Auf der Tagung „Bildstörungen: Anders erzählen“ (Oktober 2021[1]) des Netzwerkes für antisemitismus- und rassismuskritische Religionspädagogik und Theologie (NARRT) wurde ein hochproblematisches Religionsbuchmaterial präsentiert und diskutiert: Das Kursbuch Religion Elementar 2 (Calwer Verlag, 2018). Besonders das achte („Passion und Ostern“) und das zwölfte Kapitel („Judentum – eine uralte Religion“) weisen erhebliche Defizite auf. Im Passionskapitel wird etwa suggeriert, dass Juden planen, Jesus wegen seiner Missachtung jüdischer Gebote und ‚Gotteslästerung‘ zu töten. Historische und theologische Einordnungen und kritische Gegenperspektiven zu dieser Sichtweise fehlen. Und im Kapitel zum Judentum wird dieses stark vor dem Horizont des Nahostkonfliktes gedeutet, was bereits an den Leitfragen des Kapitels (Eilerts & Kübler, 2018, S. 154) deutlich wird: Gefragt wird u.a., warum es in Israel immer wieder Krieg gebe und was ein religiöser Fundamentalist sei.[2]

Besonders frappierend ist, dass klassische Motive der antisemitischen Tradition im Religionsbuch durchscheinen. Im Passionskapitel findet sich das fiktive Protokoll einer geheimen Verschwörung von Juden gegen Jesus (ebd., S. 103). Unter dem Titel „Protokoll der Geheimsitzung im Palast des Hohepriesters Kaiphas“ wird eine Mitschrift der Geheimsitzung fingiert (inkl. Anwesenheitsliste und Beschluss), was Erinnerung an die antisemitische Fälschung der Protokolle der Weisen von Zion (1903) oder ‚Vorgänger‘-Werke wie den Roman Biarritz (1868) von Sir John Retcliffe (Pseudonym von Hermann Goedsche) hervorruft. In den Aufgaben zu diesem Material wird u.a. folgender Arbeitsauftrag dargeboten: „Was würdest du tun, wenn dir jemand viel Geld anbieten würde, damit du einen guten Freund verrätst?“ (ebd.) Die antijüdischen Motive von Judasverrat und Geldorientierung werden damit ebenfalls bedient.

Die dargelegten Probleme wurden als so gravierend beurteilt, dass Teilnehmer*innen der besagten Tagung Briefe an den Calwer Verlag schrieben, in denen die dargelegten Sachverhalte ausführlich moniert werden. Und auf Twitter findet sich eine Debatte, an der auch die jüdische Social Media-Community teilnimmt (ImaPizi, 2021). Der bekannte Autor Eliyah Havemann (2021) kommentiert etwa die erwähnten Leitfragen im Kapitel zum Judentum lapidar: „Es ist im Grunde unfassbar.“

Dieses (relativ) aktuelle Beispiel eines problematischen Schulbuchs veranschaulicht exemplarisch die Relevanz und Notwendigkeit einerkritischen Religionsbuchanalyse. Im Folgenden sollen auf der Basis aktueller Forschungsarbeiten Potenziale, Probleme und Perspektiven einer kritischen Religionsbuchanalyse präsentiert werden. Dazu werden historische Hintergründe (1) und theoretische Neuerungen (2) einer solchen Unterrichtsmaterialanalyse vorgestellt und anhand aktueller Beispiele veranschaulicht (3). Abschließend wird ein Ausblick gegeben (4), um Desiderate und Grenzen kritischer Religionsbuchanalyse zusammenzufassen.

1 Historischer Hintergrund: Anfänge einer kritischen Religionsbuchanalyse

Kritische Religionsbuchanalysen finden sich bereits in der religionspädagogischen Forschung der langen 1960er Jahre (Herbst, 2021, S. 205–207). In dieser Zeit, in der eine systematische Forschung zu Religionsbüchern im Zuge der ‚empirischen Wendung‘ entstand, waren ideologiekritische Herangehensweisen dominant (Dieterich, 1992, S. 138; 2015, Kap. 5; Willebrand, 2016, S. 16). Ziel dieser kritischen Analysen war es, aufzudecken, wie im Unterrichtsmaterial Vorurteile und Ideologie[3] unbewusst reproduziert werden (z.B. Halbfas, 1968; Meinecke, 1969; Steffensky, 1973). Im Kern wurde in den damaligen Arbeiten herausgestellt, dass ein kirchlich-unterweisender Religionsunterricht eine ‚konservative‘ Gehorsamsideologie bzw. Autoritarismus – durch Inhalte und die lehrerzentrierte Struktur des Unterrichts – transportierte und theologisch sanktionierte (z.B. Zilleßen, 1985, S. 114). Gesellschaftliche Hierarchieverhältnisse wurden durch eine Ordnungstheologie gerechtfertigt und die Ein- bzw. Unterordnung in diese eingefordert. Halbfas konkretisiert dies an unterschiedlichen Beispielen, u.a. wird in einem Lernmaterial so argumentiert, dass Jesus immer die Anweisungen seiner Eltern befolgt habe. Daraus wird geschlussfolgert: „Das Gotteskind kommt pünktlich zur Schule und zum Religionsunterricht, gibt gut acht und lernt fleißig, stört nicht und träumt nicht im Unterricht“ (zitiert nach Halbfas, 1968, S. 134). Aus der heutigen Perspektive eines subjektorientierten Religionsunterrichts in der pluralen und spätmodernen Gesellschaft erscheint solches Material offensichtlich ideologisch zu sein.[4]

2 Neuerungen kritischer Buchanalysen: Pluralisierung und reflexive Wendung der Grundlagentheorien

Kritische Buchanalysen konnten für eine längere Zeit – nicht nur in der Religionspädagogik – kaum aufgefunden werden. Zu sehr hatte sich in allen Wissenschaften eine Skepsis gegenüber ungedeckten Prämissen von Ideologiekritik durchgesetzt (z.B. Bell, 1960; vgl. Fey, 2014, S. 85–86; Herbst, 2018, bes. S. 93–94).[5] Befeuerten diese nicht einen unhaltbaren Dualismus von ‚wahr‘ und ‚falsch‘, eine Tendenz zu einem unwissenschaftlichen Normativismus und fehlte ihnen nicht eine selbstreflexive Kritik der eigenen Subjektposition? An einem Beispiel religionspädagogischer Buchanalyse, welches sich selbst als kritisch versteht, lässt sich dies veranschaulichen (ausführlicher: Henningsen & Herbst, 2022, S. 200–202): Manfred Kemme (2004) versteht sein Werk „Das Afrikabild in deutschen Religionsbüchern“ als Beitrag zu einer politisch bewussten Eine-Welt-Pädagogik. Seine Arbeit ist durch die Frage motiviert, inwiefern Religionsbücher „ein möglichst zutreffendes und einfühlsames Bild von Schwarz-Afrika und seinen Menschen vermitteln oder ein vorurteilsbeladenes, eurozentrisches oder gar rassistisches Bild“ (ebd., S. 3). Sein durchaus kritisches Resümee (ebd., S. 194–211) – es werden etwa häufig eurozentrische Stereotype sichtbar (ebd., S. 204) –, wird allerdings dadurch konterkariert, dass er selbst jene Vorurteile reproduziert (Awet, 2018, S. 59–64). Kann oder sollte sogar – trotz dieser Probleme – heute wieder eine ideologiekritische Religionsbuchanalyse betrieben werden?

Dafür spricht, dass gegenwärtig eine neue Renaissance, eine „Rückkehr der Ideologie“ (Beyer & Schauer, 2021a) festzustellen ist. Verschwörungsideologien erhalten im Zuge der COVID-19-Pandemie Zulauf wie auch rassistische und antisemitische Ideologien (nicht nur) im Kontext des globalen Erfolgs rechter Bewegungen und Parteien. Im Horizont dieser gesellschaftlichen Krisenerscheinungen erfährt der Ideologiebegriff eine neue Plausibilität (Beyer & Schauer, 2021b, S. 13): „Dass es heute (wieder) des Ideologiebegriffs bedarf, ist ein schlechtes Zeichen.“ (ebd., S. 21) Religionspädagogisch kann nun aber nur auf den Begriff zurückgegriffen und eine kritische Religionsbuchanalyse betrieben werden, wenn klar ist, wie sich die Probleme der älteren Ansätze vermeiden lassen. Dazu sind verschiedene Neujustierungen nötig (Herbst, 2020, S. 533–534), von denen für die Religionsbuchanalyse besonders zwei Aspekte relevant sind.

Erstens ist ein reflektierter Theoriebezug nötig, der kritische Theorie als ein plurales Unterfangen begreift (z.B. Beyer & Schauer, 2021a, Teil I). Damit zusammen hängt der Bedarf, auch auf methodischer Ebene ein vielfältiges Arsenal von Analysemöglichkeiten zu besitzen und nicht nur – wie z.B. Halbfas, Kemme oder Steffensky – qualitative Inhaltsanalyse zu betreiben. Die qualitative Inhaltsanalyse ist zwar auch heute noch weiterführend (3.1), sie ist aber notwendig zu ergänzen um weiteren Untersuchungsansätze (3.2). Hier bieten sich religionspädagogisch Bezugnahmen auf postkoloniale Ansätze (z.B. Henningsen, 2022) oder auf Michel Foucaults Macht- (z.B. Gärtner, 2021, S. 74–75) sowie auf Pierre Bourdieus Habitusanalyse (z.B. Štimac, 2019) an. Methodisch erweitert werden kann die Analyse etwa durch eine thematische Diskursanalyse (z.B. Breitfuß, Hellmuth & Svacina-Schild, 2021). Inspiration für methodische Innovationen bieten womöglich auch typische Herangehensweisen ideologiekritischer Forschung, um Ideologien empirisch zu erschließen (z.B. Beyer & Schauer, 2021a, Teil II).

Zweitens ist eine Spezifizierung derbetroffenen Ideologie notwendig, um auch ihre jeweilige Eigenlogik berücksichtigen zu können. Schließlich macht es etwa einen im Gegenstand begründeten Unterschied, ob bei der Religionsbuchanalyse Rassismus- oder Antisemitismuskritik fokussiert wird. Das Benennen und theoretische Erschließen einer bestimmten Ideologie verhindet auch abstrakte Leerformeln. Es eröffnet zugleich die Möglichkeit, an existierende fachdidaktische Forschung anzuschließen – und in ein wechselseitiges Inspirationsverhältnis zu dieser zu treten, ohne sie mit kritischem Gestus überbieten zu müssen. Konkrete Ideologien heute sind etwa Autoritarismus bzw. Rechtspopulismus, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus bzw. Anti-Genderismus, Fundamentalismus, ‚Esoterik‘ bzw. „religiöse Weltflucht oder die Arbeit am Selbst“ (Beyer & Schauer, 2021b, S. 13; vgl. Beyer & Schauer, 2021a, Teil III).

Auch unter der Bedingung einer solchen Erneuerung bleibt klar, dass eine kritische Religionsbuchanalyse wie Ideologiekritik insgesamt „voraussetzungsvoll und normativ aufgeladen“ (Beyer & Schauer, 2021b, S. 21) ist. Dass und inwiefern sie dennoch einen wichtigen Beitrag zu religionspädagogischer Forschung zu leisten imstande ist, sollen die folgenden Beispielanalysen belegen.

3 Beispiele für kritische Religionsbuchanalysen: Reproduktion von antisemitischen, rassistischen und neoliberalen Denkmustern

Kritische Religionsbuchanalysen sollen, so lässt sich der bisherige Gedankengang zusammenfassen, auf der Basis unterschiedlicher Theorien Lernmaterial auf spezifische Ideologien untersuchen. Dadurch kann es gelingen, selbstverständliche Sichtweisen der Gegenwart zu distanzieren und überraschende Perspektiven zu offerieren. Konkretisiert werden diese Überlegungen im Folgenden anhand der drei Beispiele ‚Antisemitismus‘, ‚Rassismus‘ und ‚neoliberale Selbstoptimierung‘.

3.1 Kritische Religionsbuchanalyse und Antisemitismus

In jüngerer Zeit haben besonders Martin Rothgangel (1997; 2018) und seine Schülerin Julia Spichal (2014; 2019) zu einer antisemitismuskritischen Religionsbuchanalyse anhand qualitativer Inhaltsanalyse von Lehrwerken beigetragen.[6] Beide haben nachgewiesen, dass auch in neueren Lehrwerken noch immer antijüdische Ressentiments mehr oder weniger explizit bedient werden. Problematisch sind dabei besonders theologische Grundannahmen: Das Ausblenden von Jesu jüdischer Identität, das Aufladen der Pharisäer mit antijüdischen Klischees, die Verbindung von Judentum und Verrat in der Person des Judas, eine (exklusive) Schuldzuweisung an die Juden für Jesu Tod in der Passionsgeschichte, die Kontrastierung von einer jüdischen Gesetzesmoral mit einem christlichen Freiheitsethos (verbunden mit einer irreführenden Kontrastierung eines alttestamentarischen Rachegottes und einem barmherzigen Gott im Neuen Testament) oder die divergente Darstellung von Paulus vor und nach dem Damaskus-Erlebnis (und damit einhergehend, die früher weit verbreitete Annahme einer starken Trennung zwischen Frühchristentum und Judentum; vgl. z.B. Krauter, 2020; Standhartinger, 2020) – all das bilden theologische Schneisen für antijüdische Ressentiments, die sich auch in Lehrwerken so finden lassen. Hinzu kommen problematische Darstellungen des Judentums, wenn dieses explizit thematisiert wird und dann z.T. als monolithischer Block dargestellt oder exotisiert wird (häufig finden sich etwa bildliche Darstellung von vor allem männlichen und orthodoxen Juden; vgl. Erlbaum, 2020, S. 129; Hollenbach, 2020). Außerdem wird häufig auf problematische Weise der Israel-Palästina-Konflikt fokussiert – wie auch das eingangs erwähnte Beispiel zeigt.

Veranschaulicht werden können diese Überlegungen anhand von zwei Auszügen aus aktuellen Arbeitsmaterialien für den Religionsunterricht.[7] Erstens findet sich im Arbeitsheft „Moment mal! Grundbegriffe und biblische Basistexte“ (Oberstufe) relativ offen eine Substitutionstheologie, der zufolge nicht mehr Israel, sondern die Kirche das Volk Gottes sei.

„Unmittelbar nachdem Jesus gestorben ist, zerreißt der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste des Tempels vor den Blicken und dem Zutritt der Neugierigen schützt. Dieses Allerheiligste darf nach dem jüdischen Gesetz nur der Hohepriester einmal im Jahr am großen Versöhnungsfest nach umfangreicher kultischer Vorbereitung betreten. Das Allerheiligste bildet das Zentrum der jüdischen Religion. Das Zerreißen des Vorhangs von oben bis unten markiert aus christlicher Sicht den Beginn einer neuen Epoche. Es soll deutlich machen, dass mit Jesus Christus die jüdische Religion an ihr Ende gekommen ist und durch eine neue Religion abgelöst wird, die auf Jesus Christus beruht. Das Opfern von Tieren im jüdischen Tempel kann aufhören, weil mit Jesus das endgültige Opfer ein für alle Mal dargebracht wurde.“ (Hülsmann, 2013, S. 26; vgl. ebd., S. 46)

Zum anderen wird im Lehrwerk „Ortswechsel“ (Klasse 5/6) das Getränk ‚Pharisäer‘ mit Bild und folgendem Text vorgestellt.

„‚Pharisäer‘ nennt man ein Getränk aus Kaffee, Rum und einer Sahnehaube. Angeblich hat man damit in einem nordfriesischen Dorf im 19. Jh. einen strengen Pfarrer, der keinen Alkohol zuließ, überlistet. Dieser soll, als er die Mischung entdeckte, ausgerufen haben: ‚Ihr Pharisäer!‘“ (Grill-Ahollinger, Görnitz-Rückert & Rückert, 2013, S. 129)

Antijüdische Gedankenfiguren werden hier relativ unkritisch bedient, auch wenn etwa im zweiten Fall eine Einordnung zumindest versucht wird. So wird die Darstellung des Getränks und der Abdruck von Zeitungsüberschriften, die mit einem pejorativen Gebrauch des Wortes ‚Pharisäer‘ arbeiten, von der Aufgabe begleitet:

„Untersuche die Bedeutung von ‚Pharisäer‘ in den Materialien rechts. Kennst du ähnliche Beispiele? Das sagt man halt so – das schadet doch niemandem!‘ – Wirklich? Findet (aktuelle) Gegenbeispiele! Nimm in einem Leserbrief Stellung zu einer der rechts zitierten Schlagzeilen!“ (ebd., S. 128)

Allerdings lässt sich auch kritisch anmerken, dass die hierbei sichtbar werdende Absicht, ein kritisches Bewusstsein zu schaffen (vgl. auch Heidemann, Hofmann, Hoffmeister, Hülsmann, Husmann, Maschmeier, Merkel, Rabe, Schneider & Tannen, 2016, S. 158–165), nicht immer ausreicht. Weil der Arbeitsauftrag dem Komplexitätsniveau der Reflexionsaufgabe nicht gänzlich gerecht wird, können bei dieser Aufgabe nichtintendiert antijüdische Konnotationen reproduziert werden. Würde es ähnlich kontrovers im Religionsunterricht diskutiert werden, ob eine alternative Bezeichnung für ‚Schokokuss‘ weiterhin adäquat ist?

Insgesamt gilt es aber festzuhalten, dass in den letzten Jahren durchaus eine Verbesserung des Lernmaterials hinsichtlich der skizzierten Problematik festgestellt werden kann (Spichal, 2019, S. 128).

3.2 Kritische Religionsbuchforschung und Rassismus

Rassismuskritische Religionsbuchanalysen finden sich besonders hinsichtlich zweier Thematiken, einerseits in Bezug auf die Darstellung des Islams (antimuslimischer Rassismus) und mit Blick auf den Globalen Süden (post- bzw. kolonialer Rassismus). Beide Analysetypen profitieren stark von poststrukturalistischen bzw. postkolonialen Theorieansätzen und damit verbundenen Konzepten wie ‚Othering‘ oder ‚Repräsentation‘ (z.B. Henningsen & Herbst, 2022, S. 203–212).

Joachim Willems (2019; 2020) und Janosch Freuding (Freuding & Graeff, 2019) zeigen etwa auf, dass in religiösem Bildungsmaterial ‚der‘ Islam undifferenziert und einseitig präsentiert wird und so Othering-Prozesse bestärkt werden können. Die (christliche) Eigengruppe und die (muslimische) Fremdgruppe werden als homogen imaginiert, ihnen werden essentialistische Eigenschaften zugeschrieben und beide werden dichotom voneinander getrennt. Willems (2020, S. 485) verweist etwa auf das Kursbuch Religion elementar (Klassen 7/8) und die Überschrift „Muslime bei uns“. Zu dieser hält er kritisch fest: „Damit wird schon zum Einstieg suggeriert, dass Muslime nicht zu ‚uns‘ gehören würden und Teil einer ‚Wir-Gruppe‘ seien, sondern als ‚Andere‘ ‚bei‘ uns leben.“ (ebd.) Mit dieser Gegenüberstellung zweier konstruierter Gruppen hängt eine (Ab-)Wertung zusammen, beispielsweise wird das Christentum im Kontrast zum Islam in manchen Lehrwerken so dargestellt, dass es „offen für Zweifel und nicht-fundamentalistisch sei“ (Willems, 2020, S. 487). Der Islam dagegen wird häufig im Kontext negativer Konflikte präsentiert, z.B. im Zusammenhang mit der Debatte um ein Kopftuchverbot und islamistischen Terrorismus (so etwa im Lehrbuch „Leben gestalten“ (Klasse 7) auf S. 104 und 126; vgl. Freuding & Graeff, 2019).

Julia Henningsen (2021; 2022) sowie Kathrin Winkler und Stefan Scholz (2021) untersuchen dagegen (post-)kolonialen Rassismus und die Frage, wie der Globale Süden im Religionsbuch dargestellt wird. Eurozentrische Perspektiven und vor allem Othering-Prozesse werden problematisiert (Henningsen, 2021, S. 20). Reproduziert werde so eine „colonial ideology“ (Winkler & Scholz, 2021, S. 104). Anhand der Rezeption postkolonialer Theorien kann dabei deutlich werden, wie Religionsbücher zur Ideologieproduktion beitragen. Dies lässt sich an einem eigenen Beispiel aus dem Unterrichtswerk „Ich bin da 2“ (Klasse 2) verdeutlichen. Das vierte Kapitel „Wasser des Lebens“ beginnt auf einer Doppelseite mit dem Thema „Wir danken für das Wasser“ (Fischer et al., 2010, S. 24–25). Auf dieser sind verschiedene Bilder mit Wasser zu sehen: Ein Kind, das Gießkannen füllt; ein Wasservogel am Meeresufer; zwei junge Kinder mit einem Regenschirm; ein kleines Baby im Wasserbad und ein Junge, der aus einer Fontaine trinkt.

Abb.1: Abbildung entnommen aus: Fischer et al., 2010, S. 24; Ausschnitt der Doppelseite „Wir danken für das Wasser“

Auffällig ist ein Bild von afrikanischen Frauen in bunten Farben, die mit ihren Kindern an einem Brunnen stehen und Wasser holen. Im Hintergrund der trockenen Landschaft ist ein kärglicher Strommast zu sehen. An dem unscheinbaren Bild werden Aspekte deutlich, die in den erwähnten Analysen ebenfalls hervorgekehrt werden: Othering, das wertgeladene Andersmachen von Menschengruppen, vollzieht sich gegenüber dem Globalen Süden über Themen wie ‚technischer Fortschritt‘ und ‚Geschlechtergerechtigkeit‘. Das Bild weckt Suggestionen zu einem ‚Afrika‘ – wie in drei verschiedenen Seminardurchgängen bestätigt wurde –, welches technisch rückständig (z.B. Strommast, Brunnen) und in Geschlechterperspektive ungerecht ist (z.B. Frauen die hart arbeiten und gleichzeitig auf ihre Kinder aufpassen). Unberücksichtigt bleibt, dass die abgebildeten Menschen mit ihrer neuen Smartphone-App den Brunnen gefunden haben könnten, weil der Netzausbau in manchen afrikanischen Ländern weiter vorangeschritten ist als in Deutschland. Und dass es in Afrika auch matriarchale Kulturen gibt, wird ebenfalls ausgeblendet (z.B. Hoffmann 2022).

3.3 Kritische Religionsbuchforschung und neoliberale Selbstoptimierung

Neoliberalismuskritische Religionsbuchanalysen – etwa auf Basis der Theorien von Foucault und Bröckling – finden sich in der Religionspädagogik bisher nicht. Es gibt aber – im Kontext religiöser Bildung für nachhaltige Entwicklung – religionspädagogische Bezugnahmen (Gärtner, 2021, S. 74–75; Herbst, 2021, S. 348–349; Jakob, 2020, S. 25) auf ein Forschungsprojekt, welches Unterrichtswerke zum Thema ‚Nachhaltigkeit‘ kritisch unter die Lupe nimmt und auf Momente neoliberaler Selbstoptimierung untersucht (Ideland, 2019; Ideland & Malmberg, 2015). Grundlegende Beobachtung der Analysen ist, dass Unterrichtsmaterial zum Thema Nachhaltigkeit die Lernenden zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Konsum und Umwelt bewegen möchte. Dies bestätigt sich auch für religiöses Bildungsmaterial: „Wasser sparen, Second Hand oder ökologisch zertifizierte Kleidung kaufen, Müll sammeln oder fleischarme Ernährung sind Handlungsanregungen, die zumeist affirmativ in Themeneinheiten zur Schöpfungsbewahrung diskutiert werden.“ (Gärtner, 2021, S. 74) Damit werden Probleme, die immer nur auch strukturell bearbeitet werden können, individualisiert. Das evoziert eine Gleichzeitigkeit von Überforderung und „Beruhigung“ (Reuter, 2020, S. 322; vgl. Gärtner, 2021, S. 74). Die Individualisierung des Materials geht einher mit einer Entpolitisierung, insofern Interessenkonflikte unsichtbar gemacht werden (Ideland & Malmberg, 2015, S. 181). Ein solches Lernen ist ideologisch, weil es „zur Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse“ (Gärtner, 2021, S. 75) beiträgt. Diese Überlegungen sollen an einem Beispiel veranschaulicht werden: Im Lernmaterial „Sustainable Development: The Threat Against the Environment“ findet sich das folgende Zitat, welches auch in Lehrwerken religiöser Bildung auftauchen könnte:[8]

„IT IS YOUR CHOICE! A sustainable environment in the future is dependent on the choices people like you and I make. We have the possibility to change our way of living and get other people to realize how important these issues are. If we take our mission seriously a sustainable future is perfectly possible.“ (Bowden nach ebd., S. 175)

Die Einzelnen werden an dieser Stelle – ganz im Sinne von Foucaults (1994) Analysen zur Pastoralmacht (Herbst, 2021, S. 348–349) – dazu aufgerufen, sich je individuell für das Heil der Welt (‚mission‘) aufzuopfern (Ideland & Malmberg, 2015, S. 176). Damit dies gelingt, gilt es, jede einzelne Entscheidung (‚choices‘) hinsichtlich des Globalziels zu überprüfen. Ähnliche Probleme finden sich auch in deutschsprachigen Religionsbüchern, so etwa abzuhakende Checklisten auf denen Handlungsmöglichkeiten wie ‚Fahrrad fahren‘ oder ‚Wasser sparen‘ aufgelistet sind (z.B. Hartwig, 2006, S. 49–51; Weber, 2018, S. 39; vgl. insgesamt Benk, 2018; Dieterich, 2018, S. 7).

In der Religionspädagogik gibt es ähnliche kritische Diagnosen in Bezug auf ethische Themen, ohne dass der Foucault’sche Theorierahmen dabei Verwendung findet. So wird etwa moniert, dass mit Blick auf den Globalen Süden paternalistische Hilfstätigkeit der Einzelnen durch Spenden o.ä. häufig die einzige Handlungsperspektive darstellt. Die strukturellen Ursachen von Armut und globaler Ungleichheit werden dagegen zumeist ausgeblendet (z.B. Grümme, 2009, S. 95; Mette, 1993; Rickers, 2001, S. 1532; 2010, S. 167–168). Politische Themen werden damit individualisiert und auf moralische bzw. ethische Fragen beschränkt. Inwiefern die von Ideland und Malmberg entfalteten Methoden und theoretisch angeleiteten Analysen religionspädagogisch in diesem Zusammenhang weiterführend sind, muss an anderer Stelle entschieden werden.

4 Ausblick: Fragen und Grenzen kritischer Religionsbuchanalyse

Die vorangegangenen Überlegungen sollten nachweisen, das kritische Religionsbuchanalysen religionspädagogisch von hoher Relevanz sind. Dazu wurden unterschiedliche Beispiele herangezogen, die (in ersten Ansätzen) ideologiekritische Perspektiven eröffnen und „Unterrichtsmaterial auf seine gesellschaftlich zu reflektierenden Mängel […] untersuchen“ (Rickers, 2010, S. 167). Damit konnte auch angedeutet werden, dass und wie Schulbücher ein, wie es die Pädagogin Karin Borck (2001, S. 11) formuliert, „ideologisches Instrument“ darstellen können, wobei jeweils zu prüfen ist, „welcher Ideologie [...] die Schulbücher dienen.“ (ebd.) Um das Projekt kritischer Religionsbuchanalysen – welches auch im kirchlichen Interesse ist; von Papst Johannes Paul II. wurde etwa explizit in seinem apostolischen Schreiben Catechesi Tradendae (CT) darauf verwiesen, dass (interreligiöses) Bildungsmaterial vor „ideologischen und politischen Systemen oder Vorurteilen“ (CT, 34) geschützt werden müsse – weiter zu systematisieren, empirisch zu fundieren und zu vertiefen, sind einige weitere Schritte nötig, die im folgenden Ausblick kurz skizziert werden.

4.1 Kritische Religionsbuchanalysen ausweiten: Unterschiedliche Materialien, Themen und Ideologien untersuchen

Eine systematisch fundierte Religionsbuchanalyse mit ideologiekritischer Spitze steht offensichtlich noch am Anfang. Auch wenn sich erste Beispiele bereits in den 1960er Jahren finden lassen, sind theoretisch und empirisch noch vielfältige Fragen ungeklärt. Es fehlt eine breite und systematische Analyse klassischer Religionsbücher (a), bestimmter Themenfelder (b) oder weiterer Beispiele für Ideologie (c), die gegenwärtig präsent sind. Gibt es etwa bestimmte Buchreihen, bei denen besonders häufig bestimmte Probleme feststellbar sind und wenn ja, warum ist dies so (a)? Und welche Themen sind besonders anfällig für welche Ideologien (b)? Dass es solche Zusammenhänge geben kann, verdeutlicht beispielhaft der Konnex von ‚Schöpfung‘ und Geschlechterungleichheit (Benk, 2018, S. 243–244). Und wie sieht es – nicht unabhängig von, aber z.T. quer zu den Themen – mit weiteren Beispielen von Ideologie aus, wie sie derzeit dominant sind (c)? Was ist mit religiöser Weltflucht und ‚Esoterik‘ (Pöhlmann, 2021; Seeburger, 2021), was ist mit Autoritarismus und neurechten bzw. rechtspopulistischen Aneignungen von Religion (Hidalgo, 2021), was ist mit Sexismus bzw. „Anti-Genderismus“ (z.B. Strube, Perintfalvi, Hemet, Metze & Sahbaz, 2021) und was mit religiösem Fundamentalismus und Extremismus (Tibi, 2021)?

Anschließen ließe sich auch bezüglich dieser Ideologien an existierende Analysen, die ideologiekritisch angeschärft oder in andere Kontexte übersetzt werden könnten (4.2). In methodischer Hinsicht auf innovative Weise hat Zrinka Štimac (2019) Religionsbücher in Bosnien und Herzegowina (BiH) analysiert. Die Forscherin, die am Georg-Eckert-Institut arbeitet, stellt heraus, dass in BiH die etablierten Religionsgemeinschaften die Schulbücher produzieren. Dass bei den personalen Vertretern dieser Gemeinschaften in Interviews aufscheinende (tendenziell) exklusivistische Religionsverständnis findet Štimac auch in den Büchern selbst. Durch diverse Strategien – z.B. werden Inhalte emotionalisiert, romantisiert und historische Fakten vermieden (Štimac, 2019, S. 75) – wird die eigene Religion überhöht und andere Religionsgemeinschaften werden (mehr oder weniger subtil) abgewertet. Dadurch können die Schüler*innen in ihrem Denken und Verhalten geprägt und der interreligiöse Dialog kann erschwert werden. Es ist anzunehmen, dass in Deutschland andere Ergebnisse bei einer solchen Analyse herauskämen (Herbst, 2021, S. 345). Klar ist, dass sich auch hier Muster religiöser Auf- und Abwertung in Religionsbüchern finden (z.B. Willems, 2019) und in Bezug auf das Thema ‚religiöser Fundamentalismus‘ problematische Darstellungsformen existieren (Loose, 2020, S. 122–125).

Und auch in Bezug auf andere der erwähnten Ideologien scheint es immer auch erste Vorarbeiten zu geben, an die angeschlossen werden kann. So finden sich etwa hinsichtlich der Perspektive eines geschlechtergerechten Religionsunterrichts einige Beispiele kritischer Religionsbuchanalyse (z.B. Mayrhofer, 2018; Rösener, 2010; Volkmann, 2004). Dabei rücken unterschiedliche Topoi in den Blick, die theologische Deutung und gesellschaftliche Ideologieproduktion in ein Verhältnis setzen: Inwiefern werden Frauen als aktive Subjekte dargestellt, die eine wesentliche Rolle in Bibel und Kirchengeschichte spielen? Welche geschlechtstypischen Eigenschaften sind in den Gottesbildern präsent, die im Unterrichtsmaterial thematisiert werden? Und werden auch Positionen feministischer Theologie (z.B. Schottroff & Wacker, 2007) behandelt, welche im Rahmen wissenschaftlicher Kontroversität einen Bestandteil akademischer Theologie darstellen?

4.2 Kritische Religionsbuchanalysen systematisieren: Bezüge und Spannungen zwischen ideologiekritischen Ansätzen reflektieren

Besonders für die erwähnten ‚ersten Vorarbeiten‘, aber auch für andere Beispiele kritischer Religionsbuchanalyse gilt, dass diese in ihrem ideologiekritischen Zuschnitt noch zugespitzt und systematisch aufeinander bezogen werden sollten, um wechselseitig voneinander zu profitieren und Synergieeffekte zu nutzen (z.B. eine antisemitismuskritische Religionsbuchanalyse, die auf postkoloniale Theorieofferten zurückgreift; vgl. Willems & Dihle, 2020). Gelingen könnte dies durch einen klaren Theorie-, Methoden- und Gegenstandsbezug. Was genau ist Antisemitismus, Rassismus und neoliberale Selbstoptimierung? Welche gesellschaftliche Funktion übernehmen diese Ideologien und warum sind sie so beständig? Welche Änderungen der Ideologie müssen bedacht werden (z.B. israelbezogener Antisemitismus oder kulturalistischer Rassismus)? Erst wenn diese Fragen intensiver geklärt und für die Religionsbuchanalyse produktiv gemacht werden, lässt sich auch dezidiert von einer ideologiekritischen Religionsbuchanalyse sprechen.[9]

Außerdem müsste derreligionsspezifischeZuschnitt der ideologiekritischen Analysen geschärft werden, um der Sache und dem fachlichen Anspruch religiöser Bildung gerecht zu werden. So sind nicht alle angeführten Beispielanalysen spezifisch religionspädagogisch. Dabei besitzt Religion bei jeder der genannten Ideologien eine spezifische Funktion, die genauer herauszuarbeiten und für die Religionsbuchanalyse fruchtbar zu machen wäre. Welche Rolle besitzt die Religion bei der Verstärkung bzw. Schwächung der jeweiligen Ideologie (z.B. christlicher Antijudaismus oder ein kolonialistischer Missionsbegriff)? Darüber hinaus müsste der theologische Kern von Ideologiekritik als Idolatriekritik präziser herausgearbeitet werden. Dabei ist es gerade für die Religionspädagogik von Interesse, dass in der Kritischen Theorie Ideologie auch als „Rückkehr des Mythos“ oder als „Alltagsreligion“ begriffen wird (Roepert, 2021). Es liegt im ureigenen Interesse einer theologischen Religionspädagogik, die sich dem Ein-Gott-Glauben verschreibt, gegenüber solchen religiösen Problemformen Götzenkritik zu üben.

Wenn diese beiden Punkte angegangen werden und Religionsbuchanalyse ideologiekritisch profiliert ist, treten grundsätzliche Zusammenhänge und Konflikte zwischen den unterschiedlichen Zugängen zutage, die es auf theoretischer, empirischer und praktischer Ebene zu vermitteln gilt. Beispielsweise finden sich – etwa im Kontext der Autoritarismusforschung – Gemeinsamkeiten zwischen religiösem Fundamentalismus, Verschwörungsglauben und Anti-Genderismus (z.B. Decker & Brähler, 2020). Und es können Spannungen zwischen antisemitismus- und rassismuskritischen Ansätzen auftreten, weil die theoretischen Koordinaten grundverschieden sind und die jeweiligen Zugänge unterschiedliche Vorstellungen von ihren primären Bezugsgegenständen besitzen (Antisemitismus ist in rassismuskritischer Perspektive z.B. nur eine Form von Rassismus; vgl. Biskamp, 2020). Erst wenn nicht nur (notwendige) Detailanalysen betrieben, sondern auch die Bezugnahmen zwischen den Zugängen intensiviert werden, kann es gelingen, diese Spannungen zu vermitteln. In der empirischen Forschung macht sich dieser Konflikt konkret daran bemerkbar, dass antisemitismuskritische Ansätze etwa gegenüber israelbezogenem Antisemitismus sensibler sind, wohingegen rassismuskritische Zugänge kulturalistischen und religionsbezogenen Rassismus eher zu entdecken vermögen. Und in der Praxis ergeben sich daraus weitere Fragen: Wie lässt sich etwa über die Ideologie des islamistischen Dschihadismus sprechen, ohne antimuslimische Ressentiments zu bedienen? Und wie kann globale Ungleichheit thematisiert werden, ohne postkoloniale Stereotype zu wiederholen?

4.3 Kritische Religionsbuchanalyse für die Unterrichtspraxis nutzen: Qualitätsverbesserung und Verwendungspraxis untersuchen

Der Anspruch kritischer Religionsbuchanalyse ist nicht nur Bewusstseinsbildung, sondern eine praktische Veränderung. Wie kann es aber sein, dass Religionsbücher wie das „Kursbuch Religion Elementar 2“, welches zu Beginn präsentiert wurde, produziert werden, nachdem bereits Jahrzehnte zuvor die Seelisberger Thesen (1947) publiziert, Nostra Aetate (1965) verabschiedet, die Synode im Rheinland (1980) abgehalten und erste kritische Analysen veröffentlicht wurden (Rothgangel, 1997)? Bestandteil einer ideologiekritischen Religionsbuchanalyse müsste es sein, über Zulassungsverfahren und -kriterien nachzudenken und Anstöße für das Studium und die Religionslehrer*innenbildung zu geben, um sensibel mit den skizzierten Problemen umgehen zu können. So könnten diejenigen erreicht werden, die später Religionsbücher erstellen, zulassen und/oder mit ihnen arbeiten. Dazu beitragen könnte auch eine kritische Ursachenanalyse, die Gründe für die Produktion problematischer Lehrwerke offenlegt und das komplexe Zusammenspiel von religionspädagogischer Wissenschaft, Schulbuchverlagen, (staatlichen und kirchlichen) Zulassungsbehörden [10] und Schulen selbst noch einmal ideologiekritisch untersucht (z.B. Macgilchrist, 2011). Womöglich stellt sich dabei heraus, dass gerade Arbeitsmaterialien, die nicht geprüft werden, besonders anfällig für die dargestellten Probleme sind. Anschließend daran müsste die Religionspädagogik ein sinnvolles Programm entwickeln und evaluieren, um die Qualität existierender Schulbücher real zu verbessern.

Zusätzlich dazu gilt es auch, die Grenzen von Religionsbuchanalysen zu berücksichtigen und der Frage nachzugehen, wie mit solchen Lehrwerken im realen Unterricht umgegangen wird. Zeigen sich dort überhaupt die markierten Probleme so stark wie gedacht? Und wenn ja, werden diese durch kritische Dekonstruktion und durch Dramatisierung nicht sogar verstärkt? Benötigt es nicht alternative Sichtweisen und Erzählungen? Dazu kann auf eine Vielzahl an Methoden empirischer Unterrichtsforschung zurückgegriffen werden (Riegel & Schambeck, 2018), etwa die ethnographische Untersuchung echter Unterrichtssituationen (Herbst, 2021, S. 262–263). Erst vor dem Hintergrund solcher Analysen ließe sich genauer beurteilen, wie die Effekte des Unterrichtsmaterials sind und ob im Religionsunterricht wirklich Ideologie reproduziert wird. Ein solches Vorgehen wäre auch aus ideologiekritischen Gründen zu präferieren: Erstens sind Ideologien nicht nur Bewusstseins- und Diskursstrukturen, sie sind auch internalisierte Herrschaftsverhältnisse und damit körperlich. Mimik und Gestik, soziale Konstellationen oder süffisante Bemerkungen von Lehrer*innen oder Mitschüler*innen können wichtiger sein, als die Inhalte des gerade bearbeiteten Arbeitsauftrags (z.B. Fritzsche, Idel & Rabenstein, 2011, S. 36). Zugleich verhindert die Praxis, die durch ihre Komplexität und Kontingenz offener als Unterrichtsmaterial ist, eine deterministische Perspektive: Brüche und Widerstandspraktiken können sich auch dort zeigen, wo eigentlich Ideologieproduktion erwartet wird (z.B. Rieger-Ladich & Grabau, 2015).

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Jan-Hendrik Herbst, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktischen Theologie und Religionspädagogik am Katholisch-Theologischen Institut der Technischen Universität Dortmund.

  1. Für Rückmeldungen und Anmerkungen danke ich Benjamin Ahme und Madeline Stratmann. Außerdem bedanke ich mich bei den Teilnehmer*innen der NARRT-Tagung „Bildstörungen: Anders erzählen“ (Oktober 2021) – besonders Katharina von Kellenbach, Annalena Sieveke, Friederike Henjes und Juliane Ta Van – sowie den Teilnehmer*innen meiner Lehrveranstaltung „Glaube und Handeln“. Ganz besonders hervorheben möchte ich die Hilfe von Ariane Dihle, der ich Literaturtipps und vielfältige Hinweise verdanke, ohne die dieser Artikel nicht in dieser Form hätte entstehen können. Sie hat auch bezüglich des eingangs problematisierten Unterrichtsmaterials Kontakt zu unterschiedlichen evangelischen Landeskirchenvertreter*innen aufgenommen, die für Schulbuchzulassungen zuständig sind. Der herausgebende Verlag hat auf die kritischen Rückmeldungen reagiert und das Arbeitsmaterial aus dem Programm genommen.

  2. Die bayerische Ausgabe des Kursbuch Religion Elementar 7 verwendet andere Leitfragen, die das Judentum als Religion und jüdisches Leben in Deutschland fokussieren und damit angemessener sind.

  3. In einem freien und erweiterten Sinn (Marz, 2021, S. 416) bezeichnet Ideologie „kollektive Vorurteile oder Täuschungen, denen gleichwohl ein Wahrheitsmoment zukommen kann.“ (Beyer & Schauer, 2021b, S. 16) Sie entspringen bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, in denen sie einen sozialen Nutzen besitzen und spezifische Herrschaftsverhältnisse legitimieren.

  4. Dabei wird womöglich unterschätzt, dass sich die im Lernmaterial durchscheinende Position biblisch begründen lässt (z.B. Röm 13,1–7; 1Petr 2, 13f.; Tim 2,2; Tit 3,1f). Das Befolgen von Autoritäten in Staat, Gemeinde und Familie (z.B. Lk 2,51; 1Tim 3,4) wird – etwa in den Pastoralbriefen (Oberlinner, 1996, S. 163) oder im Römerbrief (Krauter 2009, S. 1–7, 216; Wolter, 2019, S. 310) – theologisch legitimiert.

  5. Die große Skepsis gegenüber Ideologiekritik wird besonders deutlich daran, dass diese auch von der Kritischen Theorie und dem Poststrukturalismus – heute erneut theoretische Basis für Ideologiekritik – vertreten wurde (Beyer & Schauer, 2021b, S. 12).

  6. Kinderbibeln zur Thematik wurden von Marion Keuchen (2018) analysiert.

  7. Diese Beispiele verdanke ich Ariane Dihle. Vgl. ausführlicher z.B.: Willems & Dihle, 2020.

  8. Altmeyer und Grümme (2014, S. 324) erwähnen etwa ein Beispiel aus einem Religionsbuch (zu einem anderen Thema), welches eine analoge Baustruktur hat und neoliberale Selbstoptimierung im Religionsunterricht einfordert.

  9. Dabei stellt sich allerdings auch die Frage, ob immer ein elaborierter Theorie- und Methodenbezug notwendig ist, um die für Kritik notwendige Distanz zum Gegenstand zu erlangen (Brieler, 2019, bes. S. 515). Reicht es für eine kritische Religionsbuchanalyse nicht manchmal einfach aus, theologisches Grundwissen mitzubringen, die Perspektive von Betroffenen wahrzunehmen (z.B. Erlbaum, 2020; Ulfat, 2020) oder einen historischen (vgl. Bsp. von Halbfas) bzw. geographischen Vergleich (vgl. Bsp. von Štimac) vorzunehmen, um eine kritische Distanzierung zu erreichen?

  10. Die Bedeutung solcher Behörden zeigt sich etwa dann, wenn Zulassungsverfahren antidemokratische Vorstellungen entdecken und verhindern. Beispielhaft dafür steht die Forderung von Anne Meyhöfer vom Schulbuchverlag Brinkmann Meyhöfer in Hannover. In einem Schulbuch wurde – so hat eine ZEIT-Recherche gezeigt (Fuchs & Schramm, 2021) – neurechte Ideologie unbewusst reproduziert. Um solche Problemfälle zukünftig zu verhindern, fordert Meyhöfer (2021) eine „Zentralstelle, die über unseriöse Quellen aufklärt“.