus ausbreitet, welche Medikamente helfen und ob eine Impfung dauerhaft immunisiert. Wie Annette Scheunpflug und Henrik Simojoki in erziehungswissenschaftlicher und religionspädagogischer Perspektive hervorgehoben haben, kommt Religion in der ausdifferenzierten Gesellschaft die zentrale Funktion zu, die „durch Nicht-Wissen erzeugte Unsicherheit zu verarbeiten“ (Simojoki, 2020, S. 407, mit Bezug auf Scheunpflug, 2004, S. 96-112). Neben den Reflexionsräumen im schulischen Religionsunterricht ist dabei auch an religiöse Rituale, Gebete und Gottesdienste im Schulleben zu denken, die unter den Bedingungen der derzeitigen Pandemie jedoch nicht stattfinden können. Daher beziehen sich die folgenden Überlegungen auf den Religionsunterricht, der derzeit (wie alle Fächer mit Einschränkungen) wieder stattfindet.

3 Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und die Aufgaben ethischer Bildung in der Corona-Krise

In der globalen Corona-Krise brechen existentielle, ethische und theologische Fragen auf, die anschlussfähig an die ‚klassischen‘ Themen des Religionsunterrichts sind. Als Beispielthemen seien genannt die Unvermeidbarkeit von Schuld in ethischen Dilemma-Situationen, ferner der lebensdienliche Umgang mit Angst und Einsamkeit sowie die Frage nach Gott und dem Leid der Menschen. Eine Bildungsherausforderung auf allen Ebenen des staatlichen und kirchlichen Handelns sind darüber hinaus Verschwörungstheorien, die auf die Geschichte des Judentums in Deutschland Bezug nehmen und diese instrumentalisieren. Verstörend sind etwa die gelben, von den Nationalsozialisten als Zwangskennzeichen für Jüdinnen und Juden eingeführten Sterne, die sog. Querdenker mit der Aufschrift „geimpft“ bei Demonstration gegen Corona-Maßnahmen u.a. in Frankfurt am Main und Kassel trugen. Hingewiesen sei zudem auf das T-Shirt mit der Aufschrift „Camp Auschwitz“, das bei der Erstürmung des Kapitols in Washington am 6. Januar 2021 zu sehen war.

Aus dem breiten Spektrum an aktuellen ethischen Fragestellungen sei die Triage als Extremfall hervorgehoben. Die Überlastung von Krankenhäusern und das Fehlen medizinischen Personals kann zu der Notwendigkeit führen, nur „noch bestimmten Menschen eine medizinische Versorgung zu gewähren und deshalb eine entsprechende Selektion vorzunehmen“, die sich an dem Alter, den Vorerkrankungen oder dem Willen der Patienten orientieren kann (Schweitzer, 2020, S. 418). In den Diskussionen zu diesem Thema wird nicht selten übersehen, dass „eine solche Auswahl heute zu den alltäglichen Herausforderungen der Medizin geworden ist“, worauf Friedrich Schweitzer ausdrücklich hinweist: „Gerade hochspezialisierte und vielfach sehr kostspielige Behandlungsmöglichkeiten stehen insbesondere global gesehen, aber mitunter auch in Zentraleuropa nur für wenige zur Verfügung. Der Bedarf ist keineswegs abgedeckt, wie von Seiten der Medizin auch offen zugegeben wird“ – so der Tübinger Kollege (Schweitzer, 2020, S. 418; vgl. dazu auch Gärtner 2020, S. 130). Durch Corona ist also kein völlig neuartiges Szenario eingetreten, was auch am globalen Zugang zu einem teuren Impfstoff zu beobachten ist. Deutschland wird früher oder später seinen Bedarf decken können. Doch wie sieht es in anderen, ärmeren Regionen der Welt aus? Schon jetzt steht fest: Die Armen werden zuletzt geimpft.

Die ethischen Herausforderungen der Corona-Krise betreffen nicht nur allgemeine Fragen der Menschenwürde im globalen Kontext, sondern auch den theologisch zu reflektierenden Umgang mit Angst, Schuld und Versagen. Im Rahmen einer Didaktik des Perspektivenwechsels ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht befähigt werden, ethische Fragen mehrperspektivisch zu erschließen (vgl. dazu Lindner, 2017). Was ändert sich beispielsweise an der Bewertung einer Situation, wenn sie aus der Perspektive eines Theologen, einer Juristin, eines Politikers, einer Ärztin, eines Betroffenen oder seiner Angehörigen formuliert wird? Und was ändert sich, wenn es sich bei dem oder der Betroffenen um ein junge Mutter oder einen alleinstehenden Rentner mit einer Reihe an Vorerkrankungen handelt?

Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und die ethische Urteilsfähigkeit gehen Hand in Hand. Wer unter dieser Vorannahme die krisenbezogenen Bildungsangebote der katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen sichtet, stößt auf zahlreiche Unterrichtsideen, darunter Altbewährtes, aber auch Neues.

4 Beispielaufgaben für das gemeinsame Lernen mit Konfessionslosen und die Grundsätze einer Didaktik des Perspektivenwechsels

Die drei Paradigmen, die eingangs für die Bildungsarbeit mit Konfessionslosen in schulischen Kontexten unterschieden wurden, lassen sich gleichermaßen auf die Aufgaben globaler und ethischer Bildung in der Corona-Krise beziehen. Das erste, an der theologischen Formel von der Kommunikation des Evangeliums orientierte Paradigma ist am ehesten dazu geeignet, den Religionsunterricht als einen Ort des Empowerments und der kirchlichen Begleitung in der Schule zu profilieren (vgl. Grethlein, 2012; Domsgen, 2018). Das zweite, religionshermeneutische Paradigma, das die Frage nach impliziter Religion ins Zentrum des pädagogischen Nachdenkens über Konfessionslosigkeit stellt, lässt sich ebenfalls auf das Thema beziehen. Konfessionslose Schülerinnen und Schüler können hier durch entsprechende Lernarrangements die religiöse Dimension existentieller Grunderfahrungen in der globalen Krise (z.B. Angst, Nicht-Wissen und Unverfügbarkeit), die Mehrdeutigkeit alltagsweltlicher Symbole (z.B. die Maske als Schutzsymbol und/oder Symbol für die vermeintliche Einschränkung der Redefreiheit), die Bedeutung gemeinschaftsstiftender Feste (z.B. Weihnachten und Ostern ohne Familie und Freunde) und die Ambivalenz sinnstiftender Narrative (z.B. Verschwörungstheorien) verstehen. Das dritte, alteritätstheoretische Paradigma zielt, wie eingangs gezeigt, auf einen Prozess wechselseitiger Erschließung religiöser und nichtreligiöser Lebensorientierungen und Welterschließungsperspektiven (vgl. Dressler, 2007; Käbisch, 2014).

Die folgenden Unterrichtsbeispiele sind dem alteritätstheoretischen Paradigma verpflichtet. Dieses ist – so die These – in besonderer Weise für die beschriebenen Aufgaben globaler und ethischer Bildung sowie das gemeinsame Lernen mit Konfessionslosen geeignet. Leitend ist in diesem Ansatz, der auch als Didaktik des Perspektivenwechsels bezeichnet werden kann, der Gedanke, zwischen verschiedenen Perspektiven unterscheiden zu können und das Eigene immer auch vom Anderen her zu erschließen. Es geht also nicht um die Partizipation an einer religiösen Praxis (z.B. der Kommunikation des Evangeliums) oder die Entdeckung impliziter Religion, sondern um einen Prozess wechselseitiger Erschließung. Nicht jede Perspektivübernahme (etwa ein Rollenspiel im Kindergartenalter) ist ein Perspektivenwechsel im bildungstheoretischen Sinn, aber jeder Perspektivenwechsel (im Sinne einer darauf bezogenen Reflexion) setzt eine Perspektivübernahme voraus. Von Bildung (im Sinne eines reflektierten Selbstverhältnisses) kann daher nur dort die Rede sein, wo die Perspektivübernahme selbst zum Thema wird.

Die drei Beispielaufgaben streben keine umfassende Bestandsaufnahme digitaler und nichtdigitaler Bildungsangebote in und zur Corona-Krise an (dazu Käbisch, 2020), sondern dienen der Plausibilisierung eines didaktischen Ansatzes.

4.1 Grundschule: Eine Familie erlebt die Ausgangssperre… (Sybille Kalmbach)

Zahlreiche Unterrichtsmaterialien zur Corona-Krise regen an, biblische Geschichten anlassbezogen zu aktualisieren. So schlägt Sybille Kalmbach vor, die „Arche Noah-Geschichte aus der Perspektive der Kinder […], die auch lange Zeit mit ihren Eltern in ihren eigenen ‚vier Wänden‘ eingeschlossen waren“, nachzuerzählen. (Kalmbach, 2020) Auf dem Arbeitsblatt beginnt die Aktualisierung unter der Überschrift „Eine Familie erlebt die Ausgangssperre“ und führt folgendermaßen in die Geschichte ein:

Die drei Söhne „Sem, Ham und Jafet schubsten sich gegenseitig und versuchten den anderen zu reizen. Sehr zum Reiz – oder zum Ärger… – der Eltern. Man konnte die Ungeduld förmlich greifen – so lange waren sie nun schon hier drin [in der Arche Noah]. So lange schon konnten sie sich draußen nicht mehr frei bewegen und sich mit Freunden treffen.“ (Kalmbach, 2020)

An die Aktualisierung schließen sich Lernaufgaben an, mit denen die Schülerinnen und Schüler eine egozentrische Perspektive überwinden und ihre Fähigkeit zur einfachen Perspektivübernahme anwenden bzw. weiterentwickeln sollen, zum Beispiel:

Schreibe „auf, was die Leute in der Arche wohl denken und reden. Wenn ihnen langweilig ist und die Decke auf den Kopf fällt. Oder wie sie sich Mut machen und neue Ideen bekommen, was man so alles ‚in Quarantäne‘ machen kann? Male dir dazu einfach große Sprech- oder Denkblasen auf ein Blatt.“ (Kalmbach, 2020)

Nicht die spielerische Übernahme einer Perspektive allein, sondern die Metakognition, d.h. der bewusst vollzogene und reflektierte Perspektivenwechsel stehen im Zentrum einer darauf bezogenen Didaktik. Dazu gehört auch das elementare Nachdenken darüber, was eine religiöse von einer nicht-religiösen Deutung der Situation unterscheidet. Anregungen dazu bietet der an Ingo Baldermanns Psalmendidaktik erinnernde Vorschlag von Sybille Kalmbach, bekannte „Hoffnungsverse aus der Bibel“ ins Spiel zu bringen und den Akteuren in den Mund zu legen, z.B. Ps 139,5 „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“.

Wird eine Didaktik des Perspektivenwechsels zugrundegelegt, dürfte – anders, als es in den Materialien von Kalmbach der Fall ist –, Schülerinnen und Schülern jedoch nicht verschwiegen werden, dass die Sintflut in Gen 7f. als eine Strafe Gottes erzählt wird, bei der nur Auserwählte gerettet werden. Die Erzählung fügt sich eben gerade nicht nahtlos in das Gottesbild ein, das mit den zitierten Psalmversen gezeichnet werden soll. Die Bibel ist vielstimmig. Auch in ihr kommen unterschiedliche theologische Perspektiven zum Tragen. Statt diese didaktisch produktive Vielstimmigkeit und Multiperspektivität zu nutzen, findet in den Materialien eine unzulässige Harmonisierung statt. Mit dem Ansatz einer Didaktik des Perspektivenwechsels dagegen würden Texte, in denen ein facettenreiches und ggf. Spannungen erzeugendes Gottesbild aufscheint, vielmehr gerade auch in der Corona-Krise zum Unterrichtsgegenstand (vgl. Fricke, 2005, 417-425).

4.2 Sekundarstufe I: Wenn die Angst mich packt… (Martin Hieber)

Das zweite Aufgabenbeispiel bezieht sich auf die Sekundarstufe I. Im Zentrum steht das Thema der Angst, auch hier in Anlehnung an die Psalmendidaktik Ingo Baldermanns. (Hieber, 2020)

1. Höre dir als Einstimmung das Lied „Angst“ von Herbert Grönemeyer an – www.youtube.com/watch?v=9wGvIQdf7xs

2. Nimm dir nun ca. 10 Min Zeit, denke nach und schreibe alles ehrlich für dich auf, wovor du Angst hast. Gestehe dir ein: „Ja, ich habe Angst!“ (Hieber, 2020)

Die bei Baldermann zu kritisierende Tendenz, Ängste von Erwachsenen (etwa vor Arbeitslosigkeit, vor gewaltsamen Konflikten oder einem Atomkrieg) auf die Kinder zu projizieren, ist auch in diesen erfahrungsbezogenen Unterrichtsmaterialien zu beobachten (vgl. dazu Käbisch, 2009, 254-258). Abgesehen davon, dass kreative Schreibaufgaben eine didaktisch angemessene Methode sind, um im Religionsunterricht die Fähigkeit zur Perspektivübernahme und zur Selbstreflexion weiterzuentwickeln, ist an dieser Aufgabe problematisch, dass Schülerinnen und Schüler direkt auf ihre eigenen Ängste hin angesprochen werden. Eine Didaktik des Perspektivenwechsels dagegen vermeidet emotional übergriffige Aufgabenformate, da das Nachdenken über Gefühle in den Bereich der Imagination verlagert wird, bei der Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden können, ob sie sich auf ihre eigenen Erlebnisse und Gefühle beziehen oder im Bereich einer fiktiven Perspektive bleiben möchten. Auf diese Weise entstehen Reflexions- und Distanzierungsmöglichkeiten, die im sozialen Gefüge einer Klasse notwendig erscheinen. Ein Vorschlag für eine modifizierte Aufgabenstellung in der 9. Klasse wäre daher: Stell Dir vor, Du wirst als Sänger oder Sängerin einer Band gebeten, das Lied „Angst“ von Herbert Grönemeyer so umzudichten, dass es zur Corona-Krise passt. Um die hier zunächst im Vordergrund stehende anthropologische Dimension mit einer religiösen Perspektive zu konfrontieren, könnte die Aufgabe weitergeführt werden, indem analysiert wird, ob und welche religiöse Metaphern oder Bezüge in den entstandenen Texten evtl. verwendet wurden und was diese zur Bewältigung aktueller Ängste in Bezug auf Corona beitragen könnten. Ebenso könnte diskutiert werden, ob die Texte gleichermaßen religiöse wie nicht-religiöse Menschen ansprechen würden und ob sie ggf. verändert werden müssten, um sie beispielsweise in einen Gottesdienst oder andere gesellschaftliche Kontexte und Anlässe einzubinden.

4.3 Sekundarstufe II: Solidarität, ein hohes Gut… (Stefan Hermann)

Das dritte Beispiel bezieht sich auf die ethische Verantwortung der Religionsgemeinschaften für das Leben in der Weltrisikogesellschaft, wovon bereits die Rede war. Beide Themen stehen nicht im Zentrum der Unterrichtsmaterialien, die im vergangenen Jahr zur Corona-Krise erschienen sind. Eine Ausnahme ist eine Unterrichtssequenz zur Pandemie von Stefan Hermann, die solidarisches Handeln als globale Herausforderung thematisiert.(Hermann, 2020) Der Autor umreißt die ethischen Implikationen der globalen Corona-Krise und erschließt diese durch eine Reihe an Leitfragen zur Ad-Hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrates, die im März 2020 unter der Federführung des Erlanger Theologen Peter Dabrock verabschiedet wurden:

 „Was ist unter Solidarität zu verstehen? Was sind die Grundwerte und tragenden Fundamente von Solidarität? Wie weit kann solidarisches Handeln gehen? Wo stößt es an Grenzen? Welche ethischen Entscheidungsdilemmata können sich in Grenzsituationen ergeben, wenn z. B. nicht genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen?“ (Hermann, 2020)

 Bei den Lernaufgaben der Unterrichtseinheit handelt es sich überwiegend um Textverstehensfragen an den Text, der die Empfehlungen des Ethikrates beinhaltet; sie dienen also der Aneignung und Reproduktion von Wissen, womit sie lediglich dem ersten Anforderungsbereich der Einheitlichen Prüfungsanforderungen der KMK entsprechen. Im Rahmen einer Didaktik des Perspektivenwechsels sollten die Schülerinnen und Schüler jedoch auch lernen, ihr Wissen anzuwenden, ethische Dilemmata aus unterschiedlichen Perspektiven zu verstehen und sich mit eigenen Worten zu positionieren, wofür mir die Methode des Gedankenexperiments in der Sekundarstufe II geeignet erscheint, z.B.:

Stelle Dir vor, Du musst als Arzt/Ärztin, Politiker/Politikerin, Angehörige/r etc. die Entscheidung treffen, ob eine junge Mutter oder ein alleinstehender Rentner mit Vorerkrankungen das letzte Beatmungsgerät erhalten soll. Verfasse eine kurze Standpunktrede.

Hinzu käme, im ggf. sich anschließenden Unterrichtsgespräch zu reflektieren, welches die jeweiligen Grundlagen oder Maßstäbe für die getroffene Entscheidung waren bzw. sind und ob oder wie sich Entscheidungen ändern, wenn die Schülerinnen und Schüler probeweise eine religiöse oder nicht-religiöse Perspektive einnehmen. Ein offenes Voting für die persönlich als besonders wichtig empfundene Perspektive könnte die Diskussion abrunden.

5 Zusammenfassung und Ausblick

 Der Artikel hat am Beispiel der Aufgaben globaler und ethischer Bildung in der Corona-Krise deutlich gemacht, dass das gemeinsame Lernen von konfessionsverschiedenen und konfessionslosen Kin­dern und Jugendlichen im evangelischen Religionsunterricht keine Neu­­­­erfindung, sehr wohl aber eine Neuakzentuierung fachdidaktischer Ansätze zur Folge hat. Daher ist es folgerichtig, dass der 2020 erschienene Grundlagentext „Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit“ der EKD-Bildungskammer verschiedene didaktische Ansätze ins Spiel bringt und miteinander zu versöhnen sucht (EKD, 2020). Dies entspricht nicht nur dem Konsenscharakter bildungspolitischer Papiere, sondern in gewisser Weise auch dem Anliegen einer Didaktik des Perspektivenwechsels: unterschiedliche religionstheoretische, theologische und pädagogische Perspektiven zuzulassen, deren Eigenlogik zu verstehen und die eigene Perspektive als eine unter vielen zu relativieren. Trotz des in dem Bildungspapier erbrachten Dringlichkeitsnachweises für das Thema der Konfessionslosigkeit plädiert der vorliegende Artikel (in Übereinstimmung mit dem EKD-Papier) weder für eine bestimmte Didaktik noch für eine Spezialdidaktik für den Umgang mit Konfessionslosen im Religionsunterricht.

Dessen ungeachtet bleibt es eine wichtige Forschungsaufgabe, die theologischen, bildungstheoretischen und lernpsychologischen Grundsätze einer Didaktik des Perspektivenwechsels noch stärker zu profilieren. Neben dem gemeinsamen Lernen mit Konfessionslosen sind dabei auch das ökumenische und interreligiöse Lernen zu bedenken. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf zwei Kooperationsprojekte, die vor dem Abschluss stehen und die ebenfalls einer Didaktik des Perspektivenwechsels verpflichtet sind: Zum einen die quantitative und qualitative Evaluation des hessischen Modellversuchs zum konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, an der sich 389 Schülerinnen und Schüler sowie 19 Lehrkräfte an sechs Gesamtschulen beteiligt haben (vgl. Gennerich/Käbisch/Woppowa, 2021), und zum anderen das religionspädagogische Teilprojekt im Frankfurter Verbundforschungsprojekt „Religiöse Positionierung: Modalitäten und Konstellationen in jüdischen, christlichen und islamischen Kontexten“, das sich auf Lernaufgaben in Schulbüchern für den evangelischen, katholischen und islamischen Religionsunterricht bezieht (vgl. Käbisch/Philipp, 2017).

Die Konsequenzen, die sich aus diesen Kooperationsprojekten für das konfessionell-kooperative und interreligiöse Lernen angesichts wachsender Konfessionslosigkeit ergeben, werden die Religionspädagogik auch in den kommenden Jahren weiter beschäftigen. Ohne an dieser Stelle auf Details eingehen zu können, sei abschließend die These formuliert, dass die Aufgaben globaler, ethischer und religiöser Bildung in konfessionellen, interreligiösen und konfessionslosen Kontexten in der Corona-Krise an Dringlichkeit gewonnen haben. An einer stärkeren Kooperation der daran beteiligten Fächer und Studiengänge führt auch in Krisen, in denen es in der Regel eine starke und verständliche Sehnsucht danach gibt, dass es wieder so ‚wie früher‘ werde, wohl kein Weg mehr vorbei.

Literaturverzeichnis

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Beck, U. (2007). Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Domsgen, M. (2018). Evangelium kommunizieren in einer mehrheitlich konfessionslosen Gesellschaft. Sechseinhalb Thesen in kirchentheoretischer Absicht. Wege zum Menschen 70, S. 165–180.

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