1 Annäherungen: Religion in der Theaterpädagogik

Denkt man an die Beziehungen zwischen Religion und Theater, so wird einem sicherlich zunächst die Thematisierung der Religion durch das Theater einfallen, sei es nun, dass die Texte der Stücke dies nahe legen, sei es, dass die Inszenierungen diesen Aspekt herausheben und in den Vordergrund stellen. Die Einschätzungen, wie die Religion dabei abschneidet, fallen durchaus unterschiedlich aus. Während man sich aus kirchennaher Position an einer gewissen Aktualität der Religion auf dem Theater freuen kann oder auf Überschneidungszonen wie das Thema der Ritualität hinweist (vgl. Hentschel & Hoffmann, 2004), kann das Feuilleton dem Theater der Gegenwart durchaus auch ein Armutszeugnis ausstellen. So lautet jedenfalls der Vorwurf des kürzlich verstorbenen Kritikers Dirk Pilz: In Theaterkreisen gehe man „mehrheitlich noch immer von einer simplen Säkularisierungsthese aus“ (Pilz, 2018). Lote das Theater sonst gern die inneren Ambivalenzen von Figuren aus, kenne man bei Religion fast durchgängig nur die platte Festlegung auf einseitige Stereotype. „Religion wird dabei durchweg zum diffusen Sammelbegriff für alles, was als irrational oder überholt gilt. Gläubig sind für das Theater demnach immer die anderen, meistens die Absonderlichen.“ (ebd.) Ausnahmen bestätigen nach Pilz die Regel.

Anders wird es, so kann man vermuten, auf dem Felde der Theaterpädagogik sein. Eine Reihe von Theatern ist dazu übergegangen, die Aufführungen ihrer religionsbezogenen Stücke von thematisch verwandten theaterpädagogischen Workshops zu begleiten (z.B. kürzlich das Theater Fadenschein Braunschweig zu „Der Kitzelkönig“; Schauspiel Köln zu „Nathan der Weise“; dazu kommen Angebote von theaterpädagogischen Stellen und Zentren wie La Red e.V. oder im Auftrag von religiösen Gruppierungen wie dem Berliner Forum der Religionen, sowie Einzelakteuren wie z.B. Ronan Favereau). Sie wollen damit Jugendliche nicht nur für das Theater begeistern, sondern auch einen substanziellen Beitrag zu einer religiösen Bildung leisten – freilich in einer ganz eigenen, hier näher zu beleuchtenden Weise. Die geschilderten Einseitigkeiten dürften hier kaum möglich sein. Denn zum einen lassen es moderne pädagogische Ansätze nicht zu, Aufklärung bloß im Modus der Verunglimpfung zu exerzieren, zum anderen arbeitet man hier – im Gegensatz zum meist anonym bleibenden Publikum – mit konkreten Menschen, die ihre religiösen Hintergründe mitbringen und in einer subjektorientierten Arbeit immer aufgefordert sind, diese mit einzubringen. Es spricht deshalb alles dafür, diese Arbeit als Teil einer ‚anderen‘, öffentlichen religiösen Bildung anzusehen, welche neben der von Familien, religiösen Gemeinden und der des schulischen Religionsunterrichts existiert. Diese ‚andere‘ Form der religiösen Bildung ist bislang von der wissenschaftlichen Religionspädagogik noch kaum wahrgenommen worden. Der hiesige Artikel stellt daher eine erste Erkundung in einem vielfach noch unbekannten Gelände vor. Nach den Annäherungen dieses ersten Teils (1) werden wir im Folgenden zunächst historisch an die Beziehungen von Theater und pädagogischen Anliegen erinnern (2). Danach soll ein theaterpädagogischer Workshop aus Osnabrück vorgestellt und ausgewertet werden, der sich an die dortige Aufführung von „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing anschloss (3). Die Beobachtungen, die dort gemacht wurden (und wegen der Corona-Krise erst einmal nicht ausgeweitet werden konnten), sollen zum Anlass für zwei Reflexionsgänge genommen werden, zunächst einen kompetenzenorientierten (4), dann einen theologisch-kulturhermeneutischen (5), von dem aus einige Schlussüberlegungen vorbereitet werden (6).

2 Beziehungen von Religion und Theater(-pädagogik)

Der Begriffsausdruck „Theaterpädagogik“ ist verhältnismäßig jung (Streisand, 2012, S. 14). Die dahinter liegende „Phänomen-Geschichte“ hingegen reicht bis in die Antike zurück (ebd.). Mit der Geschichte des Theaters sind eigentlich fast von Beginn an pädagogische Anliegen eng verwoben. Eine förmliche Theaterpädagogik – heute ein gängiger Begriff – ist dabei erst im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts entstanden. In ihr fließen verschiedene historische Entwicklungsstränge zusammen. Eine systematische Erforschung der Geschichte der Theaterpädagogik steht freilich immer noch aus (Jahnke, 2012, S. 37). Hier sei nur an einige Hauptstationen erinnert.

Im sechsten vorchristlichen Jahrhundert kam es zur Etablierung der Tragödie in Athen (Bekk, 2015, S. 5). Hinsichtlich des Nutzens des Theaters zeigten sich rasch zwei konträre Positionen: Während Aristoteles das Theater als „Sittenschule“ von vornherein auch pädagogisch auffasste und ihm eine vom Schauer (phobos) und Jammer (eleos) heilende Wirkung zusprach, kritisierte Platon es als „Brutstätte unkontrollierbarer Affekte“, die unerwünschte Normen tradiere, weswegen der vernunftorientierte Mensch sich vom Einfluss des Theaters fernhalte (a.a.O., S. 22). In der klassischen Formel des Horaz ließen sich freilich beide Aspekte auch verbinden: Das Theater könne wie die Dichtkunst überhaupt nicht nur entweder nützen (prodesse) oder ergötzen (delectare), sondern auch „simul et iucunda et idonea dicere vitae“: dem Leben zugleich etwas Angenehmes und etwas Nützliches sagen. Der spielerische Anteil kann dem pädagogischen Aspekt durchaus entgegenkommen (a.a.O., S. 24–25).

Das Aufkommen des Christentums als Staatsreligion war dem Theater zunächst nicht günstig, insofern den Theoretikern einer christlich-asketischen Lebensführung das Theater verdächtig blieb. Nichtsdestotrotz machte sich auch die Kirche die pädagogischen Möglichkeiten des Theaters auf lange Sicht zunutze. Tugendspiele sowie Dramatisierungen des Lebens Jesu machten, anders als die für viele Teilnehmer unverständlichen Gottesdienste auf Latein, die Glaubensinhalte „erfahrbar“ (Jahnke, 2012, S. 37). Die höhere Bildung des späten Mittelalters griff auf theatrale Methoden zurück. Der Streit zwischen Reformation und jesuitisch-gegenreformatorischen Bemühungen wurde auch auf dem Theater ausgetragen (Schmidt, 2012, S. 223; Bekk, 2015, S. 26).

Einen tiefen Einschnitt in der Moralgeschichte des Theaters bildet die Entwicklung des aufgeklärten Theaters. In der Aufklärungszeit wird das Nationaltheater zum Medium einer Erziehung, in der das Bürgertum sich selbst und seine Werte gerade unabhängig von christlichen Vorgaben – was selbstbewusst auswählende Bezugnahme auf die christliche Tradition durchaus einschließen konnte – reflektierte und propagierte. Denis Diderot (1713–1784) und Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) beförderten das bürgerliche Trauerspiel; auch diesem wird eine erzieherische Funktion beigemessen, die bei der Herausbildung eines tugendhaften Charakters helfe (Bekk, 2015, S. 27): Das Mitleid gilt – in umdeutender Wiederaufnahme von Aristoteles – als das entscheidende Moment zur Schulung des Gefühls, welches die Basis bürgerlicher Tugend ausmacht. In theaterpädagogischer Hinsicht konnte Friedrich Schiller durchaus an diese Tradition anschließen. Er beschrieb und nutzte die Schaubühne als einen Wegweiser durch das bürgerliche Leben (a.a.O., S. 27–28; Jahnke, 2012, S. 40–41).

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden dann im europäischen Raum der Realismus und der Naturalismus, die eine exakte, ungetrübte Darstellung der Wirklichkeit intendierten: „Prostitution, Alkoholismus und Armut, bisher tabuisierte [sozialkritische] Themen, werden ins Blickfeld […] gerückt“ (Bekk, 2015, S. 29). Die aufkommende sozialistischen Bildungsbemühungen sollten auch mithilfe des Theaters zurückgedrängt werden: Mittels der Volksbühnen sollte das Einüben gesellschaftlicher und kultureller Normen durch das proletarische Publikum bewirkt werden (a.a.O., S. 30).

Bertolt Brecht entwickelte als Gegenentwurf zum modernen Naturalismus das Epische Theater, auch dialektisches Theater genannt, das illusionsstörende Mittel (wie bspw. Textprojektionen) einsetzt. Individuen sollten nicht (wie bei Aristoteles oder Lessing) durch Einfühlung, sondern durch kritische Distanz auf die „Veränderlichkeit der Welt“ aufmerksam werden (ebd.).

Die Entstehung der Theaterpädagogik im engeren Sinne konnte hier vielfältig anknüpfen; sie ist freilich nicht ohne Berücksichtigung zum einen der reformpädagogischen Bestrebungen, welche vielfach theatrale Methoden für den pädagogischen Alltag nutzbar zu machen versuchten, zum anderen verschiedener Laienspielbewegungen des 20. Jahrhunderts zu verstehen. Auch die „Erweiterung des Theaterbegriffs hin zu anderen Gattungen von cultural performances, Happenings [oder] Beatbewegungen“ (a.a.O., S. 31) kann als Geburtshelferin der eigentlichen Theaterpädagogik gelten.

Inzwischen hat sich die Theaterpädagogik fest etabliert und in eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze ausdifferenziert. Gemeinsam ist ihnen in unterschiedlicher Gewichtung, dass mit dem Erproben von Verhalten Sensibilisierung und Selbstreflexion angeregt werden, welche zugleich auch eine gesellschaftliche Bedeutung haben soll. Diesen zweiten Akzent setzt stärker beispielsweise die Konzeption von Augusto Boal (vgl. Boal,2000; dazu Zumhof, 2012), die erste etwa jene von Ingo Scheller (vgl. Scheller, 2018).

Somit scheint auf der einen Seite die Entwicklung der Theaterpädagogik in die kulturelle Absetzbewegung von einer kirchlich bestimmten Kultur insgesamt hineinzugehören: In ihren ästhetischen und pädagogischen Absichten bestimmen sich Theater und Theaterpädagogik selbst, sie bleiben unabhängig von religiösen Voraussetzungen und Institutionen. Auch die Theaterpädagogik prägt, wie die Beziehung von Kirche und Theater überhaupt, bis heute ein „Wechselspiel von Ablehnung, Vereinnahmung und kühler Distanz“ (Schmidt, 2012, S. 223). Auf der anderen Seite sind seit einigen Jahren Bemühungen erkennbar, in einen (die Autonomie der Religion und des Theaters beachtenden) Dialog zu treten sowie Berührungspunkte zu finden: „Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen ästhetischer und religiöser Erfahrung und Praxis, das Verhältnis von Ritual und Theater, Gottesdienst und Inszenierung“ werden erforscht und erörtert (ebd.).  Ausdifferenzierung kann autonome Vernetzung zur Folge haben. Dies gilt umso mehr dann, wenn sich die Theaterpädagogik selbst ganz dezidiert die Arbeit in Sachen Religion vorsetzt und zum Gegenstand ihrer Bemühungen macht.

Im Folgenden soll ein sprechendes Fallbeispiel für diesen Zusammenhang dargestellt und erörtert werden. Es legt sich nahe, nach der Schilderung des Falles zunächst eine religionspädagogische Erörterung im engeren Sinne vorzunehmen. Gerade jenes Zusammenspiel von Kritik, Emanzipation, thematischer Anleihe und etwaiger Kooperation verweist aber noch auf einen anderen Erörterungskontext, nämlich den der Theologischen Kulturhermeneutik, in der es darum geht, eine religiöse oder religionsbezogene Praxis aus der Warte des Christentums allererst verständlich zu machen und sie dann nach ihren möglichen theologischen Valenzen zu erwägen. Beides soll hier geschehen.

3 Fallbeispiel: Die implizite Religionspädagogik von „Urban Prayers – Osnabrück I–III“

In der Spielzeit 2016/17 entwickelte das Theater Osnabrück in Anlehnung an die Inszenierung von Gotthold Ephraim Lessings Drama Nathan der Weise und mithilfe finanzieller Mittel der Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung ein umfangreiches theaterpädagogisches Programm namens Stadtprojekt Nathan. In verschiedenen Formaten wie bspw. schulischen Workshops, Schreibwerkstätten oder Gesprächen widmete sich das Theater „dem Dialog zwischen den, aber auch jenseits der Religionen“, um „Begegnungen und Diskussionen über alle scheinbaren Grenzen und Unterschiede hinweg an[zu]regen.“ (Theater Osnabrück, 2017) Das Ziel: Durch den offenen Austausch eine „Kultur nicht nur der passiven Duldung, sondern der aktiven Auseinandersetzung und Akzeptanz“ (ebd.) zu fördern. Es ging um mehr als bloße Toleranz.

Die drei in diesem Kontext entstandenen Inszenierungender hauseigenen Spielclubs[1] des Theaters Osnabrück sind Gegenstand der im Folgenden beschriebenen Forschung. Der Forschungsprozess begann im Frühjahr 2017 mit der Sichtung und Auswertung verschiedenster Materialien: Die Textvorlage der Stücke, die Textbücher der Spielclubs, Rezensionen, Zeitungsartikel, die Homepage des Theaters sowie theaterpädagogische und religionspädagogische Forschungsliteratur boten eine Fülle an zu bewertenden Informationen. Die Ausführungen beruhen zudem auf den Beobachtungen von Constanze Kaiser bei den drei Premieren der Projektaufführungen im April und Mai 2017 sowie auf Gesprächsprotokollen der von ihr im Juni 2017 geführten Interviews mit dem Schauspieldramaturgen Jens Peters und dem Theaterpädagogen Dietz-Ulrich von Czettritz.

Als Textvorlage der Urban Prayers – Osnabrück I­–III[2] diente Björn Bickers Buch Was glaubt ihr denn – Urban Prayers (2016), welches ein Gemisch aus Drama, Prosa und Reportage darstellt und das Ergebnis einer langjährigen, intensiven Recherche zum Thema „religiöser Pluralismus“ ist (vgl. Drees, 2016). Der Autor lässt in seinem Werk Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen zu Wort kommen: Sie „erzählen vom religiösen Leben in einer säkularen Gesellschaft.“(Bicker, 2017) So entsteht ein vielstimmiges, facettenreiches und abstraktes Bild der Gegenwart – gemeint als „ein[e] [Art] literarisches Gebet, das die Gegensätze der Großstadt zu einem […] Sound verdichtet.“ (ebd.) Bickers Quintessenz: Es geht nicht darum zu homogenisieren, sondern die Vielfalt zu organisieren, Regeln zu schaffen und die Freiheit des Denkens sowie Glaubens zu bewahren.

In einer Vorbereitungsphase zu Beginn des Projekts setzte sich der Schauspieldramaturg Jens Peters mit jedem Spielclub und den verantwortlichen Theaterpädagogen (Dietz-Ulrich von Czettritz, Simon Niemann und Simon Klösener) zusammen, um über mögliche Zugänge zu Bickers Werk, über Interessen und über Glaubensfragen zu sprechen.[3] Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen begaben sich fortan – mit einer von Peters gekürzten Textfassung der Urban Prayers in der Hand – ein Jahr lang auf eine Entdeckungsreise in die Welt der Religionen und erörterten Fragen wie: Was glauben die Menschen? Glauben sie, dass Religion Privatsache ist? Glauben sie an die Freiheit Andersdenkender? Und beeinflusst Glaube das soziale und politische Leben? (Theater Osnabrück, 2017) Recherchiert und gespielt wurde an drei authentischen religiösen Orten Osnabrücks, und zwar in der Evangelisch-Reformierten Jugendkirche, der Jüdischen Gemeinde und der DITIB-Moschee Yeni-Camii.

Primär organisatorische Gründe wie Probenzeiten führten zu der Zuordnung der drei Clubs zu je einer der drei Gemeinden. Während der ersten Recherche- und Experimentierphase besuchten die jungen Akteur*innen ihre jeweilige Gemeinde, kamen in Kontakt mit deren Vorstehern und Mitgliedern, erhielten Führungen durch die Gotteshäuser und verfassten auf Basis ihrer Erfahrungen Texte. Bickers Werk diente als Grundstock, wobei einige Passagen adaptiert, andere umgeschrieben oder ergänzt wurden. Um den Urban Prayers – Osnabrück I–III einen gemeinsamen Rahmen zu geben, tauchten bestimmte Abschnitte der Textvorlage in allen drei Inszenierungen auf.

Die Inszenierungs- und Probenphase stellte eine weitere intensive Phase der kognitiven, aber besonders auch der künstlerischen und körperlichen Auseinandersetzung mit der Glaubensthematik dar, in der (in Begleitung der Theaterpädagogen) etliche Reflexionen und Überarbeitungen stattfanden. Neben der Aneignung von Wissen über die darzustellenden Inhalte ging es um die Entwicklung künstlerischer, sprachlicher und rhetorischer Fertigkeiten. Die Gesetzmäßigkeiten der Bühne wurden kennengelernt und die ästhetische Wahrnehmung sowie das Wissen über Symbolik und Wirkung (bspw. beim Einsatz von Licht und Musik) geschult. Mit Hilfe von Übungen aus dem Schauspieltraining erweiterten die jungen Akteure*innen ihr Bewusstsein für Körper, Rhythmus, Stimme und Sprache und entfalteten Figuren sowie ausdrucksstarke szenische Bilder.

Alle drei Teile der Urban Prayers – Osnabrück I–III demonstrierten eine intensive und tiefsinnige Auseinandersetzung junger Menschen mit dem Thema „religiöser Pluralismus“. Bei den Aufführungen entstand der Eindruck, die einjährige, „spielerische“ Beschäftigung der heterogenen Gruppen mit der Glaubensthematik spiegele sich eins zu eins auf der Bühne wider. Erkennbar waren im Strudel der sich überlagernden Handlungsstränge die Leidenschaft der Darsteller*innen sowie zahlreiche Bezüge zu ihrer Lebenswelt. Die (Ergebnis-)Offenheit und Prozesshaftigkeit, die die Inszenierungsarbeit mit sich bringt, ermöglichte es den Spielclubs, sich Bickers Werk auf eigene Weise anzunähern. Trotz gleicher Vorlage fiel die thematische Schwerpunktsetzung innerhalb der Stücke letztlich unterschiedlich aus: Während sich der Studierendenclub primär existenziellen Fragen und der Erlösungsthematik widmete, stellte sich der Jugendclub Mania die Frage nach der Existenz Gottes und suchte nach einer „Lösung“ für das Zusammenleben der drei großen Weltreligionen. Der Jugendclub Amigos Bandidos blickte bei seiner „Glaubenskonferenz“ auf die Vielfalt religiöser Erscheinungen und stellte – der ursprünglichen „Intention“ des Theaters entsprechend – die offene Begegnung als Schlüssel der Verständigung in einer pluralistischen Gesellschaft heraus. (Darstellende) Kunst zeigt sich hier als eine Möglichkeit, mit Pluralität umzugehen, dessen Reichtum zu erfahren sowie Widersprüche aufzudecken (vgl. Bidlo, 2006, S. 151). Feststellen lässt sich, dass die schauspielerische Methode für die vielfältigsten Themen, so auch für religiöse Inhalte, sensibilisieren kann und die jungen Menschen dazu angeregt hat, neue Perspektiven einzunehmen. Die theaterpädagogischen Ziele, zur individuellen Entfaltung der Persönlichkeit des Spielenden beizutragen und soziale Kompetenzen wie Empathie, Gemeinschaftssinn und Akzeptanz zu fördern, wurden nach unserem Eindruck erreicht (Bekk, 2015, S. 32).

Aus der Sicht der christlichen Religionspädagogik handelt es sich hierbei um einen etwas zweischneidigen Befund. Zum einen kann man konstatieren, dass hier vermutlich eine mindestens partielle Überschneidung mit genuin christlichen Bildungsanliegen vorliegt, auf welche die Gemeinden und auch der schulisches Religionsunterricht als res mixta kein gesellschaftliches Monopol haben. Zum anderen fragt es sich aber doch, warum das Theater offensichtlich gerade an dieser Stelle eine eigene pädagogische challenge verspürte und aktiv wurde. Um uns dieser Frage anzunähern, wird in einem ersten Schritt das konkrete theaterpädagogische Handeln unter der Perspektive der derzeit gängigen religionspädagogischen Kompetenzkataloge – hier der Einfachheit halber nach Porzelt (2009) – betrachtet. In einem zweiten Schritt soll die kulturelle Praxis der Theaterpädagogik, sofern sie auch religionspädagogische Absichten verfolgt, noch einmal etwas genereller unter dem Gesichtspunkt einer theologischen Kulturhermeneutik erörtert werden.

4 Kompetenzenorientierte Reflexion

Religiöse Bildung erfordert zunächst einmal die Begegnung des Subjekts mit einem oder mehreren konkreten religiösen „Zeichensystem[en]“ (Porzelt, 2009, S. 110). Um sich zu einem Zeichensystem frei verhalten zu können, sich also damit zu identifizieren oder davon zu emanzipieren, bedarf es aus christlich-religionspädagogischer Sicht der Förderung bestimmter religiöser Kompetenzen[4] – von der Wahrnehmungs- und Begriffskompetenz über die Deutungs- und Urteilskompetenz bis hin zur Partizipationskompetenz. Der Mensch benötigt die Fähigkeit, religiöse Phänomene zu erkennen und zu beschreiben (Wahrnehmungskompetenz). Daneben geht es darum, Glaubensinhalte kognitiv zu verstehen und sprachlich darstellen zu können (Begriffskompetenz), diese rational zu deuten und in religiösen Fragen gekonnt zu urteilen (Deutungs-/Urteilskompetenz) (Langenhorst, 2014, S. 188). Um an der kollektiven Praxis „im Sinne einer religiös motivierten Lebensgestaltung“ teilnehmen zu können, bedarf es ferner der Partizipationskompetenz (Langenhorst, 2014, S. 189). Diese letztere Kompetenz, die von der katholischen Religionspädagogik insgesamt etwas bestimmter angestrebt wird als von der protestantischen[5], liegt freilich von vornherein außerhalb des Horizonts eines theaterpädagogischen Projekts, sofern dies nicht dezidiert aus der Sicht einer bestimmten Religion arbeitet. Sie könnte freilich dennoch gleichsam akzidenziell geschult werden, ohne dass dies beabsichtigt wurde.

Aus der Sicht der akademischen Religionspädagogik stellt sich die Frage: Welche dieser religiösen Kompetenzen haben die Darsteller*innen durch das theaterpädagogische Projekt eigentlich erlangt bzw. gestärkt? Da zwischen Glaubensakt und -inhalten differenziert werden muss und religiöse Kompetenz im Sinne einer existenziellen Bejahung eines Zeichensystems nicht vermittelbar ist, lässt sich im Folgenden die Schulung der Wahrnehmungs-, Begriffs-, Deutungs-, und Urteilskompetenz bewerten.

Eine zentrale Rolle in Hinblick auf die Urban Prayers – Osnabrück I–III spielten die außergewöhnlichen Lernorte. Verortet ist die dargelegte Form der religiösen Bildung nicht in Familie, Kirche oder Schule – den bekannten Orten religiösen Lernens –, sondern am Theater bzw. in der Theaterpädagogik. Mit dieser institutionellen bzw. disziplinären Verortung gehen nicht nur divergierende implizite Bildungsziele, sondern auch real unterschiedliche Lernorte einher; die Lernatmosphäre unterschied sich folglich stark vom institutionalisierten Religionsunterricht. Die Spielclubs pendelten zwischen den Probenräumen im Theater und den authentischen Glaubensorten, denen sie mit Neugierde, Respekt und teilweise gar mit so etwas wie Ehrfurcht begegneten.Obwohl zahlreiche (teils religionskritische) Atheist*innen unter den Teilnehmenden waren, begaben sich alle freiwillig und mit Interesse an die neuartigen Orte – stets bereit, spielerisch etwas auszuprobieren.[6] Viele der Mitwirkenden hatten in ihren Familien nur wenig religiöse Sozialisation erfahren und empfanden Religion zunächst als etwas „Fremdes“; der direkte Kontakt zu den Gemeinden förderte ihr Bewusstsein für religiöse Phänomene.

Am Projekt nahmen neben einigen atheistischen Akteuren*innen auch christlich sozialisierte und zwei muslimische Mädchen teil. Die Darsteller*innen erhielten von ihrer Einstellung abweichende Rollen, um eine Auseinandersetzung mit dem Fremden und eine „neue Neutralität“[7] zu fördern. Die Tochter einer Pastorin agierte im Stück beispielsweise in der Rolle einer Atheistin, um zu erleben, wie es ist, den eigenen Glauben in Frage zu stellen (vgl. Schwager, 2017). Ein Vorteil der darstellerischen Herangehensweise besteht somit darin, dass das Theater als „pädagogischer Schutzraum“ fungieren und bewusst Reflexionsräume setzen kann, innerhalb derer ein Thema erarbeitet und auf der Bühne „hypothetisch“ verhandelt wird (Bekk, 2015, S. 149; Höhn, 2015, S. 11). Konstruierte Anforderungssituationen können durchgespielt, reflektiert und diskutiert werden, ohne dass reale Konsequenzen folgen (Bekk, 2015, S. 167 und S. 171). Das praktische „so tun als ob“ verhilft dazu, das Normgerüst des Alltags zu durchbrechen und neue Wege zu gehen.

Da durch das Theaterspielen und ständige Wiederholen Inhalte regelrecht in den Körper „übergehen“, stellt es ferner eine gute Methode für das „Erleben“[8] von Religion dar. Die Annäherung an bestimmte Rituale und Gesten erfolgte dabei primär auf Initiative von (gläubigen) Spieler*innen, die aus ihrem Wissensrepertoire schöpften, oder wurde von den Gemeinden begleitet. Sprechen lässt sich folglich nicht von expliziter liturgischer Bildung, aber von einer ersten Begegnung mit liturgischen Handlungen.

In Hinblick auf die religiösen Inhalte gab es einen offenen, wenn auch nicht ständigen Austausch mit den jeweiligen Gemeinden. Zahlreiche Recherchen, Schreibphasen und Proben fanden ohne Unterstützung eines professionellen religiösen Lernhelfers wie einer Religionslehrkraft oder einer Theologin statt, sodass zeitweise keine qualifizierte theologische Reflexion der Inhalte gewährleistet war. Der Stellenwert der expliziten Überlieferung war äußerst gering, denn eine Auseinandersetzung in diesem Sinne war aus Sicht der Theaterpädagogen nicht intendiert, zumindest nicht primär. Im Zentrum standen zum einen der (auch in der christlichen Religionspädagogik anzutreffende) pädagogische Anspruch, den Spielclubs selbsttätige Bildung zu ermöglichen und inhaltlich dem Phänomen „Religion“ auf den Grund zu gehen, und zum anderen das ästhetische Resultat. Hier zeigt sich der größte Unterschied zwischen den theaterpädagogischen und den christlich religionspädagogischen Bestrebungen im Religionsunterricht: Während sich das Theater als Ort des gesellschaftlichen Austauschs versteht und (vermeintlich) von „außen“ auf ein Phänomen schaut, vertritt die Religionslehrkraft die von den Glaubensgemeinschaften im Kerncurriculum festgelegten Inhalte, wenn auch in eigener theologischer Verantwortung. Aufgrund der fehlenden theologischen Reflexion der in den Urban Prayers – Osnabrück I–III verhandelten Inhalte bleibt offen, ob die jungen Menschen wirklich befähigt wurden, in religiösen Fragen gekonnt zu urteilen – und auf welcher Basis.

Festhalten lässt sich, dass es durch das einjährige theaterpädagogische Projekt zu einer generellen Sensibilisierung der jungen Akteure*innen für religiöse Inhalte, Rituale und Glaubensorte im Allgemeinen, weniger für eine spezielle Religion, kam. Die jungen Menschen begegneten nicht primär einem religiösen Zeichensystem, sondern gleich mehreren. Die darstellerische Auseinandersetzung mit der Glaubensthematik hat eine Grundlage für die generelle Wahrnehmungs- und Begriffskompetenz sowie in Teilen für die Deutungskompetenz verschiedener Religionen geschaffen. Die Mitglieder der Spielclubs wurden darin geschult, religiöse Phänomene entdecken, beschreiben und bewerten zu können, um Wissen und Haltung in einer in der Wirklichkeit vorstellbaren Anforderungssituation verknüpfen und schließlich handeln zu können.

Die Sensibilisierung für religiöse Inhalte ist eine wesentliche Voraussetzung für die spätere Wahrnehmungs- und Ausübungskompetenz von Religion – der Glaubensvollzug an sich bleibt jedoch Privatsache (Porzelt, 2009, S. 120). Das religiöse Lernen ist notwendige, aber keine „hinreichende Bedingung, um eine konkrete Religion existenziell bejahen zu können“ – Zustimmung zu einem konkreten Zeichensystem ist nicht pädagogisierbar (Porzelt, 2009, S. 124). Zudem stehen die jungen Menschen in der Realität vor neu zu bewertenden Situationen. Die Wahrscheinlichkeit des Transfers des Eingeübten ist ungewiss: Möglich ist zum einen, dass Teilnehmende in ihrer ursprünglichen (nicht-)religiösen Meinung bestärkt wurden, zum anderen, dass sie diese verändert haben. Die Wahrscheinlichkeit des Transfers ist allerdings umso geringer, je mehr die Agierenden die darstellerische Tätigkeit nur als Handlung in einer völligen „Scheinwelt“ ansehen (Hoppe, 2011, S. 120).

5 Theologisch-kulturhermeneutische Reflexion

Unter theologischer Kulturhermeneutik kann mehreres verstanden werden (zum Folgenden vgl. Kubik, 2018, S. 4–11, S. 85–185 und S. 343–353). Eine wichtige Bedeutung ist – im Gefolge Ernst Troeltschs – die geistes- oder mentalitätsgeschichtliche Rückverfolgung gegenwärtiger kultureller Erscheinungen auf ihre christlichen Wurzeln. An dieser Stelle folgen wir aber der Spur Paul Tillichs, der unter theologischer Kulturhermeneutik die theologisch inspirierte Ausdeutung von Kulturerscheinungen fasst, die sich selbst nicht als religiös verstehen, aber dennoch in der einen oder anderen Weise die Sphäre der Religion berühren oder beeinflussen. Diese Art von Kulturhermeneutik setzt voraus, dass die moderne Kultur zwar vom Christentum herkommt, aber sich im Durchgang durch die Autonomie eben unabhängig von christlichen Voraussetzungen setzt und versteht sowie immer wieder auch Einspruch gegen das Christentum formuliert.

Die Theologie möchte hier ersichtlich zunächst verstehen. Freilich ist das Verstehen in diesem Zusammenhang nicht unschuldig, es möchte bei näherem Hinsehen immer zugleich mehr als verstehen. Die Theologie empfindet gegenüber der kulturellen Praxis, die sie verstehen möchte, „das Gefühl einer Irritation, einer Herausforderung, einer Konkurrenz zur christlichen Einstellung“ (Kubik, 2018, S. 346). Diesem Gefühl möchte die Theologische Kulturhermeneutik auf den Grund gehen. Dabei lassen sich drei Funktionen dieses Verstehensvorgangs unterscheiden: Er kann erstens auf eine Art von Apologetik führen, zweitens zu einer Art von aufnehmendem Lernen und drittens zu wie auch immer gearteten Formen von Kooperation.

Eine Theaterpädagogik als Religionspädagogik kann geradezu als exemplarischer Fall einer kulturhermeneutischen Besinnung der geschilderten Art angesehen werden. Denn zunächst einmal zeigt sich hier eine kulturelle Praxis, welche sich selbst nicht als religiös begreift, die aber ersichtlich in einen Bereich hineingreift, der mit dem zu tun hat, was herkömmlich eine Domäne der organisierten Religion ist, nämlich religiöse Bildung.

Zwei Missverständnisse seien dabei ausgeräumt: Weder geht es darum, hier etwas als „religiös“ zu labeln, das sich selbst nicht so versteht; bereits Tillich hatte darauf aufmerksam gemacht, dass hier etwas von der Theologie interpretiert wird, das es von sich aus „nicht akzeptiert hätte“ (Tillich, 1966, S. 180), als religiös bezeichnet zu werden. Noch soll davon ausgegangen werden, dass nur die kirchliche Form der Religionspädagogik die eigentlich richtige oder legitime ist: Das innere Pathos der Theologischen Kulturhermeneutik in diesem Sinne lebt vielmehr gerade davon, dass die untersuchte Praxis lebensweltlich gut bekannt und darin völlig unproblematisch ist. Das Empfinden einer Herausforderung durch sie kommt vielmehr einzig und allein durch den Wechsel der lebensweltlichen und der theologischen Einstellung zustande, mit der das forschende Subjekt jeweils auf seinen Gegenstand blickt.

Ist die religionsbezogene Arbeit der Theaterpädagogik ein Gegenstand für eine christliche Apologetik? Hier können wir auf Tillichs Verständnis von Apologetik verweisen: Zunächst soll ein Gegenstand nach seinen eigenen Intentionen verstanden werden, und – sofern sich so etwas wie eine Kritik am Christentum damit verbindet – diese Kritik erwogen und ggf. die partielle Übereinstimmung mit ihr festgehalten werden. Erst dann lohnt es sich, auch über die bleibende Bedeutung der expliziten christlichen Praxis nachzudenken.

Nun kann in unserem Fallbeispiel von so etwas wie einem expliziten Angriff auf christlich-religionspädagogische Praxis natürlich gar keine Rede sein. Dennoch kann man implizit eine Art Auseinandersetzung mit dieser hermeneutisch rekonstruieren. Dies wird deutlich, wenn man sich an die obige Frage erinnert, warum sich das Theater gerade der Religion als Bildungsinhalt zuwendet und dies nicht zur Gänze den Bildungsbemühungen der Religionen überlässt, und sich ferner noch die weitere Frage vorlegt, ob möglicherweise theaterpädagogische Maximen und Formen nicht vielmehr heute eine angemessenere religiöse Bildung ermöglichen. Angesichts des hohen Engagements der Jugendlichen und der zumindest teilweise gelungenen Förderung religiöser Kompetenzen: Sollte religiöse Bildung nicht eigentlich heute so stattfinden?

Diese impliziten religionspädagogischen Maximen der Theaterpädagogik kann man vielleicht wie folgt wiedergeben: Erstens, religiöse Bildung profitiert davon, dass sie in einer religiös heterogenen Gruppe stattfindet. Es macht gerade den Reiz dieser Arbeit aus, dass zum einen Jugendliche ganz unterschiedlicher religiöser Herkunft und auch solche, die sich überhaupt keiner Religion zurechnen (sog. Konfessionslose), miteinander arbeiten und die gewünschten Perspektivwechsel vornehmen. Zweitens, die anleitende(n) Person(en) positionieren sich selbst religiös gerade nicht, sondern streben eine „neue Neutralität“ an: keine uninteressierte (wie die ‚alte‘), sondern eine respektvolle und auf Anerkennung zielende, die dennoch keinerlei Positionierungsanmutungen an die Jugendlichen enthält. Die pädagogische Leitung stellt keine exemplarische religiöse Subjektivität dar, sondern holt solche zunächst nur auf dem Weg der Theatertexte in den Prozess hinein. Drittens, diese „Neutralität“ hält sich nicht vornehm von gelebter Religion Abstand, sondern sucht die authentische Auseinandersetzung, zumindest mit den Orten, idealerweise auch mit den Menschen, die zu real praktizierenden religiösen Gemeinden gehören. Und viertens, die religiöse Bildung vollzieht sich im Modus den Ästhetischen; kognitive Gehalte und moralische Regeln kommen in ästhetischer Brechung vor. Sie ist subjektorientiert, indem die Jugendlichen jederzeit die Möglichkeit einer eigenen Auseinandersetzung haben und diese auch aktiv einbringen können. Der pädagogische Vorgang ist zugleich prozess- und produktorientiert; Erarbeitung und Aufführung sind beide relevant und wichtig.

Die Differenzen zum religionspädagogischen Arbeiten in der Schule fallen sofort ins Auge: Dort wird der Idee nach in religiös homogeneren Gruppen gearbeitet: Die faktische Spannung zwischen rechtlich vorgeschriebenem konfessionellen Setting und heterogener werdenden Lerngruppen ist didaktisch noch nicht vollends durchdrungen (vgl. freilich Lehmann & Schmitt-Kortenbusch, 2016; Eisenhardt, Kürzinger, Naurath & Pohl-Patalong, 2019). Die Lehrperson muss zu der entsprechenden Religionsgemeinschaft gehören und dies auch vertreten, zumindest in subjektiver Brechung. Der Bezug auf gemeindliche Religion ist nicht sehr stark ausgeprägt, was manche gar zu der Vermutung bringt, dass es in der Schule zur Ausprägungen eigener „Schulreligion“ (vgl. Kubik & Schatte, 2020) kommt. Und schließlich, Subjektorientierung ist auch im Religionsunterricht ein starkes Anliegen, wird aber in gewisser Weise durch den Charakter des „ordentlichen Lehrfachs“ (Art. 7 Abs. 3 GG) gebrochen: Es geht im Religionsunterricht wie in der Schule überhaupt um Lehrpläne, Notengebung und die Verteilung gesellschaftlicher Chancen. Die Ausrichtung ist – aufgrund der Bedingungen des Lernorts Schule – nach wie vor primär (wenn auch nicht ausschließlich) kognitiv.

In dieser Hinsicht kann man in der Tat von einer Art impliziter Kritik des theaterpädagogischen Projekts sprechen: Jedenfalls ließen sich aus all diesen Differenzen Gründe machen, warum man religiöse Bildungsarbeit nicht zur Gänze der Schule überlässt. Gehen wir deshalb dazu über, diese – von uns zuvor hermeneutisch rekonstruierte – Kritik kurz zu erwägen. Dabei können wir hier diejenigen, die sich nur auf den Lernort beziehen, vielleicht auslassen, da es nicht darum geht, schulischen Religionsunterricht abzuschaffen. Ferner wird man zügig feststellen können, dass die Religionspädagogik in mehrfacher Hinsicht gut aufgestellt ist, um Teilen dieser Kritik zu begegnen: Neben der Übereinstimmung im Grundsatz der Subjektorientierung hat der Religionsunterricht – und nicht erst seit gestern – zahlreiche ästhetische und darunter auch viele theatrale Verfahren in sein Methodenarsenal übernommen (Zimmermann & Zimmermann, 2018, S. 550–638; zur theoretischen Methodendiskussion vgl. Dinger, 2018, S. 290–324) und konnte sich sogar selbst in Gänze unter dem Stichwort „performanzorientierte Religionsdidaktik“ (Dressler, 2018, S. 290; vgl. auch Hilpert, 2020) verstehen. Auch der Bezug auf ‚andere‘, z.B. gemeindliche Lernorte ist inzwischen vielfältig reflektiert (Grethlein, 1998, S. 307–312; Schulte, 2013). Von daher kann man sagen, dass es in der Tat einen recht großen gemeinsamen Beziehungsboden zwischen dem Theaterprojekt und der neueren christlichen Religionspädagogik gibt.

Als unabgegoltene Anfragen bleiben insbesondere die Zusammensetzung der Lerngruppe und die Position der pädagogischen Leitung zurück, und mit letzterer dann eben doch auch eine relativ stark divergierende Auffassung von den Zielen der Bildungsarbeit. Es sind Ziele, die letztlich gesellschaftspolitisch orientiert sind, wie schon einige der Fragen, mit welchen das Projekt den Jugendlichen den Zugang zur Auseinandersetzung öffnete (s.o. unter Nr. 3). Hingegen steht die Möglichkeit, an der eigenen religiösen Identität zu arbeiten, nicht im Vordergrund des Projekts, sondern kann sich allenfalls nebenbei ereignen: Die Religionsgemeinschaften bleiben weitgehend auf der Ebene von bloßen faits socieaux und wirken innerhalb des Projekts relativ austauschbar. Dies erklärt möglicherweise auch deren eher verhaltene Resonanz auf das Projekt.

Man wird auch hier sofort deutlich machen müssen: Die genannten Differenzen werden zum Teil auch innerhalb der christlichen Religionslehrerschaft ausgetragen: Wünsche nach gemischten Lerngruppen, nach größerer Selbstzurücknahme der Lehrperson und nach Orientierung der religiösen Bildung vor allem an gesellschaftspolitischen Zielen gibt es bei der Lehrerschaft (und vielleicht noch mehr bei den Eltern) schon lange. Von daher macht die theologisch-kulturhermeneutische Interpretation deutlich, dass auch die Praxis des schulischen Religionsunterrichts heute in einer Art Identitätskonflikt steckt (Kubik, 2018, S. 336–339), der weit über die üblichen internen Fachdiskussionen hinausgeht.

6 Schlussüberlegungen

Die Form des theaterpädagogischen Projekts bietet sowohl für Menschen, die gegenüber gängigeren Formaten wie Kirche und Religionsunterricht Abneigungen oder Vorurteile hegen, als auch für religiös Sozialisierte die Möglichkeit oder die Erweiterung religiösen Lernens. Auch anhand solcher Projekte kann sich religiöse Bildung ereignen, und wegen der Subjektorientierung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Einzelnen und ihr Gottesbezug verhandelt werden können, auch wenn dies als Ziel nicht im Vordergrund steht. Man mag auch einwenden, dass der Ausgang dieses religiösen Bildungsvorgangs unkalkulierbar bleibt. Aber dies trifft letztlich auf alle Bildung zu, die ihren Namen verdient.

Man wird auf der einen Seite sofort zugeben, dass es sich hierbei lediglich um ein Projekt handelt, von dem aus man nicht zu weitreichende Schlüsse ziehen sollte. Es würde sich sicherlich lohnen, weitere Projekte dieser Art zu untersuchen (vgl. neben den eingangs genannten Beispielen auch Wegel, 2019; das von ihr untersuchte Projekt war allerdings noch viel dezidierter auf „Radikalisierungsprävention“ ausgerichtet). Auf der anderen Seite könnten die Ergebnisse darüber hinaus in einen noch weiteren Kontext von religiösen Bildungsbemühungen eingestellt werden, die nicht von den Religionsgemeinschaften, sondern der öffentlichen Hand oder der Zivilgesellschaft organisiert werden: Zu denken wäre dabei an Informationssendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Buchveröffentlichungen der Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung, religionsbezogen-informative Fernsehsendungen und anderes mehr (vgl. einleitend dazu Kronisch, 2019). Unsere Prognose wäre, dass die Ziele und die grundsätzlichen Herangehensweisen durchaus eine gewisse Einheitlichkeit und Kompatibilität mit diesem Projekt aufweisen könnten. Wenn das zuträfe, ließe sich tatsächlich von einer ‚anderen Religionspädagogik‘ sprechen, in der religiöse Bildungsprozesse neben den etablierten Formaten organisiert werden und – je nach Standpunkt – als Erweiterung oder als Konkurrenz zu diesen aufgefasst werden.

Denn angesichts des relativen Erfolgs des Projekts, das nicht von Fachpersonen aus den Religionsgemeinschaften verantwortet wurde, erhebt sich für die etablierte Religionspädagogik die Fragen, wie man sich zu diesem Phänomen stellen soll. Zu dieser Diskussion seien hier drei Gesichtspunkte geltend gemacht, welche sich an drei genannten Funktionen der Theologischen Kulturhermeneutik orientieren:

a) in apologetischer Hinsicht: Immer eingedenk dessen, dass hier weder das Recht solcher Projekte bestritten wird noch die zahlreichen Gemeinsamkeiten mit den heutigen theologischen Ideen religiöser Bildung übersehen werden, lassen sich doch drei Rückfragen an diese Art von Religionspädagogik stellen. Zum einen scheint sich von der Methode her die Bildungsveranstaltung vor allem für solche Jugendliche interessant zu sein, die bereits eine gewisse Theateraffinität mitbringen. Wenn zugestanden wird, dass auch der schulische Religionsunterricht ein gewisses Klassismus-Problem hat (vgl. Grümme, 2014), so wäre es wünschenswert, dass – eventuell unter Aufnahme von Überlegungen Augusto Boals – solche theaterpädagogischen Projekte stärker bildungsferne Jugendliche in den Blick nehmen könnten. Zum zweiten hat der schulische Religionsunterricht aufgrund der konfessionellen Grundierung die Möglichkeit, an der religiösen Identitätsbildung mitzuwirken und die dazu nötigen Aushandlungsprozesse proaktiv zu begleiten. Es scheint uns wichtig, dass diese Möglichkeit bildungspraktisch erhalten bleibt. Zum dritten könnte es sich – für alle Unternehmungen der ‚anderen‘ Religionspädagogik – lohnen, stärker auf den eigenen Standort zu reflektieren. Es könnte sein, dass sich unter den expliziten Zielsetzungen solcher Projekte unerkannt bestimmbare zivilreligiöse Überzeugungen und Wertpräferenzen geltend machen, und die vielleicht bereits aus den Fragen hervorgehen, mit denen die pädagogische Leitung den Entdeckungsprozess in Gang zu bringen suchte (s.o. unter Nr. 3).

b) in aufnehmend-lernender Hinsicht: Auf die großen Anleihen, welche die Religionsdidaktik beim Theater und bei der Kunst im Allgemeinen gemacht hat, ist oben schon eingegangen worden. Man kann darüber hinaus die Frage stellen, ob nicht die Bewegung des Bibliodrama nach Entstehungszeitraum und Grundansatz geradezu eine Art Schwester der Theaterpädagogik ist. Jedenfalls ist klar, dass theatrale Verfahren aus dem christlich-religionspädagogischen Handeln nicht mehr wegzudenken sind.

c) in kooperierender Hinsicht: Nach unserer Ansicht bedarf es keiner größeren Begründung, dass eine Kooperation von schulischem Unterricht und Theaterpädagogik auch beim religionsbezogenen Arbeiten sehr gut vorstellbar ist. Nun kosten theaterpädagogische Projekte Zeit. Dennoch ist es durchaus denkbar, im schulischen Religionsunterricht – je nach Lerngruppe – einen größeren Bogen über einige Wochen mit theaterpädagogischem Fokus zu schlagen und geeignete Sachinformation unterdessen zu erarbeiten. Näher dürften indessen Überlegungen liegen, welche auf die Gestaltung von Projektwochen oder dergleichen hinauslaufen. Der Idee einer Kooperation wird freilich nur dann wirklich Rechnung getragen, wenn tatsächlich jemand aus der Theaterpädagogik dabei ist und beide Seiten auf Augenhöhe ihre Anliegen einbringen können, auch dort, wo sie möglicherweise miteinander in eine – für die Schüler*innen vielleicht gerade Gewinn bringende – Spannung geraten. Denn diese Spannung ist dann eben nur Ausdruck der gesellschaftlichen Realität, in der wir uns in Sachen religiöser Bildung derzeit befinden.

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Constanze Kaiser (geb. Kronisch), Studienreferendarin am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Osnabrück

Prof. Dr. Andreas Kubik, Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik am Institut für Evangelische Theologie der Universität Osnabrück

1. Es handelt sich um den Jugendclub Mania, den Jugendclub Amigos Bandidos und den Studierendenclub.

2. Die Stücke tragen die Titel Urban Prayers – Osnabrück I: Alles, was wir glauben mussten, Urban Prayers – Osnabrück II: Doorways und Urban Prayers – Osnabrück III: Nach Babel – und noch weiter

3. Die folgenden Informationen stammen aus dem Gesprächsprotokoll mit Jens Peters.

4. Die Ergebnisse der PISA-Studie im Jahr 2001 führten zu einer Neuorientierung im Bildungswesen – weg von der Input- hin zur Outputorientierung. Im Zentrum stand nun der Erwerb von „Kompetenzen“: Der von dem Erziehungswissenschaftler Franz Weinert geprägte Begriff meint „kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen“ und „konkrete Anforderungssituationen“ zu bewältigen (vgl. Klieme & BMBF, 2001, S. 72.) Auch in der christlichen Religionspädagogik entwickelten sich fortan verschiedene kompetenzorientierte Ansätze, veröffentlicht bspw. in der Expertise des Comenius-Instituts (2006), in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Abitur (2006) und in den von der EKD herausgegebenen Kompetenzen und Standards für den Ev. Religionsunterricht in der Sekundarstufe I (2010). Zur Diskussion einführend Benner, Schieder, Willems, Schluß, Weiß, Dehghani, Scharrel & Nikolova, 2011, S. 13–41; Schröder, 2021, S. 405–413.

5. Ganz fremd ist sie dieser freilich nicht; vgl. etwa das Generalziel, Religionsunterricht habe u.a. die Aufgabe der „Befähigung zum Christsein“ (Grethlein, 2007, S. 271).

6. Information aus dem Gesprächsprotokoll mit Dietz-Ulrich von Czettritz.

7. Ebd.

8. Gemeint ist hier kein religiöses Erleben im spirituellen oder gefühlsmäßigen Sinn, sondern das leibvermittelte Vollziehen von probehaften, inszenierten Handlungen; vgl. zu dieser Differenz Dressler, 2018, S. 296–300.