Zu Beginn des diesmaligen Bücherüberblicks gilt es, auf das von Eva Stögbauer-Elsner, Konstantin Lindner und Burkard Porzelt im Klinkhardt Verlag als UTB (ISBN 8385-5566-9) herausgegebene Studienbuch Religionsdidaktik hinzuweisen. In ihrer Einführung erläutern die Herausgebenden ihr Konzept wie folgt: „Das vorliegende Studienbuch entfaltet eine Didaktik des schulischen Religionsunterrichts, die primär auf kundiges Verstehen (learning about religion) und subjektiv relevante Auseinandersetzung (learning from religion) zielt. Dass es darüber hinaus eines unmittelbaren Vertrautwerdens (learning in religion) bedarf, um sich den Glauben einer bestimmten Gemeinschaft selbst anzueignen, und dass solches unabdingbar für die Zukunft der Religionen ist, steht außer Zweifel. Die öffentliche Schule allerdings ist – so ein breiter Konsens gegenwärtiger Religionspädagogik – keinesfalls der angemessene Ort für identifikatorische Lernprozesse. Unter dem „Primat des Kognitiven" (Baumert) stehend, ist es Aufgabe und Grenze des schulischen Religionsunterricht, Schüler/innen unabhängig von ihrer je individuellen Positionierung den auf eine göttliche Transzendenz ausgerichteten Weltzugang der Religionen begreifbar werden zu lassen und es ihrer eigenen Freiheit zu überlassen, ob und inwieweit sie daraus persönliche Konsequenzen ziehen. Als Studienbuch konzentriert sich die vorliegende Publikation auf grundlegende Aspekte der Religionsdidaktik, von denen zu wissen und über die nachzudenken lohnt, um die Herausforderungen von Studium, Referendariat und Berufspraxis informiert und inspiriert bewältigen zu können. Was in unserem Werk als wesentlich entfaltet wird, orientiert sich am aktuell gültigen Kerncurriculum für die Lehramtsprüfungen in Bayern, das die Konferenz der an dortigen Universitäten tätigen Religionspädagog/innen (KRBU) vor wenigen Jahren entwickelt und ausformuliert hat. Statt bewährte Theorien lediglich zu referieren, suchen die Artikel des vorliegenden Werkes die jeweils fokussierten Themen im Lichte aktueller Forschungen und Herausforderungen zu reformulieren. Vorsichtig wird das orientierende Kerncurriculum zudem durch neue Themen (z.B. kognitive Aktivierung, Digitalität, Säkularität oder Zeugnislernen) geweitet, die mit Blick auf die Zukunft des Religionsunterrichts dringlich scheinen. Um den Zielgruppen unseres Studienbuchs gerecht zu werden, legt dieses großen Wert auf eine verständliche Darstellung. Entscheidend für die Nachvollziehbarkeit und Nutzbarkeit des Studienbuchs ist dessen sequenzieller Aufbau. Vom Fundamentalen zum Konkreten voranschreitend, gelangt dieser von Prämissen (Kap. I), Prinzipien (Kap. II), Kontexten (Kap. III), Organisationsformen (Kap. IV) und Konzepten (Kap. V) des schulischen Religionsunterrichts zu neun elementaren Inhaltsfeldern (Kap. VI). Auf grundsätzliche Zugänge zum Religiösen (Kap. VII) folgt eine Fülle konkreter Lernwege (Kap. VIII), um abschließend das professionelle Handeln von Religionslehrer/innen ins Zentrum zu rücken (Kap. IX).“ (10f.) Das umfangreiche Buch bietet in der Tat eine hervorragende Möglichkeit, „sich ein eigenes, fundiertes Bild zu machen, wie das „kleine Fach der großen Fragen" zukünftig organisiert werden soll und wie es subjekt- sowie sachangemessen ausgestaltet werden kann.“ (12)

In ihrer im Matthias Grünewald Verlag (ISBN7867-3238-9) erschienenen Bonner Dissertation Beziehungsorientierte Religionsdidaktik geht es Christina Brügge darum, „die Gegenstandsbedeutung und Exemplarizität des Beziehungslernens im Religionsunterricht vor dem Hintergrund der sozialen und soziokulturellen Umbruchsprozesse bzw. Transformationskrisen in der pluralen Welt religionspädagogisch und religions-didaktisch zu begründen. Im Mittelpunkt stehen dabei die jungen Menschen, die als Zielgruppe des Religionsunterrichts in ihren altersadäquaten Entwicklungsaufgaben ernstgenommen werden.“ (48) Die Arbeitshypothese der Autorin besagt, „dass Beziehungslernen einen geeigneten Modus darstellt, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Beziehungslernen ist vor dem Hintergrund der postmodernen Pluralität und Individualisierung eine Ressource zur Orientierung inmitten der zunehmenden Kontingenzerfahrungen. Der Beziehungsbegriff impliziert Grunddimensionen menschlicher Sozialität und Soziabilität, kommunikativer Kompetenz und Identität. Diese Dimensionen sind dynamisch und dissipativ, kommunikativ und interaktiv. Religiöses Lernen hat mit diesen Dimensionen zu tun. Es akzentuiert diese sozialen Dimensionen aus einer theologisch zentrierten Perspektive. Diese theologische Beziehungsebene zwischen Mensch und Gott verbindet die monotheistischen Religionen von Christentum, Islam und Judentum. Insofern kann die Leitkategorie Beziehung für das interreligiöse Lernen wichtig sein.“ (48) Zusammenfassend schreibt die Verfasserin: „Die vorliegende Forschungsarbeit geht von der Annahme aus, dass junge Menschen als Zielgruppe religionspädagogischen Handelns ,Sinnsucher' sind. Die Schülerinnen und Schüler, die in den verschiedenen Jahrgangsstufen (Sekundarstufe I und II) des Religionsunterrichts im Schulalltag den Lehrpersonen begegnen, haben eine Vielzahl von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben (z.B. Identitätsfindung) zu bewältigen, verbindliche Werte zu finden, Einstellungen in sozialen Kontexten zu festigen, alterstypische Probleme (z.B. Adoleszenz) zu verstehen und zu lösen. In dieser Hinsicht ist die Schule als alltagsrelevanter Handlungsraum und als Ort von personalen Beziehungen von herausragender Bedeutung für die Heranwachsenden. Neben der Familie und dem Freundeskreis ist die Schule Sozialisationsinstanz und der humanökologische Handlungsraum, in dem die jungen Menschen gesellschaftlich verbindlichen Herausforderungen begegnen, mit Gleichaltrigen zusammenarbeiten, gemeinsam lernen und von erwachsenen Lehrkräften angeleitet und begleitet werden. Die Schule ist also weit mehr als eine Institution der Wissensvermittlung durch Lehrerinnen und Lehrer und der Lernstoffaneignung der Schülerinnen und Schüler. Die Schule ist vielmehr ein Handlungsfeld, in dem junge Menschen kommunizieren und interagieren, ihre Diskursfähigkeit entwickeln und – neben dem Wissenserwerb – eine Reihe von Kompetenzen (Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Antizipations- und Partizipationsfähigkeit, Handlungskompetenz, Umgang mit komplexen Problemen usw.) aufbauen und erproben können. In diesem Zusammenhang haben die Lehrerinnen und Lehrer die Aufgabe, die jungen Menschen zu begleiten und zu fördern, um die Mündigkeit als Kern der Individuation Heranwachsender überhaupt erst zu ermöglichen. Die Lehrkräfte sind also nicht nur ,lernstoffzentrierte Experten' in ihren jeweiligen Unterrichtsfächern, sondern immer auch maßgeblich verantwortlich für die Vermittlung der sogenannten Schlüsselqualifikationen. Sie fördern soziale Lernprozesse in der Schulklasse, schulen die Kooperation, Teamfähigkeit, Empathie, Sympathie und Fairness bei den Lernenden und haben zu diesem Zweck für ein angst- und gewaltfreies Sozial- und Lernklima unter den Jugendlichen Sorge zu tragen. Ein so geartetes Feld von Beziehungen zwischen den am Lernprozess beteiligten Subjekten trägt nicht nur zum primären Ziel der Entwicklung selbstreflexiven und kritischen Denkens bei, es ist auch konstitutiv für die Förderung kreativer Lernprozesse. Beziehungsorientierte Religionsdidaktik fokussiert auf die Lebenswelt der Lernenden und deren alltagsrelevante Probleme und Herausforderungen. Sie ist damit Auslöser für Formen des entdeckenden, forschenden und selbstorganisierten Lernens, indem sie allen Unterrichtsprozessen eine Orientierung am konkreten Schüler und der konkreten Schülerin zugrunde legt.“ (343f.) Es gelingt der Autorin mittels ihrer interdisziplinären heuristischen Strategie aufzuzeigen, dass sich die beziehungsorientierte Religionsdidaktik in einer Hinsicht von dem klassisch-hierarchischen Lehr- und Lernarrangement unterscheidet, „indem sie nämlich die Sach- und Beziehungsebene des Unterrichtsprozesses verknüpft, ein dialogisches Lernen im Sinne der gemeinsamen Suche nach Antworten ermöglicht und ein Beziehungslernen auf der Inhaltsebene und in der Lerngruppe zu realisieren versucht.“ (352)

Was Relilehrer:innen wissen müssen – von diesem Fokus handelt das im Herder Verlag (ISBN 451-39194-1) von Mirjam Schambeck veröffentlichte Buch Von Gott, Jesus, Religionen und so. In ihrer Einleitung erklärt die Verfasserin: „Das vorliegende Buch geht dieser wunderschönen, aber auch anstrengenden Aufgabe nach, zu ergründen, was die Profession von (Religions-)Lehrer:innen ausmacht. Es stimmt: Wohl nirgendwo sind die Wunschkataloge, wie jemand zu sein hat, so groß wie bei (Religions)Lehrer:innen. Die einen sprechen vom Handwerk des Lehrberufs, andere von der Kunst des Unterrichtens, wieder andere erinnern an die Vorbildfunktion von Lehrkräften und bei Relilehrer:innen kommt oben drauf noch immer der Anspruch, Brückenbauer:innen für den Glauben oder auch Zeug:innen des Glaubens zu sein. Mit solchen Erwartungen befrachtet, kann man eigentlich nur scheitern, weil immer jemand enttäuscht sein wird. Wie kommt man heraus aus den Wunschkatalogen, wie (Religions-)Lehrkräfte zu sein hätten? Eines ist über die historischen Linien in der Religionslehrer:innenbildung und in all diesen Debatten klar geworden, die seit mindestens 15 Jahren in der Religionspädagogik geführt und auch hitzig ausgetragen werden: Egal, ob man den Beruf einer Religionslehrkraft eher vom strukturtheoretischen, rollentheoretischen oder kompetenzorientierten Ansatz her versteht, ob man sich Gedanken macht, wie das Verhältnis von gelebter und gelehrter Religion das Unterrichtshandeln von Religionlehrer:innen prägt, wie Studienmotivationen, Berufsbild und Professionalisierungsphasen von Religionslehrkräften eingeschätzt werden und neuerdings auch, wie Religionslehrkräfte religionsdidaktische Konzeptionen und religionsunterrichtliche Organisationsformen beurteilen: Ohne Rekurs auf die Bildungswissenschaften und die Überlegungen in anderen Fachdidaktiken kommen wir in der Religionsdidaktik nicht weiter, wenn es um das Studium, die Aus- und Fortbildung von Religionslehrkräften geht und v. a. um die Frage, was man wissen und können muss, um guten Religionsunterricht zu erteilen. Es reicht nicht, im Würde-, Könnte-, Sollen-Stil zu formulieren, was eine gute Religionslehrkraft ausmacht. Wir brauchen empirisch verlässliche Marker, die bestimmen helfen, was entscheidend ist für ein (Religions-) Lehrer:innenhandeln, das Schüler:innen hilft, verständnisvolle Lernprozesse anzustrengen. Diesen empirisch begründeten Paradigmenwechsel hat letztlich die sog. COACTIV-Studie ausgelöst. In ihr wurde ein generisches Strukturmodell vorgelegt, das erstens eine Konzeptualisierung der für den Lehrer:innenberuf nötigen Kompetenzen entwirft, zweitens das für den Lehrer:innenberuf spezifische Professionswissen konkretisiert und drittens evidenzbasierte Erkenntnisse in Bezug auf das Fachwissenschaftliche Wissen und Fachdidaktische Wissen von Mathematiklehrkräften vorlegt. Damit können viertens auch Indikatoren bestimmt werden, die für die Unterrichtsqualität und den Lernerfolg besonders aussagekräftig sind. Der strukturtheoretische Ansatz, der in der Religionspädagogik bislang als Referenzmodell für die Konzeptualisierung der religionslehrerspezifischen Professionsmerkmale galt, allerdings abstrakt blieb und kaum anwendbare Aspekte transportierte, konnte damit durch ein kompetenzorientiertes und die zentralen Bedingungen des Lehrer:innenhandelns konkretisierendes Modell nicht nur ergänzt, sondern weitgehend abgelöst werden. Der dritte für die Religionslehrer:innen-Professionsforschung wichtige, sog. berufsbiographische Ansatz ist zwar nach wie vor für die Einschätzung gelingenden Religionslehrer:innenhandelns von Belang, rangiert seitdem allerdings eher im Hintergrund. Diese wenigen Striche machen deutlich, dass es zwar gar nicht so leicht ist, genauer auszusagen, was eine gute Religionslehrkraft auszeichnet. Es ist aber auch nicht unmöglich.“ (17ff.) Insgesamt ein hervorragend gelungener Versuch, „Religionslehrkräfte zu unterstützen, nach neuen Verortungen theologischer Themen zu suchen, die um der Schüler:innen willen notwendig sind und von deren Konzepten und (Nicht-)Erfahrungen her verändert werden. Es versteht sich als Unternehmen, Schüler:innen positionierungsfähig zu machen in Bezug auf Religionsfragen und hier speziell in Bezug auf Gott, Jesus, die Religionen und so.“ (327f.)

Andrea Lehner-Hartmann und Viera Pirker haben im Matthias Grünewald Verlag (ISBN 7867-3281-5) das lesenswerte Buch Religiöse Bildung – Perspektiven für die Zukunft mit interdisziplinären Impulsen für Religionspädagogik und Theologie herausgegeben. Es geht darin um die Frage, welche Bedeutung religiöser Bildung angesichts gesellschaftlicher Veränderungen zukommt: „Welche Themen sind in der religionspädagogischen Forschung unterrepräsentiert und sollten in der Religionspädagogik intensiver aufgegriffen werden? Was erwarten andere Disziplinen vom Dialog mit einer „Spezialwissenschaft für Religiöse Bildung"? Wenn die Religionspädagogik ihre Aufmerksamkeit aus den disziplinären Verankerungen zwischen Theologie und Pädagogik heraus bewegt auf Anliegen und Themen, die sich gegenwärtig stellen, lassen sich Optionen größerer wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bildungs- und Diskursprozesse für eine gute Zukunft aller entwickeln. Ein Blick ,von außen' regt an, zu überlegen, in welche Richtung der Steuerkurs der eigenen Disziplin gelenkt wird und wo sich notwendige Kurskorrekturen und fruchtbare Entwicklungschancen auftun könnten.“ (7) Die eingeladenen Wissenschaftler*innen aus anderen Disziplinen – Rechtswissenschaft, Informatik, Soziologie, Gerontologie geben einen Einblick in aktuelle Forschungserkenntnisse und damit verbundene Fragestellungen, von denen sich eine zukunftsgerichtete Religionspädagogik inspirieren und herausfordern lassen kann. Mit spannenden Beiträgen regt der Band explizit zum Weiterdenken an. Er „will den Blick in die Gegenwart und Zukunft wagen, dabei aber auch nicht vergangenheits- oder geschichtsvergessen sein, weil Gegenwart und Zukunft sich immer auch im Horizont des Vergangenen ereignen. Eine solchermaßen hörende Religionspädagogik macht sich bewusst: die Zukunft ist schon da. Sie überschreitet aus den an sie herangetragenen Anforderungen fachspezifische Selbstbeschränkungen, Sach- und Fachgrenzen, und nimmt ihre Rolle als Trägerin der Theologie in der Gesellschaft wahr und ernst. In ihrer Antwortsuche geht sie über konfessionelle Grenzen hinaus, beschränkt sich nicht auf Alters- oder institutionelle Gruppen, sondern blickt nach vorne auf die Frage, was religiöse Bildung in der Gegenwart und für die Zukunft bedeutet. Was braucht die Welt, was braucht die Theologie? Religionspädagogik sitzt gleichsam an einem Scharnier der Übersetzung.“ (7f.) Zurecht heißt es im Vorwort: „Die Welt hat deutlich wahrnehmbare Risse, und so das Leben, das Leiden und die Fragen, die sich daraus ergeben. In dieser Ambivalenz, im In-Between, ist Begegnung möglich. Die Außenperspektive ermöglicht bildende Irritation, erzeugt Kritik, Kreativität und hohe Wertschätzung. Und Religion? Angesiedelt zwischen Sterbeverlängerung und Hoffnungshorizont, ausgestreckt zwischen Pandora und Prometheus, zwischen Autonomie und Aufklärung, zwischen Tugend und Kritik öffnet sie aktuell, wie es scheint, ganz besonders den Sinn für Ungerechtigkeit sowie den Sinn für das Fragment. Der Transzendenzbezug prägt sich hingegen eher schwach aus im Spiegel des interdisziplinären Dialogs, doch ohne ihn wäre die Begegnungszone, der sich öffnende Raum zwischen den Disziplinen und Orientierungen, gar nicht betretbar.“ (10f.) Besonders hervorzuheben sind die Aufsätze „Religiöse Bildung im Prozess der Digitalisierung. Problemlagen – Aufgaben – Perspektiven“ von Bernd Schröder, „‘What do we want? Climate Justice!‘ Klimagerechtigkeit als gesellschaftliche und (religions-)pädagogische Herausforderung“ von Claudia Gärtner und „Konturen religiöser Bildung in der Gegenwart: Grundlegungen“ von den Herausgeberinnen sowie David Novakovits und Karin Peter.

In der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07139-5) haben Antje Roggenkamp und Johannes Wischmeyer den innovativen Band Religiöse Bildung im langen 19. Jahrhundert herausgegeben, der Spannungsfelder, Orte, Medien und Berufsprofile beleuchtet. In ihrem Vorwort erklären sie: „Das »lange« 19. Jahrhundert – die Epoche zwischen dem Ausbruch der französischen Revolution 1789 und dem Beginn des ersten Weltkriegs 1914 – bleibt, über allen Konjunkturwandel hinweg, ein zentrales Thema der historischen Bildungsforschung ebenso wie der Religions- und Theologiegeschichte. Der britische Universalhistoriker Eric Hobsbawm, der seit den 1960er Jahren das Konzept des >langen< 19. Jahrhunderts entwickelte, stellt die Periode als Übergang zwischen der von absolutistischer und feudalistischer Herrschaft geprägten Frühen Neuzeit und dem Übergang zu demokratischen und populistischen Mustern von Gesellschaft und Politik im Gefolge des Ersten Weltkriegs dar. Hobsbawms Konzept wurde in der Folgezeit vielfach aufgegriffen und in den letzten Jahrzehnten vor allem auf dem Feld der transnationalen und der Globalgeschichte weiterentwickelt. Während des langen 19. Jahrhunderts wurden auf dem Feld der religiösen Bildung und Erziehung Argumente, Narrative und Institutionen geprägt, die bis heute für die europäischen Gesellschaften handlungsorientierend sind. Dynamiken wie Säkularisierung und Rationalismus, Nationenbildung und Demokratisierung, aber auch die Hinwendung zur Historizität von Religion und Kultur kennzeichnen die Epoche ebenso wie globale gesellschaftliche Transformationsprozesse infolge von Industrialisierung, demographischer Veränderungen und globaler Migration.“(7) Der Band intendiert, aktuelle Einblicke in die Veränderungen und Modernisierungsschübe auf dem Feld religiöser Bildung und Erziehung während des 19. Jahrhunderts zu bündeln und bei zentralen Themen zu Vergleichsperspektiven zu gelangen: „Die folgenden vier Leitperspektiven – 1. das Spannungsfeld von Nation und Konfession, 2. Orte, 3. Medien und Themen sowie 4. Berufsprofile religiöser Bildung und Erziehung – sind als ein Angebot innovativer Zugänge für aktuelle und künftige Forschungen zum langen 19. Jahrhundert gedacht, die im Idealfall dazu führen können, dass einzelne Projekte und Erkenntnisziele noch deutlicher aufeinander bezogen sind und wechselseitig voneinander profitieren.“(10) Thomas Böhme, Bianca Kappelhoff und Juliane Ta Van zeichnen als Herausgebende verantwortlich für den im Waxmann Verlag (ISBN8309-4432-4) erschienenen Band Zur Zukunft religiöser Bildung in Europa, der unter anderem lesenswerte Beiträge enthält von Stefan Hermann zu „Kooperation schafft Zukunft: ALPIKA – mehr als ein historisches Fossil!“, Michael Jacobs zu „Von der schulinternen Lehrerlnnenfortbildung zur transnationalen Kooperation. Beiträge des Comenius-Instituts zur Entwicklung evangelischer Schulen aus 30 Jahren“, Stefan Drubel zu „Evangelische Jugendbildungsarbeit in und für Europa. Freiwilliger Friedensdienst und Partizipation junger Menschen", Dirk Oesselmann zu ,,Bildungsarbeit als prophetisch-befreiender Prozess. Religiös-spirituelle Spuren in der Pädagogik Paolo Freires im Licht grundlegender Herausforderungen in der globalen Gesellschaft“, Henning Schluß zu ,,Pädagogik zwischen Erderwärmung und Hoffnung", Mouhanad Khorchide zu ,,Der islamische Religionsunterricht zwischen religiöser Bildung und der Identitätsfrage junger Musliminnen und Muslime in Deutschland', Silke Leonhard zu „Learning with Religion“ und Friedrich Schweitzer zu „Gegen die Marginalisierung religiöser Bildung. Internationaler Wissenstransfer in der Religionspädagogik und seine Bedeutung für die Zukunft religiöser Bildung in Europa“. Religiöse Bildung bis 2030: Hürden und Chancen lautet der von Abdel-Hafiez Massud und Christian Hild im Verlag Empirische Pädagogik e.V. Landau (ISBN 944996-76-9) herausgegebene Sammelband in der neuen Reihe „Religion und Kommunikation in Bildung und Gesellschaft“, der sich einerseits mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Religionspädagogik und -didaktik auseinandersetzt, und andererseits eine theoretische und operationalisierbare Perspektive auf den bevorstehenden Zeitabschnitt bis 2030 aufzeigen möchte. Er enthält folgende Beiträge: „Sandra Anusiewicz-Baer unternimmt einen Antwortversuch auf folgende Frage, die zugleich den Beitragstitel darstellt: Was sagt das Judentum zu Homeschooling? Thomas Bergholz gibt mit seinem Beitrag Pandemie und Publikumisierung – Traditio(n) und cross-mediale Gottesdienste unter Corona-Bedingungen einen Einblick in die gottesdienstliche Praxis, die aufgrund der Pandemie vor enorme Herausforderungen gestellt wird. Sina Diehl und Florian Karcher stellen in ihrem Beitrag Gemeinde als Ort religiöser Sozialisation und Bildung für Jugendliche – Jugendglaubenskurse als Antwort auf den Rückgang „klassischer" religiöser Sozialisation Überlegungen an, wie dem Rückgang religiöser Sozialisation in Familien und der steigenden religiösen Indifferenz bei Jugendlichen entgegengewirkt werden kann. Raphael Döhn wählt für seinen Beitrag Corona und die Theodizeefrage. Reflexionen im Hinblick auf Theologie und Religionsunterricht einen systematisch-theologischen und einen religionspädagogischen Zugriff, worauf er den Fokus setzt. Helmut Eisel und Kerstin Klaholz nähern sich der Klezmermusik als Schnittstelle für Religionen, Bildung und Gesellschaft. Horst Heller entfaltet vor dem Hintergrund des Lockdowns im Frühjahr 2020 Chancen und Grenzen von (digitalem) Distanzlernen – oder Bildung, wenn die Schule geschlossen ist. Christian Hild hebt die Bedeutung des Religionsunterrichts in der Corona-Pandemie hervor, indem er danach fragt, wie Religiöse Sprachfähigkeit in der Corona-Krise durch intralinguale und intersemiotische Übersetzung von Krisenvokabular ermöglicht werden kann. Sascha Jahn greift in seinem Beitrag Zwischen Konflikt und Komplementarität – Perspektivische Erwägungen zur religiösen Bildung in einem zunehmend MINT-geprägten Schulsystem neuerliche Zweifel an der Existenzberechtigung des Religionsunterrichts in dem zunehmend naturwissenschaftlich geprägten deutschen Bildungssystem auf. Konstanze Kemnitzer und Matthias Roser geben in ihrem Beitrag Immersion - praktisch-theologische Überlegungen zunächst einen Einblick in die Bedeutung des Begriffs und dem in zahlreichen wissenschaftlichen Zusammenhängen erforschten Phänomen der Immersion, um dann den Fokus auf Immersion in biblische Texträume als praktisch-theologische Grundbewegung zu richten. Georg Langenhorst richtet sich gegen „learning from religion" als einseitige Schwerpunktsetzung des konfessionellen Religionsunterrichts und stellt in seinem Beitrag „learning in religion ". Religionspädagogische Herausforderungen auf eine marginalisierte Fragestellung die These auf, dass bei einem Verzicht von Elementen eines „learning in religion" der Religionsunterricht nicht mehr als konfessionell bezeichnet werden könne. Klaus König und Ulrich Kropač richten sich gegen „learning in religion" als Lernvorgabe des konfessionellen Religionsunterrichts. In ihrem Beitrag „learning from religion". Religionspädagogische Herausforderungen im Blick auf eine Existenzfrage des Religionsunterricht – eine Replik auf Georg Langenhorst stellen sie Anfragen und Probleme zusammen, die sich durch eine Beibehaltung von „leaming in religion" im Religionsunterricht ergeben. Volker A. Lehnert setzt sich in seinem Beitrag „In der Welt habt ihr Bedrückung ... " (Joh 16,33). Theologische Aspekte einer Religionspädagogik in Krisenzeiten mit Unterrichtsthemen auseinander, die in Zeiten der Krise im Allgemeinen und der Corona-Pandemie im Speziellen geeignet sein können. Abdel-Hafiez Massud setzt sich in seinem Beitrag „Die Islamische Religionslehre von morgen – Zum „5-A-Konzept" der Islamdidaktik" mit der Frage auseinander, wie die islamische Religionslehre zwar konfessionell bleiben kann, aber sich ständig in alle Richtungen schadlos offen zeigt, um die Voraussetzungen dafür zu erfüllen, auch im pluralen demokratischen Kontext anzukommen. Florian Mayrhofer weist Visuelles Storytelling mit Selfies als digitale Bildpraktik im Religionsunterricht als ein zukunftsorientiertes Lehr-Lern-Arrangement aus. Karlo Meyer setzt sich in seinem Beitrag Ein Blick auf Europa: Staatliche Systeme und bürgerschaftliche Dynamik zum Unterricht in Religion mit vielfältigen Varianten des Religionsunterrichts in Europa auseinander. Eine beeindruckende Geschichte christlicher Liturgie, Bildung und Spiritualität bietet Christian Grethlein in seinem bei De Gruyter (ISBN 11-075492-6) erschienenen Studienbuch Christliche Lebensform. Der Autor erklärt zurecht im Vorwort: „Wir leben in einer Zeit der Übergänge. Bisher Selbstverständliches in der Lebensführung etwa hinsichtlich Partnerschaft, Erwerbsarbeit, Ernährung, Mobilität oder Wohnform wird diskutiert und steht regional sowie global zur Disposition. In einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft entsteht dadurch die Notwendigkeit für die Einzelnen, die Gestaltung ihres Lebens zu reflektieren und eventuell neu auszurichten, also zu verantworten. Es geht um die angemessene Lebensform. In dieser Situation genügt es für Kirchenorganisationen nicht, bisher – angeblich – Bewährtes zu bewahren und nur fortzusetzen. Denn ihre Aufgabe ist es, die Menschen angesichts der besonderen Herausforderungen in der Gegenwart dabei zu fördern, ihr Leben als Christen und Christinnen zu gestalten. (…) Was Christsein bedeutet, tritt heute vielfach hinter veraltete Organisations- und Kommunikationsformen zurück und wird so nicht zuletzt für jüngere Menschen unkenntlich.“ (IX) In dieser Situation möchte das vorliegende Buch „Klarheit schaffen und die christliche Lebensform verständlich darstellen, also die Kommunikationen des Evangeliums im gemeinschaftlichen Feiern (Liturgie), Lehren und Lernen (Bildung) sowie gegenseitigen Helfen (Spiritualität). Dies soll eine Grundlage sein für die vor uns liegende Aufgabe, die Gemeinschaftsformen neu zu gestalten, in denen sich die christliche Lebensform jenseits der heutigen staatsanalogen Institutionalisierung verwirklicht. Dazu muss ich die Genese und geschichtliche Entwicklung der herkömmlich in den verschiedenen Disziplinen der Praktischen Theologie behandelten Kommunikationen rekonstruieren. Die dabei begegnenden Kontextualisierungen der vom Auftreten, Wirken und Geschick Jesu von Nazareth ausgehenden Impulse machen auf die Notwendigkeit aufmerksam, diese immer wieder neu Gestalt gewinnen zu lassen. (…) Eine solche „Geschichte christlicher Liturgie, Bildung und Spiritualität" verhindert ein unreflektiertes „Weiter so wie bisher", das de facto nur frühere Kontextualisierungen auf Dauer stellt und die Auseinandersetzung mit sich gegenwärtig stellenden Aufgaben verfehlt. Auf jeden Fall ist ein solcher geschichtlicher Rückblick unerlässlich für eine theologisch verantwortete Praxis. Dazu macht er nicht nur gelassener gegenüber dem anstehenden Wandel, sondern eröffnet auch mitunter neue, anregende Einsichten für heutige Praxis.“ (IXf.) Spannend und diskussionswürdig sind zudem die im letzten Kapitel genannten Herausforderungen der Zukunft: „Christsein gestaltete sich von Anfang an pluriform. Menschen leben in bestimmten, sich im Laufe der Zeit verändernden politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten. Als Christen und Christinnen haben sie sich mit ihnen auseinanderzusetzen – und dies vollzieht sich je nach konkreter Lebenssituation unterschiedlich, teils in Adaption des Bestehenden, teils in Kontrast zu ihm. Die über lange Zeiten hin erfolgten Versuche, Christsein zu uniformieren, hatten insgesamt nur wenig Erfolg. Von Klerikern dogmatisch festgesetzte Lehrsätze erreichten wohl die meisten Menschen nicht, die sich in ihrem Lebenskampf anderweitig orientierten. Die Abwehr von Missernten, die Überwindung von Krankheit, Epidemien, Armut u. Ä. waren wichtiger als Spekulationen etwa zu Trinität. Umgekehrt rüttelten immer wieder neue Aufbrüche die Menschen auf, sei es durch Wallfahrten und Pilgern, in neuen Gemeinschaften, bei gemeinsamen Aktionen für Arme o.Ä. Die Frage nach der Lebensform erweist sich dabei jeweils als dringlich. Lange Zeit wurde sie durch klerikale Bevormundung und/oder obrigkeitliche Gewalt domestiziert, doch ohne dauerhaften Erfolg. Zugleich gab es aber von Anfang an Verhaltensweisen von Christen, die anderen auffielen. So setzten – wie pagane Beobachter erstaunt notierten – die Christen keine Kinder aus. Der Glaube an Gott als Schöpfer des Lebens zeigte sich hier ganz praktisch. Auch heute bildet er die Grundlage für die christliche Lebensform. Angesichts der gegenwärtigen ökologischen Situation kann dann formuliert werden: Christen achten darauf, dass andere Menschen mit und neben ihnen sowie nach ihnen gut leben können. Viele übliche Verhaltensweisen, angefangen von der Mobilität über Ernährungsgewohnheiten bis hin zur Wirtschaftsform, sind von daher kritisch zu überprüfen und zu revidieren. Dabei helfen Einsichten aus den verschiedenen Wissenschaften. (…) Zu den demnach erforderlichen tiefen Einschnitten und Veränderungen in der Lebensführung vieler Menschen macht das Wissen um den Wandel der Gestaltung christlicher Lebensform im Lauf der letzten zweitausend Jahre Mut. Auf jeden Fall ist die Maxime der Achtsamkeit auf die, die mit und neben uns leben sowie die nach uns kommen, für Christen grundlegend. Denn sie glauben an Gott als guten Schöpfer der Welt und aller Menschen. Damit sind gewisse Umgangsformen mit den Mitmenschen verbunden, die nach christlicher Einsicht einen gemeinsamen Vater haben. Ein wirkmächtiger Text wie Mt 25,31-46 orientiert bis heute auch materialiter: Speisen von Hungrigen und Durstigen, Aufnehmen von Fremden, Kleiden von Armen, Besuchen von Kranken und Gefangenen sind nach wie vor aktuelle Ausdrucksformen der christlichen Lebensform. In der Anrede des Vaterunsers bekennen sich Christen als Geschwister, also als Menschen, bei denen Über- und Unterordnungen nur funktional begründbar und damit jederzeit revidierbar sind. Theologisch wird dies für die christliche Kirche im biblisch begründeten Konzept des allgemeinen Priestertums formuliert. Der Aufschwung formaler Bildung durch langjährigen Schulbesuch in vielen Ländern gibt für dessen Verwirklichung in der Praxis heute eine fundierte Basis. Aus der Antike ebenso wie aus der mittelalterlichen Ständegesellschaft stammende Hierarchien sind von daher überholt. Die christliche Lebensform erfordert keine durch Weihe oder Ordination hervorgehobenen Bischöfe, Priester und Pfarrpersonen. Sie benötigt Menschen, die immer wieder die Impulse erinnern, die vom Auftreten, Wirken und Geschick Jesu ausgehen und diese dann mit anderen kritisch auf gegenwärtige Herausforderungen beziehen. ,,Evangelium" ist nämlich ein Kommunikationsgeschehen unter Gleichberechtigten, das durch Inklusivität und Ergebnisoffenheit gekennzeichnet ist. Die daraus erwachsende Lebensform hat – jenseits alltagsweltlich nicht mehr plausibler und die Kommunikation des Evangeliums behindernder (Kirchen-)Spaltungen – ihre ökumenische, d. h. den ganz Erdkreis umspannende Zukunft noch vor sich. In dieser Perspektive sind die Erhaltung der Schöpfung sowie die gerechte Verteilung der Güter auf dieser Erde untrennbar miteinander verbunden. Das allen Menschen geltende Angebot, Gott mit „Vater unser" anzusprechen, steht der etablierten Trennung zwischen reichen und armen Ländern ebenso entgegen wie der Präferierung bestimmter Altersgruppen. Christinnen und Christen können, dürfen und müssen sich damit nicht abfinden.“ (264ff.) Die Richtungsanzeige der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend für die vernetzende Steuerung evangelischer Bildung Religiöse Bildungsbiografien ermöglichen ist in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07112-8) erschienen. In der Einleitung heißt es zum Thema: „Menschen bilden sich. Sie tun dies in informeller Weise, in non-formalen Kontexten und – zumal in einer „Bildungsgesellschaft" wie der bundesrepublikanischen – in immer größerem Umfang im Rahmen formaler Bildung, also in eigens darauf spezialisierten Institutionen von der Kindertagesstätte bis zur Seniorinnen- und Seniorenbildung. Im Prozess ihrer Bildung erwerben sie zahlreiche Schul-, Berufs- und Studienabschlüsse - ganz zu schweigen von Schwimm- und Sportabzeichen, Führerschein und zertifizierten oder nicht-zertifizierten Kompetenzen in Musik, Kunst und Politik oder von ehrenamtlichem Engagement. Im Medium von Bildung entscheiden sie über ihren Lebensweg, dokumentieren sie ihren Lebenslauf, entwerfen sie ihre Biografie. Auf ganz unterschiedliche Weise formen Menschen – bewusst wie unbewusst – eine Bildungsbiografie. In ihrer Bildungsbiografie kommen sie als Menschen zum Ausdruck und zur Geltung. In Bildungsbiografien spielt auch Religion eine Rolle – für manche nur als Antifolie oder Leerstelle, für viele als Thema, als Motivation und Orientierung, als Raum und Horizont ihrer Bildung. Religion kommt in der Bildungsbiografie von Menschen zumeist in Gestalt konkreter Religionen zum Tragen, etwa in Gestalt des Christentums orthodoxer, katholischer oder evangelischer Prägung, bisweilen auch in abstrakter Form als Reflexion auf Horizonte, Sinn und unbedingten Grund des Lebens. Nicht immer, aber auch nicht selten ergeben sich so religiöse Bildungsbiografien. Institutionen und Personen, die Unterricht, Erziehung und Bildungsmöglichkeiten verantworten, finden die (religiösen) Bildungsbiografien der „Teilnehmenden" immer schon vor. Niemand kommt als unbeschriebenes Blatt in eine Kindertageseinrichtung, Schule, Gemeinde oder Einrichtung der Erwachsenenbildung. Keineswegs immer jedoch haben die Akteurinnen und Akteure, die Unterricht, Erziehung und Bildungsmöglichkeiten verantworten, die Bildungsbiografien der Teilnehmenden vor Augen, und keineswegs immer haben sie deren Wahrnehmung und Förderung zum Ziel. Im Blick auf evangelisch verantwortete Bildungsarbeit plädiert der vorliegende Text nicht nur dafür, Bildungsbiografien von (potenziell) Teilnehmenden wahrzunehmen und im Medium christlicher Religion zu fördern, sondern dafür religiöse Bildungsbiografien zu ermöglichen. Evangelische Bildungsarbeit kommt demnach zum Ziel, wenn Menschen sich ermutigt sehen, ihre religiöse Bildungsbiografie als solche wahrzunehmen, sie zu gestalten und dank ihrer zu handeln bzw. Verantwortung zu übernehmen. Weder die Öffentlichkeit noch die Kirche oder Kirchengemeinde, sondern die vielen Einzelnen und ihre Bildungsbiografien mit den Erfahrungen aus ihrer bisherigen Lebensführung und -deutung stehen demnach im Fokus bildsamer Arbeit. Sie bringen (religiöse) Bildungsbiografien mit (derer sie sich bisweilen erst bewusst werden), sie suchen darin Förderung und bedürfen in Kontexten, die wenig Raum zur Selbstreflexion bieten oder wenig explizit religiöse Impulse freisetzen, der Anregung von außen. Evangelisch verantwortete Bildungsarbeit will und kann diese ermöglichen. Für diese Richtungsanzeige wirbt dieser Text unter all jenen, die konzeptionelle Verantwortung in diesem Arbeitsfeld übernehmen.“ (9f.)

Andrea Dietzsch und Stefanie Pfister haben im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag als UTB (ISBN 8252-5653-1) das hilfreiche Buch Digitaler Religionsunterricht. Fachdidaktische Perspektiven und Impulse veröffentlicht. Es will „empirische Erkenntnisse, praktische Erfahrungen und theoretische Reflexionen miteinander diskutieren, um Impulse für eine Didaktik des digitalen Religionsunterrichts zu formulieren.“ (9) Im Zentrum steht die Frage: „Wie können Lernprozesse im digitalen Format des Religionsunterrichts gelingen? Diese Leitfrage wird in Kapitel 1 im Rahmen terminologischer Klärungen und der Diskussion des Forschungsstandes präzisiert und differenziert und wird in drei Hauptteilen bearbeitet: Im ersten Hauptteil (Kapitel 2-4) wird digitaler Unterricht, wie er während der ersten Schulschließung (März-Juni 2020) stattgefunden hat, aus Perspektive der Schüler:innen beschrieben. Dabei werden die Ergebnisse ausgewählter Studien über die Lernendenwahrnehmung im digitalen Unterricht anderer Fächer (Kapitel 2) mit denen einer qualitativen Studie im digitalen Religionsunterricht (Kapitel 3) diskutiert mit dem Ziel, Impulse für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht aus Perspektive von Lernenden zu formulieren (Kapitel 4). Im zweiten Hauptteil werden fachdidaktische Impulse aus Perspektive der Lehrenden entwickelt. Der Blick in die Praxis stellt in Kapitel 5 erprobte Best-Practice-Beispiele aus unterschiedlichen Schularten und Klassenstufen vor und reflektiert sie hinsichtlich der Frage, wie Lehrende Lernprozesse im digitalen Format gestalten, die sie für gelungen erachten, weil sie annehmen (oder überprüften), dass Schüler:innen durch sie einen Lernertrag verzeichnen konnten. Die jedem Kapitel angefügten Arbeitsfragen ermöglichen auch eine hochschuldidaktische Umsetzung, da hier Lehrende und Studierende die Methoden erproben, reflektieren, evaluieren und modifizieren können. Eine Online-Erweiterung ergänzt dieses Kapitel, sodass die vorgestellten Best-Practice-Ideen Praktiker:innen in stets aktualisierter Form zur Verfügung stehen. In Kapitel 6 werden aus diesen Beispielen Impulse formuliert, wie Lernprozesse aus Perspektive der Lehrenden gelingen können. Im dritten Hauptteil werden in Kapitel 7 die Wahrnehmungen von Religionsschüler:innen und Religionslehrer:innen ebenso dargestellt und vergleichend analysiert wie deren unterschiedliche Gewichtung, Ideen oder Intentionen. Außerdem wird formuliert, welche Faktoren Lernende und Lehrende für gelingende Lernprozesse im Religionsunterricht im digitalen Format im Gegensatz zum Religionsunterricht in Präsenz formulieren. In Kapitel 8 werden die im digitalen Religionsunterricht empirisch belegten Kriterien für gelingende Lernprozesse mit den Qualitätskriterien diskutiert, die die empirische Bildungsforschung im Präsenzunterricht anderer Fächer validieren konnte, um aufzuzeigen, inwiefern sie übereinstimmen oder ob sie aufgrund des Settings (digital versus Präsenz) bzw. des Faches erweitert werden müssen. In Kapitel 9 werden Thesen für eine Konzeption einer Didaktik des digitalen Religionsunterrichts formuliert. Damit möchte unsere Arbeit einen Beitrag zur Konzeption einer Didaktik des digitalen Religionsunterrichts leisten und Impulse für eine allgemeine Didaktik des digitalen Unterrichts geben. Schließlich wagt Kapitel 10 einen Rückblick und zugleich einen Ausblick – in Form von Perspektiven für eine Didaktik des Religionsunterrichts in Präsenz.“ (9f.)

In der bewährten Reihe „Religionspädagogik innovativ“ sind im Verlag W. Kohlhammer drei wichtige Bände erschienen: Zum einen der von Annegret Reese-Schnitker, Daniel Bertram und Dominic Fröhle herausgegebene Gespräche im Religionsunterricht. Einblicke – Einsichten – Potenziale (ISBN 17-038166-7), der die Analysen und Interpretationen von über mehrere Jahre hinweg aufgezeichneten 63 Stunden Religionsunterricht mit 351 Unterrichtsgesprächen enthält. Das Buch möchte in drei Teilen, „gemäß den ankündigenden Schlagworten des Untertitels, Einblicke in das Thema und den Forschungsstand zu Unterrichtsgesprächen im religionsunterrichtlichen Kontext geben (Teil A), das Forschungsvorhaben, die Durchführung und vor allem die Einsichten der Kasseler Unterrichtsgesprächsstudie vorstellen (Teil B) und, darauf aufbauend, Hinweise und praktische Arbeitshilfen zur Verfügung stellen, um Potentiale für religionsunterrichtliches Handeln herauszustellen (Teil C). Es war eine bewusste Entscheidung während des Entstehens dieses Bandes, der Unterrichtsstudie einen ersten Teil vorzuschalten, in dem das Unterrichtsgespräch im religionspädagogischen Kontext von unterschiedlichen Autor_innen unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven beleuchtet wird. Verschiedene Beweggründe dafür sind zu nennen. Eine solche Konzentration von Beiträgen zum Thema unterrichtlicher Kommunikation gibt es bisher nicht. Zudem war es uns ein Anliegen, dadurch Relevanz und Potential der Fragestellung unserer Studie zu Unterrichtsgesprächen mindestens implizit aufweisen zu können. Und schließlich zeigt die Breite der Perspektiven, dass Unterrichtsgespräche ein komplexes Forschungsfeld sind. Neben unserer Studie, die ein facettenreiches, aber begrenztes Bild von Gesprächen im Unterricht reflektiert, sind vielfältige andere Zugänge und Perspektiven möglich, die wir exemplarisch abbilden möchten.“ (9f.) Die Herausgebenden schreiben ferner in ihrer Einleitung: „Dem Forschungsprojekt lagen zu Beginn drei Annahmen zugrunde. (1) Zunächst stellten wir fest, dass Gespräche im Religionsunterricht bisher (zu Unrecht) unzureichend religionspädagogisch-hermeneutisch reflektiert, das heißt auch in den religionspädagogischen Diskurs eingebunden wurden. Wir freuen uns daher ausdrücklich, dass wir Autor_innen gewinnen konnten, die durch ihre Beiträge die Bedeutung und Chancen von Unterrichtsgesprächen bezeugen. (2) Außerdem konstatierten wir, dass die empirische Unterrichtsforschung in der Religionspädagogik in den letzten Jahren schrittweise gewachsen ist, einige höchst aufschlussreiche Studien zur Unterrichtspraxis vorliegen und dennoch immer noch begrenzt ist. Eine empirische Vergewisserung hinsichtlich religionsunterrichtlicher Kommunikation stellt bis heute ein Desiderat dar. (3) Auch in der Schulpraxis sind deutliche Leerstellen zu erkennen. Unterrichtsgespräche werden im Religionsunterricht häufig eingesetzt, deren Potentiale für das Lernen jedoch nur unzureichend genutzt. Diese Annahmen haben wir als Herausforderungen verstanden, denen wir mit diesem Buch begegnen wollen. Wir hoffen, damit auch den Erwartungen der Lesenden gerecht zu werden, ihnen einen realitätsnahen Einblick in den von uns videografierten Unterricht zu gewähren, zentrale Erkenntnisse zur Relevanz von Unterrichtsgesprächen zu präsentieren und vor allem sie von dem besonderen Potential eines schülerorientierten, interaktiven und dialogischen Lernens durch Gespräche im Religionsunterricht zu überzeugen. Die Forschenden sollen motiviert werden, das Thema weiterhin in ihrer Forschungsarbeit qualitativ und quantitativ kritisch reflektiert und praxisnah zu begleiten. Den Lehrenden möchten wir eine Hilfe in die Hand geben, die mitunter verborgenen Potentiale des eigenen Unterrichts zu finden, wertzuschätzen und zu nutzen.“ (13) Dies ist hervorragend gelungen! Als zweiter Band ist die umfangreiche Paderborner Dissertation Paradoxien entfalten und bearbeiten. Beobachtungen zu Differenzierungspraktiken in der Religionspädagogik (ISBN 17-042479-1) von Norbert Brieden anzuzeigen. Der Autor schreibt über Grundlagen, Vorgehensweise und Ziele seiner anspruchsvollen Arbeit: „Welche Aussagen konstruktivistischer Theorieangebote eignen sich eigentlich dafür, Lehren und Lernen in Bezug auf das weite Feld der Religion zu beschreiben? Und weiter: Welche religionsdidaktischen Ansätze ließen sich durch konstruktivistische Theoriebausteine besser begründen, tiefer verstehen, präziser fundieren? Wäre eine derart konstruktivistisch fundierte Religionsdidaktik dann lediglich eine Stimme in der Vielfalt religionsdidaktischer Perspektiven, oder käme ihr das Privileg einer „grundlegenden" Religionsdidaktik zu, die verschiedene Dimensionen, wie etwa die interreligiöse, die performative oder die kompetenzorientierte, zielgerichtet miteinander verbände bzw. voneinander abgrenzte? Oder wäre sie darüber hinaus in der Lage, unterschiedliche didaktische Strukturen, wie die problemorientierte, die symboldidaktische, die traditionserschließende und die religionsdialogische, genauer aufeinander zu beziehen? Dürfte sie damit gar den Status einer religionsdidaktischen Konzeption beanspruchen, obwohl ein „breiter Konsens" darüber zu bestehen scheint, dass in unserer Zeit „großangelegte Theoriegebäude" nicht „pluralitätsfähig und flexibel" genug für die Aufgabe sind, ,,auf die vielfältigen, je konkreten Anforderungen des religionsdidaktischen Praxisfeldes reagieren zu können"? Wäre ein solcher Anspruch dann möglich, wenn Unabgeschlossenheit, Perspektivenvielfalt und Flexibilität zentrale Bausteine einer solchen konstruktivistischen Religionsdidaktik sind? Aber wie lässt sich das in der theoretischen Beschreibung selbst durchhalten? In diesem Buch geht es mir darum, im Rückgriff auf Theorieelemente verschiedener konstruktivistisch argumentierender Wissenschaftler*innen das Fundament für eine solche konstruktivistische Religionsdidaktik in der Form der Unterscheidung zu legen, die alle Differenzierungspraktiken begründet und unweigerlich zu Paradoxien führt, die dann wiederum beobachtungstheoretisch entfaltet und konstruktivistisch bearbeitet werden können. Ob diese Fundierung bereits ausreicht, um eine solche Didaktik als eine grundlegende Religionsdidaktik oder gar als weitausholende Konzeption zu etablieren, sei dem Urteil der Leser*innen überlassen. Jedenfalls sind meine Überlegungen damit eindeutig der religionsdidaktischen Grundlagenforschung zuzuordnen, und zwar zum einen dem Format „Religionsdidaktische Konzeptbildung", das auf Theologie und die Bildungswissenschaften zurückgreift, hier um das hermeneutische Potential konstruktivistischer Theorien zum Verstehen religiöser Lehr- und Lernprozesse zu plausibilisieren, zum anderen aber auch das Format der Forschung zu den „Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts", insofern religiöse und theologische Denkformen soziologisch-systemtheoretisch erörtert werden. Damit kommt zugleich auch das Forschungsformat „Religionsdidaktische Wissenschaftstheorie" ins Spiel, weil philosophisch-wahrheitstheoretische Diskurse z.B. religionsdidaktische Reflexionstypen formatieren.“ (15f.) Zum Aufbau des Buches heißt es: „Einleitend möchte ich den Horizont der vielfältigen Deutungsansätze abschreiten, in den hinein ich meine Überlegungen verorte. In einem ersten Schritt möchte ich zeigen, wodurch eine Argumentation als „konstruktivistisch" charakterisiert werden kann: Durch welche Eigenschaften ließe sich eine solche Redeweise von welchen anderen sinnvoll differenzieren? Hier geht es darum, im weiten Panorama konstruktivistischen Denkens vier Fixpunkte zu markieren – als markante Gipfel innerhalb dieses Panoramas (1). In einem zweiten Schritt stehen pädagogische Ableitungen konstruktivistischer Argumentationen im Vordergrund: Welche Bedeutung haben sie für ein konstruktivistisches Verständnis von Lehr- und Lernprozessen (2)? In einem dritten Schritt stelle ich exemplarisch die vielfältigen Resonanzen vor, die konstruktivistisches Denken in Theologie und Religionspädagogik gefunden hat: Wie lässt sich der Glaube an Gott in einem konstruktivistischen Rahmen verstehen, der die Aktivität von Subjekten in ihren Konstruktionen von Gottesbildern betont (3)? Davon ausgehend stellt ein vierter Schritt die Vorgehensweise und Gliederung dieses Buches in den drei weiteren Kapiteln vor (4).“ (16f.) Der Band mündet unter anderem in die ansprechende Zielformulierung für Religionsunterricht und Katechese „Lernen, das Leben als Wunder zu sehen“. (449) Den dritten Band bildet die bundesweite empirische Untersuchung unter Studierenden der Theologie Studium und Religionsunterricht (ISBN 17-042104-2) von Ulrich Riegel und Miriam Zimmermann. Im Vorwort zu ihrer äußerst verdienstvollen Studie diagnostizieren sie zurecht: „Sowohl das Studium der Theologie als auch der Religionsunterricht stehen gesellschaftlich unter Druck. Bezogen auf die gesamtgesellschaftliche Situation schlagen sich die vielfachen Säkularisierungsprozesse u.a. auf die Zahlen der Mitglieder der beiden großen christlichen Kirchen nieder. Gehört im Moment noch knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung entweder der evangelischen Landeskirche oder der römisch-katholischen Kirche an, werden es im Jahr 2060 wahrscheinlich nur noch ein Drittel sein. Zusätzlich unterläuft der Umgang vor allem der katholischen Kirche mit dem sogenannten „Missbrauchsskandal" die Glaubwürdigkeit beider kirchlicher Institutionen. Gleichzeitig wird vor allem die Präsenz muslimischer Mitbürger*innen stark unter sicherheitspolitischen Aspekten diskutiert, obwohl die tatsächliche Lebensgestaltung dieser Menschen ähnlich vielfältig ist wie die ihrer christlichen Geschwister. Während Religion also gesamtgesellschaftlich nach wie vor ein Thema ist, schwindet das Verständnis für ihre institutionelle und konfessionelle Gestalt zunehmend. Ist schon die historisch gewachsene Anzahl theologischer Hochschulstandorte angesichts sinkender Mitglieder- und Studierendenzahlen kaum noch zu begründen, erscheint vor allem ihre Doppelstruktur als evangelische und katholische Theologie als aus der Zeit gefallen. Die Frage, warum es zwei Theologien geben müsse, wird nicht nur von den Hochschulleitungen immer häufiger gestellt. Analog dazu verliert der konfessionelle Religionsunterricht in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend seine Schlüssigkeit. Auch hier fragen immer mehr Menschen an, warum man die Schüler*innen nach Konfessionen trennt, wo es heute doch gerade darum geht, über religiöse Grenzen hinweg miteinander ins Gespräch zu kommen. Zudem wird faktisch in vielen Regionen ein substanzieller Teil des Religionsunterrichts im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung bereits im Klassenverband erteilt. Angesichts des geplanten „christlichen Religionsunterrichts" in Niedersachsen wird hier eine klare Richtung eingeschlagen: Dieser wird von evangelischer und katholischer Kirche gemeinsam verantwortet und sieht einen gemeinsamen Religionsunterricht ohne (konfessionellen) Lehrkraftwechsel und auch eine gemeinsame Ausbildung der Referendar*innen in den Studienseminaren vor. Verwiesen wird hierbei darauf, dass einerseits nach religionsdemographischen Modellrechnungen die Kirchenmitglieder und damit die Anzahl der getauften Kinder und Jugendlichen um rund 40 % abnehmen wird, andererseits darauf, dass viele nicht getaufte Schüler*innen dennoch am Religionsunterricht teilnehmen (werden).“ (5) Die Befragung von über 3500 (!) Studierenden der evangelischen und katholischen Theologie hat folgenden Nukleus:

„Die aufgezeigten Entwicklungen haben natürlich auch Auswirkungen auf das Studium der Theologie: Wer wählt angesichts dieser Situation (noch) das Lehramtsstudienfach evangelische oder katholische Theologie, wer will Pfarrer*in werden? Welche Einschätzung zur Bedeutung von Konfessionalität bringen diese Personen mit, was ist ihre Position zum (konfessionellen) Religionsunterricht? Sind diese Einstellungen an der Universität anschlussfähig? Mit der vorliegenden Studie wenden wir den Blick denjenigen zu, die sich auf den Weg gemacht haben, in der Gemeinde oder in der Schule das Christentum zu thematisieren, und aktuell das Studium der evangelischen oder katholischen Theologie absolvieren. Dabei leiten vor allem zwei Fragen unser Erkenntnisinteresse: Zum einen wollen wir wissen, wie die aktuelle Studierendengeneration ihr Studium erlebt. Es geht somit nicht ausschließlich um die konfessionelle Struktur dieser Studiengänge, sondern auch um die Motivation, dieses Studium aufzunehmen, und um die Erwartungen, die von dieser Generation an das Theologie-Studium gerichtet werden. Zum anderen fragen wir nach den Vorstellungen dieser Studierenden zum Religionsunterricht, den sie einmal erteilen werden. Hierbei geht es um die Bildungsziele, die dieser anstreben soll, die Rollenbilder, die für Religionslehrpersonen als angemessen erachtet werden, oder um die Organisationsform, in der Religion an der öffentlichen Schule idealerweise erteilt wird. Da dieser Unterricht auch zum beruflichen Portfolio derjenigen gehört, die in der Gemeinde arbeiten wollen, erlauben diese Fragen zugleich die Einsicht in mögliche unterschiedliche Einschätzungen dieses religiösen Lernorts der Studierenden auf Lehramt Religion und Studierenden auf Magister/Magistra Theologiae.“ (6)

Corinna Hirschberg, Matthias Freudenberg und Uwe-Karsten Plisch zeichnen als Herausgebende des im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht (ISBN 525-63409-7) erschienenen, umfangreichen Handbuch Studierendenseelsorge verantwortlich, in dem es um Gemeinden, Präsenz an der Hochschule und weiterführende Perspektiven der Hochschulseelsorge geht. Sie schreiben in ihrer Einführung zu dem grundlegenden Werk: „Evangelische Studierendengemeinden gibt es in Deutschland seit mehr als 100 Jahren. In ihrer heutigen Form sind sie kirchengeschichtlich eine unmittelbare Folge der NS-Zeit und feiern im Jahr 2022 ihr 75-jähriges Jubiläum. Gegenwärtig sind es mehr als 120 evangelische Studierenden- und Hochschulgemeinden an den einzelnen deutschen Universitäts- und Hochschulstandorten. Dennoch fehlt es bisher sowohl an einer Gesamtdarstellung der Geschichte der Studierendengemeinden als auch an einem Gesamtüberblick über ihre vielfältigen Arbeitsfelder. Selbst die Spezialliteratur zum Feld evangelischer Studierenden- und Hochschularbeit ist vergleichsweise spärlich. Dieses Handbuch gibt nun erstmals einen Überblick über die Vielfalt und den Facettenreichtum des komplexen Arbeitsfeldes evangelischer Studierenden- und Hochschularbeit. Die Aspekte ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit sind dabei stets im Blick. Bereits in der Terminologie drückt sich diese Vielfalt aus. (…) Der Vielfalt des Arbeitsfeldes trägt das Handbuch auf unterschiedliche Weise Rechnung. In insgesamt 47 Beiträgen wird die evangelische Studierenden- und Hochschularbeit aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, wobei zwangsläufig diachron entfaltet werden muss, was sich im Gemeindeleben meist synchron vollzieht. Etliche Beiträge nehmen daher aufeinander Bezug, verweisen aufeinander, deuten an, was anderswo breiter ausgeführt wird, oder nehmen Fäden auf, die an anderer Stelle gesponnen werden. Die Autor*innen nehmen dabei teils eine Außen-, teils eine Innenperspektive ein. Sie beschreiben und reflektieren die ESG-Arbeit einerseits aus eigenem Erleben und persönlicher Erfahrung, andererseits spiegeln die Artikel die Wahrnehmung evangelischer Studierenden- und Hochschularbeit aus einer kirchlichen, gesellschaftlichen und akademischen Außenperspektive.“ (11f.) Das Handbuch besteht aus insgesamt vier Abteilungen: „Die erste Abteilung Grundlegungen gibt zunächst in drei Artikeln einen Überblick über die Geschichte der Studierendengemeinden von den Anfängen bis 1990, ohne damit selbstredend eine noch ausstehende Gesamtdarstellung der ESG-Geschichte vorwegnehmen oder ersetzen zu wollen. Die gesamtdeutsche ESG-Geschichte seit 1990 spiegelt sich dagegen in den einzelnen thematischen Artikeln des Handbuches. Zur Abteilung Grundlegungen gehören weiterhin Überlegungen zur rechtlichen Organisation der Studierendengemeinden und ihrer Selbstorganisation, zum Selbstverständnis der in den ESGn Beschäftigten und der Studierenden sowie zum Hochschulumfeld mit den intensiv diskutierten Themen »Religion an der Hochschule« und »Räume der Stille«. Die zweite Abteilung widmet sich den Arbeitsfeldern der ESGn: Gottesdienst und Musik, diverse Seelsorgefelder, Arbeit mit internationalen Studierenden und Gemeinschaftsbildung, Ökumene und interreligiöser Dialog, Theologie und Begleitung von Lehramtsstudierenden der Evangelischen Theologie, soweit diese an den ESGn angesiedelt ist, Betreuung von Wohnheimen, Fundraising und Alumniarbeit. Die dritte Abteilung beschäftigt sich mit Themen, die in allen Arbeitsfeldern vorkommen können: Geistliches Leben, Medien religiöser Bildung und Kommunikation von Filmen bis Social Media, diverse Lebensentwürfe, die in den ESGn ihr Zuhause finden, Körpererfahrung und Unterwegssein, Essen und Trinken, Pilgern und internationale Partnerschaften sowie Themen, die gegenwärtig besonders aktuell sind und daher auch in den ESGn im Fokus stehen: Arbeit mit Geflüchteten und die Bewahrung der Schöpfung. Die vierte Abteilung Perspektiven wagt schließlich einen Ausblick in die Zukunft, nimmt studentische (Leitungs-)Erfahrungen auf und lässt Menschen aus Hochschule und Kirche von außen auf die ESGn blicken.“ (12f.)

 

Juliane Ta Van ist die Verfasserin der im Waxmann Verlag (ISBN 8309-4204-7) erschienenen Münsteraner Dissertation „Religion” in der Sicht von Schüler*innen. Eine qualitativ-empirische Untersuchung. Sie schreibt in ihrer Einleitung: „Welche Bedeutung hat/hatte die Religion in Ihrem Elternhaus? Kommen Sie aus einem sehr, ziemlich, weniger oder gar nicht religiösen Elternhaus?" „Bitte schätzen Sie sich ein ... Für wie ,religiös' halten Sie sich?" Fragen wie diese werden Jugendlichen seit Jahrzehnten in Studien gestellt, um ihre Religiosität und ihre religiöse Sozialisation zu erfragen. Der Aspekt „Religion" spielt dabei nicht nur etwa in den Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Rolle, sondern seit jeher auch in den umfangreichen Shell- und SINUS-Studien, mit denen die Lebenswelt junger Menschen erforscht wird. Doch ist diesen Studien in der Regel gemein, dass sie im Vorfeld keine Auskunft darüber geben, was unter „Religion" und „religiös" zu verstehen ist, so dass folglich auch offenbleibt, auf Grundlage welcher Begriffsdeutung die Befragten ihre Antworten gegeben haben. Was bedeutet für sie „Religion"? An einen Gott zu glauben? Mitglied einer verfassten Kirche zu sein? Im Hintergrund dieser Arbeit steht die Annahme, dass es ein individuelles Alltagsverständnis von „Religion" gibt, das davon geprägt ist, wie Religion im alltäglichen Leben wahrgenommen und erlebt wird. Dieses Alltagsverständnis bildet den Ausgangspunkt für weitere Modifikationen durch Reflexions- und Bildungsprozesse im Laufe des Lebens. Kurzum: Wenn Jugendliche danach gefragt werden, ob Religion in ihrem Elternhaus eine Bedeutung hat, dann ist davon auszugehen, dass sie den Begriff „Religion" für sich mit Inhalten füllen – und zwar individuell und vielfältig. Dabei bilden empirische Studien, wie sie im ersten Hauptteil dieser Arbeit vorgestellt werden, nur einen ersten Referenzpunkt. Ein weitaus wichtigerer Referenzrahmen für „Religion" in der Sicht Jugendlicher ist der Religionsunterricht. Wird der Religionsunterricht subjektorientiert verstanden, so stellt er nicht nur einen Rahmen für die Sichtweise der Jugendlichen dar, vielmehr müsste deren Verständnis von Religion zum integralen Ausgangspunkt für den Religionsunterricht werden. Doch auch hier zeigt sich ein Desiderat: Die Thematisierung dessen, was „Religion" in der Sicht von Schüler*innen bedeutet, ist z.B. im thüringischen Lehrplan für Evangelische Religionslehre nicht vorgesehen. Dieser Befund führt zum Anliegen dieser Studie „Religion" in der Sicht von Schüler*innen. Mit einer qualitativ-explorativen Untersuchung sollen erste Anhaltspunkte für diese Leerstelle gewonnen werden. Im Fokus stehen Definitionen von Schüler*innen der achten und zehnten Jahrgangsstufe. Ziel dieser Arbeit ist es, anhand ihrer spontan formulierten Definitionen ihre Sichtweisen auf „Religion" herauszuarbeiten. Dies geschieht in explorativer Art und Weise, so dass als Ergebnis der Studie kein Definitionsvorschlag für ,das‘ Religionsverständnis Jugendlicher gegeben werden kann, sondern vielmehr ein erster Eindruck von der Vielfalt und dem Facettenreichtum jugendlicher Sichtweisen vorgestellt werden soll. Auch um diese Individualität zu betonen, wird im Titel die Wendung ,in der Sicht‘ anstelle von ,aus der Sicht‘ verwendet – in der Einzelperspektive statt aus der Perspektive eines Kollektivs und zugleich werden sich Gemeinsamkeiten und häufiger oder seltener auftretende Themen und Motive herauskristallisieren, die womöglich gewisse Tendenzen erkennen lassen, auch wenn sie nicht verallgemeinerbar sind. Leitend für die qualitativ-empirische Untersuchung in dieser Arbeit ist die Perspektive: Was nehmen Jugendliche als „Religion" wahr? Was verstehen sie unter dem Begriff ,,Religion"? Zur Erforschung dieser Fragen wurden Schüler*innen der achten und zehnten Klasse in Westdeutschland (Münster) und Ostdeutschland (Eisenach, Erfurt, Gotha) befragt. Sie stammen vor allem aus Evangelischen Religionskursen, aber auch aus zwei Katholischen Religionskursen und zwei Ethikkursen, die jeweils an einer schriftlichen offenen Befragung teilgenommen haben. 427 Schüler*innen haben auf diese Weise in eigenen Worten definiert, was „Religion" für sie ganz persönlich und allgemein bedeutet. Daraus entstanden ist ein komplexes und vielfältiges, induktiv gewonnenes Kategoriensystem, das erste Impressionen der Sichtweisen Jugendlicher auf Religion wiedergibt. Doch die in dieser Arbeit entwickelte und durchgeführte Studie steht nicht für sich allein, sondern fußt auf der Rezeption einer Vielfalt von Erhebungen, mit denen, wie einleitend erwähnt, Jugendliche und ihre Verbindung zu Religion in den Blick genommen werden. Sie geben einerseits Aufschluss über Rahmenbedingungen, in denen Jugendliche leben und in denen sie Religion wahrnehmen und offenbaren andererseits auch Desiderate, die die hier vorliegende Studie aufgenommen hat.“ (9f.)

In der Tat leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs um den Religionsbegriff, „indem sie diesem eine weitere, wesentliche Perspektive hinzufügt, nämlich diejenige junger Menschen in einer zentralen Entwicklungszeit zwischen der achten und zehnten Klasse. Ihre Vorstellungen sind geprägt von ihrem Alltagswissen, zur Reflexion angestoßen durch den Religions- und Ethikunterricht und empirisch-wissenschaftlich wie theologisch-konzeptionell zu wenig gehört. Darüber hinaus wird der religionspädagogischen Praxis mit der hier vorliegenden Studie inhaltsreiches Material bereitgestellt, das zukünftige Unterrichtsreihen rund um Religion bereichern kann.“ (12). Eine dazu passende Horizonterweiterung bietet die im Matthias Grünewald Verlag (ISBN 7867-3290-7) veröffentlichte Tübinger Dissertation Was glauben eigentlich Atheisten? Ansatzpunkte für einen konstruktiven Dialog zwischen unterschiedlich (Nicht-) Glaubenden von Anna Sophie Jürgens, die folgenden Aufbau hat: „Die vorliegende Arbeit lässt sich in zwei große Teile untergliedern: einen Literaturteil und einen qualitativ forschenden Teil. Der erste Teil dieser Arbeit nähert sich zunächst behutsam den zahlreichen Facetten von Unglauben an. Dabei soll besonders darauf geachtet werden, Atheisten Atheisten und Agnostikerinnen Agnostikerinnen sein zu lassen, beides nicht unüberlegt zu vermischen und den einzelnen oder die einzelne nicht vorschnell in eine Schublade zu stecken. Denn nicht jede, die sich keiner der großen Religionen zugehörig fühlt, ist automatisch Atheistin, und nicht jeder, der sonntags nicht in die Kirche geht oder hin und wieder zweifelt, ist deshalb auch ungläubig. Auch die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung soll zur Sprache kommen, die Frage also, was Atheist*innen oder Agnostiker*innen über sich selbst denken und was die Kirche oder einzelne Gläubige über sie zu sagen haben. Um diese Diskrepanz zu überbrücken, hilft, was auch in der interreligiösen Bildung stark gemacht wird: Der Versuch, den anderen mit seinen Augen zu sehen und eigene Vorurteile erst mal zur Seite zu schieben. Nach diesem ersten Einstieg ins Thema werden drei Positionen von Atheist*innen/Agnostiker*innen behandelt, die sich mit Themen auseinandergesetzt haben, die Anknüpfungspunkte für ein Gespräch zwischen Atheismus und Religion bieten. Dabei werden unter anderem Fragen nach Ethik und Moral, Freiheit und Determinismus, nach der Entstehung der Welt und dem Sinn des Lebens aufgeworfen und diskutiert. An die Literaturarbeit schließt sich ein praktischer Teil qualitativer Forschung an. Vor dem Hintergrund der zuvor erhobenen Themen, die für ein Gespräch zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen relevant erscheinen, möchte ich mit Menschen ins Gespräch kommen, die sich selbst als Atheist*innen, Agnostiker*innen oder Nichtgläubige bezeichnen. Als Methode wurden möglichst offene, episodische Interviews gewählt, um die Gesprächspartner*innen mit ihren eigenen Schwerpunkten zu Wort kommen zu lassen und sie nicht durch zu enge Fragen in eine vorbestimmte Richtung zu drängen. Neben den schon angesprochenen Themen interessieren hier auch das Verhältnis zum Religionsunterricht oder eigene Erfahrungen mit Religionen und deren Vertreter*innen. Mindestens ebenso wichtig wie die Themen, über die gesprochen wird, ist allerdings der Dialog selbst und die Frage, wie wir konstruktiv und fruchtbar miteinander ins Gespräch kommen und voneinander lernen können.“ (10ff.) In fünf Punkten fasst die Verfasserin die zentralen Ergebnisse und Perspektiven zusammen. Nach Perspektive 1: Mut zum Zweifel, Perspektive 2: Gemeinsamkeiten stark machen – zusammen für mehr Menschlichkeit!, Perspektive 3: Mission wörtlich verstehen als „zu den Menschen geschickt sein“, Perspektive 4: Religionsunterricht dialogischer gestalten, führt die Autorin zu Perspektive 5: Kein Zwang zu Entscheidung für oder gegen den Glauben folgende Überlegungen aus: „Abschließend soll noch einmal betont werden, dass jede Form von Zwang oder Gewalt im Zusammenhang mit dem Glauben oder mit Glaubensentscheidungen entschieden abzulehnen ist. Die Interviewpartner*innen betonen immer wieder, dass sie nichts gegen den Glauben anderer Menschen haben, so lange er ihnen selbst von diesen nicht aufgedrückt oder übergestülpt wird. Gerade das „Missionieren" wurde immer wieder kritisiert, Religions- und Glaubensfreiheit sowie Toleranz haben dagegen einen hohen Stellenwert. Die fünfte und letzte Perspektive dieser Arbeit geht allerdings über die Aufforderung, niemanden zum Glauben zu zwingen, hinaus, indem sie die Aufforderung verbalisiert, auch niemanden zu einer Entscheidung für oder gegen den Glauben zu zwingen. Im Gegensatz zu Professor Kozinskis Überzeugung, jede*r müsse sich in Bezug auf den Glauben entscheiden, wird hier die Position vertreten, dass solche Kategorisierungen nicht unbedingt notwendig sind. Die Kategorien „Theist*in", ,,Atheist*in" und „Agnostiker*in" sollten – wenn überhaupt – nur mit Vorsicht gebraucht und in jedem Fall kritisch hinterfragt werden. Besser ist es in jedem Fall, den einzelnen Menschen nach seinen Wert- und Lebensvorstellungen, seinen Sorgen und Hoffnungen und seinen offenen Fragen zu fragen, als sich anhand einer Bezeichnung ein Urteil über ihn zu bilden. Und wer sich selbst nicht in eine dieser Kategorien einordnen kann oder will, sollte dazu auch nicht genötigt werden. Schließlich kann es in jeder Biographie Momente geben, in denen man beispielsweise selbst nicht so recht weiß, ob man eigentlich Theist oder doch eher Agnostiker ist – glauben und hoffen liegen manchmal schließlich sehr eng beieinander.“ (255).

In der Reihe „Unterrichtsqualität: Perspektiven von Expertinnen und Experten“ ist im Schneider Verlag Hohengehren (ISBN 8340-2059-8) von Dominik Helbling und Ulrich Riegel der Band Wirksamer Religions(kunde)unterricht herausgegeben worden, der 19 lesenswerte Beiträge von Lehrpersonen und Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern aus der Lehrpersonenbildung an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen enthält, die ihre Vorstellungen von wirksamem Religionsunterricht mittels eines schriftlichen Interviews entlang vordefinierter Fragen beschreiben. Die Stellungnahmen in diesem Band ermöglichen erstmals den vergleichenden Blick auf die Frage der Wirksamkeit von konfessionellem Religionsunterricht und bekenntnisunabhängigem Religionskundeunterricht.

Bei FAU University Press (ISBN 96147-483-7) haben Jens-Peter Green, Manfred L. Pirner und Jens Büngener den Sammelband Religionsunterricht bilingual. Didaktische Perspektiven und Anregungen für die Praxis herausgegeben. Sie betonen in ihrer Einführung: „Empirische Forschungsergebnisse und Unterrichtserfahrungen von Lehrkräften wie den in diesem Buch versammelten Autor*innen zeigen: Bilingualer Religionsunterricht bzw. Content and Language Integrated Learning Religionsunterricht (biliRU oder CLIL-RU) stellt eine wertvolle Chance für die Schüler*innen, die Lehrkräfte und die Schule insgesamt dar. Angesichts seiner großen Gegenstandsbreite, seiner methodischen Vielfalt und seiner Affinität zu interkulturellem Lernen eignet sich das Fach Religion besonders gut für den fremdsprachigen Sachfachunterricht oder zumindest für bilinguale Elemente und Projekte. Davon können der RU selbst und seine Kernaufgabe der religiösen Bildung profitieren – auch wenn die besonderen Anforderungen und Herausforderungen, die mit dem bilingualen Unterrichten verbunden sind, nicht verschwiegen werden sollen. Trotz seiner grundsätzlichen Eignung und trotz eines regelrechten Booms des bilingualen, meist englischsprachigen Lehrens und Lernens an deutschen Schulen wird das Fach Religionslehre nach wie vor nur selten auf Englisch unterrichtet oder in bilinguale Schulprofile und Projekte einbezogen. Neben inhaltlichen Bedenken und organisatorischen Problemen, die mancherorts z.B. mit der konfessionellen Trennung der Religionsgruppen zu tun haben, liegt das vor allem daran, dass bis jetzt Anregungen, Hilfen und Materialien für den biliRU fehlen. Das vorliegende Buch möchte hier Abhilfe schaffen. Wir, die Herausgeber und Autor*innen, haben uns zum Ziel gesetzt, mit diesem Band v.a. solche Kolleg*innen, Referendar*innen, Studierende und in der Lehrkräfteaus- und -fortbildung Tätige zu unterstützen, die RU auf Englisch ausprobieren möchten, die erste Erfahrungen mit biliRU gemacht haben und nun weitere Anregungen suchen oder die als Schulleiter*innen erwägen, den RU in das bilinguale Profil ihrer Schule einzubeziehen. Die Beiträge sind überwiegend unterrichtspraktisch orientiert, bieten aber auch Argumente für die Begründung des biliRU. Darüber hinaus finden sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wissenschaftlich und unterrichtspraktisch fundierte Perspektiven für eine fächerübergreifende bilinguale Sachfachdidaktik Religion. Die Überlegungen zu interdisziplinären Bezügen beschränken sich auf die Fächer Englisch, Erdkunde und Geschichte. Die Praxisbeispiele stammen überwiegend aus Gymnasien. Uns ist bewusst, dass es bilinguale Unterrichtsangebote auch in anderen Fächern und Schulformen gibt und dass diese mit besonderen Herausforderungen und Chancen verbunden sind. Mögliche Themen sind biliRU-Erfahrungen an Grundschulen, Realschulen, Gesamtschulen und berufsbildenden Schulen oder Synergien mit anderen bilingualen Sachfächern in den verschiedenen Aufgabenfeldern, z.B. Biologie, Politik, Wirtschaft, Philosophie, Ethik, Musik oder Kunst. Der Band bietet einen bunten Strauß von Anregungen. Die Vorschläge zur Weiterarbeit in den theoretischen Teilen sind als Impulse zur Reflexion und Diskussion des Gelesenen, z.B. in der Lehrkräfteaus- und -fortbildung gedacht. Die unterrichtspraktischen Konkretionen sind getestet und weiterentwickelt worden. Sie können und müssen im Hinblick auf die jeweilige Unterrrichtssituation abgewandelt werden. Sie werden ergänzt durch einen umfangreichen Online-Anhang, der Arbeitsblätter und didaktische Materialien, ein Glossar zu den im Netzwerk behandelten Religions-, Weltanschauungs- und Ethikthemen, Musterbriefe zur Elterninformation sowie Erfahrungsberichte zu bilingualen Projekten umfasst.“ (5f.) Die Herausgebenden ermutigen ausdrücklich dazu, „den Begriff ,bilingualer Religionsangebote‘ weit zu fassen. BiliRU kann auch heißen, dass im deutschsprachigen RU englische Materialien auf Deutsch besprochen werden. Religions- und Ethikthemen können auf Englisch nicht nur im biliRU, sondern auch im Englischunterricht, in bilingualen Profilfächern, Seminarkursen (W-Seminaren), Projekttagen, Erasmus+ Projekten oder Austauschfahrten zur Sprache kommen. Religionen spielen im Guten wie im Schlechten eine wichtige gesellschaftliche Rolle, und im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung kommt es in Schule, Beruf und Freizeit vermehrt zu Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser und weltanschaulicher Prägung. Diese Kontakte finden häufig in englischer Sprache statt. Sie können bereichern, befremden oder verstören; sie erfordern nicht selten interreligiöses und interkulturelles Fingerspitzengefühl. Kein Zweifel: Es ist wichtig, die Sprachfähigkeit zu religiösen, ethischen und weltanschaulichen Themen in der internationalen Verkehrssprache Englisch zu entwickeln. Der didaktischen und organisatorischen Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.“ (6f.)

In ihrer im Verlag V&R unipress (ISBN 8471-1372-0) erschienenen Göttinger Dissertation Comics in Schule und Religionsunterricht. Vielfalt adressieren, Kompetenzen fördern, Unterricht verbessern widmet sich Karoline Pohl-Otto einem faszinierenden Medium, das allerdings in der Religionspädagogik im Vergleich zu anderen Ausdrucksformen unserer Kultur eher wenig Beachtung erfahren hat: „Die Forschungsgemeinschaft hat sich vielfältig dem Potenzial von zeitgenössischen Filmen, Literatur und Musik geöffnet, während der Comic ein eher randständiges Phänomen geblieben ist. Die Praktische Theologie hat sich in kulturhermeneutischen Zusammenhängen zwar intensiver mit Einzelwerken und klassischerweise besonders mit Superheldenerzählungen beschäftigt, insgesamt ist aber nur ein geringer Fokus auf den möglichen pädagogischen Nutzen gelegt worden. Dennoch darf man hier nicht stehenbleiben, denn allein die letzten zehn Jahre (!) haben zu solch starken Entwicklungen in der Comic-Kunst und -szene geführt, dass eine Aktualisierung und Fortführung dringend notwendig ist: Als Beispiel kann man etwa die neue Fülle von Info- und Wissenschaftscomics, die bekannte Gattungskonventionen transzendieren sowie die überbordende Kreativität, die in zeitgenössischen Webcomics zutage tritt, betrachten.“ (13) Die Autorin geht folgendem innovativen Anliegen nach: „Es soll ein Instrumentarium für die Verbesserung von Lernprozessen und die Adressierung von Vielfalt im Klassenraum durchdacht und geprüft werden. Dabei geht es sowohl um fachübergreifendes, allgemeines Lernen als auch um religiöse Bildungsprozesse; es geht um Vielfalt in jedem Fach und auch um spezifische Gruppen im Religionsunterricht, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Gerade von der Religionspädagogik mit ihren dezidiert theologischen Grundlagen dürfen m. E. besonders Impulse für die allgemeine Schulpädagogik ausgehen, um Vielfalt und vielfältige Bedürfnisse in Lerngruppen wertzuschätzen und zu adressieren. Es ergeben sich dadurch folgende Forschungsfragen: Auf welche Weise, sowohl durch medienstrukturelle Charakteristika als auch durch spezielle thematische Inhalte, können Comics positiv auf schulische Lernprozesse einwirken bzw. für den Kompetenzerwerb genutzt werden? Kann der Einsatz von Comics im Unterricht die Unterrichtsprozessqualität direkt oder indirekt steigern – und wenn ja, in welcher Hinsicht? Und schließlich: Wie lassen sich Comics möglicherweise nutzen, um Vielfalt/Heterogenität in der Lerngruppe zu adressieren? Außerdem spezifisch für das Fach Religion: Wie können Comics fruchtbar in die Religionsdidaktik eingebunden werden, um prozess- und inhaltsorientierte Kompetenzen bzw. religiöse Lernprozesse zu stärken? Welche Gruppen im Religionsunterricht lassen sich durch Comics möglicherweise stärker aktivieren als durch andere Medien? Meine Forschung beruht auf der Hypothese, dass die Comicdidaktik den Religionsunterricht und andere Fächer in kreativer und innovativer Weise bereichern kann und möglicherweise auch positiv auf den schulischen Anforderungsbereich der Lerngruppen-Heterogenität Einfluss nehmen könnte. Es besteht die Hoffnung, dass Comics ein Mittel für den Religionsunterricht sein können, um etwa Jungen (die dem Fach traditionell distanzierter gegenüberstehen als Mädchen) oder dezidiert kirchenferne Jugendliche zu aktivieren. Und fachübergreifend ist die Comicdidaktik eventuell ein Werkzeug, um geringeres Vorwissen oder Nachholbedarf in der Lesekompetenzförderung von Schülergruppen auszugleichen. Wenn Comics langfristig einen Platz im reichhaltigen (religions-)pädagogischen Werkzeugkasten erhalten sollen, müssen dringend Nutzen und Grenzen abgewogen, eine Grundlage für empirische Forschungsfragen geschaffen und im Optimalfall eine Mustergruppe von Einzelwerken exemplarisch und stringent auf ihren Wert und ihre tatsächliche Zweckdienlichkeit für Lernzusammenhänge analysiert werden. Dies muss unter Zuhilfenahme von zahlreichen Bezugswissenschaften geschehen. In einem theoretischen und analytischen Vorgang sollen hier deshalb Forschungsergebnisse und Theorien aus den Bereichen der Religions- und Schulpädagogik, Unterrichts- und Comicforschung, der Pädagogischen und Instruktionspsychologie sowie Praktischen Theologie aufeinander bezogen werden. Dabei wird auch das Möglichkeitsspektrum des Mediums selbst (unabhängig von seinen Inhalten) untersucht, beispielsweise unter den Fragestellungen: Wie hängt die Induktion im Leseprozess mit kognitiver Aktivierung zusammen? Wie reagieren weibliche und männliche Schüler darauf, wenn sie einen Comic vorgelegt bekommen? Deshalb werden viele unterschiedliche Comics als Beispiele herangezogen werden, sowohl narrative als auch Sachcomics. Ganz neu werden dann die Forschungsergebnisse sein, die sich kombinatorischen Analysen verdanken. Soweit wie möglich werde ich einschlägige, aber auch möglichst aktuelle Literatur heranziehen.“ (15) Insgesamt lässt sich die Arbeit in vier Abschnitte teilen: „Das Fundament (I) beleuchtet begriffliche, pädagogische und comictheoretische Voraussetzungen für die Arbeit. Zusätzlich werden verschiedene zentrale Aspekte des Mediums >Comic< mithilfe medientheoretischer Grundlagen dargestellt. Diese Aspekte werden immer wieder aufgegriffen und fortgeführt werden. Es folgen Abschnitt II und III, die weitgehend parallel aufgebaut sind, aber ganz unterschiedliche Themen verarbeiten: Es geht zunächst darum, wie Comics Einfluss auf die allgemeine Unterrichtsqualität nehmen können (II), bevor dann ihr Potenzial in spezifisch religionspädagogischen Kontexten beleuchtet wird (III). In beiden Kapiteln wird dafür zunächst der spezifische Forschungsstand beleuchtet und eine Annäherung zuerst durch die Unterrichtstheorie bzw. durch die Praktische Theologie vorgenommen. Es folgt jeweils eine Konkretisierung, in welchen Bereichen Comics Chancengeber für das Unterrichtsgeschehen sein können. Der Dimension der Heterogenität, teilweise unter Bezugnahme auf konkrete Gruppen, kommt aufgrund seiner Komplexität jeweils ein eigener Abschnitt zu. Schließlich werden die Ergebnisse exemplarisch an zwei für die Religionspädagogik sehr fruchtbaren Werken dargestellt. Dem geht eine ausführliche Werkanalyse voraus, die die Grundlage für alle didaktischen Überlegungen sein muss. Die Arbeit hat also einen trichterförmigen Aufbau, der immer spezifischer wird: Von Comics allgemein geht es über zu Comics im Unterricht, dann zu der Didaktik eines einzelnen Faches und schließlich um zwei einzelne Werke für den Religionsunterricht.“ (16f.)

 

In der Reihe „Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft“ ist im Brill Schöningh Verlag (ISBN 506-79357-7) die Bamberger Dissertation Repräsentation des Globalen Südens im evangelischen Religionsbuch von Julia Henningsen anzuzeigen, die in ihrer Einführung das Forschungsvorgehen begründet und transparent macht: „Unter Berücksichtigung der Kulturwissenschaft, Soziologie, Philosophie, Erziehungswissenschaft, Theologie, Religionspädagogik und der interdisziplinären Schulbuchforschung unternimmt diese Arbeit den Versuch eines ,disziplinverschränkenden Verfahrens‘. Schrittweise nähert sie sich dem Verlernen. Bisher Gelerntes wird zunächst anhand von Theorien ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Reflexionswerkzeuge in Form von kritischen Theorien werden hier ebenfalls vorgestellt. Darauf folgt die Rekonstruktion und Analyse des Gelernten und des im Schulbuch transportierten Wissens, woraufhin Konsequenzen für das Repräsentieren und den Umgang mit Repräsentationen formuliert werden können. Wege zum Verlernen und Neulernen werden somit eröffnet.“(XVIII) Zum Schluss ihrer thematischen Diskursanalyse vor dem Horizont postkolonialer Theorien hält die Verfasserin fest: „Ein möglicher Wandel des Lernens von der Erfassung und Reflexion des Gelernten, über die Analyse des Gelernten hin zu Konsequenzen im Sinne eines Verlernens und Neulernens wurde bis zu dieser Stelle der Forschungsarbeit aufgezeigt. Verschiedene Repräsentationen des Globalen Südens, Diskurse und Themenkomplexe sind durch die Thematische Diskursanalyse der Ausgaben des „Kursbuch Religion" von 1976 bis 2017 im Rahmen dieser Arbeit sichtbar geworden. Die Artefakte im Mikrokosmos Schulbuch geben Aufschluss über die Mentefakte im Makrokosmos, über die jeweiligen gesellschaftlichen Themen und religionspädagogischen Herausforderungen. Damit ist ein Beitrag im Feld der entstehenden postkolonialen Aufarbeitung in der Religionspädagogik und auch in ihren Bezugsdisziplinen geleistet. (…) Diese Arbeit hat den Globalen Süden in den Dimensionen „globale Verantwortung", ,,globales Christentum" und „globale Religionen" als repräsentiertes Gebiet ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und eurozentrische Sichtweisen aufgedeckt. Paternalistische Wahrnehmungsschemata bezüglich jener Länder, die im Globalen Süden liegen, wurden mithilfe postkolonialer Theorien dekonstruiert. Zu den vorgestellten Ansätzen, die sich am postkolonialen Diskurs orientieren und diesen in die Religionspädagogik einführen, kommt die vorliegende Arbeit hinzu und bietet eine grundsätzliche Einführung in postkoloniale Termini und Kritik. Auf diese Weise ist eine Aufarbeitung und Zusammenführung derjenigen Theorien und Konzepte geleistet worden, die die Religionspädagogik in ihren postkolonialen Bestrebungen bereichert. (…) Diese Arbeit hat an einem Religionsbuch als Untersuchungsgegenstand beispielhaft rekonstruiert, wie der Globale Süden zwischen 1976 und 2017 wahrgenommen und repräsentiert wurde, und zu Tage gefördert, dass der Globale Süden in den drei untersuchten globalen Dimensionen insgesamt immer präsenter geworden ist. Im postkolonialen Sinne werden die Stimmen der ehemaligen Subalternen immer stärker. Das Christentum ist im Globalen Süden so lebendig wie nie zuvor und lässt koloniale Repräsentationen wirkungslos werden, weil sie nicht die aktuelle Situation repräsentieren. Das Medium Schulbuch steht bei diesen Themen in der Gefahr schneller denn je zu veralten. Materialien für religiöse Bildungsprozesse werden jedoch weiter hergestellt und in verschiedenen religionspädagogischen Bereichen eingesetzt. Die Digitalisierung bringt neue Medien ins Spiel, wobei die Diskurse sich deswegen nicht automatisch wandeln. Sie sind allerdings dynamischer und fragiler geworden und schließlich auch leichter zu beeinflussen. Andersartige Repräsentationen können so ins Spiel gebracht werden und bisherige Wahrnehmungsschemata und Mentefakte durch eine Kontextualisierung irritieren. Dies erfordert auch von der Disziplin der Religionspädagogik eine neuartige Flexibilität und Mitgestaltung. Damit einher geht die Schulung der Medienkompetenz und andererseits auch der Achtsamkeit, um die Zunahme an Reizen und Wissen filtern zu können. Es liegt im Zusammenhang mit der vorliegenden Forschungsarbeit nahe, auch andere (digitale) (Lern-)Medien zu untersuchen und möglicherweise mit den Themenvorgaben in Lehrplänen abzugleichen. Dabei ist über die Vorteile einer synchronen oder diachronen Untersuchung zu entscheiden.“ (299ff.) Insgesamt ein gelungenes Plädoyer für eine diskurssensible Religionspädagogik, „die Überlappungen zur migrationssensiblen Religionspädagogik aufweist, für das Einräumen von Zwischenräumen als Aushandlungsräume zwischen Identitäten, Kulturen und Religionen steht und sich kompetent zeigt in Bezug auf Pluralität und Interkulturalität.“ (302)

Im Verlag Julius Klinkhardt (ISBN 7815-2492-7) ist die Kasseler Habilitationsschrift Klimakrise, externalisierender Lebensstil und Religionspädagogik von Gudrun Spahn-Skrotzki erschienen, in deren Zusammenfassung die Verfasserin schreibt: „Unser Lebensstil ist externalisierend. Das heißt, wir lagern Kosten aus: Menschen im globalen Süden arbeiten unter prekären Bedingungen für unsere Konsumprodukte, unser Lebensstil zerstört zunehmend die Biodiversität, die Klimaveränderungen nehmen dramatisch an Fahrt zu. Mit den Auswirkungen unseres Lebensstils gefährden wir die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen. Doch wir leben, als gäbe es das alles nicht. Wir konsumieren weiter, emittieren zu viel C02, vernichten natürliche Lebensgrundlagen. Veränderungen passieren nur marginal. Wir brauchen eine grundlegende gesellschaftliche Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit. Hier ist der Bildungssektor gefordert, um Veränderungen anzustoßen und Akzeptanz für diese zu erreichen. In Schulen und Universitäten, in der Ausbildung von Lehrer*innen und insbesondere der Religionspädagogik sind diese Inhalte noch viel zu wenig präsent. In diesem Buch wird zunächst die Problematik unseres Lebensstils anhand von Beispielen skizziert und daran die Notwendigkeit für grundlegende Veränderungen dargestellt. Orientierungen für Veränderungen werden vorgestellt und Ansätze für die Umsetzung im Bildungsbereich, in der universitären Lehrkräftebildung und insbesondere der Religionspädagogik, aufgezeigt.“ (9) Im Gesamtfazit ihrer Studie fordert die Autorin die Evangelische Theologie und die Religionspädagogik dazu auf, „sich zur externalisierenden Lebensweise zu positionieren. Sie sind aufgefordert, menschenverachtende Strukturen anzuprangern, ebenso wie die massiven Zerstörungen an der gesamten Natur, Biosphäre und Erde.

Theologie und Religionspädagogik müssen aufzeigen, dass die derzeitigen Strukturen nicht mit christlichen Werten kompatibel sind und sich solidarisch auf die Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten stellen, zu denen auch die gesamte Mitwelt und Erde zählen. Gerade in Bezug auf die aktuelle Klimaproblematik muss aller Einsatz dem Abwenden bzw. Abmildern der Klimakatastrophe gelten. Theologie und Religionspädagogik können aufzeigen, wie ein nachhaltiges, solidarisches und verantwortliches Wirtschaften und Handeln aussehen kann. Der christliche Glaube bietet Chancen, der ausufernden Gier nach immer mehr Konsum und Wachstum andere Werte entgegen zu setzen. Eine gesellschaftliche Transformation zu Nachhaltigkeit und Verantwortung ist in vielen Bereichen mit christlichen Anliegen kompatibel. Theologie und Religionspädagogik sind gefordert, die zerstörerischen Auswirkungen unseres Wirtschaftssystems und Lebensstils in das Zentrum von Lehre und Unterricht zu stellen, solange die Zustände so sind, wie sie sind, und sich nicht deutliche gesellschaftliche  Veränderungen zu Nachhaltigkeit und globaler Verantwortung abzeichnen. Es ist nötig, dass es im Theologiestudium diesbezügliche Seminarveranstaltungen und Informationsmöglichkeiten für Studierende gibt. Es muss deutlich werden, dass diese Inhalte von hoher Relevanz  für den Schulunterricht sind, Studierende dieses im Studium erkennen und sie Möglichkeiten erfahren und sich erarbeiten, diese Inhalte im Unterricht umzusetzen.“ (222f.)

 

Den Abschluss dieses Kapitels bildet die anwendungsorientierte Einführung Grundlagen der quantitativ-empirischen Religionspädagogik von Alexander Unser und Ulrich Riegel, die im Waxmann Verlag als UTB (ISBN 8252-5852-8) veröffentlicht wurde. Die Verfasser schreiben im Vorwort ihres erhellenden Bandes: „Die von Klaus Wegenast (1968) ausgerufene „empirische Wende" ist in der Religionspädagogik angekommen und hat zu vielfältigen Einsichten in den Glauben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie in die Praxis religiöser Erziehung an verschiedenen Lernorten geführt. Manche sprechen sogar von einer „erdrückende[n] Dominanz der empirischen Forschungsvorhaben"  und Diagnosen zur Bedeutung empirischer Forschung für die Religionspädagogik rufen kontroverse Reaktionen hervor. In dieser Diskussion scheint die empirische Entwicklung in Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik seit Anfang des Jahrtausends aber erst langsam anzukommen. 1997 weist die Kultusministerkonferenz mit ihrem Beschluss „Grundsätzliche Überlegungen zu Leistungsvergleichen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland" der empirischen Bildungsforschung eine zentrale Rolle für erziehungswissenschaftliche Überlegungen zu und hebt dabei quantitative Projekte, die pädagogisch-psychologischen Gütekriterien genügen, in besonderem Maße hervor. Man kann die Bedeutung und das Gewicht dieser Veränderungen für religionspädagogisches Forschen diskutieren. Ganz von der Hand weisen lässt sich der Ruf nach einer Professionalisierung empirischer Religionspädagogik jedoch nicht.

Der vorliegende Band nimmt diesen Ruf auf. Dass er sich auf die quantitative Forschung innerhalb der empirischen Religionspädagogik konzentriert, ist vor allem unserer Diagnose geschuldet, dass hier besonderer Beratungsbedarf besteht. Scheint qualitative Expertise in der Religionspädagogik mittlerweile reichhaltig vorhanden und bei vielen Lehrstuhlinhaberinnen und -inhabern anzutreffen zu sein, beschränkt sich eine solide quantitative Expertise auf wenige religionspädagogische Lehrstühle. Bei diesem Desiderat empirischer Forschung in der Religionspädagogik setzt der vorliegende Band an. Er will nicht nur in die quantitative religionspädagogische Forschung einführen, sondern auch motivierten Forscherinnen und Forschern einen Leitfaden an die Hand geben, mit dem sie ein eigenes Projekt von Anfang bis Ende auf einem soliden quantitativen Niveau durchführen können. Dazu zeigen wir das konkrete Vorgehen anhand der Statistiksoftware SPSS, die einerseits weit verbreitet, andererseits günstig zu erwerben ist. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Kapitel werden die methodologischen Grundlagen einer quantitativ-empirischen Religionspädagogik beschrieben und Schritt für Schritt dargestellt, wie man von der Wahrnehmung eines zu beforschenden Problems zu einem angemessenen Forschungsdesign kommt. Das zweite Kapitel widmet sich der Datenerhebung und -aufbereitung. Hier geht es um die Auswahl der Stichprobe, die Konstruktion des Fragebogens, die Erhebung der Daten und die Aufbereitung derselben für die Analyse.

Die Analyse selbst ist Thema des dritten Kapitels. Die dargestellten Verfahren reichen von der deskriptiven Statistik über die Ausarbeitung von Skalen zur Erfassung latenter Merkmale hin zur Testung von Unterschieden zwischen Gruppen und Zusammenhängen zwischen Merkmalen. Den Schluss des Bandes bildet ein Kapitel zur angemessenen Darstellung der Befunde, wie sie für wissenschaftliche Veröffentlichungen vorausgesetzt wird. In einem Glossar am Ende des Bandes werden zentrale Begriffe, die für das Verständnis einer quantitativen Religionspädagogik notwendig sind, knapp erklärt. Der Band richtet sich an motivierte Forscherinnen und Forscher, die ein quantitatives Projekt durchführen wollen. Statistische Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt; der Wille, sich der Eigenlogik dieses Zugangs zum Feld auszusetzen, allerdings schon. Alle Beschreibungen sind möglichst einfach gehalten, mathematische Hintergrundinformationen auf das notwendige Minimum reduziert. Angezielt ist ein pragmatischerRatgeber, der vor allem zur Durchführung eines soliden quantitativen Projekts befähigen will.“(7f.) Dies ist unbestritten sehr gut gelungen!

2  Interreligiöse Bildung – Migration – Menschenrechte

Friedrich Schweitzer und Fahimah Ulfat haben im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (ISBN 525-71760-8) in Zusammenarbeit mit Reinhold Boschki den eindrucksvollen Band Dialogisch – kooperativ – elementarisiert. Interreligiöse Einführung in die Religionsdidaktik aus christlicher und islamischer Sicht verfasst. In der Einleitung skizzieren sie ihr verdienstreiches Vorhaben wie folgt: „Dieses Buch ist an der Zeit! Sein Erscheinen bringt zum Ausdruck, dass die Kooperation in Religionsunterricht und Religionspädagogik inzwischen nicht nur verschiedene Konfessionen miteinander verbindet, sondern auch in interreligiöser Hinsicht weiter voranschreitet. Dem Anliegen, dass diese Kooperation in Zukunft noch weiter vorangetrieben werden soll, folgt auch diese interreligiöse Einführung in die Religionsdidaktik selbst. Ähnlich wie vor einigen Jahrzehnten erste religionspädagogische Lehrbücher nicht mehr allein aus evangelischer oder katholischer Perspektive vorgelegt werden konnten, sondern aus einer ökumenischen Zusammenarbeit erwuchsen, so erscheint es jetzt dringlich und zeitgemäß, mit einem interreligiösen Lehrbuch einen weiteren Schritt zu wagen. Leitend ist dabei nicht die Vorstellung eines einfach gemeinsamen, sog. allgemeinen Religionsunterrichts, bei dem die verschiedenen religiösen Traditionen und Identitäten mehr und mehr verschwinden (sog. Fusion). Vielmehr geht es um eine Kooperation, die von eigenständig bleibenden Formen von Religionsunterricht getragen wird und bei der beides, Gemeinsamkeiten und Unterschiede beständig im Blick sind. Denn gerade darauf kommt es an: andere auch dann anzuerkennen und wertzuschätzen, wenn sie anders bleiben und anders bleiben wollen. Dabei kommt es nicht nur auf die Wahrnehmung der anderen an, sondern muss das Ziel immer mehr darin bestehen, die Stimme der anderen zu hören – sie also selbst zu Wort kommen zu lassen. Dies entspricht auch dem Verständnis von Dialog, das hier zugrunde liegt. Dialoge im Bereich von Religion und Religionen dienen nicht dem in anderen Zusammenhängen sinnvollen Ziel, Unterschiede aufzulösen. Dialoge sind vielmehr gerade deshalb sinnvoll, weil es zumindest in vieler Hinsicht um Unterschiede – bis hin zu einander widersprechenden Glaubensüberzeugungen – geht, die sich nicht auflösen lassen. Doch muss immer wieder neu ausgelotet werden, wo es wirklich bei Unterschieden bleiben muss und wo sich neue Gemeinsamkeiten erkennen oder auch gewinnen lassen. Interreligiös-kooperative Religionsdidaktik ist kein statisches Unternehmen, sondern lässt sich auf lebendige Begegnungen, auf überraschende Wahrnehmungen und neue Einsichten ein.“ (9f.) Ziel dieser interreligiös-kooperativen Didaktik „ist eine Einführung in die Religionsdidaktik, die schon in der Form der Darstellung den beiden Leitprinzipien der Elementarisierung und des dialogischen Lernens folgt. Durchweg werden Fragen und Themen in elementarisierender Zuspitzung auf die Fragen und Orientierungsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sowie in der Verknüpfung christlicher und muslimischer Perspektiven bearbeitet. Alle Teile des Buches sollen diesem zweifachen Prinzip gerecht werden. Jedes Thema wird aus beiden Perspektiven aufgenommen – zum Teil in aufeinander folgenden Arbeitsschritten, zum Teil aber auch in gemeinsamer Darstellung. Dabei stehen die christlichen und muslimischen Perspektiven nicht einfach nebeneinander. Vielmehr sind alle Kapitel immer schon mit einem Blick auf LeserInnen mit einer anderen Religionszugehörigkeit geschrieben. Zusätzlich soll deutlich werden, was dabei vielleicht für die jeweils anderen zu lernen wäre – beispielsweise also was am Koran so wichtig erscheint, dass es auch Christinnen wissen und möglicherweise für sich selbst aufnehmen oder sogar übernehmen könnten, oder welche Überzeugungen in der Bibel auch für Muslimlnnen bedeutsam werden könnten. In dieser Hinsicht zielt der Band aber ebenfalls nicht auf bloße Übernahmen aus der jeweils anderen Religion. Vielmehr soll durchweg Raum für kritische Wahrnehmungen sein. Denn Dialoge leben davon, dass die Beteiligten auch wechselseitig kritische Anfragen formulieren. Es soll kein Buch sein, in dem Konflikte einfach unter den berühmten Teppich angeblicher Friedfertigkeit gekehrt werden. Bei der konfessionellen (evangelisch-katholischen) Kooperation im Religionsunterricht hat sich die Zielformel Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden bewährt. Deshalb soll nun geprüft werden, ob sich auch die christlich-islamische Zusammenarbeit im Religionsunterricht sinnvoll aus dieser Perspektive begreifen und ausgestalten lässt. Deshalb muss immer wieder geklärt werden, was von der christlichen und der islamischen Religionspädagogik gemeinsam ausgesagt werden kann und was nicht. Alle Texte wurden daher im Dialog entwickelt und zum Teil ausdrücklich als Dialoge geschrieben – in der Absicht, die interreligiöse Kooperation weiter zu stärken. Der Anspruch einer interreligiösen Einführung in die Religionsdidaktik wird in diesem Band exemplarisch im Blick auf die Kooperation zwischen der islamischen und der christlichen Religionspädagogik aufgenommen. Diese exemplarische Konkretion ist aber ausdrücklich nicht exklusiv gemeint. Sie versteht sich als ein Anfang, auf den weitere Schritte folgen können und folgen sollen. Das gilt insbesondere im Blick auf den jüdischen Religionsunterricht, wie er im deutschsprachigen Bereich zumindest in manchen Regionen als ordentliches Lehrfach der Schule eingerichtet ist. Für diese Perspektive steht in diesem Band symbolisch ein Kommentar von Ascher J. Mattem, der als jüdischer Theologe dazu Stellung nimmt, wie das Thema Judentum im christlichen und im islamischen Religionsunterricht behandelt werden kann.“ (10f.) Wichtig erscheint auch der folgende Hinweis: „Der Band stellt sich von Inhalt und Aufbau her den Anforderungen, die an Einführungen dieser Art heute gestellt werden. Unterscheidendes Merkmal ist jedoch die interreligiöse Perspektive, die in anderen Einführungen in aller Regel eher am Rande bleibt. Über die bislang aus nur einer konfessionellen oder religiösen Perspektive verfassten Darstellungen hinaus bietet der Band damit Einblicke in die jeweilige Nachbardisziplin und ermöglicht Vergleiche, die auch neue Einsichten zur jeweils eigenen religionsdidaktischen Tradition erlauben. Von Anfang an wollen wir klar zum Ausdruck bringen, dass wir nicht für das Christentum oder den Islam sprechen, sondern unsere wissenschaftlichen, aber immer auch persönlichen theologischen und pädagogischen Sichtweisen darlegen, die wir dialogisch aufeinander beziehen. Mit Blick auf das Verständnis des Islam in diesem Buch ist darauf hinzuweisen, dass die Autorin Islam als eine Haltung versteht, also als einen stets neu zu vollziehenden, persönlichen Akt der Hingabe gegenüber Gott. In diesem Sinne ist Islam ein Akt der Subjekte und kein System, das unabhängig von ihnen existiert und agiert. Deshalb werden die dargestellten theologischen Positionen nicht als »islamisch« bezeichnet, sondern als »muslimisch« im Sinne von diskursiven Positionen, die menschliche Subjekte aus ihrer Haltung der Hingabe gegenüber Gott heraus vertreten.“ (11f.)

Stereotype – Vorurteile – Ressentiments. Herausforderungen interreligiösen Lernens lautet das von Mouhanad Khorchide, Konstantin Lindner, Antje Roggenkamp, Clauß Peter Sajak und Henrik Simojoki in der neuen Reihe „Religiöse Bildung kooperativ“ im Verlag V&R unipress (ISBN 8471-1346-1) herausgegebene impulsreiche Buch. Im einführenden Vorwort heißt es: „Modelle konfessioneller Kooperation im Religionsunterricht finden sich inzwischen in den meisten Bundesländern Deutschlands. Der Prozess hin zu einem gemeinsam verantworteten Religionsunterricht von Protestant*innen und Katholik*innen hat seit der Erklärung der katholischen Bischöfe Deutschlands im Jahr 2016 »Die Zukunft des Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht« noch einmal an Fahrt aufgenommen. Lange hatte sich die katholische Seite abwehrend und zögerlich verhalten, während die Evangelische Kirche in Deutschland in ihrer Denkschrift >>Identität und Verständigung<< bereits 1994 unter dem Eindruck der demografischen Verschiebungen durch die deutsche Wiedervereinigung das Angebot einer stärkeren Kooperation gemacht hatte. Von der gemeinsamen Lerngruppe evangelischer und katholischer Schüler*innen, die von einer Lehrkraft aus einer der beiden Konfessionen unterrichtet wird, bis hin zu komplizierten Phasenmodellen, in denen Lehrkräfte beider Konfessionen sich turnusgemäß abwechseln: Es gibt es eine Vielzahl von Organisationsformen des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts wie auch – erfreulicher Weise – inzwischen eine ganze Reihe wichtiger empirischer Studien zu diesen Formaten. In einigen Bundesländern hat der islamische Religionsunterricht inzwischen als ordentliches Unterrichtsfach seinen Weg in die Schulen angetreten, sodass neben die konfessionellen christlichen Lerngruppen die Gruppe der muslimischen Schüler*innen tritt, die einen religionsgemeinschaftlich mitverantworteten islamischen Religionsunterricht besucht. Daneben gibt es eigentlich allerorten inzwischen das sog. >Ersatzfach< Ethik bzw. Philosophie, das für die die immer größer werdende Gruppe der religiös nicht gebundenen Schüler*innen vorgehalten wird. Entsprechend scheint es vor diesem Hintergrund höchst notwendig, Kooperationsformen über die christlichen Konfessionen hinaus auch mit dem Islam und ggf. auch mit dem Ethik- bzw. Philosophieunterricht zu suchen. Die Zukunftsfrage des konfessionellen Religionsunterrichts wird also lauten: Wie lassen sich nicht nur konfessionell-kooperative, sondern auch religionskooperative und interweltanschauliche Formate religiöser Bildung in der Schule entwickeln, die zum einen hilfreiche Lernprozesse für Kinder und Jugendliche, zum anderen aber eben auch eine angemessene Auseinandersetzung mit den Religionen und Weltanschauungen ermöglichen können? Auch hierzu ist inzwischen eine ganze Reihe von Untersuchungen erschienen, die Grundlage für die Weiterentwicklung eines solchen Religionsunterrichts sein können. Die neue Publikationsreihe »Religiöse Bildung kooperativ« markiert in diesem Rahmen ein Forum, um Forschungsbeiträge, die sich mit Fragen konfessionell-kooperativer und religionskooperativer Bildungsformate sowie mit Beiträgen zu fächerverbindendem Lernen in Gemeinde, Schule und Hochschule beschäftigen, zu sammeln und ihnen ein sichtbares Forum zu bieten, das zu Diskussion und Diskurs einlädt. Der Pilotband unserer Reihe ist dem Thema >>Stereotype – Vorurteile – Ressentiments. Herausforderungen für das interreligiöse Lernen<< gewidmet, einem wichtigen und bisher wenig bearbeiteten Segment des religionskooperativen Lernens im Rahmen von interreligiösen Bildungsprozessen.“ (7f.) Der Band gliedert sich in drei große Kapitel, die sich den Fragen nach Stereotypen, Vorurteilen und Ressentiments als Herausforderungen für interreligiöses Lernen (I.), für die Religionslehrer*innenbildung (II.) und für den Religionsunterricht (III.) widmen. Im I. Kapitel zeigt Gert Pickel den Zusammenhang von Antisemitismus und Islamfeindschaft im Kontext von Säkularisierung auf (I. 1), während Julia Bernstein und Florian Diddens ihre Forschungsergebnisse zu Antisemitismus an Schulen vorstellen, verbunden mit pädagogischen Perspektiven im Sinne von Handlungsoptionen (I. 2). Henrik Simojoki analysiert religionsbezogene Differenzkonstruktionen von Lehrkräften im Kontext schulischer Bildung von Geflüchteten (I. 3), Gerda E. H. Koch und Rainer Möller widmen sich dem Phänomen des wiedererstarkten Antisemitismus in Deutschland und machen sich für eine antisemitismuskritische Bildungsarbeit stark (I. 4). Die Konsequenzen solcher religionsbezogenen Stereotype und Otheringpraxen für die Religionslehrer*innenbildung zeigen Janosch Freuding und Konstantin Lindner in ihrem Beitrag zu Beginn des II. Kapitels auf (II. 1). Antje Roggenkamp fragt ausgehend von einer empirischen Studie zu einem religionskooperativen Seminar mit christlichen und muslimischen Studierenden, inwiefern das christlich-religionspädagogische Konzept der reflektierten Positionalität auf Positionierungsprozesse im religionskooperativen Raum übertragbar ist (II. 2). Naciye Kamcili-Yildiz und Oliver Reis untersuchen die Seite der an Universitäten Lehrenden, wenn sie Mindsets von Lehrenden in der islamischen Ausbildung von Religionslehrer*innen zum Thema Islam und religiöse Vielfalt einer genaueren Prüfung unterziehen (II. 3). Das III. Kapitel schließlich nimmt den Lernort Religionsunterricht in den Blick: So fragt Alexander Unser nach den Effekten des interreligiösen Lernens in religiös und sozial heterogenen Lerngruppen und zeigt Möglichkeiten, aber auch Grenzen des Abbaus von Vorurteilen und Stereotypen auf (III. 1). Clauß Peter Sajak stellt eine Untersuchung zur Darstellung von Judentum, Christentum und Islam in zugelassenen Unterrichtswerken für den evangelischen, islamischen wie katholischen Religionsunterricht vor (III. 2), Mouhanad Khorchide widmet sich den Herausforderungen an den islamischen Religionsunterricht durch konstruierte Feindbilder (III. 3). Peter Schreiner wirft dagegen einen Blick nach England, um aufzuzeigen, wie wichtig Religion und Bildung als zentrale Dimensionen des Religionsunterrichtes auch für die Diskussion um die Zukunft religiöser Bildung in der deutschen Schule sind (III. 4).“ (8f.) Insgesamt wertvolle religionspädagogische Klärungen und Anregungen für interreligiöses und religionskooperatives Lernen!

Passend zu den beiden oben genannten Veröffentlichungen legt Udo Tworuschka im Westarp Science Fachverlag (ISBN 86617-190-0) die zweibändige Publikation Religionen im Unterricht. Ein geschichtlicher Abriss des interreligiösen Lernens vor. Der erste Band trägt den Untertitel „Von den Anfängen bis zum Nationalsozialismus“, der zweite Band „Von 1945 bis zur Gegenwart“. Im Vorwort zum ersten Band schreibt der Autor: „Seit den 1990er-Jahren boomt in der Religionspädagogik das „interreligiöse Lernen". Eine neue Ebene der Diskussion, Aufbrüche, sich mit Religionen im Religionsunterricht auseinanderzusetzen, gab es bereits seit den 1970erJahren. Diese werden von manchen heutigen Nachfahren allenfalls als Vorgeschichte späterer Entwicklungen gewürdigt, während andere – und sie dürften das Recht meiner Meinung nach auf ihrer Seite haben – die Aufbruchsphase der 1970er-Jahre als integrativen Teil einer kontinuierlichen Gesamtgeschichte begreifen. Man kann zwei Begriffsverständnisse des interreligiösen Lernens unterscheiden: Sehr eng verstanden, bezeichnet der Begriff eine Phase der Religionspädagogik seit den 1990er-Jahren, die inzwischen bereits von einer transreligiösen Variante überholt zu werden beginnt. Interreligiöses Lernen im engen Sinn geschieht direkt (personal), durch konkrete „Begegnung" mit hinduistischen, buddhistischen, jüdischen, islamischen usw. Schülerinnen und Schülern. Im weiteren Sinn bezeichnet interreligiöses Lernen „die Gesamtheit der einschlägigen interkulturellen und interreligiösen Bildungsvorgänge mit dem Fokus auf Schule, Religionsunterricht, Erwachsenenbildung". In diesem Sinne sind auch alle indirekten, d. h. medial durch Texte, Bilder, Töne vermittelten didaktischen Bemühungen der Vermittlung von Religionen gemeint – insbesondere auch solche, bei denen konkrete Begegnungen nicht als konstitutiv gelten, die aber trotzdem als interreligiöses Lernen bezeichnet werden können. So verstanden, reicht die Geschichte des interreligiösen Lernens nicht erst bis zur Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert zurück, sondern bis zu den Anfängen des Christentums. Unser historischer Überblick verdeutlicht, dass den Diskussionen der letzten Jahrzehnte häufig Argumentationsmuster zugrunde liegen, die alte Kontroversen widerspiegeln: ob überhaupt, und wenn ja, wozu und wie man mit Religionen, zu denen man sich nicht bekennt, theologisch und religionspädagogisch verantwortungsvoll umgeht. Immer wieder wurde in der Geschichte die Forderung nach Öffnung des Religionsunterrichts für Inhalte aus der allgemeinen Religionsgeschichte von außen an das Fach herangetragen, oft waren kirchen- und religionskritische Motive dabei vorherrschend. Das vorliegende Buch ist von der Erkenntnis geleitet, dass viele der im 20. und 21. Jahrhundert verhandelten einschlägigen Probleme eine zum Teil recht lange Vorgeschichte haben. Es schien mir auch an der Zeit, die vielen Vertreterinnen und Vertreter der Religionen-Didaktik in Erinnerung zu rufen, weil sie in der gegenwärtigen Diskussion über das interreligiöse Lernen vergessen zu werden drohen – oder bereits vergessen sind. Wichtig war mir, geschichtlich gewonnene Erkenntnisse, die früher einmal hart umkämpft waren und inzwischen Allgemeingut darstellen bzw. heute sogar als Innovationen beworben werden, gebündelt darzustellen.“ (9f.) Nicht nur als Einstieg in die lebendig beschriebene Geschichte der Religionen im Unterricht empfiehlt sich das Schlusskapitel (368-392) im zweiten Band mit der Überschrift „Linien und Erträge des interreligiösen Lernens (1990er-Jahre bis heute)“.

Reinhard Hempelmann und Gerhard Duncker sind die Verfasser der in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN374-07039-8) erschienenen hilfreichen 77 Fragen und Antworten Wie Christen und Muslime miteinander leben können. Sie schreiben in ihrem Vorwort: „Das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen ruft zahlreiche praktische Fragen hervor. Sie werden gestellt von Gemeindegliedern, von Verantwortlichen in Gesellschaft, Kirche, Politik und Kommune, ebenso von interessierten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Sie verdienen es, beachtet und beantwortet zu werden. Dazu möchte diese Publikation einen Beitrag leisten. Kann eine Muslimin bzw. kann ein Muslim in einem christlichen Kindergarten tätig werden? Was ist zu berücksichtigen, wenn Christen und Muslime gleichermaßen durch Katastrophen herausgefordert sind und öffentliche Trauerfeiern stattfinden? Dürfen Kirchen und Gemeindehäuser für Veranstaltungen von Muslimen genutzt werden? Am konkretesten kommen die Fragen aus evangelischen Kirchengemeinden und diakonischen und pädagogischen Einrichtungen. Die Beantwortung praktischer Fragen setzt grundlegende Orientierungen voraus, die in einer neuen gesellschaftlichen Situation auch neu zu suchen und zu finden sind. Antworten erfordern den Mut zur Konkretion und weisen auf die dynamischen weltanschaulichen Pluralisierungsprozesse westeuropäischer Gesellschaften hin. Grundsatzfragen des christlich-muslimischen Dialogs spielen in den 77 Fragen und Antworten nur im Hintergrund eine Rolle. Sie werden in der angefügten Dokumentation aufgegriffen und in ihren verschiedenen Facetten thematisiert.“(5) Eine dazu passende, gelungene Gegenüberstellung zu Fragen des Lebens enthält der im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4022-6) erschienene Band Bibel trifft Koran von Angelika Walser und Mouhanad Khorchide. Im Vorwort erklärt Josef Bruckmoser dessen Intention: „Bibel und Koran – größer könnten die Gegensätze nicht sein. Christentum und Islam – da geht viel mehr gegeneinander als mit­einander. Das ist der erste Eindruck, wenn es um die beiden Religionen geht, die mit dem Judentum ein gemeinsames Schicksal teilen: Sie gründen auf einem Buch, einer „heiligen Schrift". Beinahe 2000 Jahre haben Christinnen und Christen ihre Bibel wortwörtlich verstanden. Evangelikale Gruppierungen halten bis heute daran fest, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen habe. Ebenso sind viele Musliminnen und Muslime überzeugt, dass der Engel Gabriel dem Propheten Muhammad die Verse des Korans Satz für Satz diktiert habe. Wort von Allah, nur im arabischen Original gültig. Was sagen Bibel und Koran wirklich zu zentralen Fragen des Lebens und des Glaubens? Und was ist davon heute – noch – gültig? Wie kann, darf oder soll eine Bibelstelle, ein Koranvers heute ausgelegt werden? Die katholisch-theologische Ethikerin Angelika Walser, Salzburg, und der muslimische Theologe Mouhanad Khorchide, Münster, ringen in diesem Buch um eine zeitgemäße und verständliche Auslegung von Bibel und Koran. Sie tun das immer im Blick auf die jeweils andere Religion und in dem Bemühen, neben dem Trennenden und Gegensätzlichen das Verbindende und Gemeinsame zu sehen. (…) Im Zentrum steht ein Verständnis von Bibel und Koran, das einem menschenwürdigen Leben und Glauben auf der Höhe der Zeit dient.“ (6f.)

In der bewährten Reihe „Islamkundliche Untersuchungen“ ist im Walter de Gruyter Verlag der von Abbas Poya, Farid Suleiman und Benjamin Weineck herausgegebene umfangreiche Sammelband Bildungskulturen im Islam. Islamische Theologie lehren und lernen veröffentlicht worden, der eindrucksvoll Dynamiken islamischer Lehr- und Lernkulturen aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht. In ihrer luziden Einleitung markieren die Herausgebenden: „Inzwischen sind über zehn Jahre vergangen, seit der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Universitäten veröffentlicht hat. Das Papier wurde nicht von allen Seiten positiv aufgenommen, es stieß auch in manchen Punkten auf Kritik. Am deutlichsten haben sich zahlreiche Islamwissenschaftler*innen in einem Positionspapier kritisch zu den Empfehlungen geäußert. Darin wurde sich vor allem an der vom Wissenschaftsrat anvisierten Namensgebung „Islamische Studien" abgearbeitet, weil in dieser keine hinreichend klare Trennung zur etablierten Islamwissenschaft vorgenommen würde. Die klare Trennung beider Disziplinen müsse aber, so heißt es, nicht nur begrifflich, sondern auch „präzise und wissenschaftstheoretisch begründet sein". Darüber hinaus war die Verortung des neuen Faches innerhalb der Universitäten umstritten: Der Wissenschaftsrat empfahl seinerzeit, die Islamische Theologie an philosophischen bzw. kulturwissenschaftlichen Fakultäten zu verorten. Dies jedoch, so das Positionspapier, würde dem „bekenntnisgebundenen" Charakter des Faches nicht gerecht, das dementsprechend in theologischen Fakultäten angesiedelt oder als Zentrum, das direkt der Universitätsleitung unterstellt ist, realisiert werden müsse. Dieser Band verfolgt nicht den Anspruch, einen weiteren Beitrag zur normativen Debatte der Verhältnisbestimmung von Islamischer Theologie zu anderen Islam-bezogenen akademischen Disziplinen wie der Islamwissenschaft oder der Islam-fokussierten Religionswissenschaft zu leisten. Vielmehr dokumentiert dieses Buch einerseits einen Teil der erzielten Resultate der letzten zehn Jahre, in denen sich die Islamische Theologie an deutschen Universitäten zu etablieren begann, und zeigt dabei den Stand der Integration des Faches in die deutsche akademische Landschaft und das Ausmaß seiner Dialogfähigkeit mit anderen Disziplinen. In Bezug auf die oben genannte Forderung, die Trennung von Islamwissenschaft und Islamischer Theologie müsse „präzise und wissenschaftstheoretisch begründet sein", setzen die Beiträge in diesem Band jedoch einen potentiell kontroversen Standpunkt. (…) Auf diese Weise trägt dieser Band als solcher auch dazu bei, sich zum einen mit den erhobenen Forderungen benachbarter Disziplinen und des Wissenschaftsrates auseinanderzusetzen. Zum anderen zielt er aber auch darauf, die Islamische Theologie weiter in der Wissenschaftsfamilie zu vernetzen. Denn hier sind Beiträge versammelt, die wissenschaftstheoretische und -systematische Überlegungen zu Fragen der Wissenschaftlichkeit und der Authentizität aus der Feder sowohl von lslamwissenschaftler*innen als auch von islamischen Theolog*innen enthalten, und die hier in einen gemeinsamen Kommunikationsraum treten. Dabei wird zugleich auch deutlich, dass die Grenzen zwischen den hier repräsentierten Disziplinen keineswegs dem akademischen Dialog abträglich sind, sondern unterschiedlich nuancierte Perspektiven auf einen gemeinsamen Gegenstand, wie eben den des Lernens und Lehrens, fruchtbar eingenommen werden können. (…) Der gemeinsame Fokus auf islamische Bildungskulturen ist dabei aus den laufenden Forschungsprojekten heraus erwachsen, die in Erlangen und Bayreuth durchgeführt wurden und werden. Sie berühren die Thematik des religiösen Lernens und der Reproduktion von Tradition von unterschiedlicher Seite her und werfen Fragen nach dem Erlernen von Religion und ritueller Praxis ebenso auf wie normative Fragen nach Autorität, Geltung, Legitimation und Transformation religiösen Wissens. Unter „Bildungskulturen" sollen dabei die heterogenen, zeitlich wie räumlich unterschiedlichen Modi, Gegenstände, Orte und Akteure des Lernens verstanden werden. Diese galt – und gilt – es mit Blick auf das Thema Lernen als Wissensaneignung und die sich dabei vollziehenden Prozesse der Transformation von (religiösem/rituellem) Wissen, Normen und Praktiken zu untersuchen. Der Komplex von Wissen und Lernen ist dabei nicht nur eine mächtige Instanz, innerhalb derer Kontinuität und Wandel religiöser Traditionen verhandelt werden. Damit zusammenhängende Begriffe und Praktiken wie 'ilm und adab sind schon lange von der islamwissenschaftlichen Bildungsforschung als zentrale Termini in der Vermittlung von Wissen erkannt worden. Sie spielen damit auch im Kontext von Normkonstituierung und Normwandel eine entscheidende Rolle und wurden daher in der islamwissenschaftlichen Bildungsforschung entsprechend gewürdigt. Die gemeinsame Beschäftigung mit dem Thema Bildungskulturen ergab sich aus dieser zentralen und vielgestaltigen Funktion des Lernens und Lehrens heraus. Aus der Perspektive der Islamischen Theologie war vor allem wichtig, der Frage nachzugehen, wie die traditionellen Lehr- und Lernmechanismen in unterschiedlichen muslimischen Kontexten funktionieren und ob und inwieweit sie mit Lehr- und Lernmethoden in den heutigen Gesellschaften kommunizieren. Einerseits schlagen muslimische Gelehrte, die sich mit dem Thema Erziehung und Bildung befassen, diverse und detaillierte Ansätze vor, wie Wissen zu erwerben und zu vermitteln ist. Auf der anderen Seite scheint es, dass diese Vorschläge in den heutigen Gesellschaften und insbesondere im deutschen bzw. europäischen Kontext angesichts der radikalen Veränderungen im Bildungswesen, in den Bildungszielen und in den Bildungsadressat*innen schwer umsetzbar sind. Dennoch kristallisierten sich im Laufe der Diskussionen und Arbeiten, die zur Entstehung des vorliegenden Bandes geführt haben, einige Überlegungen heraus, wie man über die traditionellen muslimischen Lehr- und Lernmethoden reflektieren und sie gleichzeitig in Teilen für die heutige Zeit nutzbar machen kann. Aus religionswissenschaftlicher Sicht war die Frage des religiösen Lernens relevant, als in einem Projekt zum schiitischen Islam in Deutschland und Europa danach gefragt wurde, wie in schiitischen Gemeinschaften Rituale erlernt werden und darüber rituelles und religiöses Wissen vermittelt wird. Die Teilnahme an gemeinsamen Ritualen ermöglicht es in dieser Perspektive nicht nur jungen Gemeindemitgliedern in einem Prozess des informellen, ritualisierten Lernens Teil der jeweiligen „Community of Practice" zu werden. Auch vermag es der Fokus auf Rituale als sozialem Lernraum auch, eine offenere Epistemologie von religiösen Gemeinschaften zu entwickeln und analytisch fruchtbar zu machen. Der heuristische Nutzen einer auf gemeinsame Praxis ausgerichteten Perspektive auf Gruppenformation und -zugehörigkeit liegt darin, dass nicht linguistische, nationale, ethnische oder andere grenzziehende Marker bemüht werden müssen, die dazu tendieren, die jeweilige Gruppe als schiitisch, iranisch o. ä. zu essentialisieren. Dabei werden auch Perspektiven auf Kontexte eröffnet, in denen gemeinsame Rituale dazu dienen, die Grenzen zwischen verschiedenen islamischen Denominationen, wie etwa Schiiten, Aleviten und Alawiten zu überwinden.“ (1ff.) Insgesamt eine sehr bereichernde Lektüre!

Eine interessante literarische Annäherung an den Islam bietet Navid Kermani in seiner als Jugendbuch gedachten Neuerscheinung Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen. Fragen nach Gott aus dem Hanser Verlag (ISBN 446-27144-9). Im ersten Kapitel „Die Unendlichkeit ringsum“ erinnert sich der Autor im Gespräch mit seiner zwölfjährigen Tochter an den Anlass seines Buches: „Als er im Krankenhaus lag, sollte ich Opa eines Nachts versprechen, dich den Islam zu lehren, wenn er nicht mehr da ist, unseren Islam, den Islam, mit dem ich aufgewachsen bin, den Islam, den auch er als Kind in Isfahan erlebt hatte, den Islam unserer Vorfahren. In dem dunklen, fremden Zimmer dachte er an dich. Seitdem habe ich dir dieses und jenes Buch vorgelesen, aber keines war so, wie Opa es sich gewünscht hat. Du hast viel gelernt über den Propheten und das Land, in dem er geboren wurde, über Gebote und Verbote, über Schriften, Gebete, Feste und Sitten, über den Unterschied von Sunniten und Schiiten; sogar die vier Rechtsschulen kennst du jetzt und hast eine Vorstellung, vor welchen Problemen die heutige islamische Welt steht. Aber worum es dem Islam eigentlich geht, und nicht nur dem Islam, sondern im Grunde allen Religionen, also weshalb wir von uns sagen, dass wir an Gott glauben, darüber hast du kaum etwas erfahren. Es war, als würden die Bücher die Kleidung eines Menschen beschreiben, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wer dieser Mensch überhaupt ist – sein Gesicht, sein Charakter, nicht einmal, ob er Mann oder Frau ist, jung oder alt, wo er herkommt, wovon er träumt und warum er uns liebt. Wenn in diesen Büchern die Religion überhaupt einen tieferen Sinn hatte, dann den, uns zu anständigen Menschen zu erziehen, also dass wir gerecht sind, liebevoll, hilfsbereit und so weiter. Aber kann man darauf nicht auch ohne Gott kommen?, fragtest du. Erst stammelte ich etwas von Nächstenliebe, Barmherzigkeit, den Zehn Geboten. Als ich jedoch im Bett lag, dachte ich: Klar kann man darauf auch ohne Gott kommen. Schließlich sind Atheisten, also Menschen, die nicht an Gott glauben, deswegen keine Mörder, Diebe oder Betrüger. Und umgekehrt gibt es so viele Menschen, die an Gott glauben und dennoch ungerecht sind, hartherzig und gemein. Also muss es den Religionen noch um etwas anderes gehen als darum, wie wir unser Leben gestalten und wie wir uns gegenüber den Mitmenschen verhalten. Vielleicht geht es ihnen auch und vor allem um das Leben selbst: also was dieses Leben ist, das wir haben, und ob es nur aus dem besteht, was wir sehen. Manche sagen: Das Leben ist, was es ist, das Ergebnis von chemischen, atomaren und genetischen Prozessen, sozusagen ein Supercomputer, der sich durch Trial and Error von selbst immer weiterentwickelt, durch Versuch und Irrtum, Auslese und Anpassung, Ursache und Wirkung. Opa gab dann stets zu bedenken, dass irgendwer diesen Computer, der alles in Gang setzt, doch gebaut und programmiert haben müsse. Und wenn die anderen beharrten: Nein, es gebe niemanden, der das Leben baut und programmiert, das entstehe von selbst und verschwinde auch wieder wie ein Tropfen Wasser, der verdampft und sich in Luft auflöst – dann sagte Opa immer: Etwas, das ist, kann nicht einfach nichts werden, weder ein Tropfen Wasser noch der Mensch oder überhaupt unsere Existenz. Und er behauptete sogar, dass die Vorstellung, etwas könne zu nichts werden, für Kinder beinah denkunmöglich sei. Und weißt du was? Ich glaube, Opa hatte sogar recht. Es ist doch interessant, dass Kinder, wenn ich mich nicht täusche, so gut wie nie am Sinn des Lebens zweifeln, auch gar nicht groß darüber grübeln, Erwachsene hingegen sehr wohl. Oh ja, und wie sie zweifeln und grübeln! Also muss zwischen dem Kindsein und dem Erwachsensein etwas unseren Glauben erschüttern, dass alles schon seine Ordnung habe. Versuch dich selbst zu erinnern: Hast du früher, als du noch klein warst, etwa viel über den Tod nachgedacht? Doch wohl eher nicht. Du wusstest zwar, dass wir alle sterben, aber es hat dich nicht beschäftigt; es kam dir vor, als würde das Leben schon irgendwie weitergehen. Angst hattest du schon mal gar nicht, im Gegenteil: Für dich war es das Natürlichste der Welt, wenn ich vom Jenseits sprach, vom Himmel, von Engeln und vom ewigen Leben. Du konntest dir einfach nicht vorstellen, dass etwas, was ist, plötzlich nicht mehr sein soll, von einem auf den anderen Atemzug. Erst jetzt, da dein eigener Opa gestorben ist und du auch älter geworden bist, immerhin schon zwölf, hast du den Tod von Angesicht zu Angesicht kennengelernt. Und du hast geweint am Grab. Du hast gemerkt, da stimmt etwas nicht, Opa ist jetzt weg, er wird dir nie mehr eine Geschichte erzählen, du wirst nie wieder im Sommer mit ihm ans Meer fahren. Vielleicht hast du zum ersten Mal darüber nachgedacht, dass du selbst einmal unter der Erde liegen wirst in so einem kalten, unwirtlichen Grab. Dass wir alle zu Staub werden, deine Mutter, dein Vater, deine Schwester. Und ich glaube, es ist unter anderem genau diese bewusste Begegnung mit dem Tod, die zwischen dem Kindsein und dem Erwachsensein geschieht. Es muss gar nicht unbedingt ein bestimmter Mensch sein, der stirbt; ich meine einfach die klare Einsicht, dass wir alle irgendwann nicht mehr da sein werden, niemand von uns. Und zwei, drei oder spätestens vier Generationen nach uns auch niemand mehr, der sich an uns erinnert.“ (7ff.) Eine Ermutigung über den eigenen Glauben nachzudenken! Barbara Loerzer hat im LIT Verlag in der Reihe „Bibel konkret“ sowohl die Geschichte aus biblischer Zeit – nicht nur für den Religionsunterricht Im Zeichen der Menora (ISBN 643-14899-5) veröffentlicht, sondern auch die Fortsetzungsgeschichte zu Juden und Christen im ersten Jahrhundert – nicht nur für den Religionsunterricht Cherubim (ISBN 643-14996-1). Der Inhalt des ersten Buches: „Die 15-jährige Philine und ihre Tante Lydia verlassen Jerusalem, unmittelbar nachdem der Versammlungsort der Jesusleute im Hause des Lukas von den römischen Beamten entdeckt worden ist. Trotz beschwerlicher Reise erreichen beide unversehrt Damaskus, wo sie zunächst bei Hananias Unterkunft finden. Doch bald erkrankt Lydia schwer, und Philine muss eine neue Bleibe finden. Durch seltsame Umstände tritt plötzlich Priscilla, eine vornehme und gelehrte Römerin, in Philines Leben und nimmt sich ihrer an. Über ihre Motive erfährt Philine zunächst nichts. Erst als sie mehr über die Menora in Erfahrung bringt, die Priscilla in ihrem Schreibzimmer aufbewahrt, erkennt Philine ihre Rolle in einer verwickelten Geschichte, die sie auf die Spur ihrer Herkunft bringt.“ (1) Der Inhalt des zweiten Buches: „36 n. Chr.: Voller Elan kehrt die inzwischen 16-jährige Philine nach Jerusalem zurück, nachdem sie das Erbstück ihrer früh verstorbenen Mutter, eine Menora, gefunden hat. Lea, die Mutter ihres Freundes Sirus, und Rabbi Josh helfen ihr dabei, sich in dem für sie noch neuen religiösen Umfeld zurechtzufinden. Doch bald macht sich ihre griechische Prägung bemerkbar, und sie beginnt, die strikten Rollenerwartungen zu hinterfragen. Als eines Tages ihr Reisegefährte Primus einen seltsamen Gast mit ins Haus ihres Onkels Lukas bringt, widerfährt ihr ein Deja-vu, das sie zutiefst erschüttert. Im Schnittpunkt dieser Begegnung steht ,Simsons Rätsel‘, dessen Deutungspotenzial die Protagonistin in prophetischer Manier ausschöpft.“ (1)

Was hält die Migrationsgesellschaft zusammen? Werte – Normen – Rechtsansprüche lautet der Titel des von Arnim Regenbogen, Elk Franke und Reinhold Mokrosch im Verlag V&R Unipress (ISBN 8471-1286-6) herausgegebenen Sammelbandes, der nach besonders relevanten Faktoren für den Zusammenhalt fragt und wie folgt aufgebaut ist: „Die Eingangsstudie (Tegeler/Unzicker/Vopel) unterscheidet zwischen der subjektiven Wahrnehmung des Zusammenhalts und objektiv messbaren Dimensionen, anhand derer erkennbar ist, wie es tatsächlich um den Zusammenhalt bestellt ist. Die weiteren Beiträge von Szell und Kaschuba in dem 1. Kapitel (»Aspekte eines kulturellen Pluralismus«) erinnern an die Ein- und Auswanderungen in mitteleuropäischen Staaten seit dem 19. Jahrhundert. Separierung und Integration waren die von jeher umstrittenen Themen. Und die Autoren ziehen interessante Konsequenzen aus der Geschichte für Möglichkeiten einer Integration heute. Doch was verstehen wir unter »Integration«? Und was sind solche Fakten, die die persönliche Identifikation mit einer heimischen Kultur oder auch mit einer ursprünglich fremdkulturellen Herkunftskultur stiften? Denn Integration sollte nicht einseitig als Anpassung an eine vermeintlich überlegene heimische >Leitkultur< erreicht, sondern vor allem an einem toleranten Umgang mit interkulturell unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben orientiert werden. Die Herausgeber haben deshalb mehrere theoriefundierte Analysen eingeworben, in denen der Geltungsbereich von Fachbegriffen wie Integration, Fremdheit, Mehrheit/ Minderheit, Multi- bzw. Interkulturalität, Pluralismus und Mediation im Rahmen überlieferter Theorien und theoretisch begründeter Handlungskonzepte analysiert wird, welche dann ihrerseits auf unsere Migrationsprobleme heute bezogen werden (u. a. von Franke, Kerber und Bond im 2. Kapitel »Interkulturalität - Zum Umgang mit theoretischen Konzepten«). Im 3. Kapitel »Dimensionen multikultureller Wertebildung« geht es um die Bildung interkulturell verbindlicher Wertmaßstäbe für ethische, politische und kulturelle Urteils- und Handlungsfähigkeiten. Die Beiträge dazu analysieren und beurteilen überzeugende Konzepte für die Ausbildung und Selbstbildung in Werthaltungen, in normativen Überzeugungen und in der Beurteilung von Rechtsansprüchen (Lin-Hi/Reimer; Schubarth; Regenbogen/Mokrosch). Im 4. Kapitel »Studien zu multikultureller Wertebildung« wird empirisch nachgewiesen, dass Werte wie Freundschaft, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe tatsächlich einen Zusammenhalt zwischen Migranten und Einheimischen herstellen. Und es wird gezeigt, dass Freundschaften quer durch Migranten, Einheimische und Flüchtlinge hindurchgehen. – Und Praxis-Studien analysieren, dass in der religiösen Bildung ein Interreligiöses Lernen Frieden zu stiften vermag und dass in der ethischen Bildung sogar hart mit umstrittenen Fragen wie Beschneidung durch Interkulturelles Lernen friedlich umgegangen werden kann. (Baumert; Stein/Zimmer; Mokrosch; Remme).“ (11f.) Interessante theoretische und empirische Beiträge!

 

Thomas Krobath, Doris Lindner und Susanne Scherf haben im LIT Verlag (ISBN 643-51081-5) den Band Brücken bauen. Migration – Flucht – Bildung herausgegeben, der folgendermaßen gegliedert ist: „In den Beiträgen wurden grundlegende, theoretische Zugänge, Reflexionen und Konsequenzen für die (hoch-)schulische Praxis aufbereitet und verschriftlicht. Der erste Teil des Bandes bietet nach der Einleitung der Herausgeber*innen einen historischen Rückblick und eine Chronologie der Migrations- und Fluchtentwicklungen seit dem Zweiten Weltkrieg und ihren Auswirkungen auf die Bildungs- und Arbeitssituation in Österreich. Gudrun Biffl skizziert die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen und verdeutlicht den Wandel Österreichs zu einem Einwanderungs-, Transit- und Auswanderungsland. Im zweiten Teil wird das Feld Bildungssystem und der Bildungskontext in den Blick genommen, unterschiedliche (theoretische) Zugänge vorgestellt und diskutiert. Zunächst thematisieren Inci Dirim und Paul Mecheril in ihrem Beitrag Facetten pädagogischen Handelns im Zusammenhang mit der Relevantsetzung des Differenzmerkmals ,Migration', wodurch Schüler*innen organisatorisch, didaktisch und pädagogisch unterschieden und in Folge ungleich behandelt werden. Dabei ist die Frage leitend, wie Zugehörigkeitsordnungen in Bildungskontexten (re-)produziert und verändert werden können. Danach setzt sich Elisabeth Zissler mit der Frage nach einer ethischen Professionalisierung in Bildungsprozessen auseinander. Ausgehend von Überlegungen zu kultur-essenzialistischen Zuschreibungen, die zu einer Manifestierung bzw. Verstärkung von Abgrenzungstendenzen zwischen Schüler*innen und Gruppen führen können, werden essenzialismus-kritische Zugänge und das ethische Potenzial kulturwissenschaftlich-kritischer und migrationspädagogischer Sichtweisen für die Dekonstruktion konfliktschürender Narrative in gegenwärtigen Bildungsprozessen aufgezeigt. Verena Plutzar expliziert alsdann aus einer traumapädagogischen, psychoanalytischen und mehrsprachigen Perspektive die Leitidee ,Schule als ein sicherer Ort'. Angesichts der erwiesenen migrationsbedingten Mehrsprachigkeit an Schulen wird die These vertreten, dass nationale Bildungssysteme die Bildungsbedürfnisse von Migrant*innen und Geflüchteten besser verstehen und einplanen müsse, um ihr Potential auszuschöpfen. Translanguaging wird u. a. als pädagogische Strategie vorgestellt und für die schulische Praxis diskutiert. In der Abhandlung von Katharina Rosenberger et al. wird der Capability Approach von Amartya Sen und Martha Nussbaum vorgestellt, in dessen Kern der auch für die Pädagogik und für das österreichische Bildungssystem relevante Begriff der Gerechtigkeit steht. Im Zusammenhang mit der Migrationsthematik werden bildungsbezogene Fragestellungen hinterfragt und diskutiert. Dabei wird die Kategorie ,Migration' als sozial konstruiert wie auch in Dependenz und intersektionalem Zusammenwirken mit anderen Heterogenitätskategorien verstanden. Der Beitrag von Martin Fischer et al. verdeutlicht den (spannungsvollen) Zusammenhang zwischen ,Interreligious Literacy, Gender und Diversität'. In der gleichnamigen Projektinitiative, die an der KPH Wien/Krems interdisziplinär durchgeführt wird, werden die unterschiedlichen Zugänge zum Themengebiet beleuchtet, hinterfragt und hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzung in Schulen reflektiert. Aus einer menschenrechtsbildenden, ethischen, inklusiven und religionssensiblen Sichtweise erörtert Bernhard Schörkhuber, was ein nachhaltiges Brückenbauen und ein darauf bezogenes pädagogisches Handeln in Schul- und Bildungsprozessen insbesondere für die vulnerablen und geflüchteten jungen Menschen bedeutet. Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit und soziale Ungleichheit sind auch Themen, die im Beitrag von Desiree Sehrom und Ingrid Kromer anhand der Frage nach einer adäquaten Schulsozialarbeit am Beispiel Wiens diskutiert werden. Die Autorinnen vertreten die These, dass Schulsozialarbeit und psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten einen wesentlichen Beitrag zur chancengerechten Schule beitragen können. Danach stellt Jutta Henner die zwölfteilige Wanderausstellung der Österreichischen Bibelgesellschaft „Gott hat den Fremdling lieb" vor, in deren Mittelpunkt die Begegnung mit Fremden steht. In der Ausstellung wird die biblische Sicht von Flucht und Vertreibung, Fremdheit und Gastfreundschaft beleuchtet. Insbesondere Überlieferungen aus der hebräischen Bibel, dem christlichen Alten Testament, nehmen hierbei einen breiten Raum ein. Nach diesen mehrperspektivischen Ausführungen werden schließlich im dritten Teil praxisorientierte Zugänge und Zielvorstellungen zum Umgang mit Flucht und Migration im Rahmen des (schulischen) Unterrichts in den Blick genommen. So wird einleitend im Beitrag von Sabine Zeiger der Fokus auf die Entwicklung eines rassismuskritischen Deutschunterrichts gelegt. Dabei wird der Bogen zunächst durch veranschaulichte und rassistisch grundierte Integrationsvorstellungen zum Bruch mit der Normalität, der Entnormalisierung von Rassismus, hin zur Dekonstruktion rassifizierender Sprachhandlungen gespannt, um abschließend den Umgang mit Rassismus im Deutschunterricht am Beispiel der Analyse schulischer Lehrwerkzeuge aufzuzeigen und produktive Brüche anzuregen. Stefanie Schwandner widmet sich dann Fragen einer angemessenen Lesedidaktik in der Migrationsgesellschaft und untersucht evidenzbasierte Programme zur Leseförderung hinsichtlich differenzfreundlicher und diskriminierungssensibler Aspekte, wobei auf Grundannahmen der Theorie zur transformativen Bildung rekurriert wird. Georg Blaha setzt sich in seinem Beitrag mit der Frage auseinander, wie Schüler*innen eine demokratische Grundhaltung, ein gewaltfreies Lösen von Konflikten und Dialogfähigkeit lernen können. Anhand des Beispiels ,Klassenrat‘ und ,Klassensprecher*innenwahl‘ werden zentrale Überlegungen vorgestellt und reflektiert. Anschließend stellt Peter Spind/er vor, wie theaterpädagogische Ansätze und theatrale Methoden bzw. Elemente im Unterricht angewendet werden können, um die komplexen Themen Migration und Flucht nachhaltig zu vermitteln. Der Beitrag intendiert den Abbau von Handlungsbarrieren und Widerständen, um Lernerfahrungen und Perspektivenänderungen für am Unterricht Beteiligte zu ermöglichen. Sonja Gabriel beleuchtet danach die Rolle digitaler Spiele (Serious Games) in der Vermittlung von Migrations- und Fluchtthemen im Unterricht. Es werden ausgewählte Spiele vorgestellt, analysiert und hinsichtlich ihres Potentials als lern- und reflexionsauslösende Unterrichtsmittel kritisch eingeordnet. Migration als Thema für den Sachunterricht der Primarstufe steht im Mittelpunkt der Betrachtungen von Kerstin Schmidt-Hönig. Dabei wird im Rahmen einer Lehrveranstaltung der Frage nachgegangen, wie Migration mit der familiären Biographie und Geschichte der Studierenden verbunden ist. Ziel der Auseinandersetzung ist ein Bewusstsein für die vielfältigen Flucht- und Migrationsgründe zu schaffen, Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierung entgegenzuwirken sowie Schlussfolgerungen für die sachunterrichtliche Praxis zu ziehen. Jennifer Jakob führt in den Gegenstand ,Bildung für nachhaltige Entwicklung' (BNE) ein. Es werden Studienergebnisse zu den Einstellungen, Haltungen und dem Wissen von Lehramtsstudierenden der KPH Wien/Krems zu BNE vorgestellt und vor dem Hintergrund bestehender Erkenntnisse diskutiert.“ (30ff.) Passend zu dieser Thematik haben Britta Konz und Caterina Rohde-Abuba in ihrem im Verlag Julius Klinkhardt (ISBN 7815-2491-0) erschienenen Buch Flucht und Religion auf der Grundlage einer interdisziplinären qualitativ-empirischen Studie mit muslimischen, christlichen und ezidischen Familien religiöse Verortungen und Deutungsprozesse von Kindern und Eltern mit Fluchterfahrungen beschrieben. Das Buch gliedert sich wie folgt: „Auf die durch Britta Konz und Caterina Rohde-Abuba gemeinsam verfasste Einleitung folgt im zweiten Kapitel des Buches die durch Britta Konz erarbeitete Vorstellung der Datengrundlage und Methodik, auf der dieses Buch gründet. Die darauffolgenden Kapitel bauen nicht aufeinander auf, sondern sind einzelne in sich geschlossene Kapitel, die die Perspektive der Kinder und ihrer Eltern unter verschiedenen interdisziplinären Gesichtspunkten beleuchten. In Kapitel 3 geht Caterina Rohde-Abuba basierend auf Daten der World Vision Studie „Flucht, Religion, Resilienz" der Frage nach, welche Bedeutung religiöse Zugehörigkeit in den Identitätsbildungsprozessen der interviewten Kinder und Jugendlichen hat. In Kapitel 4 behandelt Britta Konz auf Grundlage von Daten aus ihrer Pilotstudie und der World Vision Studie religiöse Selbst- und Weltdeutungen von Kindern und Jugendlichen im Kontext ihrer Fluchterfahrungen. In Kapitel 5 untersucht Caterina Rohde-Abuba anhand der im Rahmen der World Vision Studie erhobenen Eltern-Interviews, wie Erwachsene mit Fluchterfahrung ihre Elternschaft in den wechselnden Kontexten von Flucht, Asyl und Integration durch unterschiedliche Sorgepraktiken (,,care") konstituieren. In Kapitel 6 widmet sich Britta Konz anhand von Interviews mit erwachsenen Frauen in ihrer Pilotstudie und der Elterninterviews im Rahmen der World Vision Studie der Frage, wie religiöse Erziehung eine Vermittlungsfunktion zwischen der Subjektivierung dieser Frauen in ihrer alten und neuen Lebenswelt herstellen kann. In Kapitel 7 resümieren Britta Konz und Leonie Seebach die Ergebnisse dieses Buches in Hinblick auf religiöse Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen in der Migrationsgesellschaft. Kapitel 8 stellt das gemeinsam durch Britta Konz und Caterina Rohde-Abuba verfasste Fazit des Buches dar.“ (17)

 

Schließlich ist in diesem Kapitel noch auf das von Manfred L. Pirner, Michaela Gläser-Zikuda und Michael Krennerich im Wochenschau Verlag (ISBN 7344-1381-1) herausgegebene Buch Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen im Kontext Schule hinzuweisen, dessen Hintergrund in der Einführung so erklärt wird: „Angesichts der allgemeinen Verunsicherung, wie im weiter zunehmenden und sich z. T. konflikthaft verschärfenden gesellschaftlichen Pluralismus eine Einigung über normative Orientierungen in Gesellschaft und Schule möglich ist, empfehlen sich die internationalen Menschenrechte und für die Schule insbesondere deren Konkretion in Form der Kinderrechte als normative Grundlage und Orientierungsrahmen. Diese These bildet die Grundthese des vorliegenden Bandes. (…) Das Potenzial der Menschenrechte, durch ihre rechtliche Verbindlichkeit einerseits und durch die mit ihnen verbundene Werteorientierung andererseits zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zu einem humanen Zusammenleben beizutragen, ist bislang erst ansatzweise realisiert worden. So spielen zum Beispiel die Menschenrechte im 2020 gegründeten deutschlandweiten Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt keine tragende Rolle. Offensichtlich besteht in Deutschland nach wie vor die Tendenz, beim Thema Menschenrechte vor allem an massive Menschenrechtsverletzungen in weit entfernten Ländern zu denken, die uns in den Medien regelmäßig präsentiert werden. Dass die internationalen Menschenrechtsverträge auch für Deutschland bindendes Recht sind und dass die Verankerung der Menschenrechte im Grundgesetz letztlich den normativen Rahmen darstellt, der unsere freiheitliche Diversität an Lebensstilen, Wertorientierungen, Religionen und Weltanschauungen überhaupt erst möglich macht, scheint weniger bewusst oder zu selbstverständlich zu sein. Dies gilt ähnlich für die öffentliche Schule. Im wissenschaftlichen und bildungspolitischen Diskurs ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass normative Bildungs- und Erziehungsziele heutzutage durch keine Metatheorie mehr allgemeingültig begründet werden können. Angesichts solcher Begründungsprobleme und der Neigung von Schule, sich durch idealistische pädagogische Visionen zu überfordern, hat beispielsweise die sogenannte "Klieme-Expertise" zu Bildungsstandards seinerzeit für eine pragmatische Fokussierung schulischer Bildung auf die Vermittlung von Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Fremdsprachen plädiert.“ (7f.) Der Band enthält wichtige wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Impulse, die Kinderrechte durchaus stärker in deutschen Schulen verankern helfen!

 

 

3. Religionspsychologie – Inklusion

 

Grundwissen Psychologie. Lehrbuch für Theologie und Seelsorge lautet der Titel des von Klaus Kießling, Agnes Engel, Theresia Strunk und Hermann-Josef Wagener im Matthias Grünewald Verlag (ISBN 7867-3098-9) verfassten über 600seitigen Grundlagenwerkes. Zu Beginn heißt es: „Grundwissen Psychologie – diese Stichworte markieren einen zentralen Bedarf all derer, die in der Seelsorge arbeiten. Diese Stichworte umschreiben zugleich ein Interesse der Theologiestudierenden, die in der Zeit ihrer Hochschulausbildung wichtige Bezugsdisziplinen kennenlernen möchten, die ihrer beruflichen Qualifizierung zugutekommen. Grundwissen Psychologie bildet darum den Titel dieses Lehrbuchs für Theologie und Seelsorge. (…) Seit ihren Anfängen geht mit dieser Disziplin die Frage nach dem Zueinander von Seelsorge und Psychotherapie einher. Letztere gehört zum Fächerkanon der Psychologie und bezeichnet jenes Fach, das mit der Seelsorge womöglich am engsten verwandt ist – und aufgrund dieser Nähe nicht nur als Partnerin, sondern auch als Konkurrentin erscheint, die gar als Sündenbock für leere Beichtstühle herhalten muss. Aber gerade weil ein Sakrament sich als Heilszeichen, als sichtbares Zeichen göttlichen Heils versteht und heilsam wirken möge, stellen sich Fragen – nach dem Zueinander von Heil und Heilung, von Psychotherapie und Seelsorge. Wie also lassen sich Seelsorge und Psychotherapie zuordnen, wie gegeneinander abgrenzen? Zielt Psychotherapie auf Heilung der psychischen Verfassung eines Menschen ab, während Seelsorge für das Heil der Seele, für das Seelenheil sorgt? Sind die einen für die Heilung, die anderen für das Heil zuständig? Oder verschiebt sich damit die Frage nach dem Verhältnis von Psychotherapie und Seelsorge nur dahingehend, dass nun zu erörtern wäre, wie sich Heil und Heilung zueinander, miteinander, gegeneinander verhalten? Welche Antwort bietet die Heilige Schrift an, welche die Tradition?“ (17f.) Für den Aufbau dieses Lehrbuchs ergibt sich daraus, „dass wir jeder psychologischen Disziplin ein eigenes Kapitel widmen. Dabei sind zentrale Definitionen und Merksätze optisch eigens gekennzeichnet. Hintergrundinformationen, die den Haupttext ergänzen, aber nicht zwingend gelesen werden müssen, um dem Duktus des Haupttextes folgen zu können, sind ebenfalls als solche kenntlich gemacht. Schließlich finden Leserinnen und Leser zahlreiche Exkurse, die explizite Bezüge zu Theologie und Seelsorge herstellen und als solche ausgewiesen sind. Denn einerseits kommt es uns Autorinnen und Autoren darauf an, das Grundwissen Psychologie (I) als solches zu präsentieren, ohne dabei vorschnell und eigenmächtig zu entscheiden, was davon für Theologie und Seelsorge nützlich und notwendig sein mag, andererseits aber setzen wir darauf, dass es für manche Studentin und manchen Studenten, aber auch für andere Leserinnen und Leser motivierend wirkt und die Lektüre dieses Buches erleichtert, wenn sie unterwegs in fachfremdem Gelände immer wieder auf Brücken stoßen, die in heimische Regionen geschlagen werden und exemplarisch daran erinnern, warum und wofür die Auseinandersetzung mit psychologischem Grundwissen und seine Aneignung lohnen.“ (22) Eine hilfreiche Einführung in Allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie, Differentielle und Persönlichkeitspsychologie über Entwicklungs- und Gerontopsychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie bis hin zu Pädagogische Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Kommunikationspsychologie und Religionspsychologie! Letztere Disziplin steht auch im Mittelpunkt der Erlangen-Nürnberger Habilitationsschrift Anthropologie und Kulturpsychologie der religiösen Entwicklung von Lars Allolio-Näcke, die im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-041050-3) erschienen ist. In seiner Einleitung erklärt der Verfasser, dass hier ein Lebensweltbereich des Menschen (wieder) erschlossen wird, „dem sich die akademische Psychologie im deutschsprachigen Raum seit fast einem Jahrhundert verschlossen hat. Statt Lebenswelten von Menschen zu untersuchen, neigt die akademische Psychologie – je länger, je mehr – dazu, Protowissenschaft zu sein. Dabei ist nicht die Kuhnsche Unterscheidung eines allgemein akzeptierten Paradigmas ausschlaggebend – das hat es zu keiner Zeit in der akademischen Psychologie gegeben, vielmehr unterschied man seit jeher zwischen dominanten und marginalen Positionen-, sondern der fehlende bzw. verfehlte Gegenstand. Auch andere Wissenschaften konstruieren ihre Zugänge zu ihrem Gegenstand bzw. dessen Eigenschaften, aber dieser liegt entweder vor oder ist allgemein anerkannt. Auch die Psychologie teilt eine anerkannte Gegenstandsdefinition, nämlich Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen zu sein, jedoch ohne mit ihren Methoden und Konstrukten dieser Definition gerecht zu werden. Weder ist Verhalten – oder besser Handeln – durch einen Fragebogen oder einen Test adäquat zu erfassen, noch geben Laborstudien in faradayschen Käfigen Aufschluss über das Erleben einer Person, denn das Ziel eines solchen Settings ist es ja gerade, Situationen zu schaffen, die erlebnisfrei – oder in der Sprache der Psychologie: ohne Störquellen – sind. Ob es Konstrukte, wie >Selbstwirksamkeitserwartung< oder >Intelligenz< gibt, ist umstritten – noch mehr, welchen Stellenwert sie für den Alltag der Menschen haben. Demgegenüber vertritt die Kulturpsychologie den Anspruch, Menschen in ihren Kontexten und Lebenswelten zu untersuchen – primär über Beobachtung und die Erfassung des individuell verschiedenen Sinns und der kulturell verschiedenen Bedeutungen. Auch wenn die akademische Psychologie – und nicht die Naturwissenschaften – diejenige Wissenschaft ist, die die meisten Atheistinnen aufweist, darf dies eben nicht dazu führen, Lebensbereiche generell auszublenden, weil sie als ideologisch überwunden gelten. So halten die meisten PsychologInnen magische Inhalte für vorreflexiv bzw. vormodern, Religiosität gilt als rückwärtsgewandt und zu überwinden und die Dimension des Seelischen, die den Griechen so wichtig war, hat man der Psyche schon lange ausgetrieben. Es verwundert daher nicht, dass sich die Theologie – hier die Religionspädagogik und ihre >Mutter<, die Praktische Theologie, - dem Thema der religiösen Entwicklung sowie dem religiösen Erleben und Verhalten angenommen hat. Auch wenn die Entwicklung nicht in der Sackgasse endete, sondern vielmehr theoretisch in den 1970er bzw. den frühen 1980er Jahren ihren Abschluss fand, herrscht seither auch hier Schweigen. Modelle, die 40 Jahre und älter sind, werden für eine Realität gelehrt, die mit den gesellschaftlichen Vorstellungen der damaligen Zeit nicht kompatibel ist. Zudem, und das werde ich zeigen, tragen sie implizite oder auch unverblümt explizite Theologien in sich, die schon für die 1960er oder 1970er Jahre keine angemessene Applikationen darstellten und heute erst recht fragwürdig erscheinen. Derzeit sind »neue Impulse zur Modellbildung und Erforschung der religiösen Entwicklung [ ... ] nicht zahlreich. Zu nennen sind hier einerseits Versuche, die Stufenmodelle zu vergleichen und um neuere Konstrukte zu erweitern, andererseits aber theoretisch wie empirisch neu zu durchdenken und als Modell alternativer religiöser Stile zu reformulieren. Dennoch wird man feststellen müssen, dass entwicklungspsychologische Perspektiven im engeren Sinn weitgehend aus dem Fokus der deutschsprachigen Religionspsychologie verschwunden sind« - und damit meinen Klein und Streib ausschließlich die Religionspsychologie theologischer Provenienz.“ (11f.) Der Neuansatz des Autors besteht darin: „Da sich die Rahmenbedingungen geändert haben, die – kulturpsychologisch gedacht – ihren Gegenstand verändern, muss theoretisch neu begonnen werden, statt die vorhandenen Theorien lediglich zu adaptieren. Wissenschaftstheoretisch angemessen beginnt dies mit der Formulierung einer Theorie, die dann in Einzelhypothesen zerlegt, empirisch überprüft – als Totalaussage nicht bestätigt – werden kann. Eine solche Theorie wird hier vorgelegt, um deren empirische Prüfung müssen sich dann diejenigen Psychologinnen kümmern, die laut Wunsch des Wissenschaftsrates von 2010, die Lehrstühle und Professuren besetzen werden, die durch den Aufbau der Religionspsychologie in Deutschland entstehen sollen, denn »[d]ie Weiterentwicklung der Religionspsychologie stellt [in der akademischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland - LAN] ein Desiderat dar«. Dabei geht es weniger um die Ablehnung dessen, was die theologischen Kolleginnen bereits erarbeitet haben, als vielmehr um die Durchsicht sowie Kritik – im Sinne einer Würdigung –, um dann von daher, diese Erkenntnisse nutzend, einen angemesseneren eigenen theoretischen Ansatz zu entwickeln.“ (12). Die innovativen Überlegungen münden in der Aussage, dass Religion ihr Alleinstellungsmerkmal „einzig durch ihren Vollzug (in der Tradition) erhält und durch den Umstand, dass es Menschen gibt, die sich einer Religion (sgemeinschaft) verpflichtet fühlen“. (226) Hervorragend dazu passt die Lektüre des umfangreichen Bandes Die Entdeckung der inneren Welt. Religion und Psychologie in theologischer Perspektive, die im Verlag Mohr Siebeck (ISBN 16-156821-3) von Annette Haussmann, Niklas Schleicher und Peter Schüz herausgegeben wurde. Gerd Theißen gibt in seinem Geleitwort einen gelungenen Überblick über Kontext und Inhalt des Forschungsbandes: „Dieses Buch ist sehr zu begrüßen. >Religion< war in der wissenschaftlichen Psychologie meist nur ein Nebenthema. Wurde sie trotzdem hin und wieder zum Hauptthema, wurde sie oft zur Religionskritik, die Nachrufe auf die Religion formulierte, der man nur als Illusion noch eine Zukunft gab (Sigmund Freud). Aber auch in der Theologie war die psychologische Erforschung der Religion umstritten. Falls sie ausnahmsweise intensiv für theologische Zwecke betrieben wurde, so wurde sie gleich in umfassende Programme eingespannt, die eine Erneuerung der Religion durch die Bildersprache des Unbewussten versprachen (z.B. bei Eugen Drewermann). Zwischen religionskritischen und religionserneuernden Programmen will die Psychologie ruhig und in kontrollierter Weise Religion als psychisches Phänomen erforschen. Psychische Phänomene werden freilich im Bereich der Religion nicht immer >psychisch< genannt. Religionspsychologie wird vielmehr oft nicht als >Psychologie< betrieben, sondern als Mentalitätsgeschichte, Alltagsgeschichte oder Anthropologie. Die historische Anthropologie rekonstruiert z.B., wie die >innere Welt< in Ägypten, Griechenland und Israel in ihrer Beziehung zur sozialen und realen Welt entdeckt wurde. Leibbezug, Sozialbezug und Selbstbezug waren in ihr unlöslich miteinander verwoben. Jacob A. van Beizen zeigt in diesem Buch für die Gegenwart systematisch die Möglichkeiten auf, wie wir diese innere Welt der Religion psychologisch erforschen können: einmal, indem wir die vorhandenen allgemeinen Theorien der Psychologie auf religiöse Phänomene anwenden, ferner, indem wir von begrenzten religiösen Phänomenen ausgehen und diese in ihrem Zusammenhang erforschen, schließlich, indem wir umfassende Religionstheorien entwerfen, sei es mit religionskritischer oder mit religionsbewahrender Intention. Religionspsychologie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen diesen Religionstheorien. Innerhalb der Psychologie gerät sie oft durch vorschnelle Pathologisierung der Religion ins Abseits, innerhalb der Theologie durch eine reduktionistische Psychologisierung des Glaubens. Sie wird zur Religionskritik, wenn sie nahelegt, dass sich in ihr nicht Gott, sondern der Mensch offenbart. Deshalb wurde Psychologie manchmal von Theologen als adäquater Zugang zur Religion abgelehnt. Die schärfere Variante dieser Ablehnung verurteilt sie als »Götzendienst« (Karl Barth), die mildere sieht in ihr den Ausdruck eines cor incurvatum in seipsum, das in sich selbst eingeschlossen ist. Zwei Beiträge in diesem Buch setzen sich mit der Pathologisierung der Religion in Psychoanalyse und Psychiatrie auseinander. Der Beitrag von Susanne Heine zeigt am Beispiel der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs, dass der Dialog mit diesen Ansätzen nicht fruchtbar ist, wenn man sie in der Praktischen Theologie theologisch vereinnahmt. Die Auseinandersetzung mit ihnen ist nur dann wertvoll, wenn man sie in ihrer Eigenständigkeit respektiert. Stephanie Gripentrog-Schedel beschreibt, wie in der Psychiatrie die Grenze zwischen dem Normalen und dem Anormalen geschichtlich sehr verschieden gezogen wurde. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden >pathologische< Formen der Religion von ihrer >gesunden< Ausprägung unterschieden, wobei als >gesund< die Frömmigkeit der Kirchen galt, aber nicht die der Freikirchen. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde bei pathologischen Phänomenen zwischen religiösen und nicht-religiösen Varianten differenziert. In der Gegenwart gibt es eine Tendenz, in einer freien Spiritualität (auch außerhalb der Kirchen) einen nichtpathologischen Ausdruck von Religion zu sehen. Bernhard Lauxmann weist schließlich auf einen neuen Weg, den Gegentand der Religionspsychologie zu bestimmen: Es handle sich weder primär um Pathologisches noch Anormales, sondern um Singuläres. Das entspricht einer »Gesellschaft der Singularitäten« (Andreas Reckwitz), in der Menschen ihr Leben der Suche nach dem Besonderen widmen. Daher plädiert er für eine »singularitätssensible Religionsforschung«, während Religionspsychologie bisher das Allgemeine suchte. Die systematisch-theologischen Beiträge dieses Bandes setzen sich direkt oder indirekt mit der Kritik an der Psychologisierung des Glaubens auseinander. Sie wollen die Ablehnung der Psychologie in der Theologie überwinden und werten Beispiele aus der Theologiegeschichte dafür aus, dass die Theologie dazu beigetragen hat, die innere Welt des Menschen zu erschließen. Jörg Noller stellt dar, dass sich die Beziehung zur Transzendenz und eine Vertiefung der Subjektivität nicht widersprechen, im Gegenteil: Von Augustinus über Johann Arndt bis in die Gegenwart war die Beziehung zu Gott ein Motiv, die Selbstexploration des Menschen zu vertiefen. Martin Fritz führt diese Linie weiter: Die Aufklärung vertrat keineswegs nur ein rationalistisches Christentum, sondern trat für ein emotional >vergnügtes Christentum< ein, so dass Schleiermacher mit seiner Gefühlstheologie an sie anknüpfen konnte. Roderich Barth stellt die Geschichte der Theologie der Gefühle von Schleiermacher bis in die Gegenwart dar und in ihr die Re-Psychologisierung der Hermeneutik. Niklas Schleicher zeigt in seinem Beitrag an ausgewählten Beispielen von Adam Smith bis Johannes Fischer die Bedeutung von Emotionen für die Grundlegung der Ethik. Fazit dieser Beiträge ist: Es gibt von Seiten der Systematischen Theologie keinen Grund, sich gegen eine Religionspsychologie auszusprechen. Im Gegenteil: Die psychologische Erforschung der Religion ist eine wichtige Aufgabe für Theologie und Kirche. Die bisher genannten Beiträge öffnen einen Raum zwischen einer religionskritischen Pathologisierung und theologiekritischen Psychologisierung der Religion. Weitere Beiträge zeigen, wie dieser Raum in verschiedener Weise gefüllt werden kann. In diesem Band finden sich vor allem textorientierte Beiträge zur Religionspsychologie auf der Basis von Gesetzestexten, Predigten, Dichtungen und Reflexionen. Matthias Hopf wertet alttestamentliche Gesetzestexte aus, die für eine Religionspsychologie auf den ersten Blick sehr spröde sind, aber in der Berufung auf die Heiligkeit der Gesetze eine emotionale Intensität zeigen, die ins Zentrum der Religion führt. Jan J. Hofmann analysiert Predigten der Aufklärung am Beispiel von Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem, der von der Vernünftigkeit des Glaubens überzeugt war, aber ihn durch ein empfindsames Erleben beleben wollte. Claudia Kühner-Graßmann wertet die Interpretation Dostojewskijs durch den Theologen Martin Doerne aus. Dichtung wird hier zur Grundlage einer religiösen »Seelenkunde«. Caroline Teschmer und Christoph Wiesinger zeigen, wie die Grundspannung zwischen Angst und Liebe das religiöse Bewusstsein in vielen philosophischen und psychologischen Reflexionen bis in unsere Gegenwart bestimmt. Heute ist besonders die Erforschung religiöser Gefühle ein wichtiges Thema geworden. Hier wird ein psychologischer Ansatz weithin akzeptiert. Psychologie ist aber umfangreicher als das: Sie umfasst das Erleben und Verhalten, Denken und Bewusstsein des Menschen, seine Beziehung zu anderen Menschen und zu sich selbst. Sie besteht nicht nur in Textinterpretationen, die in der Theologie verständlicherweise vorherrschen, sondern in empirischer Forschung. Die Studie von Annette Haußmann über Wut und Religion hat eine besondere Stellung in diesem Sammelband, da sie an einer Emotion exemplarisch zeigt, wie bei ihrer Erforschung historische und hermeneutische, therapeutische und empirische Zugangsweisen zusammenwirken. Religionspsychologische Forschung ist fruchtbar, wenn sie offen für viele Perspektiven ist. >Wut< wird dann multi-perspektivisch sichtbar als verdrängtes Phänomen, als Aufgabe für religiöse Emotionsregulation, als kreativer emanzipatorischer Impuls, aber auch als depressiv machender Affekt. Eine vergleichbare Sonderstellung hat der Beitrag von Birthe Fritz, der fragt, wie man schon im Studium theologisches und psychologisches Basiswissen zusammenführen kann. Was im Studium nicht zusammenfindet, wird sich auch in der Praxis nicht gegenseitig befruchten. Sicher ist: Das theologische Verdammungsurteil über die Psychologie als Götzendienst lässt sich nicht halten. Religionspsychologie wird ihrerseits solche Urteile nicht verdammen, sondern versuchen, sie psychologisch ohne moralische Abwertung zu verstehen. Eben darin liegt die Überlegenheit der Psychologie: Sie versucht ihre Gegner zu verstehen. Deshalb hat sie in der Gegenwart eine große Aufgabe. Denn auch die Religion wird in ihr oft abgelehnt. Religionspsychologie ist daher für einen sachlichen Dialog über die Religion in unserer (post-)säkularen Gesellschaft unverzichtbar.“ (VII ff.) Inhaltlich passt dazu auch das im W. Kohlhammer Verlag (ISBN17-042026-7) von Gerhard Marcel Martin veröffentlichte Buch Sehnsucht leben. Erfahrungen und Konzepte, in dem der Verfasser eine präzise, auch psychologische Begriffs- und Phänomenklärung unternimmt: „Wie und wo in der Hebräischen Bibel, im Neuen Testament und in der Gesangbuchsfrömmigkeit von „Sehnsucht" die Rede ist, lässt sich begriffsgeschichtlich klären. Aber die Frage bleibt, ob und wie der engere religions­theologische und frömmigkeits-praktische Begriff „Sehnsucht" anschlussfähig zu anderen Sprach- und Denkwelten ist. Wo könnte es, wenn es gut geht, auch wechselseitig Resonanz, Anreicherung und Perspektivöffnungen geben? Das macht eine anspruchsvolle Phänomen- und Begriffsklärung notwendig. Die Suchbewegung führt in die antike Mythologie und in die Philosophie, in die Religions- und Theologiegeschichte, in die Phänomenologie, in die sehr verschiedenen Schulen aktueller Psychologie und Tiefenpsychologie und nicht zuletzt zur Literatur: Poesie und die Welt der Lieder. Fundament der Arbeit ist die Entwicklung und Bestimmung eines Begriffs von „Sehnsucht", der sich von allgemeineren Verwendungen des Wortes unterscheidet. „Sehnsucht" wird hier nicht als ein Sammelbegriff für Wünsche und Glücks- und Sinnsuche verschiedenster Art verstanden. Vielmehr gehe ich von einem relativ engen, darum aber auch profilierten Verständnis von „Sehnsucht" aus. „Sehnsucht" hat ja, anthropologisch generell betrachtet, weit mehr und qualitativ anders als Hoffnung eine konstitutive Unschärfe bezüglich ihrer Inhalte und Ziele und ist darum auch universal einsetzbar. Definitorisch enger gefasst geht es bei ihr um mehr und anderes als lediglich um eine Objektfeme, vielmehr um etwas, das sich immer wieder entzieht, unterbestimmt bleibt oder überhaupt nicht bestimmbar ist, ein Verlangen nach immer wieder Unerreichbarem. „Alles beginnt mit der Sehnsucht ... Und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf“, sagt Nelly Sachs. Hermann Schmitz spricht im Zusammenhang mit „Sehnsucht" von einem anhaltenden und unumkehrbaren „zentrifugalen Streben“. Ich verstehe „Sehnsucht“ als eine oft diffuse und weitgehend ziellose, exzentrische Grundstimmung, als ein Existenzial, eine anthropologisch-philosophische Fundamentalkategorie sui generis. In dem Sinne ist Sehnsucht auch mehr als ein Affekt, mehr als eine Emotion unter anderen. Mit dieser definitorischen Vorgabe habe ich durchaus verschiedene Sehnsuchtsprofile gesucht und gefunden – theologisch, phänomenologisch, philosophisch, religions-wissenschaftlich, existenzial und poetisch. Das heißt, dass trotz der relativ engen Begriffsbestimmung deutlich Varianten, möglicherweise sogar disparate oder einander spröde gegenüberstehende Positionen in Erscheinung treten werden, Positionen, die auch nicht weiter harmonisiert werden sollen.“ (7f.)

 

In seiner in der Evangelischen Verlagsanstalt (ISBN 374-07127-2) veröffentlichten hervorragenden Bochumer Dissertation Die Zukunft der Seele geht es Elis Eichener um eine verdienstvolle poimenische Relecture des Seelenbegriffs. In seiner Schlussbemerkung hält der Verfasser fest: „Die Seelsorge ist auf den Seelenbegriff angewiesen – das zeigt nicht nur der Terminus „Seelsorge“, sondern vor allem die Bewährung des Seelenbegriffs in der religiösen Praxis. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass die traditionellen Konzeptionen von der Seele mit ihren substanzdualistischen Implikationen theoretisch wie praktisch nicht mehr überzeugen können. Doch konnte die vorliegende Studie zeigen, dass sich der Seelenbegriff damit keinesfalls erledigt hat. Sowohl in der Philosophie als auch in der Theologie haben sich neue theoretische Möglichkeiten erschlossen, die Rede von der Seele auf ein neues Fundament zu stellen und wieder selbstbewusster gegenüber reduktionistischen wissenschaftlichen Ansätzen aufzutreten. Dass der Substanzdualismus nicht mehr vertreten werden kann, bedeutet nicht, dass der Seelenbegriff insgesamt ad acta zu legen ist. Das herauszuarbeiten, war ein wesentliches Ziel dieser Studie. Der Seelenbegriff kann unter gegenwärtigen geistesgeschichtlichen Bedingungen reformuliert werden. Für die Seelsorge ist dies elementar.“ (292) Als ein wichtiges Ergebnis seiner umfangreichen Studie markiert der Autor: „Bei der Relecture des Seelenbegriffs hat sich herausgestellt, dass der Seelenbegriff zwei Momente zusammenhält: Auf der einen Seite verweist der Seelenbegriff auf das Erleben des Menschen. In dieser Hinsicht ist er eng mit dem Bewusstsein verbunden. Das Bewusstsein wird dabei im Anschluss an den angelsächsischen Theoriediskurs als die nichtreduzierbare Selbstheit des Menschen, seine Eigenperspektivität, bestimmt. Es handelt sich dabei um ein emergentes Phänomen, das auf neurobiologischen Vorgängen beruht, sie aber gleichzeitig transzendiert. Dem Bewusstsein kommt folglich eine relative Autonomie zu, zugleich ist es nicht nur auf den Leib, sondern auch auf Sozialität angewiesen: In beides ist das Bewusstsein relational eingebettet. Mithilfe eines so definierten Bewusstseins kann auf anthropologischer Ebene wieder plausibel von der Seele gesprochen werden. Auf der anderen Seite übersteigt der Seelenbegriff Parallelkonzepte wie das Bewusstsein, auch wenn er mit ihnen gekoppelt ist. Der Seele wird ein besonderer Transzendenzbezug zugeschrieben, der sich vor allem in den eschatologischen Aussagegehalten des Seelenbegriffs zeigt. Der Seelenbegriff stellt aus diesem Grund nicht nur ein anthropologisches Konzept dar, das eine Dimension des Menschseins beschreibt, sondern auch eine Metapher, die durch die in ihr implizierte Affinität zur Transzendenz die eschatologische Fortexistenz denkbar macht. Als eine solche Metapher ist der Seelenbegriff als wesentliches Element religiöser Sprache zu verstehen, die im Gegensatz zu anderen Kommunikationsformen den transzendenten Charakter der Seele würdigt. Dies ermöglicht es, den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele theologisch ernstzunehmen.“ (292f.) Zum Seelsorgebegriff heißt es: „Seelsorge wurde in dieser Untersuchung als fürsorgliche Unterstützung der Sorge um die eigene Seele im Licht der Transzendenz bestimmt. Seelsorge zielt demnach darauf, einen Beitrag zur Selbstsorge des Individuums zu leisten. Unter dem Begriff »Seelsorge« lassen sich viele unterschiedliche Handlungsfelder fassen, die von der Alltagsseelsorge über die Krankenhausseelsorge bis hin zur Seelsorge im Trauerfall reichen. Die unterschiedlichen seelsorglichen Handlungsfelder sind dadurch miteinander verbunden, dass sie sich auf die Seele als ihren gemeinsamen Gegenstand beziehen. Der Seelenbegriff gewährleistet dabei nicht nur den inneren Zusammenhalt der Seelsorge, sondern begründet sie aufgrund seines Bedeutungsüberschusses als religiös. Schließlich steht im Fokus ihres Interesses nicht die Psyche des Menschen oder sein Leib, sondern die Seele mit ihrer anthropologischen Verwurzelung und ihrem Transzendenzbezug. Damit beinhaltet die Seelsorge ein Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Sorgeformen wie der Psychotherapie, die im Gegensatz zur religiösen Kommunikation den transzendenten Überschuss der Seele nicht adäquat adressieren können. Seelsorge sorgt sich in dieser Hinsicht exklusiv um die Seele. Dies bedeutet zugleich nicht, dass der Leib aus der Seelsorge kategorisch ausgeschlossen würde, da die Seele eng auf den Leib verwiesen ist. So kann auch der Leib in der Sorge um die Seele zum Thema werden, weil er sich auf die seelische Gestimmtheit auswirkt. Die Seelsorge kann demnach die Sorge um den Leib inkludieren – nicht mit einem medizinischen, sondern mit einem seelsorglichen Fokus. Entscheidend für die vorliegende Studie ist, dass die Relecture des Seelenbegriffs keinen Selbstzweck darstellt. Es geht ihr weniger darum, zu klären, was die Seele ist, als vielmehr darum, danach zu fragen, wie Seelsorgerinnen und Seelsorger verantwortlich von der Seele sprechen können. Es geht darum, der seelsorglichen Praxis ein Konzept zur Verfügung zu stellen, mit dem die Rede von der Seele in Seelsorgesituationen nicht nur angemessen gewürdigt, sondern auch konstruktiv aufgegriffen werden kann. Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen nicht sprachlos werden, wenn Menschen von ihrer Seele reden, sie müssen sie nicht theologisch »korrigieren«, wenn sie auf ein Weiterleben der Seele hoffen. Vielmehr können sie hermeneutisch reflektiert an diese Sprachformen anknüpfen und mit dem Trost der Seele ein Motiv des Glaubens einbringen, das nicht nur von Anfang an in der christlichen Tradition präsent gewesen ist, sondern bis heute den Menschen Hoffnung gibt. Es gibt gute Gründe, an die reformatorische Annahme, dass Seelsorge der Trost der Seele ist, unter neuen wissenschaftstheoretischen Bedingungen anzuschließen.“ (293)

 

Dem Thema Inklusion widmen sich die beiden folgenden Neuerscheinungen aus dem LIT Verlag: Zum einen die umfangreiche empirisch-quantitative Untersuchung Inklusive Kompetenz. Einstellungen von Lehramtsstudentinnen und Lehramtsstudenten zur schulischen Inklusion (ISBN 643-51080-8) von Rudolf Beer. Sie enthält folgende Ziele und Fragestellungen: „1. Ein Ziel des vorliegenden Entwicklungs- und Forschungsprojekts ist, ein an vorliegenden Modellen orientiertes Erhebungsinstrument für inklusive Kompetenz (Einstellungen/Haltungen) von Lehrkräften empirisch an einer großen Stichprobe zu erproben. 2. Ein zentraler Forschungsaspekt widmet sich der Frage, wie inklusive Kompetenz (Einstellungen/Haltungen) bzw. in welchen Profilierungen im Kreise des angehenden Lehrpersonals vorliegt. 3. Ein weiterer Aspekt fragt, welche Unterschiede sich zwischen einzelnen Akteurs-gruppen (Student/innen, Bürger/innen) finden lassen und ob inklusive Kompetenz (Einstellungen/Haltungen) mit anderen personenbezogenen Parametern in Zusammenhang steht. 4. Darüber hinaus möchte mit Blick auf Lehramtsstudentinnen und-studenten der Frage nachgegangen werden, ob sich zwischen Studienanfängerinnen bzw. Studienanfängern und höhersemestrigen Studierendengruppen Unterschiede in Bezug auf Aspekte inklusiver Kompetenz (Einstellungen/Haltungen) finden lassen. Die Europäische Agentur für sonderpädagogische Förderung und inklusive Bildung (Agency) identifiziert inklusive Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern in vier Grundwerten und acht Kompetenzbereichen. Das Profil inklusiver Lehrpersonen umfasst (1) die Wertschätzung der Vielfalt der Lernenden Diversität wird als Ressource und eine Bereicherung für Bildung betrachtet (2) die Unterstützung aller Lernenden – Lehrerinnen und Lehrer haben hohe Erwartungen an die Leistung aller Lernenden, (3) die Zusammenarbeit mit anderen – Zusammenarbeit und Teamwork sind wesentliche Ansätze für alle Lehrkräfte sowie (4) die kontinuierliche persönliche berufliche Entwicklung Unterrichten ist eine Lernaktivität und Lehrerinnen und Lehrer übernehmen die Verantwortung für ihr eigenes lebenslanges Lernen. In der Folge „werden diese vier Grundwerte in sehr anspruchsvollen Lehrkompetenzen konkretisiert, die sich auf die drei Bereiche Einstellungen, Wissen und Fähigkeiten beziehen". Damit schließen die Ausführungen direkt an Weinert an. Denn er versteht in bildungswissenschaftlichen Kontexten „unter Kompetenzen die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen und variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können". Inklusive Kompetenz modelliert sich somit in Einstellungen, kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten. Mit Verweis auf die Agency und den World Report on Disabilities benennen auch Melzer et al. drei Kernkompetenzen einer inklusiven Bildung: die Einstellungen und Haltungen (Attitudes), das Wissen (Knowledge) sowie Fertigkeiten und Handlungsmöglichkeiten (Skills). In der theoretischen Auseinandersetzung gilt es die zentralen, mit den Forschungsfragen verbundenen Theorien und Modelle zu erläutern und die für die empirisch-quantitative Untersuchung zentralen Variablen zu definieren. Dies umfasst die Auseinandersetzung mit bildungspolitischen wie bildungswissenschaftlichen Grundlagen, also der Beleuchtung eines aktuellen Inklusionsverständnisses und der Fassung eines Inklusionsbegriffs. Dazu ist es auch notwendig, inklusive Bildungskonzeptionen abzubilden und zu Grunde gelegte Paradigmen und Leitgedanken in der Sonderpädagogik offenzulegen. Darüber hinaus wollen Argumentationslinien und Begründungsstränge inklusiven Denkens, aber auch Vorbehalte, Problemlagen, kritische Einwände zur Diskussion gestellt werden. Ein zentraler Abschnitt widmet sich der inklusiven Schule selbst. Hier wollen die Dimensionen einer inklusiven Schulorganisation, normative Gelingensbedingungen, inklusive Didaktiken verschiedener Ansätze genauso wie konkreter inklusiver Unterricht modelliert werden. Überdies werden empirische Befunde über die Wirkung integrativer/inklusiver Beschulung auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen referiert, ehe auf inklusive Schulentwicklung eingegangen wird und der Begriff inklusive Kompetenz näher gefasst wird. Mit Blick auf die dieser Arbeit zu Grunde liegenden empirischen Forschungsfragen werden in einem finalen Abschnitt der theoretischen Auseinandersetzung vorliegende relevante empirisch-quantitative Forschungsarbeiten aus der Inklusionsforschung referiert und deren Ergebnisse zusammengefasst. Dabei wird der Fokus auf die Einstellungen und Haltungen von Lehrerinnen und Lehrern wie im Besonderen auf die Attitudes der Lehramtsstudierenden gelegt. Die empirische Bearbeitung der Thematik umschließt ausgehend von den Fragestellungen, die Ableitung von Hypothesen, die Abbildung des Forschungsdesigns und des Erhebungsinstruments. Im Zuge einer Querschnittsuntersuchung werden anhand der Daten aus zwei Untersuchungswellen mit einer nicht-probabilistischen Stichprobe die genannten Fragestellungen (anhand von Unterschiedshypothesen und Zusammenhangshypothesen) geklärt. Zum Einsatz in einer empirischen Felduntersuchung kommt ein, auf Grundlage vorliegender Modelle und Theorien beruhender, bereits entwickelter Fragebogen für erwachsene Bürgerinnen und Bürger pädagogischer bzw. nichtpädagogischer Berufe zu Aspekten inklusiver Kompetenz. Eine deskriptive Analyse stellt die Daten der Stichprobe ausführlich dar und legt die faktorenanalytische Entwicklung des empirischen Modells nachvollziehbar offen. Ehe die zentralen Forschungsfragen inferenzstatistisch einer Klärung zugeführt werden, sind eine Verteilungsprüfung durchzuführen und das Signifikanzniveau sowie die eingesetzten Effektmaße festzulegen. Die gewonnenen empirischen Erkenntnisse werden zusammengefasst und vor dem Hintergrund vorliegender Studienergebnisse anderer empirischer Untersuchungen zu Einstellungen von Lehramtsstudierenden diskutiert. In der Folge werden hochschuldidaktische Überlegungen angestellt sowie offene Fragen festgehalten. Eine Gesamtzusammenfassung stellt die Erkenntnisse aus den theoretischen Überlegungen und empirischen Befunden nochmals komprimiert dar.“ (12ff.) Zum anderen die in der Reihe „Workshop Religionspädagogik“ veröffentlichte Masterarbeit Inklusion. Dimensionen und Perspektiven eines umstrittenen Konzepts (ISBN 643-14764-6) von Henrike Hake. Die Autorin schreibt in ihrer Einleitung: „Die Ziele der Arbeit bestehen darin, den aktuellen Stand des deutschen Schulsystems auf dem Weg zur Inklusion herauszuarbeiten und Probleme der praktischen Umsetzung zu identifizieren. Das wichtigste Ziel ist jedoch, Bedingungen und Konzepte für das Fortschreiten der Inklusion zu erforschen, sodass Lehrkräfte besser unterstützt werden. (…) Dementsprechend möchte ich im Schritt „Sehen" zunächst die Entwicklung des deutschen Bildungssystems bis zum Modell der Inklusion nachzeichnen. Anschließend wird das Konzept der inklusiven Schule noch einmal definiert und kritisch hinterfragt. Als nächstes soll die aktuelle Lage der Inklusion in Deutschland beleuchtet werden, wobei rechtliche Grundlagen, die Handhabung in den Schulen und die Einstellungen zur inklusiven Schule berücksichtigt werden. Zuletzt werden alle Erkenntnisse des Schritts „Sehen" im zusammengefasst. Im zweiten Schritt – dem „Urteilen" – werde ich den aktuellen Stand des deutschen Bildungssystems beurteilen. Als Maßstäbe ziehe ich einerseits die Bibel und andererseits die Ethik heran. Auch hier werden alle wichtigen Resultate noch einmal abschließend aufgeführt. Im Schritt „Handeln", der den Schwerpunkt der Arbeit darstellt, werden zu Beginn Veränderungen genannt, die für die Entfaltung der inklusiven Schule notwendig sind. Diese Gelingensbedingungen möchte ich auf folgenden Ebenen der Schule ermitteln: Bildungspolitik, Schulsystem, Einzelschule, Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler. Die Ebene des Unterrichts soll gesondert analysiert werden, weil sie mich als künftige Lehrkraft am meisten betrifft. Schließlich folgt eine Zusammenfassung aller Ergebnisse im Bereich „Handeln".“ (7ff.)

 

4. Andere theologische Disziplinen

 

In der bewährten Reihe „Theologie für Lehrerinnen und Lehrer“ ist im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (ISBN 525-62449-4) das von Henrik Simojoki, Martin Rothgangel und Ulrich H.J. Körtner in dritter, komplett neu erarbeiteten Auflage herausgegebene Handbuch Ethische Kernthemen. Lebensweltlich – theologisch-ethisch – didaktisch erschienen. In der Einleitung zu ihrem annähernd 500seitigen Standardwerk schreiben die Herausgeber zurecht: „Der Bedarf an Ethik ist in den letzten Jahrzehnten beständig gestiegen. Ob Biomedizin, Umwelt- und Klimaschutz, Technikfolgen oder Finanzmärkte: Überall wird der Ruf nach Ethik laut. Politische Auseinandersetzungen werden nicht nur als Streit zwischen konkurrierenden sozialen, ökonomischen oder nationalen Interessen, sondern auch als moralische Konflikte geführt. Eine Antwort auf den gesteigerten Bedarf an ethischer Orientierung ist ihre Professionalisierung und Institutionalisierung. Seit der Jahrtausendwende wurden in Europa und weltweit nationale Ethikkommissionen eingerichtet, von der Biopolitik bis zum Sport. Gleichfalls hat die Praktische Philosophie in den letzten Jahren einen neuen Aufschwung erlebt. Es gibt eigene Lehrstühle für Medizinethik, für Technikethik, Maschinenethik und Ethik der Künstlichen Intelligenz. Es gibt hauptberufliche Ethikerinnen und Ethiker in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, außerdem eine Vielzahl von Angeboten im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung auf Feldern der angewandten Ethik. Der Philosoph Ottfried Höffe spricht von der Moral als Preis der Moderne. Man sollte wohl besser sagen: Ethik als kritische Theorie der Moral ist der Preis der Moderne und der Dynamik ihres wissenschaftlich-technischen Fortschritts sowie der fortlaufenden Pluralisierungsprozesse in modernen Gesellschaften. Es drängt sich die Frage auf, was eine in viele gesellschaftliche Subsysteme ausdifferenzierte, weltanschaulich und religiös plurale Gesellschaft noch im Innersten zusammenhält. Die oder eine bestimmte Religion vermag dies offenbar nicht mehr zu leisten. Alternativ richten sich die Hoffnungen auf Moral und Ethik, was sich auch im schulischen Bereich bemerkbar macht: etwa in der Forderung nach einem (in Berlin bereits für die. 7.-10. Klasse eingeführten) Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler (SuS) als Pflichtfach oder, wie in diesem Band, im Plädoyer für eine ethische Profilierung des Religionsunterrichts. Auch das neu erwachte politische Interesse von SuS, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, das sich besonders eindrücklich in der weltweiten Bewegung Fridays for Future manifestiert, ist in starkem Maße moralisch motiviert. Klimaschutz gilt eben nicht nur als eine Frage der Politik, sondern auch der Moral, wobei ein eigentümliches Amalgam von Moral und Wissen entsteht. In der 18. Shell Jugendstudie tritt der ethische Wurzelgrund des verstärkten politischen und gesellschaftlichen Engagements von Jugendlichen ebenso eindrücklich wie differenziert zutage. Bei genauerem Lesen wird dann aber auch deutlich, dass die titelgebende Zuschreibung »Eine Generation meldet sich zu Wort« keineswegs auf alle Befragten zutrifft. Der Ethikboom geht freilich mit einer Ethikkrise einher, steigt doch nicht nur die Komplexität moralischer Probleme und die konfliktträchtige Vielfalt an moralischen Überzeugungen. Es herrscht auch eine Vielfalt an ethischen Konzepten, deren Schnittmenge bisweilen gering ist. Universalistische Konzepte, die sich dem Erbe der europäischen Aufklärung verpflichtet wissen, stehen partikularistischen Konzeptionen gegenüber, die das postmoderne Ende der großen Erzählungen auch auf dem Gebiet von Moral und Ethik für gekommen halten. In dieser Gemengelage genügt es offenbar nicht, sich auf moralische Intuitionen zu stützen. Es ist aber auch nicht mit einer ethischen Supertheorie zu rechnen, die alle gegensätzlichen Standpunkte in sich aufhebt. So bleibt nur das fortgesetzte diskursive Bemühen um ethische Verständigung. Das aber setzt nicht nur ethisches Wissen, sondern auch ethische Bildung voraus, zu der auch der Religionsunterricht einen konstitutiven Beitrag leistet. Die Idee der Bildung im Sinne der humanen Selbst-Bildung hängt aufs Engste mit der Ethik als Theorie menschlicher, sittlich verantworteter Lebensführung zusammen. Im Unterschied zu Pflanzen oder Tieren lebt der Mensch nicht einfach sein Leben, und dieses läuft auch nicht als unbewusster biologischer Prozess ab. Der Mensch muss vielmehr sein Leben bewusst führen. Wie Bildung hat auch die Ethik die gesteigerte und über sich aufgeklärte Handlungsfähigkeit menschlicher Subjekte zum Ziel. Man kann auch sagen: Alle Ethik ist praktische Anthropologie und alle Bildung ist ethisch dimensioniert. Unter bildungstheoretischen Gesichtspunkten ist der Aufschwung, den die Ethik bzw. die praktische Philosophie in den zurückliegenden Jahrzehnten genommen hat, zwiespältig zu beurteilen. Einerseits ist eine neue ethische Sensibilität entstanden, die zur Entwicklung einer Reihe von Bereichs- und Professionsethiken wie Medizinethik, Wirtschaftsethik oder auch pädagogische Ethik geführt hat. Andererseits lässt sich ein Trend beobachten, Ethik wie andere Fertigkeiten auch als ein Tool zu betrachten, das heute beispielsweise in den Werkzeugkasten eines umfassend ausgebildeten Arztes bzw. einer umfassend ausgebildeten Ärztin oder einer Pflegekraft gehört. Die Tendenz, Bildung auf berufsorientierte Ausbildung zu reduzieren und eine Bildungsgesellschaft mit einer zweckrationalen Wissensgesellschaft zu verwechseln, macht sich eben auch auf dem Gebiet der Ethik bemerkbar.“ (9f.) Position und Aufbau der anzuzeigenden Einführung in ethische Kernthemen werden wie folgt skizziert: „Das vorliegende Handbuch weiß sich demgegenüber einem Anliegen und Verständnis ethischer Bildung verpflichtet, die ihren Ausgangs- und Zielpunkt in den SuS und deren Befähigung zu einer mündigen Lebensführung und solidarischen Weltgestaltung hat. In diesem Sinne werden im vorliegenden Band 40 ethische Kernthemen für den Religionsunterricht aufbereitet. (…) Während sich diese Intention in den 40 Themenbeiträgen materialisiert, führt die ihnen vorgeschaltete Einleitung in dafür wesentliche Grundbestimmungen, Hintergründe, Arbeitsweisen und Leitgedanken ein. Zunächst wird der Beitrag des Religionsunterrichts zu ethischer Bildung skizziert (1.). Darauf folgt eine historisch-systematische Kontextualisierung dieser spezifisch modernen Gestaltungsperspektive (2.). Anschließend werden in elementarer Verdichtung allgemeine Grundlagen theologischer Ethik und ethischer Urteilsbildung entfaltet (3.). Die weiteren Unterkapitel dienen der didaktischen Zuspitzung und Konkretisierung: Zunächst kommen Kinder und Jugendliche als Subjekte ethischer Bildung in den Blick (4.) - eine unabdingbare Basis für den danach präsentierten Überblick über aktuelle Zugänge und Methoden ethischen Lernens (5). Abschließend werden die konzeptionellen Leitperspektiven und Strukturentscheidungen des Bandes dargelegt und begründet (6). Dabei wird deutlich, dass das vorliegende Buch in Kontinuität zum Vorgängerband steht, aber auch einige weitreichende Neuansätze enthält. Besonderes Gewicht kommt dabei der ökumenischen Öffnung und Profilierung der bislang evangelisch verankerten Reihe »Theologie für Lehrerinnen und Lehrer« zu: Weil sich dieser Band bewusst und gleichermaßen auch an katholische Lehramtsstudierende, Referendarinnen und Referendare sowie Lehrkräfte richtet, sind nun auch Autorinnen und Autoren beider Konfessionen an dem Gemeinschaftswerk beteiligt.“ (11) Dieses Werk gehört in jede private und öffentliche religionspädagogische Bibliothek! Als kongeniale Lektüre empfiehlt sich der im Narr Francke Attempto Verlag als UTB (ISBN 8252-5809-2) veröffentliche Band Ethische Begriffe in biblischer Perspektive von Lukas Ohly. In der Einleitung erklärt der Verfasser zunächst zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der biblischen Ethik: „In der theologischen Ethik spielt die Bibel aktuell nur noch eine unbedeutende Rolle. Die Zeit, in der die biblischen Gebote auf Themen unserer Zeit angewendet wurden, ist vorbei. Man wittert fundamentalistische Motive, wenn man Abtreibung oder Homosexualität verbieten will mit unmittelbarem Bezug auf biblische Texte. Es stimmt auch: Man müsste zunächst mehrere Probleme lösen, bevor man die biblischen Gebote unmittelbar für heutige Konflikte anwendet. Zum einen müsste man klären, ob göttliche Gebote deshalb ethisch gerechtfertigt sind, weil sie von Gott stammen. Und indem man das klärt, verlässt man bereits den Ansatz, Gott zum Ursprung ethischer Rechtfertigung zu erheben. Daher müsste man, um diesen Widerspruch zu vermeiden, die Bibel fundamentalistisch lesen: Man darf dann nicht die Frage stellen, ob die göttlichen Gebote ethisch gerechtfertigt sind. Sie werden dann aber auch nicht für richtig gehalten, weil sie ethisch wären, sondern weil sie von Gott stammen. Eine fundamentalistische Position wehrt also die Aufgabe der Ethik ab, moralische Aussagen daraufhin zu überprüfen, ob sie sich ethisch rechtfertigen lassen. Das zweite Problem, biblische Gebote unmittelbar zu verwenden, besteht darin, unterstellen zu müssen, dass die biblischen Gebote von Gott stammen. Historische Forschung jedoch gibt keinen Hinweis darauf. Die Entstehung der biblischen Gebote ist vielschichtig. Sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen, sind teilweise den Religionen der Umwelt Israels entnommen und nicht an einem Ort am Berg Sinai Mose übermittelt worden. Und auch die Bergpredigt Jesu (Mt 5-7), der wohl prägnanteste ethische Text des Neuen Testaments, ist nur eine Stilisierung des Matthäusevangeliums und fasst dabei gesammelte Jesus-Worte aus unterschiedlichen Gelegenheiten und Quellen zusammen, von denen man nicht einmal sicher sein kann, ob sie Jesus wirklich gesprochen hat. Man vergleiche nur einmal die Bergpredigt mit der Feldrede aus dem Lukasevangelium (Lk 6), um die Unterschiede zu bemerken. Diese Differenzen lassen sich nicht einfach damit lösen, dass Jesus vielleicht zweimal eine entsprechende Rede gehalten hat. Denn dann hätte er auch verschiedene Gebote aufgestellt. Und welche sind dann gültig? Jetzt immer noch die biblischen Gebote unmittelbar anzuwenden, würde wieder in einen Widerspruch führen: Denn man würde sie nur deshalb verwenden, weil sie in der Bibel stehen, und nicht, weil sie von Gott stammen. Vielmehr müsste man ja vorher klären, dass das, was in der Bibel steht, von Gott stammt. Und das kann man nicht allein mit biblischen Mitteln leisten. Das sind die Hauptgründe, warum eine biblische Ethik nicht unmittelbar auf die Gegenwart angewendet werden darf: Sie ist sowohl ethisch als auch theologisch unzureichend. Inzwischen hat sich die Meinung durchgesetzt, die Bibel fasse religiöse Erfahrungen zusammen, die es deshalb auch wert sind, als einzelne Orientierungspunkte für Menschen mit religiösen Erfahrungen heute zu dienen. Die Bibel vermittelt dann keine einlinige Ethik sondern liefert nur einzelne Schlaglichter. Das macht sie aber theologisch-ethisch nicht bedeutungslos. Es trifft auch nicht zu, dass man mit der Bibel nur moralische Unverbindlichkeiten äußern könne. Auch wenn dieBibel nicht von Gott stammt, thematisiert sie ihn, und zwar so, dass Christen von ihm gar nicht reden könnten, wenn es die Bibel nicht gäbe. Die Bibel thematisiert Gott dabei so, dass sie Verbindliches über ihn aussagen will, woran sich Menschen orientieren sollen.“(11f.) Ohly macht sich zur Aufgabe, „die ethischen Verbindlichkeiten in der Bibel zu entdecken, die einer ethischen Überprüfung standhalten. Dabei nehme ich Begriffe auf, die entweder selbst biblisch sind (z.B. Gerechtigkeit) oder aus unserer Zeit stammen (Menschenwürde), und reflektiere dazu je einen biblischen Text, der ihre Bedeutung entfaltet. Natürlich gibt es für alle Begriffe auch Alternativtexte. Aber das macht die Interpretation der gewählten Texte nicht unverbindlich. Vielstimmigkeit mag für ein logisches System unzufriedenstellend sein. Im faktischen Leben jedoch fragen wir nicht, wenn wir vor einer ethischen Herausforderung stehen, ob ihre Lösung alle anderen Probleme mit löst. Vielmehr ist es umgekehrt: Unser Verhalten in einzelnen Fällen gibt uns eine Grundorientierung, um uns bei anderen Herausforderungen ähnlich zu verhalten oder den gleichen Weg einzuschlagen, wie wir nach einer Lösung suchen. Im Zentrum dieses Buches werden dabei nicht biblische Gebote stehen, sondern eher biblische Beschreibungen und Interpretationen Gottes und der Menschen, die aber eine lebensorientierende Wirkung haben. Ein Beispiel: Sagt man, dass Gott die Ungerechten straft, so hat diese Aussage eine orientierende Wirkung, und zwar so oder so. Entweder werden Menschen dann versuchen, gerecht zu sein und darüber nachzudenken, worin Gerechtigkeit besteht. Oder sie werden sich gegen einen Gottesbegriff auflehnen, der Gott diese strafende Rolle zuweist. Dazu könnten sie sich über einen solchen Gottesbegriff lustig machen oder auch theologische Gründe suchen, die ihm widersprechen. Man kann sich also nicht unbetroffen stellen, wenn man mit der Ansage eines strafenden Gottes konfrontiert ist.“ (12f.) Zum Aufbau heißt es: „Das Buch reflektiert Begriffe und Themen der Ethik in einer mittleren Anzahl. Berücksichtigt sind die Themen, die in Schule und Gemeinde verstärkt behandelt werden und deshalb oft von Studierenden als Examensthemen ausgewählt werden. Ein Lehrbuch soll keine fertigen Antworten auf alle Fragen geben, sondern die Leser zum eigenständigen ethischen Denken motivieren. Wer ethisch denkt, ist nie allein. Sonst könnte er oder sie nicht ethisch denken. Denn ethische Konflikte haben Menschen immer gemeinsam. Dazu gehört das Verständnis dafür, wie andere Menschen gedacht haben. Die Bibel ist eine Sammlung gedeuteter Wirklichkeit. Dass Gott bei dieser Deutung zu berücksichtigen ist, zeigen ihre Texte in unterschiedlicher Weise auf. Dieses Deutungsangebot will das Lehrbuch aufgreifen und weiterführen. Die Themen habe ich in drei Teile gegliedert. Der erste Teil umfasst Grundbedingungen ethischen Urteilens, der zweite sozialethische Themenstellungen, in denen nicht nur Einzelpersonen als Akteure auftreten, sondern auch Gruppen, Organisationen und Institutionen. Im dritten Teil wird an den ethischen Fragen deutlich werden, inwiefern hier Bedingungen des Lebens berührt sind.“(16)

 

Riskante Sätze: Von Gott reden. Erfahrungen mit dem Reden von Gott lautet der Titel der von Hans-Günter Heimbrock im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (ISBN 525-56865-1) veröffentlichten Skizzen, Essays und literarisch-poetischen Variationen. In seinem Intro fragt der Autor: „Gewiss ist unser Sprechen auf religiöse Traditionen und Orientierungswissen aus der Theologie bezogen. Aber wie kommt dabei im Hier und Jetzt Gott angemessen und hörbar zur Sprache? Der Band versucht einen neuen Zugang zur alten Aufgabe, indem er das Reden von Gott als ein praktisches Verhalten nimmt. Auch Sprechen ist eine Dimension von Praxis. Wie kann diese Praxis verstanden und gestaltet werden? Jedes Verhalten verfolgt Intentionen. Welche sollen zum Zuge kommen und welche verfolgen wir faktisch? Sollen wir »den Namen Gottes ausrufen« zum Heil und Segen? Sollen wir lautstark tönen wie die sprichwörtliche »Posaune Gottes« oder eher mit leisen Tönen daherkommen, wenn es um Gott geht? Sollen wir mit unserer Rede an die Zuhörenden einen Anspruch formulieren? Oder geht es um begriffliches Reden, mit dem wir Klarheit und Einsicht zu geben versuchen? Und wann ist angesagt, von Gott und vor Gott beredt zu schweigen? Vor allem: Wodurch gelingt es, dass solches Sprechen vom Gegenüber als intensiv erlebt wird? Als so intensiv, dass bei den Zuhörenden ankommt: Ja, da wird nicht von Allerweltsdingen gesprochen, sondern von Gott, ohne religiöses Getöse geerdet im Alltag, aber doch so gesprochen, dass andere merken, was hier auf dem Spiel steht. Dass sie merken, dass mit diesen Reden Risiken verbunden sind.“ (5f.) Und er erklärt: „Deshalb wähle ich in diesem Buch den Weg, von den Erfahrungen im Reden auszugehen, ihnen genauer nachzugehen und von da aus Impulse zu geben für die Gestaltung des Redens in der Praxis. Mit starker Orientierung an den Vollzügen des Sprechens frage ich: Was geschieht mit Menschen, wenn sie so oder so über Gott sprechen? Was macht es, dass das Reden auf Zuhörer*innen ansprechend gewirkt hat, dass es bei ihnen in dem Fall geknistert hat, im anderen Fall weniger? Welche Erfahrungen machen die Sprechenden dabei mit sich selber? Und an welche Grenzen und Abgründe des Lebens geraten sie von Fall zu Fall, wenn sie sich getrauen, von Gott, dem Unsagbaren, zu sprechen? Die Erkundungen, und Reflexionen und Skizzen zur Praxis in diesem Band wollen nicht vorschreiben, was und wie man sprechen soll, wollen auch keine Rezepte geben, wie man die Rede wirkungsvoll gestalten kann. Sie stellen die Sprechenden und ihre gesprochene Sprache in den Fokus. Denn am Anfang steht immer das Erleben. Ausgehend davon bieten die Texte vertiefte Erkundungen dazu, wo Menschen dichte Momente in ihrer religiösen Kommunikation erlebt haben, auch Momente, wo die Rede stockt, weil man spürt, von was und von wem man da eigentlich spricht. Daraus werden Wege zur Praxis abgeleitet, die konkretere Gestaltungsperspektiven aufzeigen und zu eigenem authentischen Sprechen anregen möchten. Zum Sprechen von Gott in der Ersten Person.“ (6) Ein impulsreiches Buch mit vielen nachdenkenswerten Überlegungen, innovativen Fragen und wundervollen theo-poetischen Variationen!

 

Marco Hofheinz hat in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN374-07119-7) sein „Lernbuch“ Christus Peregrinus. Christologie auf dem Weg in die Fremde publiziert, das das Programm einer Narrativen Christologie als Christologie auf dem Weg in die Fremde anhand des Leitmotivs des Christus peregrinus enthält: „Der Christus peregrinus geht in die Fremde und begegnet als Fremder. Er identifiziert sich zugleich mit den fremden und provoziert Gastfreundschaft. Eine narrative Christologie, die den Christus peregrinus in ihr Zentrum gestellt sieht und als solchen erzählt und reflektiert, fördert Gastlichkeit und Fremdenfreundlichkeit (Philoxenie) und wehrt – negativ gewendet – Fremdenfeindlichkeit ab, indem sie Gastlichkeit als Empfang des Christus repräsentierenden Anderen versteht: „Ich war fremd, und ihr habt mich nicht aufgenommen.“ (Mt 25,43). Es folgt eine Vertiefung dieser besonderen christologia viatorum, indem ich Einwände gegen diesen programmatischen Aufschlag zur Sprache bringe und mich mit diesen auseinandersetze. Es geht mit anderen Worten um die Erörterung der Frage, ob Christologie tatsächlich erzählt werden soll. Meine Exploration geschieht im Gespräch mit den beiden narratologisch-christologischen Vordenkern Karl Barth und Friedrich Mildenberger, deren theologischem Denken ich mich - freilich in unterschiedlicher Intensität - verbunden weiß. Nach diesem eher thetischen Aufschlag erfolgt im weiteren Verlauf des Bandes in sechs eigenständigen Abschnitten die Entfaltung und materiale Ausgestaltung des Programms. Es hat den Anschein, als würden in immer neuen Anläufen in den einzelnen Kapiteln im Sinne sich erweiternder konzentrischer Kreise die Radien größer und größer und die Kreise immer weiter, die die kirchlichen und gesellschaftlichen Bereiche mit ihren spezifischen Diskurslagen abbilden, in denen sich die entsprechenden Ausführungen bewegen. Ein Bild wie das von einem ins Wasser geworfenen Stein, der Kreise zieht, wäre jedoch irreführend. Denn inwiefern ist etwa die Extension der Theologie als Disziplin (siehe Abschnitt D: Christologie intradisziplinär) größer als die der Kirche, sei es der reformierten Kirche (siehe Abschnitt B: innerkonfessionelle Christologie) oder der Ökumene (siehe Abschnitt C: Christologie interkonfessionell)? Oder, um ein weiteres Gegenbeispiel anzuführen: Inwiefern ist die Extension des Bereichs Kultur (siehe Abschnitt F: Christologie interkulturell) kleiner als die des Bereichs Religion (siehe Abschnitt G: Christologie interreligiös)?“ (30f.)

 

Im Calwer Verlag (ISBN 7668-4567-2) ist das Buch Lebensende. Was wir wissen – was wir hoffen. Ein Überblick von Larissa Carina Seelbach erschienen, zu dessen Inhalt die Verfasserin schreibt: „Ist mit dem Tod alles aus? Gibt es mich schlicht nicht mehr, wenn ich meinen letzten Atemzug gemacht habe? Mein Lebensende lässt keinen Raum für Beschönigungen, Wunschdenken und Ausflüchte, sondern nötigt zur Fokussierung auf das Wesentliche. Was glaube ich, woran hängt mein Herz, wenn es wirklich darauf ankommt? Worauf, genauer gesagt, wem vertraue ich dann? Dieses Buch bringt Erkenntnisse, Erfahrungen und Anregungen aus unterschiedlichsten Gesellschafts-, Professions- und Wissenschaftsbereichen miteinander ins Gespräch, möchte Perspektiven aufzeigen und Erkundungswege skizzieren, auf denen man sich mit dieser existentiellen Frage auseinandersetzen kann. Ausgangspunkt ist die Einzigartigkeit des Themas. Sterben und Tod betreffen alle Menschen. Ganz individuell, ganz persönlich und unentrinnbar gehen sie jeden Einzelnen und jede Einzelne an. Mein perspektivisches Lebensende wirft Fragen nach der Planbarkeit meines Lebens auf. Gibt es bewährte Verhaltensmuster, die ich mir zu eigen machen kann? Eine historische Spurensuche soll hierzu u.a. die Bewältigungsstrategien früherer Zeiten nachzeichnen und die häufig geäußerte Annahme, dass Sterben und Tod damals besser bewältigt wurden, auf den Prüfstand stellen. Anschließend werden Kontrollversuche, Trends und Entwicklungen, die heute unseren Umgang mit Sterben und Tod prägen, beschrieben. Die zunehmende Vereinsamung ist solch eine Entwicklung. Sie kann ein „soziales Lebensende" beschleunigen, das unabhängig von Krankheit und Sterbeprozess Leid verursacht. Rückt der Tod näher, kann man selbst oder das persönliche Umfeld mit Unsicherheit, Berührungsängsten und Überlastung reagieren. Handlungswissen unterstützt und entlastet in dieser Situation wie auch bei allen nach dem Tod anstehenden Herausforderungen rund um die Organisation der Bestattung. Solche alltagspraktischen Kenntnisse heben sich von der medialen Inszenierung von Sterben, Tod und Lebensende ab. Internet und Fernsehen grundieren zwar unser Lebensgefühl und konfrontieren uns mit der Allgegenwart des Todes, sie bereiten aber nicht adäquat auf die Begegnung mit Verstorbenen oder gar auf das eigene Lebensende vor. Ist eine solche Einstimmung überhaupt möglich? Der nachvollziehbare Versuch, sich quasi einen emotionalen „Aufprallschutz" zuzulegen, wird nicht selten mithilfe von Büchern unternommen. Leseblüten zu Sterben, Tod und Lebensende veranschaulichen dies exemplarisch. Nach all diesen Schritten wird es Zeit, zu verweilen und Ausschau zu halten. Die frohe Botschaft des Christentums soll dabei einladend ermutigen, den eigenen Blick zu weiten und aus der Hoffnung heraus zu leben, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben haben muss. Besonders diejenigen, die sich als Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen, als Pfarrer und Pfarrerinnen oder als Ehrenamtliche im kirchlichen Kontext mit dem Lebensende auseinandersetzen, werden sich immer wieder selbst Auskunft geben müssen, worin ihr Trost im Leben und im Sterben besteht, und wie sie diesen Trost glaubwürdig und professionell mitteilen können. Die Tatsache, dass das eigene Lebensende von jedem Leser und von jeder Leserin ganz unterschiedlich betrachtet wird und je nach präferierter Sichtweise eine abweichende Einschätzung erfährt, steht außer Frage. Dieser individuellen Motivationslage kann sowohl mit „intellektueller Reflexion" als auch ganz konkret mit „alltagspragmatischem Wissen'' entsprochen werden, die passend zu kombinieren und zu dosieren jedem und jeder selbst überlassen ist. Zur ergänzenden und vertiefenden Lektüre sollen die zahlreichen Belege in den Fußnoten ermutigen. Nicht angestrebt wird Expertenwissen in einem exklusiven Sinn, wohl aber Experten­wissen in einem eigenständig zu erwerbenden und individuell relevanten Maß. Mein eigenes unabwendbares Lebensende legt es mir dringlich nahe, zur Expertin bzw. zum Experten meines Lebens, meiner Vergänglichkeit, meiner Grenzen und meiner über all dies hinausweisenden Hoffnungen zu werden.“ (7f.) Ein lesenswerter Beitrag zur christlichen Thanatagogik ebenso wie die in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07083-1) von Kristina Kühnbaum-Schmidt herausgegebene Dokumentation einer Vortragsreihe Streitsache assistierter Suizid. Perspektiven christlichen Handelns. Dort heißt es in der Einleitung: „Die Debatte über das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben gewinnt an Dynamik zu einer Zeit, in der vielen Menschen durch die Covid-19-Pandemie neu bewusst geworden ist, wie verletzlich das Leben ist. Deutlich wird auch, dass mit der Frage nach dem Sterben zugleich die Frage nach dem Menschenbild verbunden ist. Beide rufen weitere Fragen auf: Woran orientiert sich das Entscheiden und Handeln in unserer Gesellschaft und wie soll die Gesellschaft aussehen, in der wir leben wollen? Im Laufe der sich den Vorträgen jeweils anschließenden Gespräche wurde immer wieder deutlich: Christinnen und Christen verstehen das Leben als von Gott geschenkte Gabe. Diese Gabe kann nicht losgelöst verstanden werden von der Beziehung zum Schöpfer allen Lebens und auch nicht von der Beziehung zu seiner Schöpfung und unseren Mitgeschöpfen. Die mit der Gabe des Lebens geschenkte menschliche Freiheit beinhaltet deshalb auch die Verantwortung für einen seinem Gabe- und Geschenkcharakter entsprechenden Umgang mit dem Leben – dem eigenen wie dem allen Lebens. An erster Stelle setzen sich verfasste Kirche wie Diakonie deshalb dafür ein, dass Menschen sich in unterschiedlichen Situationen für das Leben entscheiden können. Konkret wird das durch eine Vielzahl von Angeboten, von alltagspraktischer Unterstützung über seelsorgerische und psychologische Beratung bis hin zur palliativmedizinischen Begleitung. Dass menschliches Leben Brüche hat und begrenzt ist, soll durch diese Angebote im öffentlichen Diskurs ebenso präsent bleiben wie das Gespräch zum individuellen und gesellschaftlichen Umgang mit der Sterblichkeit des Menschen. Den Teilnehmenden der Veranstaltungsreihe war wichtig und zentral: In Kirche und Diakonie finden Menschen geschützte Orte und Räume, an denen ihre Bedürfnisse und ihre Lebenssituation besonders im Blick sind. Assistierter Suizid soll dabei kein regelhaftes Angebot evangelischer Einrichtungen sein. Zugleich sollen Einzelne, die sich trotz aller Begleitung, Fürsorge und medizinischer Maßnahmen nicht für das Leben entscheiden können, nicht allein gelassen werden. Die vorliegenden Vorträge wollen in der weiter intensiv geführten gesellschaftlichen Debatte zum assistierten Suizid zu einer christlich profilierten Meinungsbildung beitragen. Sie fördern ein differenziertes Verständnis dessen, was christliches Handeln im Horizont der Liebe des dreieinigen Gottes bedeutet. Sie verhelfen zu einer Haltung christlicher Freiheit und eröffnen Hoffnungshorizonte für ein Leben in der Gegenwart Gottes, der für das Leben eintritt und immer noch Perspektiven für unser menschliches Leben und seine ganze Schöpfung hat – auch am Ende des Lebens und darüber hin­ aus.“ (11ff.)

 

Gerhard Wegner hat sein ebenfalls in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN374-07014-5) veröffentlichtes Buch Substanzielles Christentum. Soziotheologische Erkundungen genannt, das Wege aufzeigen möchte, das Christentum neu zu entdecken. Er diagnostiziert in seinem Vorwort aufschlussreich. „Die Krise infolge der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 hat eine ganze Reihe von Schwachstellen in der sozialstaatlichen und gesellschaftlichen Organisation Deutschlands aufgedeckt. Das betrifft auch die derzeitige Rolle der Kirchen und des christlichen Glaubens. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Kirche in dieser Zeit medial und politisch wenig präsent und wenig prägend gewesen ist - was ihr mitunter auch zum Vorwurf gemacht worden ist. Sicherlich hätte sie ihre zivilreligiöse Rolle durchaus offensiver wahrnehmen und die Kontingenzerfahrung des Einbruchs der Seuche stärker religiös dramatisieren können. Darauf hat sie jedoch weitgehend verzichtet, bisweilen die Pandemie sogar als reine Naturerscheinung enttheologisiert und die notwendigen Maßnahmen des Staates bruchlos mitgetragen. Allerdings greift der Vorwurf, die Kirche hätte in dieser Situation versagt, zu kurz. Man kann durchaus davon ausgehen, dass die Kirche in ihrer Zurückhaltung, was eine religiöse Deutung der Krise betrifft, lediglich auf die Stimmungslage der Bevölkerung und auch der Masse der Kirchenmitglieder reagiert hat. Es gab schlicht und einfach in dieser Zeit kein gesteigertes religiöses Interesse. Die Pandemie wurde in einem großen Konsens als eine nüchtern einzuschätzende und mit guter Organisation zu bekämpfende Bedrohung verstanden, die keiner weiteren Sinngebung bedurfte. Die Sorgen der Menschen richteten sich auf die Gestaltung des eigenen eingeschränkten Lebens in dieser Zeit; die Debatten drehten sich um medizinische Fragen und Probleme der Organisation des Gesundheitswesens bzw. der Vitalität der Wirtschaft unter Coronabedingungen. Darüber hinaus das ganze Geschehen weltanschaulich oder eben christlich religiös einzuordnen, war weitaus weniger von Interesse. Auch andersgeartete, nicht religiöse oder theologische Einordnungen der Pandemie, wie zum Beispiel eine evolutionstheoretische Sortierung, wurden kaum diskutiert. Im Grunde genommen ist diese Situation erstaunlich, denn angesichts des Einbruchs massiver Kontingenzerfahrung auf einer weltweiten Ebene mit Millionen von Toten und noch mehr leidenden Menschen könnte man eine gesteigerte religiöse Sensibilität bei den Menschen vermuten. Aber ein entsprechendes Interesse hat sich schlicht und einfach nicht entwickelt. Ob die Kirchen durch stärkere Aktivitäten in dieser Richtung ein solches Interesse hätten wecken können, muss offenbleiben. Sie selbst hatte jedenfalls viele Gründe, nicht in diese Richtung wirken zu wollen, sofern man überhaupt Alternativen in den Blick genommen hat. Corona bestätigt die soziale Nutzlosigkeit christlichen Glaubens: »Er liefert keine Antworten mehr auf Fragen aus der Gesellschaft oder von den Menschen. Es gibt auch solche Fragen nicht.« Wir haben es in Europa nicht nur mit einem Rückgang von Kirchlichkeit zu tun, sondern parallel dazu auch mit einer immer schwächer werdenden religiösen Kommunikation. Ja, man könnte spekulativ sogar davon sprechen, dass das allgemeine Interesse an übergreifender Sinnstiftung weniger wird und auch von daher religioide Ersatzsysteme ebenfalls an Interesse verlieren. Für die christlichen Kirchen bedeutet die Corona-Pandemie mithin das Ende ihrer selbstverständlichen umfassenden Einbettung in das gesellschaftliche Leben, was sich zwar zumindest im Osten Deutschlands schon lange abgezeichnet hat, aber nun auch in anderen Bereichen deutlich wird. Die Folge ist, dass sich die Kirchen in eine Diasporasituation hinein entwickeln, in der sie anders als bisher gefordert sein werden, ihren Glauben als eine plausible Option für die Menschen darzustellen. Dies ist die Erfahrung, die hinter den in diesem Buch versammelten Beiträgen steht. Der Titel »Substanzielles Christentum« weist auf das hin, das wieder neu in den Blick geraten muss. Die vielen gern gepflegten Funktionalisierungen von Religion und Kirche verblassen in ihrer Nützlichkeit für die Gestaltung einer Zukunft des Christentums. Nach wie vor »organisieren« christliche Deutungsmuster Erfahrungen, aber der Zugang zu ihnen wird schwieriger. Was kann christlicher Glaube unter diesen Bedingungen sein? Was ist das Stärkende, Nährende, das, woran man sich festhalten kann und was einen Menschen verändert? Auf diese – eben substanziellen –  Fragen soll hier der Blick gerichtet werden, und zwar im Dialog mit der Soziologie.“ (5ff.) Der umfangreiche Band ist wie folgt aufgebaut: „Meine Überlegungen beginnen einleitend (»Substanzielles Christentum«) mit einer Skizzierung der aktuellen Fragestellung als einer Suche nach der Substanz des christlichen Glaubens, um dann in einem umfassenderen Entwurf Perspektiven einer in die Tiefe gehenden Kooperation von Soziologie und Theologie zu entwickeln (»Soziotheologie – eine Skizze«). Anlass hierzu sind meine langjährigen Erfahrungen mit der Rezeption empirischer Sozialforschung in der Kirche, die zwar gerne genutzt wird, aber das Potenzial der Begegnung von Soziologie und Theologie bei weitem nicht ausschöpft. Die Idee ist, dass es so etwas wie eine »Soziotheologie« geben könnte. Daran schließt sich der Wiederabdruck einer Studie über die produktive Begegnung von Sozialwissenschaften und Theologie in den epochalen 1960er Jahren an (»Säkularisation inklusive«). Liest man heute Texte aus dieser Zeit, können fast nostalgische Gefühle aufkommen. Sodann folgen zwei stärker »inhaltlich« ausgerichtete Beiträge. Zum einen zur Frage der Armut in der deutschsprachigen Theologie (»Armut in der Theologie«). Das Thema erlebte einen erheblichen Bedeutungszuwachs mit dem Beginn der 2000er Jahre und ist seitdem in Randbereichen der Theologie präsent. Und dann ein Versuch, substanzielle geistliche Transformationserfahrungen zu erfassen (»Ergriffenheiten«). Schließlich endet der Band mit organisatorischen Überlegungen zur Entwicklung der evangelischen Kirchen (»Freilaufende Pfarrerinnen«).“ (8)

 

 

Zahlreiche Neuerscheinungen widmen sich den Themengebieten Bibel, Bibelauslegung, Arbeiten mit der Bibel und Bibelausgaben: Den Auftakt bildet das im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (ISBN 52571699-1) von Michael Schneider und Michael Rydryck verfasste Buch Bibelauslegung. Grundlagen – Textanalysen – Praxisfelder, dessen Ziel wie folgt angegeben wird: „Die Texte der Bibel verstehen sich nicht von selbst. Sie müssen und können ausgelegt werden. Auf dieser Überzeugung baut dieses Buch auf und geht dem Thema Bibelauslegung in drei Abschnitten und neun Kapiteln nach. In Abschnitt A diskutieren wir wesentliche Grundlagen bzw. Grundfragen, die sich bei jeder Auslegung biblischer Texte stellen: Wer legt aus? Gibt es Verstehen ohne Auslegung? Wie werden auch biblische Texte immer schon ausgelegt, ohne dass dabei wissenschaftlich reflektierte Methoden zur Anwendung kommen? Wie unterscheidet sich mein Lesen von der Lektüre anderer Menschen anderer Zeiten und Kulturen? Der reflektierte Umgang mit biblischen Texten gehört zu den elementaren Aufgaben von Theologen in der Praxis. Die Auslegung biblischer Texte ist explizit – in Predigt oder Unterricht – oder eher implizit – als Fundierung ethischer Positionen oder seelsorgerischen Handelns – im Alltag präsent. Exegetische Studien sind daher auf dem Weg ins Pfarramt und ins Lehramt verpflichtend. Allerdings scheinen die im Studium erworbenen exegetischen Methoden im Alltag oft kaum relevant zu sein. In den letzten Jahren wurden eine ganze Reihe von Einführungen in die exegetischen Methoden publiziert, die oft sehr spezifisch auf bestimmte Lehrformate, in jedem Fall aber auf universitäre Kontexte zugeschnitten sind. Sie bereiten Schritt für Schritt die Erstellung einer exegetischen Seminararbeit vor. Die in Abschnitt B vorgestellten Methoden zur Textanalyse haben eine andere Zielrichtung. Wir haben dabei solche Leserinnen in der kirchlichen und schulischen Praxis im Blick, die sich methodisch geleitet mit einem biblischen Text auseinandersetzen wollen, denen aber zugleich nicht mehrere Wochen (wie für eine exegetische Seminararbeit) dafür zur Verfügung stehen. Wir wollen methodische Schritte skizzieren für all diejenigen, die sich schon im Studium oder in der beruflichen Praxis »Handwerkszeug« für die selbstständige exegetische Arbeit an biblischen Texten wünschen. Die dargestellten Methoden orientieren sich an textanalytischen Ansätzen, die von der neueren Literatur- und Geschichtswissenschaft beeinflusst sind und fester Bestandteil aktueller Methodenbücher und gegenwärtiger Lehrpraxis geworden sind. Die einzelnen Schritte zur Textanalyse werden an biblischen Texten, zumeist in unterschiedlichen Übersetzungen, entwickelt und an Beispielen aus dem Alten und Neuen Testament erprobt. Auf den textanalytischen Methodenteil B folgt Abschnitt C zu Praxisfeldern der Bibelauslegung. Dieser Teil verdankt sich der Einsicht, dass Bibelauslegung kein Einbahnstraßen-Geschehen zwischen wissenschaftlich-theologischer Exegese und bloßer Vermittlung oder Anwendung in Gemeinde, Schule oder gesellschaftlichem Diskurs ist. Solange und weil biblische Texte relevant für die religiöse und kulturelle Praxis in der Gegenwart sind, gilt auch der umgekehrte Weg: Biblische Texte werden individuell und kollektiv immer schon ausgelegt und die wissenschaftliche Theologie kann von diesen Prozessen lernen und sie kritisch begleiten. Nur weil es Schriftgebrauch und Bibelauslegung in der Praxis gibt, lohnt sich theologisches Nachdenken darüber – nicht umgekehrt!“ (9f.) Eine gelungene Einführung in reflektierten Umgang mit biblischen Texten! Biblisches Arbeitsbuch für Soziale Arbeit und Diakonie nennen Jörg Lanckau, Thomas Popp, Anni Hentschel und Klaus Scholtissek ihr im Narr Francke Attempto Verlag als UTB (ISBN 8252-5672-2) verfasstes Lehrbuch, das die Bibel als Quelle für diakonisches Handeln erschließen und damit zum diakonischen Kongruieren beitragen will: „Diakoniewissenschaft nimmt helfendes Handeln in Kirche und Diakonie in den Blick. Dies geschieht durch Einbeziehung der Theologie mit ihren Teildisziplinen und Bezugnahme auf die Human-, Pflege-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Diakoniewissenschaft ist interdisziplinär konzipiert: Unterschiedliche Disziplinen begegnen sich, um ihre Erkenntnisperspektive und fachliche Kompetenz einzubringen.

(…) Das diakoniewissenschaftliche Proprium, diakonische Theologie mit allen Fachwissenschaften in Beziehung zu setzen, fassen wir in dem Begriff des „diakonischen Kongruierens". Er meint ein „In-Übereinstimmung-Bringen" von unterschiedlichen wissenschaftlichen Handlungslogiken, Zugängen und Perspektiven zu einem Thema, z.B. Theologie und Pädagogik, Theologie und Ökonomie, Theologie und Pflege. (…) Diakonisches Kongruieren ist somit eine Methode wechselseitigen Verstehens. Beispielsweise sind nicht nur sozialarbeits- und pflegewissenschaftliche Erkenntnisse theologisch zu interpretieren und zu transformieren. Auch theologische Perspektiven brauchen Zuspitzung, Ergänzung und Transformierung durch soziale, pflegerische und andere Wissenschaften. Diakonisches Kongruieren stellt also keine Einbahnstraße dar: Es geht um einen interdisziplinären Dialog zwischen diakonischer Theologie und anderen relevanten Fachwissenschaften für Kirche und Diakonie. Die Art und Weise, wie Mitarbeitende in Sozialer Arbeit, Kirche und Diakonie soziale Wirklichkeit wahrnehmen und beurteilen, entscheidet maßgeblich über ihr berufliches Handeln. Wie Soziale Arbeit ist auch die Diakoniewissenschaft eine Hybridwissenschaft. Sie ermöglicht einen multiperspektivischen Blick auf helfendes Handeln in Kirche und Diakonie. Wahrnehmen, Urteilen und Handeln im Kongruieren wird damit zur Kernkompetenz diakonisch-professionellen Handelns. Die Aufgabe des diakonischen Kongruierens ist keine einmalige Aufgabe. Vielmehr stellt sie sich mit jedem fachlichen Konzept, mit jeder neuen Methode, aber auch in jeder individuellen Handlungssituation in kirchlich-diakonischen Kontexten neu. Sie stellt somit eine nie abgeschlossene Aufgabe für Berufsgruppen und ehrenamtlich Engagierte in Kirche und Diakonie dar.“ (21f.) Die bibelwissenschaftliche Perspektive zu diesem multiperspektivischen Ansatz soll dieses Arbeitsbuch leisten, das in sieben Kapitel gegliedert ist: 1 Einführung, 2 Biblische Grundlagen, 3 Aspekte der Anthropologie, 4 Aspekte der Ethik, 5. Aspekte der Gemeinschaft, 6 Aspekte der Spiritualität und 7. Biblische Schlüsseltexte. Achim Müller hat in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN374-06640-7) das umfangreiche, praxiserprobte Buch Theologische Bibelkunde geschrieben, zu dessen Inhalt er erklärt: „Seit Langem schon gehören zwei Bereiche zum bewährten Lernstoff der Bibelkunde: Erstens die Gliederungen biblischer Bücher, mit denen man sich ihre zentralen Inhalte erschließen kann und zweitens dann Querschnitte, die wiederkehrende Themen und Motive zusammenstellen. Diese Bibelkunde will bei beidem helfen. Sie unterscheidet dabei zwischen Grund- und Aufbauwissen: So bietet sie einen konzentrierten Durchgang, der durch weitere Abschnitte je nach Zeit oder Interesse vertieft werden kann. Auf diese Weise kann etwa zwischen elementaren Kursen im Rahmen eines Bachelorstudienganges und breiter angelegten Kursen für Pfarramt und Diplom unterschieden werden. Ein anderer Weg, den Stoff zu konzentrieren, besteht darin, eine Auswahl der theologisch zentralen Bücher zu treffen. Diese werden gründlich durchgenommen, während die übrigen Schriften nur knapp in ihren einleitenden Kurzübersichten gelernt werden. Als zentral kann man folgende Bücher ansprechen: AT: Genesis, Exodus, Deuteronomium, 1./2.Samuel, 1./2. Könige, Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Hosea, Amos, Jona, Sacharja, Psalmen, Hiob, Daniel. NT: Mt, Mk, Lk, Joh, Apg, Echte Paulusbriefe, Hebr, Apk. Die Inhaltsangaben werden in dieser Bibelkunde unter folgende Gesichtspunkte gestellt: 1. Aufbau der Bücher mit ihrer Gliederung: Struktur und Inhalt. 2. Hinweis auf wichtige Textstellen gerade mit Blick auf die zwei folgenden Aspekte: 3. Theologische Kernthemen der Bücher – mit Ausblicken auf Rezeption und Wirkungsgeschichte in Judentum, Christentum und Islam sowie in den verschiedenen Bereichen von Kunst und Kultur. 4.Thematische Querschnitte zur Verdeutlichung unterschiedlicher Bereiche: Personen und Orte, theologische und ethische Themen, Textsorten, Feste und Rituale, zentrale Begriffe.“ (11) Das Neue Testament jüdisch erklärt. Lutherübersetzung ist ein über 900seitiges sensationelles Werk, das Wolfgang Kraus, Michael Tilly und Axel Töllner unter Mitarbeit von Jan Raithel und Florian Voss und in der Übersetzung von Monika Müller und Jan Raithel in der Deutschen Bibelgesellschaft (ISBN438-03384-0) im Rückgriff auf die von Amy-Jill Levine und Marc Zvi Brettler edierte englische Ausgabe herausgegeben haben. Sie schreiben in ihrem Vorwort: „Der fruchtbare Dialog zwischen Juden und Christen – Christen und Juden hat in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, dass beide Seiten gelernt haben, sich besser zu verstehen und zu respektieren. Das hat in jüdischen und christlichen Erklärungen und Dokumenten Niederschlag gefunden. Noch gibt es viel zu tun, denn was auf der Ebene von Fachgelehrten, Leitungsorganen oder Arbeitskreisen gilt, trifft noch nicht für die Allgemeinheit bzw. die Situation in den Gemeinden zu. Antijüdische Stereotype und Vorurteile sind noch immer weit verbreitet. Das Jewish Annotated New Testament ist nicht nur selbst eine Frucht dieses Dialogs, sondern es liefert einen herausragenden jüdischen Beitrag zur Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses und bietet zahlreiche Impulse für die Weiterentwicklung einer neuen Bestimmung des christlich-jüdischen Gesprächs. Dass das Neue Testament auch für jüdische Leserinnen und Leser von Bedeutung ist, betonen Marc Zvi Brettler und Amy-Jill Levine: »Many Jews have avoided reading the New Testament for various reasons: a concern that it would disparage Jews and Judaism; the presupposition that its texts would not only be strange but also alienating; perhaps even a fear of being seduced by the gospels. JANT, written entirely by Jews, might allow Jewish readers to find the text initially less alien, or alientating. We also wanted to show Jewish readers parts of our own history, since much of the New Testament is Jewish history: its principal figures are Jews; its imagery draws from the Scriptures of Israel; its legacy has impacted relations between Synagogue and Church for the past two millennia." Jüdische Bibelwissenschaft und christliche Bibelwissenschaft begegnen sich heute auf der Ebene von Personen und Sachfragen. Leitend dabei sind der Respekt vor dem jeweils anderen und eine Methodologie, die frei ist von konfessionellen Zwängen. Die wissenschaftliche Methodik der Bibelexegese ist inzwischen konfessionsübergreifend. Unterschiede in der Auslegung verlaufen nicht mehr entlang der Grenzen einer Religion, sondern haben sachlich bedingte Ursachen, die sich aufgrund unterschiedlicher philologischer oder historischer Erkenntnisse quer zu den Religionsgemeinschaften ergeben. Auch für die Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Gesellschaften ist nicht die Religionszugehörigkeit, sondern der Sachverstand von entscheidender Bedeutung. Jüdische und christliche Bibelwissenschaft können sich damit auf einer Ebene begegnen, auf der der auszulegende Text absolute Priorität erhält. Dennoch werden sich durch die jeweilige religiöse und kulturelle Prägung unterschiedliche Perspektiven ergeben, die jedoch für die jeweils andere Seite immer wieder fruchtbar sein und den eigenen Horizont erweitern können. Dies sind die Gründe, warum wir das Jewish Annotated New Testament ins Deutsche übertragen haben, denn wir sind davon überzeugt, dass eine Perspektive, die durch jüdische Autorinnen und Autoren geprägt ist, für alle, die am Neuen Testament und am Gespräch zwischen den Religionsgemeinschaften interessiert sind, von großer Bedeutung ist . Noch etwas kommt hinzu: Der ursprünglich jüdische Kontext, in dem große Teile des Neuen Testaments entstanden sind – und der in Kirchen und christlicher Theologie lange Zeit verleugnet oder ignoriert wurde – kommt damit zu seinem notwendigen Recht. Bereits im Jahr 2009 erschien bei der Deutschen Bibelgesellschaft eine Übersetzung der Septuaginta, des Griechischen Alten Testaments, deren Geleitwort jeweils von einem Vertreter der Evangelischen, der Katholischen und der Orthodoxen Kirche sowie der Allgemeinen Rabbinerkonferenz unterzeichnet wurde. Mit dem vorliegenden Band erscheint nun bei der Deutschen Bibelgesellschaft eine genuin jüdische Auslegung und Erläuterung des Neuen Testaments. Man kann dies als ein weiteres hoffnungsvolles Zeichen verstehen.“ (XIVf.) In der Tat! Über 80 renommierte jüdische Gelehrte haben die Kommentare verfasst und mehr als 50 Essays zu Geschichte, Gesellschaft, Strömungen und Gemeinschaften, Juden und Nichtjuden, Glaubenspraxis, Glaubensvorstellungen, Jüdische Literatur/Literarische Quellen, Reaktionen auf das Neue Testament sowie zur Situation in Deutschland und Europa „verorten das Neue Testament nicht nur in seinen vielfältigen historischen, kulturellen und religiösen Kontexten, sondern sie beschäftigen sich auch mit Aspekten der Wirkungsgeschichte des Neuen Testaments.“ (619) Zahlreiche Infoboxen, Karten und ein ausführlicher Anhang vervollkommnen diese großartige Ausgabe.

 

Blau Licht Gebete sind die von Siegfried Eckert in einer bibliophilen Ausgabe im Claudius Verlag (ISBN 532-62872-0) vom Damals ins Heute übertragenen Psalmen betitelt. Der Verfasser in seinem „Nachklang“ zu dem Vorhaben mit anschaulichen Worten: „Wer in die Schule der Psalmbeter geht, den braucht das Absurde in der Welt nicht hoffnungslos machen. „Fürchtet euch nicht!", lautet die Botschaft der Engel an vielen Stellen der Bibel. Die Haltung der Furchtlosigkeit lässt sich auch in den Psalmen entdecken, gerade wenn alles zum Fürchten ist oder scheint. Das Leben bleibt widersprüchlich wie jede Pandemiebekämpfung. Trotzdem muss es gelebt werden, ist es in seiner Fragilität zu gestalten. Gebete in unerlösten Welten werden zu Sprüngen ins Ungewisse. Wer betet, ist ein Akrobat auf dem Hochseil, riskiert, in ungewisse Abgründe zu fallen, hofft auf die Arme des unsichtbaren Fängers. Misslingt der Sprung, greift der Fänger ins Leere, bleibt zu hoffen, dass uns etwas im Letzten hält. Gebete aus reinem Herzen hoffen darauf, dass niemand tiefer fallen kann als in Gottes Schoß. Wer Psalmen mit einem hörenden Herzen betet, riskiert sich selbst, steht mit seiner Existenz auf dem Spiel, betreibt kein Schattenboxen, kein Trockenschwimmen, wagt den Sprung vom Zehn-Meter­Turm, steht mitten im Boxring des Lebens. (…) Israels Gebete sind ein Steinbruch der Identifikation für fast alle menschlichen Gefühlslagen. Gerade in verrückten Zeiten tut es gut, sich in ihnen verstanden zu fühlen. Niederlagen und Abschiede, Enttäuschungen und Demütigungen lehren den verwundbaren Menschen, seine Welt neu zu sehen. Wer betet, erhält im günstigsten Falle Halt in haltlosen Zeiten. Nicht ganz auszuschließen ist, dass sich noch Böses zum Guten wendet und Krisen zu Chancen werden. Und manchmal hilft es schon, dass der Untergang alter Welten Perspektivwechsel ermöglicht, die uns die Welt mit neuen Augen sehen lassen, was bei allen Verlusten auch ein Gewinn sein kann, vieles demütiger und dankbarer zu sehen. (…) Wer betet, lässt die Seele aufatmen und sein Herz zur Ruhe kommen. (…) Die Psalmen eröffnen der Seele heilsame Schutzräume, in denen das verwundete Herz so sein kann, wie es ist: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Mit dem Titel „Blaulichtgebete" ist das ausgedrückt. Denn die meisten Psalmen sind im Kern Notgeburten, Notrufe, die Rettungskräfte in Gang setzen wollen. Gewiss sind einige Psalmen „Paukengebete" der Freude und „Fanfarengebete" des Lobpreises Gottes. Doch selbst diese haben oft ihre Ursprünge in der Erfahrung, Schweres überstanden zu haben, was anschließend zum Lob oder zur Pauke greifen lässt, deshalb: Blaulichtgebete.“ (285ff.) Michaela Veit-Engelmann und Marc Wischnowsky porträtieren in ihrem im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht (ISBN 52563063-19) erschienenen Buch Who is who im Alten Testament? mit Illustrationen von Rainer Holweger berühmte Personen der hebräischen Bibel. In ihrem Vorwort schreiben sie: „Das Alte Testament erzählt die Geschichte Gottes mit seinem Volk. Es erzählt sie von den Anfängen bis in die Gegenwart derer hinein, die diese Geschichte(n) aufgeschrieben haben. Erzählt wurden solche Geschichten jedoch nicht, um die Vergangenheit abzubilden, sondern um die eigene Gegenwart und die Zukunft zu deuten. Die – häufig auch von Schülerinnen und Schülern gestellte – Frage, ob das denn alles so passiert sei, was da überliefert werde, geht an dem, was die Autoren des Alten Testaments beabsichtigen, vorbei. Erzählt wird im Alten Testament nicht, was (früher) war, sondern erzählt wird, was (heute) wirkt. Diese Differenz gilt es sich bewusst zu machen. Und sie gilt es auszuloten hin auf ihre Bedeutung für die Beschäftigung mit den biblischen Texten und für die Relevanz der Heiligen Schrift im Blick auf den eigenen Glauben und die didaktische Umsetzung im Religionsunterricht. Zu all dem leistet dieses Buch einen Beitrag. Wir wollen bedeutende biblische Personen in ihrem historischen Kontext zur Geltung bringen. 19 Porträts enthält dieses Buch, in denen es jeweils um die Biografie der einzelnen Gestalten, um den historischen Kontext und um Fragen der Historizität geht. Auf diese Weise kommen die zentralen Personen des Alten Testaments heutigen Leserinnen und Lesern nahe. Dabei geht es um die Menschen, von denen diese Texte handeln, aber es geht immer auch um die Menschen, die diese Texte aufgeschrieben, bearbeitet und überliefert haben.“ (10) Ein leicht verständlicher Überblick über die zentralen Personen des Alten Testaments, über deren Kontext und theologische Intention! Bibliodramatische Methoden im Religionsunterricht stellen Silvia Hadem-Staab, Bernd Paulus, Simone Sichert, Michaela Ströbel-Langer und Johannes Wirsing in ihrem ebenfalls im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (ISBN 52570324-39) veröffentlichten Buch Mit welchen Schuhen gehst du? vor: „Biblische Texte sind verdichtete Erfahrungen, denen ganz unterschiedlich begegnet werden kann. Das Bibliodrama ist eine spielerische Annäherung – voller Leichtigkeit und mit vollem Ernst an der Sache. Man kann mit dem spielen, was man selbst wählt, und kommt dabei in Beziehung zu anderen in ihren Rollen. Ein freier Resonanzraum entfaltet sich und ermöglicht, sich in und mit einem Text zu entdecken – eine mögliche Selbsterkenntnis, die mit einem Gegenüber rechnet. Der Text selbst hat seinen Eigenwert, eine Befremdlichkeit, etwas Unabgeschlossenes, das dem Bibliodrama vorausliegt und auch im Spiel nicht aufgeht. Am Ende steht eine Erkenntnis – aber vielleicht auch eine weitere Frage. Im Bibliodrama kommt es zu einer Begegnung – oft auch Konfrontation – der eigenen persönlichen Existenz und der Tradition des biblischen Textes. Beide legen sich gegenseitig aus. In der Übernahme von Rollen, ihrer Imagination und Weiterentwicklung wird ein Gruppen- oder Einzelspiel inszeniert. Die eigene überschießende Kreativität oder ein ernüchterndes Nein dürfen ihren Platz einnehmen. Das Erlebte wird gemeinschaftlich reflektiert und für die eigenen Lebens- und Lernprozesse genutzt. Spieler*innen erleben die oft überraschende Bedeutung einer gewählten Rolle für das eigene Leben. Die Erkundungen mit der »geselligen Gottheit« in all ihren Widerborstigkeiten, Untiefen und ihrer Zartheit lohnen sich mit jedem Wort. Da gleicht das Bibliodrama einer Fähre, die uns hinüber- und herüberfährt, damit man lernt zu verstehen. Es ist die szenische ››Kommunikation des Evangeliums!‹‹. Aber es gilt das Wort von Andre Gide: "Verstehen Sie mich, bitte, nicht so rasch!« Das Bibliodrama ist methodisch zu planen. So ist es möglich, in einzelnen Unterrichtsstunden kleine, ausgewählte Schritte zu gehen. Im Nachklang erkennt man in diesen Schritten einen gemeinsamen Lernprozess. Es ist wichtig, dass Schüler*innen in ihrem Tempo, mit ihrer ganz eigenen Sicht den biblischen Texten Raum geben können. Nicht selten bildet sich ein Gruppenthema heraus. Der ganze Leib darf lesen und spürt und fühlt den Worten der Bibel mit allen Poren nach. Die Eröffnung des szenischen Raums braucht eine gute Struktur. Szenische Offenheit erzeugt Unvorhergesehenes, Ereignisreiches, das von Religionslehrer*innen in ihrer Führungsrolle Erfahrung mit dem Bibliodrama erfordert. Eigene existenzielle Erfahrungen mit den biblischen Texten helfen, eine neue, vielleicht sogar lebensrelevante Spur zu legen. Natürlich: Es braucht Lust am Spiel, an der Szene, an einer Rolle und am Text selbst!“ (10f.) Gelungene Beispiele, die zeigen, wie Bibliodrama und seine Methoden in der Schule eine religiöse Bildung ermöglichen können, in der Schüler*innen und Lehrer*innen sich ein eigenes und differenziertes Bild von dieser Welt machen können. Im Schwabenverlag sind zwei Bände zu biblischen Frauengestalten erschienen: Zum einen Sara, Tamar und ihre Schwestern (ISBN 7966-1822-2), der von Marie Luise Langwald und Isolde Niehüser in der Reihe „FrauenGottesDienste“ herausgegeben ist: „Die Geschichten der Frauen werden sehr bewusst aus Frauenperspektive erzählt. Ergebnisse feministischer Exegese werden berücksichtigt. Das öffnet einen neuen Blick auf sie, wenn z.B. Sara nicht nur als die Erzmutter gesehen wird, sondern auch als Opfer ihres Mannes, der sie dem Pharao preisgibt. Da es sich diesmal um weitgehend unbekannte Frauen handelt, erwies es sich als sinnvoll, sie in den Gottesdiensten und Impulsen durch längere Schriftlesungen sichtbar zu machen. Die Geschichten der Frauen dieses Bandes sind sehr »herb« und schmerzgefüllt. Wir blicken auf Frauen aus dem Ersten Testament, denen Gewalt angetan wurde, die auf unterschiedliche Weise zu Opfern sexualisierter und spiritueller Gewalt wurden. Damit greifen wir ein Thema auf, das viele Frauen betrifft und das in Kirche und Gesellschaft besprochen, beschrieben und erlitten wird. Und gleichzeitig sprachlos macht. In den verschiedenen Gottesdiensten geben die Autorinnen Sara, Tamar und ihren Schwestern eine Stimme. Sie geben gleichzeitig Zeugnis von ihrer Hoffnung: Gott steht auf der Seite der Opfer. Im Blick auf die Gewalt, den Schmerz und die Not der Frauen stellt sich die Frage, ob das Thema sich überhaupt für Gottesdienste „eignet“. Wir glauben: Ja. Aber es sind eher nachdenkliche Gottesdienste, die Erinnern und Klagen beinhalten. Mehr Fragen als Antworten.“ (9f.) Zum anderen Frauen der Bibel begegnen (ISBN 7966-1802-4) von Dajana Römer, der einlädt Figuren zu gestalten und Andacht zu halten: „Zart und zerbrechlich sehen sie aus, die Skulpturen der Frauen und biblischen Szenen aus Papierdraht und Papier in diesem Buch. Und das sind sie. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sind sie stabil und dabei biegsam und flexibel. Beides trifft auch auf die Frauen der Bibel und auf uns Frauen generell zu. Auf der einen Seite empfindsam, sensibel und leider noch zu oft gefährdet und schutzlos. Auf der anderen Seite anpassungsfähig, resilient und stark. Zwölf Frauengeschichten, zwölf Lebensthemen, die uns alle bewegen, gibt es zu entdecken. Mit der Samariterin am Brunnen fragen wir nach unseren persönlichen Lebensquellen, mit der gekrümmten Frau danach, was uns berührt und aufrichtet. Psalm 131 lehrt uns Selbstfürsorge und die Frau aus dem Hohenlied die Wertschätzung von Liebe und Schönheit. Mit Maria machen wir uns auf die Suche, um zu erfahren, was es in uns auslöst, wenn wir ein Kind erwarten, und auch was es bedeutet, ein Kind wieder loszulassen. Mit Sara und Hagar sowie mit Rut und Noomi befassen wir uns mit Konkurrenz und Solidarität zwischen Frauen. Eva bietet uns die Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen an, und Frau Weisheit lehrt uns, wie wir verantwortungsvoll mit dieser Gabe der Erkenntnis umgehen. Maria und Marta zeigen uns, wie wir in Harmonie mit unseren Gaben leben und sie nutzen können. Und schließlich stellen uns die Frauen in den paulinischen Gemeinden die vielen Facetten des Engagements in Gemeinde und Kirche vor Augen.“ (7) Susanne Luther, Christian Strecker und Manuel Vogel haben im Narr Francke Attempto Verlag (ISBN 7720-8757-8) das Heft 48 der Zeitschrift für Neues Testament mit dem Titel Kinder herausgegeben. Sie greifen damit ein Thema auf, „das eine neue Perspektive auf die Texte des frühen Christentums eröffnet. So geläufig frühchristliche Texte sind, die metaphorisch von „Kindern“ sprechen, etwa in der Rede von der Gotteskindschaft oder dem Annehmen des Gottesreiches „wie ein Kind", so wenig standen „Kinder“ lange Zeit als kultur- und sozialgeschichtliches Thema auf der bibelwissenschaftlichen Agenda. Mittlerweile gibt es hierzu jedoch einen regen, intensiven und ertragreichen Forschungsdiskurs. In diese Forschung führt Reidar Aasgaard unter der Rubrik NT aktuell detailliert ein. Der erste der drei Beiträge zum Thema von Albertina Oegema und Annette Merz zu neutestamentlichen und rabbinischen Gleichnissen nimmt exemplarisch die in der neutestamentlichen Forschung notorisch zu wenig beachtete rabbinische Literatur in den Blick und erschließt zugleich mit agency einen wichtigen sozialwissenschaftlichen Begriff. Anna Rebecca Solevag befasst sich im zweiten Beitrag mit der Stellung von Müttern und Kindern in den Pastoralbriefen. Auch hier geht es um das Ausloten sprachlich-metaphorischer und sozialgeschichtlicher Bezüge. Bert Jan Lietaert Peerbolte ergänzt das Thema des Heftes um wichtige bildungsgeschichtliche Aspekte. Die von Susanne Luther eingeleitete Kontroverse wird von Reidar Aasgaard und Ursula Ulrike Kaiser bestritten. Gegenstand ist das apokryphe Kindheitsevangelium des Thomas, und zwar hinsichtlich der spannenden Frage, ob es sich bei dieser Schrift des spätantiken Christentums regelrecht um ein Kinderbuch handelt. Wolfgang Grünstäudl unterzieht in seinem Beitrag unter der Rubrik Hermeneutik und Vermittlung den in der Erforschung von Kindern und Kindheit interdisziplinär vielfach angewendeten childist criticism einer eingehenden und instruktiven Methodenreflexion. Wie weit die Forschung inzwischen gediehen ist, zeigt abschließend der Buchreport: Das von Tanja Forderer vorgestellte T&T Clark Handbook of Children in the Bible an the Biblical World von 2019 repräsentiert einen thematisch, methodisch und quellenspezifisch ausdifferenzierten Diskurs und setzt diesen variantenreich fort. Mit der Bibel die Feste des Kirchenjahres feiern – dazu lädt Ulrich Mack in seinem bei der Deutschen Bibelgesellschaft (ISBN 438-04834-9) veröffentlichten Buch Feste feiern ein: „Zahlreiche Schichten an Traditionen haben sich im Lauf der Jahrhunderte um die großen Feste gelegt und sich mit ihnen verbunden, bisweilen sogar seltsame Märchen und lokale Bräuche. Dieses Buch will anregen, den Kern der Feste wiederzuentdecken – und zwar mit der Bibel; denn die Urkunden zu den wichtigsten Festen im Jahreskreis finden sich in der Bibel. Die besonderen Tage und die biblischen Texte gehören zusammen. Was wären Weihnachtsgeschenke ohne Weihnachtsgeschichte? Osterfrühstück ohne Auferstehung? Freie Pfingsttage ohne die Ahnung, was frei macht? Dieses Buch will beides: ausgewählte Bibelabschnitte für die großen und kleinen Festtage im Jahr bereitstellen – und über Entstehung, Bedeutung und wichtige Details der Feste informieren.“ (4) Willemijn de Weerd (Text) und Marieke ten Berge (Illustrationen) haben im Gabriel Verlag (ISBN 522-30603-4) Die Kinderbibel gestaltet. Im Vorwort zu dieser kind- und sachgerechten Bilderbuch-Bibel schreibt die Autorin: „In der Welt Gottes sind Kinder willkommen. Jesus rief sie zu sich, umarmte und segnete sie. Deshalb sind Kinder nie zu klein für biblische Geschichten. Sie können darin entdecken, wer Gott ist und was er für sie sein will. Diese Kinderbibel enthält vierzig Geschichten zum Vorlesen. Dabei staunen Eltern und Kinder gemeinsam mit Adam und Eva über den prachtvollen Paradiesgarten, gehen mit Gottes Volk auf Reisen und besuchen Jesus im Stall. Nach jeder Erzählung gibt es Anregungen zum Vertiefen der Geschichte: schaukeln wie in einem Boot, Regengeräusche nachmachen, Sterne zählen oder ein Lied singen. Die stimmungsvollen Illustrationen von Marieke ten Berge laden nicht nur zum Betrachten ein, sondern auch zum Zeigen und Benennen von Details.“ (7) Vierzehn starke Geschichten für den Alltag von Jugendlichen hat Stephan Sigg in seiner im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4030-1) publizierten Firm Bibel geschrieben, für deren Lektüre er im Vorwort wie folgt wirbt: „Smartphones, lnfluencer, Pommes? Fehlanzeige. Als die biblischen Geschichten aufgeschrieben wurden, gab es das alles noch nicht. Deshalb wirken die Geschichten auf den ersten Blick wie aus einer anderen Zeit. Was hat das mit mir zu tun, fragst du dich vielleicht. Mehr als du denkst. In der Bibel geht es um Fragen und Themen, die die Menschen schon immer beschäftigt haben – und über die wir uns auch heute den Kopf zerbrechen: Wie werde ich glücklich? Wie gehe ich um mit Gefühlen wie Angst, Enttäuschung, Neid oder Eifersucht? Woher nehme ich den Mut, wenn es mal um alles geht? Was ist wichtig, damit sich alle Menschen in unserer Gesellschaft, auf unserer Welt wohlfühlen? Die Geschichten in diesem Buch spielen in der Gegenwart – mitten in deinem Alltag. Sie sind aber alle von biblischen Geschichten inspiriert und zeigen dir an aktuellen Beispielen, welche Tipps die Bibel für dein Leben, für deine Entscheidungen und deine Pläne liefert.“ (3) Impulse fürs Hier und Jetzt liefert auch Georg Magirius mit seinem Buch Meine Bibel, das im Coppenrath Verlag (ISBN 649-64106-3) mit Illustrationen von Marie zu Dohna erschienen ist und sich mit lebensnahen Texten biblischen Texten und Figuren nähert.

Im Herder Verlag (ISBN451-39201-69) widmen sich Simone und Claudia Paganini mit ihrem Buch Im Namen des Vaters des Sohnes und der Macht der Frage, was Bibelwissenschaft mit Star Wars zu tun hat: „,,Ich glaube nicht“, so George Lucas in einem Interview aus dem Jahre 1999, „dass Star Wars ein religiöser Film ist, aber es nimmt Themen der Religion auf und destilliert sie für die Öffentlichkeit, um zu zeigen, dass es da draußen etwas Größeres gibt.“ Der Schöpfer der fernen Galaxie erklärte, kurz nach dem Erscheinen von Episode I, wie selbstverständlich die große Anziehungskraft des Star Wars-Universums auf das Publikum mit einem Verweis auf die Religion. Auch ließ er seine Fans wissen, dass er selbst an die Existenz eines Gottes glaube und außerdem an den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, der sich seiner Ansicht nach im Inneren des Menschen vollzieht, Aufmerksame wussten zur Zeit des Interviews bereits um die religiöse – ja streng genommen biblische – Dimension der mittlerweile zum Kultstatus aufgestiegenen Geschichte rund um Luke Skywalker, die Jedi, Darth Vader und Palpatine. (…) Wenn nun auf diesen Seiten der Versuch unternommen wird, den Star Wars-Mythos durch die Brille der Bibelwissenschaft zu betrachten, geschieht dies nicht mit der Ambition, die eine, einzig richtige Deutung von Star Wars liefern zu wollen, sondern vor dem Hintergrund der relativ banalen Beobachtung, dass Bibel und Star Wars viel miteinander zu tun haben. So lässt sich – um nur ein Beispiel zu nennen – in der chronologischen Reihenfolge der neun Episoden der Skywalker-Saga unschwer ein Muster erkennen, das im Neuen Testament beinahe identisch vorkommt: Ausgehend von der übernatürlichen Geburt eines Kindes, die als Erfüllung einer alten Prophetie gedeutet wird, entwickelt sich ein erbitterter Kampf gegen die Mächte der Finsternis, ein Kampf, der schließlich nicht nur gewonnen werden kann, sondern in der endgültigen Erlösung der neu gegründeten Gemeinschaft gipfelt.“ (9ff.) Überraschende Einsichten in das „Evangelium nach (G.) Lucas“!

 

Mit ihrer in der Evangelischen Verlagsanstalt (ISBN 374-06946-0) in der Reihe „Hermeneutik und Ästhetik“ erschienenen Marburger Dissertation Religion im Werk von Maarten ´t Hart legt Christina Bickel eine beeindruckende narratologische Untersuchung in praktisch-theologischer Perspektive vor. Die Autorin erklärt in ihrer Einleitung: „Das Werk des niederländischen Schriftstellers ist thematisch und motivisch von Gott durchzogen und zwar in der Spannung von Glauben und Unglauben. Dieser innere Konflikt des Autors – die Offenheit für Gott, aber das Nicht-mehr-glauben-Können – bietet seinen zahlreichen Lesern Identifikations-möglichkeiten, Anknüpfungspunkte und ein fiktives Erprobungsfeld des (Un-) Glaubens. Denn wie 't Hart beim Schreiben über den »Umweg einer Erzählung« von seinem früheren Glauben eingeholt wird und diesen in seiner Phantasie vollzieht, können auch die Rezipienten seiner Literatur unterschiedliche Erfahrungen mit dem Glauben bis hin zum Unglauben lesend miterleben. Wie und auf welche Art Gott und Religion von 't Hart in seiner Literatur zur Darstellung gebracht werden, ist Gegenstand der vorliegenden interdisziplinären Arbeit im Grenzbereich von Theologie und Literaturwissenschaft.“ (17) Die Arbeit versteht sich „als Beitrag zur Analyse und Interpretation von Religion in der Gegenwartsliteratur in homiletischer Absicht anhand der bislang in der literaturwissenschaftlichen Forschung zu Unrecht wenig beachteten Prosa des niederländischen Autors 't Hart. Sie möchte den Diskurs zur religiösen Interpretation moderner Literatur erweitern, indem sie mit unterschiedlichen literaturwissenschaftlichen Methoden (insbesondere aus der strukturalen Semantik) untersucht, mit welchen Strategien 't Hart Religion literarisch ins Spiel bringt und wie sich die dazu verwendeten Techniken auf die Ausprägung von Religion in seinem Werk auswirken. Anders formuliert: Die Strukturbedingungen, unter denen Religion von 't Hart literarisch transformiert wird, werden dargestellt und anschließend theologisch reflektiert. Dem Begriff der Transformation als Vollzugsform von Religion kommt im Kontext der Methodik eine zentrale Rolle zu. Denn die Religion besitzt sui generis eine verwandelnde Kraft und tritt in Gesellschaft und Kulturgeschichte in unterschiedlichen Formen auf. Diese transformative Kraft kann sie allerdings im strengen Calvinismus nicht aus sich selbst generieren. Vielmehr regt sie den Autor an, diese Verflüssigung auf künstlerische Weise zu leisten. Dabei richtet sich der Blick auf die Person des Literaten und in dessen künstlerische Werkstatt sowie auf den Text mit seinen Wirkungen und Wirkpotenzialen. Es geht darum, die Literatur 't Harts in religiöser und literarischer Perspektive möglichst differenziert zu erkunden, um ein vertieftes Verständnis sowohl von den verwendeten Erzähltechniken als auch von den Formen, in die Religion im Medium der Literatur gegossen wird, zu erlangen.“ (18f.)

 

Den Abschluss dieses Kapitels bildet das von Tobias Jammerthal, David Burkart Janssen, Jonathan Reinert und Susanne Schuster im Verlag Mohr Siebeck als UTB (ISBN 8252-5851-1) veröffentlichte, praxiserprobte Lehrbuch Methodik der Kirchengeschichte, in dessen Vorwort es zurecht heißt: „Zum Studium der Theologie gehört historisches Arbeiten essenziell dazu. Das Fach Kirchengeschichte oder Historische Theologie oder Christentumsgeschichte ist entsprechend fest verankert in der theologischen Ausbildung.(…) Jedes Semester finden dutzende kirchengeschichtliche Proseminare statt und zahlreiche Studierende sitzen vor ihrer Proseminar-, Hauptseminar- oder Abschlussarbeit und fragen sich und andere: Wie ,macht‘ man das nochmal in der Kirchengeschichte?“ (V) Das hilfreiche Werk ist in drei Teile gegliedert: „Der erste Teil dient der „grundlegenden Orientierung" im Fach Kirchengeschichte. Es geht also noch nicht um die Erklärung methodisch reflektierter Quellenerschließung, sondern um einige Grundfragen nach der Wissenschaftlichkeit der Kirchengeschichte, ihrem Verhältnis zu Theologie und allgemeiner Geschichtswissenschaft und schließlich zu Kirche und Gesellschaft. Damit wird der Horizont für das aufgespannt, was dann das Handwerkszeug kirchenhistorischer Arbeit ausmacht. Der zweite Teil erläutert dieses "methodische Werkzeug" – er ist das Herzstück und der mit Abstand ausführlichste Teil dieses Lehrbuches. Wer in Lehrbücher zur historischen Methodik blickt, findet diese häufig anhand der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Trias "Heuristik – Kritik – Interpretation" erläutert. Unserer Auffassung und Erfahrung nach ist dies jedoch einerseits zu eng an die klassische Quellenkritik gebunden und führt andererseits zu zahlreichen Missverständnissen bei Studierenden. Viele Aspekt methodisch reflektierten Umgangs mit kirchenhistorischen Quellen, die im Alltag der Quellenerschließung eine Rolle spielen, werden in der klassischen Trias vernachlässigt, wohingegen anderen Aspekten, die de facto in Studium und Lehre eine geringere Rolle spielen, zu viel Platz gegeben wird. Daher nehmen wir davon Abstand und gehen an „Vorfragen“, der „Quellenerschließung" und ihrer „Auswertung" entlang, wobei die Quellenerschließung den größten Raum einnimmt. Der dritte Teil geht von der Erläuterung zur Anwendung im Blick auf die „kirchengeschichtliche Seminararbeit“. (XI)

 

 

5. Bilderbücher und zwei Jugendbücher

 

Für Kinder ab drei Jahren hat Tanja Jeschke mit Illustrationen von Marijke ten Cate bei der Deutschen Bibelgesellschaft (ISBN 438-04095-4) Das große Bibelwimmelbuch verfasst, in dem es auf acht großen, bunten Wimmelbildern 75 biblische Geschichten zu entdecken gilt – von Adam und Eva, Jakob und Esau, Josef und seine Brüder über Mose führt das Volk, Tapferer David und Ester wird Königin bis zu Mit Jesus auf dem Weg und Der Fischer Petrus. Im Bohem Verlag sind zwei Bilderbücher für Kinder ab drei Jahren erschienen: Zum einen Der Hase ohne Nase (ISBN 95939-088-0) von Annabel Lammers mit Bildern von Hanneke Siemensma, das eine phantasievolle Hasengeschichte erzählt, in der sich ein Hase ohne Nase eigenartig und unvollkommen fühlt, bis ein kleines Mädchen ihm durch dessen Zuwendung und Liebe nicht nur Selbstwertgefühl, sondern schließlich auch eine Nase vermittelt. Zum anderen Heiße Milch mit Honig (ISBN 95939-200-6), eine wärmende und tröstende Geschichte mit Text und Illustrationen von Frank Daenen, in der einem kleinen Bär nach dem Verlust des großen Bärs gute Freunde das Abschiednehmen durch ihr Dasein und ihre unterstützende Begleitung erleichtern, sodass aus Traurigkeit schöne Erinnerungen wachsen können. Rachel Bright ist die Autorin und Jim Field der Illustrator des im Magellan Verlag (ISBN 7348-2075-5) erschienenen Bilderbuchs Der Wal, der immer mehr wollte. In den Weiten des graugrünen Ozeans zieht der junge Wal Wendelin seine einsamen Bahnen, immer auf der Suche nach einer neuen Kostbarkeit, die ihn glücklich machen könnte. Doch egal, wie viele Schätze er anhäuft, er ist nie zufrieden. Doch dann erinnert er sich dank der kleinen, mutigen Krabbe Krissy an das Lied seiner Mama, und plötzlich ist sein Herz offen und weit. Nicht funkelnde Dinge sind es, die seine Sehnsucht stillen, sondern echte Freundschaft und Verbundenheit.

Für Kinder ab vier Jahren sind im Loewe Verlag zwei Bilderbücher veröffentlicht worden: Einerseits Ein klein wenig anders (ISBN 7432-0888-9) von der Autorin und Illustratorin Claire Alexander, in dem es um Akzeptanz, Vorurteile, Diskriminierung und Inklusion am Beispiel eines Plufers geht, der im Unterschied zu allen anderen Plufers nicht ein grau-schwarzes „Pluuuf!“ als Wolke in die Luft pustet, sondern ein buntes „Schuuuf!“, das am Ende alle akzeptieren und glücklich nachahmen. Andererseits Morgen bin ich Sternenlicht (ISBN 7432-0900-8) von Sandra Dieckmann, in der eine Füchsin ihren besten Freund, einen Wolf, durch Tod verliert und nach langem Suchen und Trauer erkennt, dass all das Schöne, das sie gemeinsam erlebt haben, für immer in Erinnerungen und Gefühlen bei ihr bleibt und ihr ein wertvolles und lebenswertes Leben ermöglicht. Das Thema Tod und was danach kommt greift auch das im Bohem Verlag (ISBN 95939-096-5) von Silvia und David Fernandez mit Bildern vom Merce Lopez publizierte Bilderbuch Und danach. Gedanken über das große Jenseits auf. Es beinhaltet phantasievolle Vermutungen der tierischen Künstlerinnen und Künstler des Zirkus Galaxie über das Jenseits, die sich durchaus jeweils verschiedenen, realen religiösen Glaubensrichtungen zuordnen lassen und zum Schluss in die wundervoll einladende Frage „Und was glaubst du?“ münden. Wie nach einem tiefgreifenden Trauma wieder Mut gefasst werden kann, erzählt Brigitte Weninger mit Illustrationen von Anna Zeh in deren im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4043-1) erschienenen Bilderbuch Lauf, kleiner Spatz! Ein kleiner Spatz lernt mithilfe seiner Freunde Maus und Rabe nach einer schweren Verletzung laufen statt fliegen und gewinnt so wieder Lebensfreude und Zuversicht. Letztere Gefühle und Haltungen können allerdings beim Betrachten des herausragenden Bilderbuchs Der Krieg von José Jorge und André Letria in keiner Weise aufkommen. Die düsteren Illustrationen und Texte des im Midas Verlag (ISBN 03876-134-1) veröffentlichten Buches spiegeln auf äußerst beeindruckende Weise die Schrecken und Folgen eines jeden Krieges wider: Von „Der Krieg zerreißt die Tage wie eine Krankheit, die sich schnell und leise verbreitet“, „Der Krieg weiß, wo man sich vor ihm fürchtet“ und „Der Krieg ist schlimmer als jede Angst“ über „Der Krieg zeigt alle Gesichter des Bösen“, „Der Krieg ist eine traurige Macht, die alles niederwalzt“ und „Der Krieg träumt vom Ruhm, der alles verbrennt“ bis zu „Der Krieg regiert in Trümmern“, „Der Krieg ist das letzte Versteck des Todes“ und „Der Krieg ist Stille“. Ein herausforderndes Buchereignis, das der einfühlsamen Begleitung von Bezugspersonen beim Betrachten und Lesen bedarf!

 

Tomaten mögen keinen Regen ist der Titel des mehrfach ausgezeichneten Debutromans für Jugendliche ab zwölf Jahren von Sarah Michaela Orlovský, der ebenfalls im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4015-8) veröffentlicht worden ist und der von den fünf Jugendlichen Hovanes, Sirup, Tiko, Eilis und Gaya handelt, einer Zwangsgemeinschaft in einem Waisenheim unter der Obhut von Schwester Miki und Schwester Rosa. Sie alle sind ein bisschen „anders“ und dabei doch auch ganz „normal“. Es geht um kindlich-jugendliche Reibereien, adoleszente Identitätssuche, verschiedene Sehnsüchte und unerfüllte Träume sowie um einen schlimmen Unfall, die damit verbundene Schuldfrage und ganz erstaunliche Dinge – zuletzt um Psalm 142, das Weisheitslied Davids, als er in der Höhle war. Im Verlag Urachhaus (ISBN 8251-5184-3) hat Susin Nielsen in ihrem Jugendbuch Optimisten sterben früher für Jugendliche ab 14 Jahren eine berührende Geschichte von Freundschaft, einer ersten, zarten Liebe und von einem Mädchen, das seine Ängste zu überwinden lernt, geschrieben, die in die Sätze mündet: „Alles – uns eingeschlossen – ist unklar. Aber so ist wohl das Leben. Wir wissen, wir können es nicht noch mal umschreiben. Wir können weder rückgängig machen, was passiert ist, noch kontrollieren, was als Nächstes kommt. Das Einzige, was wir tun können, ist hoffen. Ich versuche, optimistisch zu sein.“ (252)

 

 

6. Didaktische Materialien

 

In der Reihe „Spielstationen in der Kita“ ist bei Don Bosco Medien (ISBN 7698-2524-4) das Buch Geschichten aus dem Alten Testament erleben von Viola M. Fromme-Seifert für Kinder von ein bis sechs Jahren erschienen, das anhand eines praxisnahen Spielstationen-Konzepts 16, von Godly Play inspirierten Zeitreisen ins Alte Testament enthält – u.a. von Herzlich willkommen in der Wüste und Gerettet in der Arche über Im Brunnen mit Josef und Mose und der brennende Dornbusch bis zu Reisen mit Rut und Kämpfen wie David. Ebenfalls bei Don Bosco Medien sind zwei neue Kamishibai-Bildkartensets verfasst worden: Zum einen Welcher Gott lässt es schneien? (EAN 4260179517891) von Antonie Schneider mit Illustrationen von Pei-Yu Chang, das für Kinder ab fünf Jahren mit 13 Karten die Ringparabel „Wem gehört der Schnee“ in einen kindgemäßen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Religionen umsetzt. Zum anderen Mose, Prophet Gottes (EAN 4260179517761) von Britta Vaorin mit Illustrationen von Petra Lefin, das in 13 Karten mit vollständiger Textvorlage die Lebensgeschichte Mose für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren darbietet. Britta Vaorin ist zudem die Autorin der beiden Arbeitsmaterial-Pakete Grundschule in der Reihe „Stationenlernen Religion“ Jesus wird geboren (ISBN 7698-2474-2) – den Ursprung des Weihnachtsfestes kennenlernen – und Mose, Prophet Gottes (ISBN 7698-2513-8), die sie mit Lehrerbegleitheft und Kopiervorlagen in drei Niveaustufen für den differenzierten Unterricht bei Don Bosco Medien veröffentlicht hat. Elementaren Fragen zum Himmel und seinen verschiedenen Bedeutungen gehen Gunther vom Stein und Franziska Rautenberg in ihrem im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht (ISBN 525-70321-2) erschienenen sehr gelungenen Materialheft Himmelsberührungen für den RU in den Klassen 3-6 nach. Zu den Fragen „Wie stellen sich Menschen den Himmel vor?“, „Was weiß die Naturwissenschaft über den Himmel?“, „Was erzählt die Bibel über den Himmel?“ und „Wie sieht der Himmel aus?“ gibt es differenzierte Aufgaben und mannigfaltige, praxiserprobte Anregungen für ein digitales Arbeiten mit den Schülerinnen und Schülern. Relifix 4 lautet der Titel der im Claudius Verlag (ISBN 532-71193-4) von Hanna Bogdahn edierten, übersichtlich aufgebauten Unterrichtsentwürfe für den evangelischen RU an Grundschulen in der vierten Jahrgangsstufe zu den folgenden acht Sequenzen: 1. Mose, Freiheit 2. Tod, große Fragen 3. Engel, Frieden; Advent, Weihnachten 4. Gebote 5. Jesus 6. Pfingsten, Paulus 7. Luther 8. Islam und Christentum. Im Calwer Verlag (ISBN 7668-4469-9) ist das von Hans Burkardt und Eva Weigand für den evangelischen RU an Mittelschulen im achten Schuljahr in Bayern bearbeitete Kursbuch elementar 8 erschienen, das fünf Kapitel enthält: 1. Reformation. Wirkt bis in die Gegenwart 2. Schöpfungserzählungen. Bekenntnis und Auftrag 3. Liebe und Partnerschaft. Verantwortlich zusammen leben 4. Arbeit und Freizeit. Leben im Gleichgewicht 5. Christlicher Glaube. Vielfältig und konkret. Ebenfalls im Calwer Verlag sind drei Neuerscheinungen anzuzeigen: Zum einen in der bewährten Reihe „RU kompakt Sekundarstufe I“ das von Frauke Liebenehm und Gerhard Ziener erarbeitete Heft Klassen 7/8/9 Heft 2 (ISBN 7668-4564-1) mit den beiden Unterrichtseinheiten „Das Richtige tun – das richtige Tun: Ethik für die Sekundarstufe I“ sowie „Denis Mukwege – Arzt, Christ, Aktivist für den Frieden und Menschenrechte; zum anderen in der Reihe „RU kompakt Berufliches Gymnasium“ das von Joachim Rupp und Christiane Grünewald erarbeitete Heft 2 (ISBN 7668-4566-5) mit den beiden Unterrichtseinheiten „Kann man mit der Bibel machen, was man will?“ und „Menschsein - in Beziehungen leben“; schließlich der umfangreiche Band Oberstufe Religion kompakt. Handreichungen für Lehrkräfte (ISBN 7668-4574-0) von Veit-Jakobus Dieterich, dessen Programm sich in drei Schritten erschließt: dem Verhältnis von Glaube und Zweifel, dem Grundprinzip Selbst prüfen sowie dem didaktischen Programm des gemeinsamen Dialogs bzw. des Theologisierens, das von den drei Prinzipien Pluralität, Positionalität und Prozessoffenheit bestimmt ist.

 

Bärbel Husmann und Bernd Abesser haben bei Klett/Kallmeyer (ISBN 7727-1544-0) unter dem Titel Religiöse Feiern in der Schule äußerst hilfreiche Impulse zu Theorie und Praxis für religiös heterogene Situationen verfasst. Sie schreiben in ihrer Einführung: „Uns leitet bei unserem Vorhaben die pädagogische Einsicht, dass die Schule nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensraum ist, in dem auch das Zusammenleben der Gestaltung bedarf. Zu dieser Gestaltung gehört der bewusste Umgang mit Freud und Leid, mit Katastrophen im nahen und weiten Umfeld, mit Anfängen und Abschieden, mit den Übergängen von Schulzeit und Ferienzeit. Bevorstehende Zeugnisse vor den Sommerferien, die über Sein und Nichtsein an der Schule entscheiden, sind beispielsweise ein Anlass, um Sorgen, Ängste und Nöte in einem gemeinsamen „Feier-Raum" auszusprechen. Gleiches gilt für die Weihnachtsferien, denen manche Schülerinnen und Schüler nicht nur mit Freude, sondern auch mit Bangen entgegensehen, weil nicht klar ist, wie sich die Patchwork-Familie konfliktfrei wird sortieren können. In der Praxis sind es vor allem die Schulleiterinnen und Schulleiter, die ein sensibles Umgehen mit der religiösen Dimension im Schulleben anstoßen und fördern können oder auch nicht. Schulleiterinnen und Schulleiter haben immer das Ganze ihrer Schule im Blick und müssen dies auch. Je ausdifferenzierter das religiöse und „religionsfreie" Feld ist, desto schwieriger ist es, die Schülerinnen und Schüler für Schulgottesdienste zu gewinnen. (…) Skepsis lässt sich nur ausräumen, wenn der einladende Charakter und die Eignung „für alle" tatsächlich eingelöst werden. Wir haben uns auch deshalb für den Begriff „Religiöse Feier für alle" entschieden, ein Typus, der alle Schülerinnen und Schüler einschließt und zugleich ganz in der Verantwortung schulischer Akteure (und nicht von Vertretern/Vertreterinnen einer oder mehrerer Religionsgemeinschaften) liegt. Insbesondere in den oben genannten Situationen im schulischen Alltag können mit einer „Religiösen Feier für alle" Freude und Leid geteilt werden. Bei einem Unglücksfall sollte nicht nur das Notfallteam der Johanniter unterstützend tätig werden, sondern eine religiöse Feier sollte als Unterbrechung des Alltags dem Sprechen, Schweigen und Bitten Raum geben, um so das Geschehnisse auf eine weitere Dimension hin zu öffnen und zu bewältigen helfen. Hier stehen sprachliche Mittel bereit, die das Leben verdichten und auf eine andere Wirklichkeit hin transzendieren können.“ (8f.)