1 Einleitung: Was leistet die Konzentration auf Mindsets als Untersuchungskonstrukt für diesen Beitrag?

Wie gehen Hochschullehrende die Strukturierung von Lehrveranstaltungen zum interreligiösen Lernen an? Analog zum Vorgängerprojekt „Religiöse Diversität in Curricula der islamisch-theologischen Studien“ nehmen wir die These auf, dass sich die Auffassung der Lehrenden darüber, was ihre Rollen sind, wie sie auf Impulse zu reagieren haben und wie sie ihre Ziele in der Lehrsituationen verwirklichen wollen, u.a. in der Kopplung zweier Präkonzepte bilden: dem Fachverständnis zum Gegenstand und der Vorstellung guter Lehre.

Mit dem Begriff Präkonzept werden in der Lernpsychologie die individuellen, handlungsleitenden Konzepte wie Überzeugungen oder Einstellungen bezeichnet (vgl. Seel, 2003, S. 253). Die individuell ausgeprägten Präkonzepte verstehen wir in Anschluss an Fridrich (2010) als multimodale Faktoren, in denen wiederum sozial geteilte Annahmen, biographische Erfahrungen, emotionale Bindung, kognitive Wissensformen sowie Wertüberzeugungen integriert sind (vgl. Reinfried, 2006; Menthe, 2012).

Wir bezeichnen mit dem Begriff Mindset nun – auf der einen Seite in Abgrenzung zum Präkonzept – überindividuelle, in sozialen Diskursen gebildete, in sich konsistente Denkformen, die als Diskurspositionen im Plural auftreten (vgl. Reis, Hillebrand, Mauritz, Wittke & Kamcili-Yildiz, 2020a). Mindsets unterscheiden sich deshalb von persönlichen, identitätsbildenden Lehrkonzeptionen im Sinne subjektiver Theorien oder von Teaching-Beliefs, die vielfach als Präkonzepte zur Lehre untersucht werden (vgl. Trautwein, 2013). Auch wenn Mindsets kein Präkonzept sind, hängen sie dennoch auf der anderen Seite mit den Präkonzepten zusammen. Denn sie bieten zu bestimmten Fragen wie Inklusion (vgl. Harant, 2017) oder eben dem interreligiösen Verhältnis eine für einen bestimmten realen oder imaginierten Handlungskontext eine Bedeutungsstruktur an, die vor allem auch die im Präkonzept gebildeten Emotionen kognitiv entfaltet. Mindsets sind – so könnte man sagen – die konkrete inhaltliche Füllung, auf die sich Einstellungen oder Überzeugungen beziehen.

Der Rekurs auf die Mindsets bietet den methodischen Vorteil, dass mit den Mindsets ein stabiles Konstrukt erhoben werden kann. Damit ist nicht gemeint, dass die Person ein kaum veränderliches Personenmerkmal besitzt, sondern dass gesellschaftlich-relevante Themen in pluralen sprachlichen Wissensstrukturen organisiert werden, die in sozialen Aushandlungen immer wieder stabilisiert werden. In sozialen Diskursen, wie solchen zur interreligiösen Pluralität, formen sich dementsprechend Positionen und entsprechende Begründungsfiguren aus, auf die sich konkrete Akteure beziehen können. Individuen übernehmen Mindsets, weil sie damit in bestimmten Handlungsaufgaben liegende Antinomien, Konflikte oder auch interne kognitive Dissonanzen (vgl. Festinger, 1979; Beckmann, 1984) bearbeiten können. Wenn wir im Folgenden solche Mindsets zur guten Lehre in den Befragungen von Lehrenden rekonstruieren, rekonstruieren wir sie nicht als persönliche Einstellungen oder Überzeugungen, sondern als soziale Positionen in den Bezugnahmen der befragten Personen, mit deren Hilfe die Probanden Lehre von den Zielen zu den Handlungsvorstellungen im Angesicht konkreter Herausforderungen organisieren (vgl. Trautwein, 2013).

In den Begründungen einer Person kann die Nutzung von Mindsets dementsprechend instabil sein, wenn sich in der Befragung z.B. emotionale Bewertungsraster ändern, wie dies bei kognitiven Dissonanzen der Fall ist (vgl. Festinger, 1979). In der individuellen Adaption von Mindsets kann es zu Nutzungsabbrüchen kommen oder sie werden untereinander gekoppelt, wenn dies in einer herausfordernden Befragungssituation hilfreich ist. Gerade in den Kopplungen, den additiven Nebeneinandersetzungen werden dann Strategien beschreibbar, wie auf die jeweilige Herausforderung reagiert werden kann (vgl. Reis et al., 2020a).

Weil in der konkreten Handlungssituation das Mindset eher als ein konfigurierendes Element des Präkonzepts beschreibbar ist und das Präkonzept aufgrund der sozialen Einbettung des individuellen Handelns auch nicht die Situation dominieren kann, kann von den Mindsets nur begrenzt darauf geschlossen werden, wie die Individuen in der konkreten Praxis handeln werden. Dafür sind eigene Analysen der Praxis notwendig (vgl. Reis, Saß & Borchert, 2022). Trotzdem bieten die Rekonstruktionen der Mindsets Einblicke, wie Lehrende Lehre konzeptionieren (vgl. Reis et al., 2020a, S. 251). Wie im Vorgängerprojekt sind bestimmte Mindsets eine notwendige Bedingung für eine Handlungsoptionalität. Das heißt, für eine bestimmte Handlungsoption muss eine Person auf ein Mindset zurückgreifen können. Sie sind aber keine hinreichende Bedingung (vgl. ebd.).

Die unterschiedlichen Mindsets guter Hochschullehre beschreiben wir wieder in einer Typologie. Vom Individuum aus gesehen lassen sich dann in der Kombination von Mindsettypen Profile der Befragten unterscheiden, die den Kern des Präkonzepts bilden und durchaus die für Präkonzepte unterstellte individuelle Stabilität besitzen. Die Profile können zum einen in Beziehung zu den Mindsets religiöser Pluralität gesetzt und zum anderen in die Ergebnisse des Vorgängerprojektes eingeordnet werden  (vgl. Reis et al., 2020a). Innerhalb des Wirkungsgefüges zwischen den Mindsets religiöser Pluralität, guter Lehre und dem Lehrhandeln gehen wir nicht von einer Kausalität in eine Richtung aus, sondern von einer Wechselbeziehung bzw. wechselseitigen Einwirkung der Größen aufeinander (vgl. Reis et al., 2020a). Dieser Beitrag fokussiert die Relation der beiden Mindsets auf der der Handlung vorgelagerten Konstruktebene.

2 Die Rekonstruktion der Mindsets guter Lehre

2.1 Datenerhebung und Auswertung

Bei der Datenerhebung wurde auf die gleiche Weise verfahren wie bei Kamcili-Yildiz und Dobras (2022): Das Datenmaterial, die verbalen Äußerungen der Lehrenden aus dem leitfadengestützten Interview, wurde zunächst in eine schriftliche Form gebracht, in dem es mithilfe eines Audioprogramms aufgezeichnet und anschließend nach dem Standard von Kuckartz, Dresing, Rädiker und Stefer (2008) transkribiert wurde. Zur Erstellung bzw. Erweiterung des Codesystems wurden die Daten in das Programm MAXQDA 2020 eingepflegt, bevor die inhaltsanalytische Auswertung nach Mayring (2015) erfolgen konnte.

In der Auswertung des Vorgängerprojektes hat sich die Kategorie des Mindsets guter Lehre erst induktiv ergeben. Im Leitfaden zum Interview war die Kategorie der Lehre im Vorgängerprojekt nur als Referenz für die interreligiösen Überzeugungen verankert. In dem Folgeprojekt wurden mehr Fragen zu den Lehrerfahrungen und Lehrüberzeugungen gestellt, um expliziteres Datenmaterial zu den Mindsets zu erhalten. Das Feld der Lehre wurde systematischer untersuchbar. Die Fragen zur Lehrkultur, die z.B. implizit Impulse zur Erläuterung der didaktischen Struktur setzen, lauten:

  • Wie planen Sie die Veranstaltung? Was ist Ihnen inhaltlich, methodisch aber auch persönlich besonders wichtig?

  • Wenn Sie die Möglichkeit hätten, das Curriculum oder die Angebote zu den „anderen Religionen“ zu verändern, was würden Sie anders gestalten? Warum?

Folglich änderte sich durch die neue lehrreflexive Art des Datenmaterials auch die Kategorienstruktur.

Abb. 1 Beziehungsdreieck zur Überlegung der Zusammensetzung des Mindsets guter Lehre

Unser Mindset guter Lehre, als Teilfaktor neben dem Mindset religiöser Pluralität und dem Lehrhandeln im Wirkungsgefüge von „Lehre zu anderen Religionen“ (vgl. Abb.1), kann nicht mehr nur aus der Hauptkategorie Auffassung der Lehraufgabe allein gebildet werden. Das aus dem Vorgängerprojekt übernommene Codesystem spiegelt das aktuelle Datenmaterial nicht mehr hinreichend wider. Um der großen Bandbreite des Materials gerecht zu werden und auf den Subkategorien mögliche Strukturen nicht zu verdecken, wurden zusätzlich induktiv die Hauptkategorien Zielauffassung von Hochschullehre und Auffassung der eigenen Dozierendenrolle gebildet.

 

Abb. 2 systematische Darstellung der Kategorien des Mindsets guter Lehre mit den jeweiligen Subkategorien

Die fünf Subkategorien Instruktion, Konstruktion, dialogische Lehrhaltung, Austausch und Begegnung und Positionierung der Hauptkategorie Auffassung der Lehraufgabe bleiben weiterhin deutlich unterscheidbare Arten der interreligiösen Lehr-/Lernformen, die sowohl Lehrenden als auch Studierenden Rollenaufgaben zuweisen (vgl. Reis et al., 2020a; Leimgruber, 2012, S. 101–103; Sajak, 2018, S. 55).

Die Hauptkategorie Zielauffassung von Hochschullehre wird durch ihre Subkategorien Vermittlung deklarativen Wissens, Praktische Vorbereitung auf den Lehrberuf, Praktizieren von Dialog und Erwerb religiöser Kompetenz konkretisiert (vgl. Abb. 2) und nimmt damit Bezug auf Portele und Hubers Habitusorientierungen an der Hochschule, wie z.B.  „wissenschaftsorientiert“, „berufsorientiert“, „am universitären Leben orientiert“ und „prüfungsorientiert“ (vgl. Portele & Huber, 1983, S. 108). Die Hauptkategorie Auffassung der eigenen Dozierendenrolle wurde von uns in den Subkategorien Zeugin, Expertin, Brückenbauerin [1] und Coach/Lernbegleitung gefasst, die in der Religionspädagogik als Rollenkonstrukte theoretisch und empirisch etabliert sind (vgl. Burrichter, 2013, S. 8–12; Englert, 2012, S. 77–88). Sie bezieht sich sowohl auf die Beziehung zur eigenen Glaubensgemeinschaft, zu den Studierenden als auch der eigenen Rolle im Kontext Hochschule. Die Zeugin legt ein Zeugnis für ihren Glauben ab oder erfordert Zeugenschaft für Kirche oder die religiöse Gemeinschaft. Die Expertin legt den Fokus auf die theologische Wissensvermittlung über die eigene und andere Religionen und liefert entsprechend viel theoretisches Hintergrundwissen. Die Brückenbauerin verbindet in der Person und dem Handeln Kirche bzw. die religiöse Gemeinschaft und das Individuum mit der persönlichen Religiosität. Die Coach begreift sich primär als Lernbegleitung im Lernprozess der Studierenden, wobei sie Wert auf ein anregendes Lernarrangement legt.

In unserer Darstellung bilden die drei Hauptkategorien das didaktische Feld, in dem Lehrhandeln in der Zielorientierung ein Verständnis zum Weg des Lehrens und Lernens sowie eine eigene Aufgabe auf diesem Weg entwickelt (vgl. Englert, 2007, S. 272–286; Ort, 1997, S. 201–212).

2.1.1 Bildung der Typen von Mindsets

Mit den systematisch vernetzten Hauptkategorien ist es nicht mehr sinnvoll, die Mindset-Typen über die Auffassung der Lehraufgabe allein zu bilden. Aber auch die Hauptkategorien werden nicht mehr für sich die Mindsets bilden. Vielmehr ist zu erwarten, dass sich die Mindsets über alle drei Hauptkategorien bilden, so dass jeder Typ auf seine Weise Elemente aus der Zielkategorie, Prozesskategorie und Rollenkategorie aufnehmen wird. Wir haben im ersten Schritt drei didaktische Idealtypen gebildet, die jeweils kongruente Subkategorien aus allen drei Hauptkategorien verdichten (vgl. Abb.3).

Abb. 3 Schematische Darstellung der Idealtypenbildung der Mindsets

Typ 1 verknüpft die Instruktion als Lehraufgabe, die Vermittlung deklarativen Wissens als Zielauffassung von Hochschullehre und die Dozierendenrolle der Expertin. Typ 2 gestaltete sich aus der Lehraufgabe des Dialogs, der Zielauffassung Praktizieren von Dialog sowie Praktische Vorbereitung auf die Lehrpraxis und der Dozierendenrolle der Coach/Lernbegleitung. Typ 3 wurde die Begegnung als Lehrauffassung, der Erwerb religiöser Kompetenz als Zielauffassung und die Rolle der Zeugin und Brückenbauerin zugeordnet. Im Folgenden wird vom instruktiven Typ 1, dem dialogischen Typ 2 und dem Begegnungs-Typ 3 gesprochen, ohne die neu gewonnene Differenzierung in den weiteren Analysen aus dem Blick zu verlieren. Die drei Typen bilden sich an den didaktischen Polen der offenen, der geschlossenen und der hybriden Lernumgebung. Bei der deduktiven Dreiteilung orientieren wir uns an Schulmeisters Definition von offenen Lernumgebungen: „Offen“ meint den „Grad an Freiheit, den das lernende Individuum in dieser Umgebung einnehmen kann, um Inhalte gemäß Lernerfahrung zu selektieren, seinen Lernstil und seine Lernstrategien zu praktizieren und gemäß seiner Motivation vorzugehen“ (Schulmeister, 2006, S. 132). Demnach zeichnet sich Typ 1 durch eine geschlossene, Typ 3 dagegen durch eine offene Lernumgebung aus. Der dialogische Typ 2 vermittelt zwischen diesen beiden im Sinne der Ko-Konstruktion, die die Instruktion für die eigenständige Konstruktion nutzt (vgl. Brieden, 2012, S. 61–63). Den Subkategorien Positionierung und Konstruktion aus der Hauptkategorie Auffassung der Lehraufgabe wurde im Gegensatz zum ersten Projekt kein eigener Typ zugewiesen, denn das Datenmaterial legt nahe, dass die Interviewten z.B. Positionierungen in verschiedenen Mindsets mit anderen Bedeutungszuschreibungen einbauen können, sodass wir zunächst von der These ausgehen, dass diese Kategorien in allen drei Typen ihren Platz finden und nicht differenzierend wirken.

Im Folgenden werden die drei Typen des Lehr-Mindsets erläutert und mit Beispielen aus den Interviews gestützt. Die Ausführung stellt die konzeptionelle, ideale Denkform des jeweiligen Typs dar. Die Lehrpersonen machen, abhängig von der Interviewsituation und -frage und der mit der Frage imaginierten Vorstellung von guter Lehre, Gebrauch von verschiedenen Typen, sodass ihr individuelles Lehrprofil daher ein Konglomerat aus verschiedenen Typen sein könnte. Das ändert aber nichts daran, dass die Typen in erkennbaren Sinneinheiten die Argumentation steuern.

Typ 1 denkt die Lehrenden vorrangig als Wissensvermittler, die theoretisches bzw. theologisches Fachwissen liefern. Die Lehridee ist geprägt durch die Instruktion. In diesem Mindset wird Wert auf die richtige Aufnahme des ausgewählten Wissens durch die passiv bleibenden Studierenden gelegt. Die Lehrenden steuern den Lehr-Lernprozess stark selbst mit eigenen Schwerpunkten. Dadurch existiert ein starker normativer Rahmen, den die Studierenden nicht immer einsehen können. Verdeutlicht werden kann dies an diesem Beispiel:

„Das ist ein Seminar, was sehr monologisch ist. Es jetzt zu Corona Zeiten sowieso, es ist nur noch ein Crashkurs. Ich versuche dann in 3 Tagen ganz viel Wissen unterzubringen und bin fast die ganze Zeit dabei selbst zu erzählen und dann kommen die überhaupt nicht so zum Zuge. Also es ist kein offen diskursives Seminar, das wäre schön, wenn ich das machen könnte, aber mit den vielen Stoff, den ich unterzubringen habe, klappt das nicht. (Transkript_D2, Pos. 44) […] aber es ist schon so, dass ich sehr viele Inputs gebe, sagen wir mal so, also die können nicht aus nichts etwas entwickeln. Sondern ich gebe denen Inputs und dann wird diskutiert und ich muss oft fragen, um Wissen abzusichern. Ich muss fragen: Haben Sie das schon mal gehört oder wo haben Sie dieses und jenes schonmal gehört, damit ich überhaupt weiß, wo die stehen“ (Transkript_D2, Pos. 48).

Typ 2 betont besonders die Wichtigkeit des gemeinsamen Austauschs von Lehrenden und Studierenden über Inhalte und Gegenstände des Interreligiösen. Dabei steht der kognitive Wissenserwerb weniger im Vordergrund als beim instruktiven Typ 1. Es geht darum, dialogische Lernräume zu eröffnen und anregend zu arrangieren. Die Lehrenden legen Wert darauf, dass die Studierenden ihre eigene Meinung in einer sicheren, lockeren Atmosphäre entwickeln und diskutieren können. In diesem Mindsettyp verstehen sich die Lehrenden als Lernbegleitung und Coach im Lernprozess der Studierenden, die individuell mit ihren Entwicklungszielen im Blick sind. Das Individuum und seine Religiosität stehen im Vordergrund. Sich in interreligiösen Dialogen einbringen zu können, ist das Ziel der Hochschullehre, die durch praktizierte Dialoge auf den späteren Lehrberuf vorbereitet:

„Und da ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, die Vorurteile – ich schreibe das ja gerne, wie du weißt, mit Bindestrich – also die ersten Urteile, die ich habe, die auch sehr impulsiv sein können, wie wichtig es ist, die aussprechen zu können und den Raum zu haben, das auch auszuführen und nicht direkt diesen Raum des ‚political richtigen Sprechens‘ vorgehalten zu bekommen, das ist jetzt intolerant, das darf man gar nicht denken‘. Auch wenn es in dir wühlt, musst du es aussprechen und dann muss man darüber reden können, um dann sich von verschiedenen Perspektiven daran zu nähern (Transkript_D4, Pos. 9). Und auch das, diese Gespräche führen zu können, überhaupt wahrnehmen zu können, worum geht es dem anderen, das bedarf der Übung, das muss nicht nur eingeübt werden, sondern ich muss auch selber die Sinnhaftigkeit dieser Gespräche erfahren haben, und ich bin davon überzeugt, dass das ganz wichtig ist, dass das schon in der ersten Lehrerinnenbildungsphase geschieht, sprich an den Universitäten, weil sonst im Alltag des Schulgewirrs, Referendariats und alltäglichem Hin- und Her an der Schule gar nicht die Zeit bleibt, das auch noch einmal zu reflektieren. (Transkript_D4, Pos. 29) […]  mir ist es wichtig, dass ich den Studierenden, mit den Studierenden etwas umsetze, mache, bedenke, was sie analog an der Schule erleben können“ (Transkript_D4, Pos. 33).

Typ 3 des Mindsets guter Lehre betont den Austausch besonders in Form von Begegnungslernen und Exkursionen und grenzt sich dadurch vom dialogischen Typ 2 ab. Es wird stärker betont, dass interreligiöse Lehre nicht nur an universitären, sondern an religiösen Orten geschehen muss, um eine ganzheitliche Begegnung zu ermöglichen. Eine solche Erfahrung kann der Lernort Seminarraum nur bedingt bieten. Bei diesem Mindsettyp rückt der kognitive Wissenserwerb aufgrund der starken Betonung des Begegnungslernens an fremdreligiösen Orten in den Hintergrund. Ziel von Hochschullehre besteht für ihn darin, dass die religiöse Kompetenz der Studierenden gefördert wird. Typ 3 betont, dass die Hochschullehrenden zwischen der Institution der Religion und dem Individuum zu vermitteln haben. In diesem Mindset wird den Lehrenden zugemutet, sich durchaus auch kirchennah bzw. mit der eigenen Biographie zu positionieren:

„Hinzu kommt aber einfach auch noch das Bildungsgut Bibel. […], weil ich auch […] feststelle, dass biblische Kenntnisse, praktisch nicht vorhanden sind. Das ist ein Kulturgut, was verloren geht. Die meisten Menschen sind biblische Analphabeten (Transkript_D2, Pos. 42).. Wie soll ich das beschreiben? Diese Geschichten, die biblische Geschichten wie so Wasser für den Fisch wahrzunehmen? Ja, das ist das, worum man sich bewegt“ (Transkript_D2, Pos. 66). Ich geh dann oft, also wenn nicht Corona ist, gehe ich auch mit ihnen in die Synagoge zum Freitagabendgebet und dann merke ich schon, dass sie sehr, sehr erstaunt sind, wie es da abläuft, ja, es wird als extrem fremd wahrgenommen, nett, aber fremd (Transkript_D2, Pos. 54). 

Im Codesystem des Programms MAXQDA 2020 wurden die den drei Typen zugewiesenen Subkategorien aus den drei Hauptkategorien entsprechend farblich eingefärbt. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die individuellen Lehrprofile mithilfe des Visual-Tools Dokument-Portrait, einem fallorientierten Visualisierungstool der Software, zu gewinnen. Das transkribierte Interview wird als Bild seiner Codierungen erstellt. Die mit den jeweiligen Kategorien assoziierten Farben werden dann in der Sequenz der Codierungen visualisiert. Die Darstellung zeigt in Form kleiner farbiger Quadrate die Codefarbe der jeweiligen Codierung an (vgl. Verbi, 2020).

Abb. 4 Dokument-Portraits der individuellen Lehrprofile der acht Dozierenden und Legende der Typen guter Lehre

Der instruktive Typ 1 erhält im Codesystem die Farbe hellblau, der dialogische Typ 2 wird lila, der Begegnungs-Typ 3 rosa eingefärbt. Zusätzlich sind die additiven Lehraufgaben der Positionierung in der Farbe Gelb und der Konstruktion in Grün dargestellt.

Der erste Blick auf die Lehrprofile der Dozierenden (vgl. Abb. 4) bestätigt die Annahme, dass keine Reinformen der Typen vorliegen. Insgesamt herrscht eine deutliche intraindividuelle Heterogenität in den Verteilungen der Lehr-Mindsets. Es lässt sich auch nicht ableiten, ob die Lehrenden in der interpersonellen Querperspektive ein dominantes Lehr-Mindset vertreten. Wie stark das Gefälle zwischen einzelnen Profilen ist, lässt sich an D2 und D3 erkennen. So fällt das Profil von D2 besonders durch die grundlegend blaue, stellvertretend für das instruktive Lehr-Mindset, das Profil von D3 durch seine grüne Färbung auf, die für eine konstruktive Lehrauffassung steht. Auffällig ist aber, dass der dialogische Typ 2 konstant vorkommt und einen relativ hohen Anteil in allen Profilen – erkennbar an der lila Färbung – besitzt. Es ist bereits erkennbar, dass die Dozierenden im Interview verschiedene Lehrvorstellungen immer wieder an den Dialog koppeln. In Spannung dazu ist auch der vergleichsweise hohe und konstante Anteil an hellblauen Sequenzen bemerkenswert: Scheinbar bilden Instruktion und Dialog so etwas wie die Grundspannung guter Lehre an der Hochschule, an die sich je nach Profil andere Konzepte vermittelnd oder die Spannung verstärkend anlagern. Es lassen sich hingegen ebenso spezifische Schwerpunkte in den Profilen erkennen.

2.1.2 Clusterbildung und Einteilung

Trotz der starken Individualisierung der Einzelfälle haben wir in einem nächsten Schritt aufgrund signifikanter Schwerpunkte in und Ähnlichkeiten zwischen den Profilen korrelative Cluster von Lehr-Mindsets gebildet. Anders als im ersten Projekt, bei dem Hypothesen bzw. Optionen auf Grundlage eines topographischen Modells der Lehr-Mindsets erstellt, auf ihr empirisches Vorhandensein geprüft und in Cluster überführt wurden, werden in diesem Projekt die Cluster allein auf Basis der Lehrprofile gebildet. Es wird eine weitere Funktion des Visual-Tools Dokument-Portraits genutzt, um die Lehrprofile und ihre farblichen Codes nicht nur nach ihrem Vorkommen im Transkript, bzw. ihrer Reihenfolge gemäß Interview, sondern auch farblich sortiert abzubilden. Diese anteilige Darstellung ermöglicht eine Einordnung in Gruppen und damit die Einteilung in vier empirische Cluster. Cluster A stellt sich somit aus dem dialogischen Typ 2, dem Begegnungs-Typ 3 und der Konstruktion als additiver Lehraufgabe zusammen. Cluster B unterscheidet sich von Cluster A durch eine andere additive Lehraufgabe: der gelbgefärbten Positionierung. Cluster C verknüpft Aufnahmen aus dem instruktiven Typ 1 und dem dialogischen Typ 2. Cluster D verknüpft Typ 1 mit Typ 3.

Abb. 5 Tabellarische Übersicht über die Bildung der Cluster der Lehr-Mindsets und Zuordnung der Profile

2.1.3 Empirische Validierung der Typen

Empirisch nachweisen lassen sich die Typen mithilfe der mit MAXQDA 2020 erstellten Codelandkarte. In diesem Visual-Tool des Programms werden die ausgewählten Codes in Form von Kreisen dargestellt, die wie auf einer Landkarte platziert werden. Die Nähe zweier Codes zeigt dabei an, wie ähnlich sie im Datenmaterial verwendet werden. Das bedeutet, je mehr Überschneidungen zwischen zwei Codes existieren, desto enger liegen sie auf der Codelandkarte beisammen (vgl. Verbi, 2020).

Abb. 6 Codelandkarte der drei Kategorien des Mindsets guter Lehre

In Abb. 6 wurden die Beziehungen der Codes bzw. Subkategorien, die jeweils hinter den drei Typen des Mindsets guter Lehre stehen, zueinander analysiert. Auffallend ist die Positionierung der Codes insofern, als dass sich die jeweils einem Typ zugewiesenen Kategorien in Gruppen formieren lassen. Dadurch ist es möglich, die Codes in Cluster, dargestellt durch die farbigen Kreise, zusammenzufassen und die Typen 1, 2 und 3 des Mindsets guter Lehre empirisch zu validieren. Mindset-Typ 1 bildet mit seinen drei Kategorien Instruktion, Expertin und Vermittlung von deklarativem Wissen ein abgrenzbares Gefüge. Typ 2 und Typ 3 haben, so legt es die Verwendung im Datenmaterial nahe, einen größeren Bezug zueinander. Ihre Cluster überschneiden sich an der Stelle, in der die Kategorie der Positionierung liegt.

Bezüglich der Kategorien der Positionierung und Konstruktion, die wir als additive Lehraufgaben definieren, die jedes Mindset ergänzen können, zeigt sich, dass sie vor allem eine Nähe zu den Codes des dialogischen Typs 2 aufweisen. Die Positionierung befindet sich sowohl im Kreis des Typs 2 als auch am Rand des Begegnungs-Typs 3 (vgl. Abb. 6). Die Distanz zwischen ihr und dem instruktiven Typ 1 ist eher groß, was darauf hindeutet, dass sie im Datenmaterial nicht signifikant häufig zusammen bzw. in Nähe zueinander genannt werden. Es lässt die Hypothese zu, dass eine Positionierung von den Studierenden eher dann eingefordert und ermöglicht wird, wenn die Lernumgebung offen ist und die Möglichkeit des Dialogs bzw. Begegnungslernens gegeben ist. Die Überschneidungen zwischen den Codes, die sich zum Typ 2 und Typ 3 clustern lassen, lässt vermuten, dass die Übergänge zwischen beiden Clustern fließend sind und Lehrende immer wieder Begründungsstrategien wechseln, wie sich z.B. an der folgenden Äußerung zeigt, bei der sowohl die Begegnungs- als auch die Dialog-Kategorie codiert wurde:

„Und wirklich auch durch die Seminare, dass ich da immer auch in Moscheen gehe und in Synagogen. Dass man einfach auch vor Ort Kontaktpersonen hat, über die Kunstprojekte, die ich mache. Dass man einfach einen zunehmend großen Gesprächskreis, den man dann auch den Studierenden öffnet, sozusagen, sich aufbaut“ (Transkript_D1, Pos. 12).

3 Dokumentation der empirischen Verknüpfung der Mindsets religiöser Pluralität mit den Mindsets guter Lehre

Im Folgenden setzen wir die Mindsets religiöser Pluralität der Dozierenden mit den Mindsets guter Lehre in Beziehung. Das Ziel ist, herauszufinden, welcher Zusammenhang zwischen dem persönlichen, individuellen Mindset zur religiösen Pluralität und dem Mindset der guten Lehre der Lehrpersonen besteht. Wirken sich die Vorstellungen zur religiösen Pluralität auf die Lehre aus oder halten die Lehrenden diese Vorstellungen bewusst aus der Lehre heraus? Bildet die Hochschullehre einen eigenen starken, durchaus disziplinierenden Kontext für die abwertenden individuellen Vorstellungen zur religiösen Pluralität – wie es in dem Vorgängerprojekt beobachtet werden konnte (vgl. Reis et al., 2020a)? Da sich aber schon bei den Mindsets zur religiösen Pluralität Veränderungen angedeutet haben (vgl. Kamcili-Yildiz & Dobras, 2022), ist diese These weniger wahrscheinlich. Wir gehen zunächst weiter von der Grundthese aus, dass sich zwischen dem Gegenstand und den Lernformen Muster (Lernformate) ausbilden (vgl. Reis et al., 2020a, S. 251), untersuchen dann aber auch die Gegenrichtung, wie sich der Kontext auf den Mindsetbezug auswirkt.

3.1.1 „Der Gegenstand sucht seine Lehrform“: Cluster 1 und Cluster 2 im Mindset religiöser Pluralität

Abb. 7 Profile des Clusters 1 (religiöser Pluralität) und der entsprechenden Lehrprofile von D1, D4 und D5 einander gegenübergestellt

Wir beginnen mit Cluster 1 religiöser Pluralität, in dem sich die Profile der Dozierenden D1, D4 und D5 mit dem größten grünen Anteil befinden (vgl. Kamcili-Yildiz & Dobras, 2022). Ihnen sind jeweils die Lehrprofile Cluster A und zweimal Cluster B zugeordnet. Cluster A und B setzen sich jeweils aus dem dialogischen Typ 2 und dem Begegnungs-Typ 3 zusammen, das im Profil an der lila bzw. rosa Färbung erkennbar ist, wobei Cluster A die Konstruktion der Studierenden und Cluster B die Positionierung als additive Lehraufgaben hinzugefügt sind. Zusätzlich sind bei D1 und D5 Sequenzen erkennbar, die dem instruktiven Typ 1 zuordbar sind, bei D4 und D5 wird in der Lehre zusätzlich zur Positionierung aufgefordert.

Die Lehrprofile weisen neben einzelnen Inkongruenzen also eine klare Linie auf: In der Lehre bilden der Dialog und die interreligiöse Begegnung das Standbein. Die Lehrenden legen gemäß des Typs 2 Wert darauf, dass die Studierenden im Austausch mit Kommiliton*innen und Glaubensvertreter*innen ihre eigene Meinung in einer offenen, geschützten Gesprächsatmosphäre diskutieren können. Sie sollen – charakteristisch für Typ 3 – Angehörige anderer Konfessionen und Religionen an fremdreligiösen Orten kennenlernen und dadurch ihre Horizonte erweitern. Der kognitive Wissenserwerb ist dabei nicht zentral, gewichtiger ist das Interagieren in Form von Dialog oder die Erfahrung mit dem Fremdreligiösen. Zusätzlich legen D4 und D5 Wert darauf, dass Studierende sich reflektiert mit den Inhalten auseinandersetzen und fordern klare Standpunkte für den Dialog ein.

Anhand der Zuordnung der Cluster lassen sich erste grundlegende Aussagen treffen. Es lässt sich sagen, dass sich der grüne Mindset-Typ zur religiösen Pluralität in der Lehre durch eine vorrangig dialogische Lehrauffassung zeigt, die um die interreligiöse Begegnung erweitert werden kann. Die Kopplung des grünen Clusters 1 religiöser Pluralität mit den Clustern A und B guter Lehre erklärt sich so, dass es dem Anspruch eines interreligiösen Seminars entspricht, dialogisch zu lernen. Die Begegnung geht dabei jedoch noch eine Ebene tiefer und verknüpft den Dialog im Seminarraum mit der aktiven Auseinandersetzung an fremdreligiösen Orten. Charakteristisch für diese beiden Cluster A und B der guten Lehre ist auch, dass durch den kaum vorhandenen bzw. bei D4 fehlenden instruktiven Typ 1 auf die Wissensbasis zu Religionssystemen verzichtet werden kann. Die dialogische Begegnung spielt eine weitaus größere Rolle, die sich der positionierenden Differenzen der Akteure bewusst ist. Erfahrung im Austausch wird ermöglicht und interreligiöses Lernen kann in einem selbstentdeckenden Prozess stattfinden.

Die sich in den Profilen zeigende Kopplung der Mindsettypen soll anhand einer Passage aus dem Datenmaterial von Lehrperson D4 veranschaulicht werden:

„Und auch das, diese Gespräche führen zu können, überhaupt wahrnehmen zu können, worum geht es dem anderen, das bedarf der Übung, das muss nicht nur eingeübt werden, sondern ich muss auch selber die Sinnhaftigkeit dieser Gespräche erfahren haben, und ich bin davon überzeugt, dass das ganz wichtig ist, dass das schon in der ersten Lehrerinnenbildungsphase geschieht. […] Und das ist die Stärke sicherlich an den Universitäten, das Ganze, die Erfahrungen, auch die eigen- das, was es auch mit mir selbst macht, wie es mich emotional, existentiell auch berührt, das noch einmal aus einer Metaebene zu reflektieren“ (Transkript_D4, Pos. 29).

Codiert wurden sowohl die Kategorien des Mindsets religiöser Pluralität, Einschlüpfen in die andere Perspektive, Dialogtechniken und Empathie, als auch solche des Mindsets guter Lehre, darunter Praktizieren von Dialog und Erwerb religiöser Kompetenz. Dieser Lehrperson geht es darum, dialogische Lernräume in der Hochschule zu eröffnen, in der die Sinnhaftigkeit interreligiöser Gespräche persönlich erfahren wird und so religiöse Kompetenz erworben wird. Der Dialog soll emotional und existenziell berühren, was der Auffassung des grünen Mindset-Typs religiöser Pluralität entspricht. Es geht um eine Haltung des einfühlsamen Verstehens und Mitbetroffenseins. Man ist bereit, sich emotional für den Anderen zu öffnen und sich im Anderen selbst noch einmal zu reflektieren.

Bei den linearen Ableitungen von den Clustern religiöser Pluralität zu den Clustern guter Lehre ist somit ein Muster erkennbar: Das grün dominierte Profil zur religiösen Pluralität konvergiert mit einem Profil von guter Lehre, das den Dialog und die Begegnung als Lernformen ins Zentrum stellt. Die persönlichen Vorstellungen der Lehrenden zur religiösen Pluralität scheinen die Lehrvorstellungen zu beeinflussen, so dass in diesem Fall Lehre stark vom Gegenstand des Interreligiösen Lernens gedacht wird. Die Kernthese lautet hier: Der Lerngegenstand sucht sich seine Lehr- und Lernform.

Bei den Lehrenden, die in Cluster 2 religiöser Pluralität eingeteilt wurden, zeigt sich die strukturelle Ähnlichkeit der beiden Mindsets in einer zweiten Form, die den Ergebnissen des vorangegangenen Projekts entsprechen: In dieser Clustergruppe befinden sich zwei Profile, die einen hohen, überwiegenden Anteil an gelben Sequenzen neben einem geringen grünen Anteil beinhalten. Wir verstehen das Cluster 2 religiöser Pluralität analog zum ersten Projekt stellvertretend als den emotional neutralen, gesellschaftlich konformen Mindset-Typ, der die Basis der Profile von D6 und D7 bildet (vgl. Kamcili-Yildiz & Dobras, 2022).

Die zugeordneten Lehrprofile stammen beide aus Cluster C der guten Lehre. Dieses Cluster besteht aus dem instruktiven Typ 1 und dem dialogischen Typ 2, erkennbar an der hellblauen bzw. lila Färbung (vgl. Abb. 8). Auch hier gibt es wieder individuelle Unterschiede zwischen den Lehrpersonen, die Akzente auf bestimmte Lehr-Lernformate setzen. D6 räumt der Positionierung eine höhere Bedeutung ein als D7, D7 geht es wiederum stärker darum, die selbstständige Konstruktion der Studierenden zu fördern. Die Anteile, die Typ 1 und Typ 2 zugeordnet werden, sind hier nahezu ausgewogen. Es zeigt sich eine feste Verbindung zwischen der Instruktion und dem Dialog. Sie bilden den Dreh- und Angelpunkt der Lehre, wonach es dann zum Beispiel zu einer Positionierung kommen kann.

Abb. 8 Gegenübergestellte Profile des Clusters 2 (religiöser Pluralität) und der entsprechenden Lehrprofile von D6 und D7

Die Kopplung der Mindsets soll mit einem Blick auf ein Zitat der Lehrperson D7 aufgezeigt werden. Es heißt:

„[A]lso ich nehme jetzt das Islamseminar oder die Islamseminare, die ich gebe, dass man eben eine religionsgeschichtliche Einführung bekommt, ‚Wer ist wer?‘, quasi, ‚Wie ging es los? Welche theologischen Vorstellungen sind damit verbunden?‘ Also nehmen wir das Offenbarungs- oder die Offenbarungsereignisse an den Propheten, das ist ja schonmal anders als im Christentum. Oder die Bedeutung des Korans sind solche Elemente. Dann gebe ich auch einen kleinen Einblick in die Koran-Exegese, wie das da funktioniert, und ja, so, solche Dinge“ (Transkript_D7, Pos. 39).

Das Datenmaterial wurde mit den Kategorien Wahrnehmung von Unterschieden und Vermittlung religionskundlichen Wissens aus dem Mindset religiöser Pluralität, sowie die der Instruktion und Expertin aus dem Mindset guter Lehre codiert. Gemäß des instruktiven Typs 1 guter Lehre sieht D7 die Lehraufgabe primär in der Vermittlung religionskundlichen Wissens über andere Religionen. Sie möchte ein Kennenlernen anbahnen sowie Bezüge zwischen den religiösen Traditionen verständlich machen. Dabei legt D7 besonders Wert auf das Vergleichen von theologisch Gemeinsamen bzw. Trennendem, wie in diesem Fall durch das Beispiel des Offenbarungsverständnisses. Das führt zu einem Lernsetting, das theoretische Wissensvermittlung an zentrale Stelle setzt und bei der die dozierende Person ihre Expertise einbringt und damit die Studierenden passiv aneignend denkt.

Für Cluster 1 und 2 religiöser Pluralität lassen sich strukturelle und auch inhaltlich interpretierbare Zusammenhänge zum Mindset guter Lehre zeigen. Selbst wenn sich die Wirkrichtung zwischen den Mindsets nicht empirisch herleiten lässt, so wird doch deutlich, dass in den bisher untersuchten Fällen die Lehrenden eine Lehrvorstellung entwickelt haben, bei der sich Gegenstand und Lehrform konsistent im Zusammenhang finden.

3.1.2 „Der Kontext Hochschullehre bestimmt die Lehrform“: Cluster 3 im Mindset religiöser Pluralität

In Cluster 3 befinden sich die Lehrendenprofile D2, D3 und D4, bei denen der dominante gelbe Anteil auffällt, der mit grünen und roten Einsprengseln kombiniert ist. Die wenigen roten Äußerungen, die in diesem Projekt überhaupt zu beobachten waren, sind systematisch mit den grünen verbunden (vgl. Kamcili-Yildiz & Dobras, 2022).

Abb. 9 Gegenübergestellte Profile des Clusters 3 (religiöser Pluralität) und der entsprechenden Lehrprofile von D2, D8 und D3

Die Profile der Lehrpersonen D2, D8 und D3 religiöser Pluralität treffen hier auf ganz unterschiedliche Cluster guter Lehre (vgl. Abb. 9). Am augenscheinlichsten wird die Heterogenität der Cluster der guten Lehre in der Differenz von D2 und D8 zu D3. Denn während D2 und D8 Cluster 3 vor allem mit dominierenden Instruktionsvorstellungen verknüpfen, wählt D3 die Konstruktion. Die Lehridee von D3 scheint geprägt von grundsätzlicher Offenheit. Lerninhalte werden durch die Studierenden in einem konstruktiven Prozess selbst erworben bzw. entdeckt. Die Studierenden sind aktiv am Wissenserwerb beteiligt. Die Lehrperson nimmt sich zurück und hilft Studierenden, Erkenntnisse selbst zu entdecken (Rolle der Lernbegleitung). Die dialogischen und begegnenden Anteile ergeben sich hier aus dem selbstgesteuerten Lernprozess heraus. Das Profil zur religiösen Pluralität ist demgegenüber in sich spannungsvoll. An Stellen, die beide Mindsets verbinden, unterstützt die Vorstellung der offenen Lehre die Möglichkeiten, Differenzen im Perspektivwechsel positiv zu rahmen:

„Das scheint ja schon ein Widerspruch zu sein, also die persönliche Auferstehung, die leibliche Auferstehung auf der einen Seite und die Reinkarnation. Wie kann man das jetzt zusammendenken? Da gibt es jetzt Möglichkeiten. Das kann man als Gegensatz deuten, man kann es aber eben auch miteinander verbinden. Und dass das eben beides geht, darauf kommt es mir an. Mir kommt es nicht darauf an zu sagen, ‚das eine ist richtig, das andere ist falsch‘, sondern eben, dass es- dass man eigentlich so einen Perspektivwechsel drin hat. Dass es nicht darum geht, dass alle eben das gleiche glauben, sondern eben aus einer anderen Perspektive zu schauen, welche Konsequenzen hat das denn, wenn ich so oder so glaube“ (Transkript_D3, Pos. 113).

Es konnten hier zunächst die Kategorien Wahrnehmung von Unterschieden und Kommensurabilitätsunterstellung codiert werden, dann folgt der Perspektivwechsel. Diese Stelle am Schluss ist gleichzeitig als Konstruktion codiert, weil sich die Studierenden im Beobachten (Perspektivwechsel) die Konstruktionsbedingungen theologischer Konzepte aneignen können. Sie sollen zu Experten und Expertinnen werden, die nicht einfach theologischen Positionen aufsitzen, sondern erkennen, wie bestimmte Prämissen zu bestimmten Schlüssen führen. Dieses Prinzip lässt sich auf alle Gegenstände anwenden, es ist aber natürlich auch geeignet, um in der Beobachtungsperspektive Distanz zu gewinnen, Differenzsetzungen als Schlüsse von Prämissen zu dekonstruieren und so Menschen nach ihren Glaubensprämissen zu fragen und gemeinsam die Konsequenzen dieser Prämissen zu prüfen, ohne die konfligierenden differenten Überzeugungen direkt bearbeiten zu müssen.

Im Gegensatz dazu sind D2 und D8 noch sehr nah beieinander, da sich hier auch die oben beschriebene Kopplung des Clusters 2 zum stabilen Cluster C aus dem instruktiven Typ 1 und dem dialogischen Typ 2 wiederfindet (vgl. Abb. 8). Allerdings zeigen sich auch leichte Differenzen, da D8 die instruktive Lehrvorstellung mit dem dialogischen Typ 2, D2 dagegen mit dem Begegnungs-Typ 3 verknüpft. Insgesamt aber sehen D2 und D8 – wie schon die Lehrenden im vorangegangenen Projekt – instruktive Wissensvermittlung im akademischen Kontext als notwendige Bedingung für dialogische Lehre oder Lehre an anderen religiösen Orten (vgl. Reis et al., 2020a) und lassen sich deutlich von D3 abgrenzen. Gerade die große Heterogenität des Clusters 3 religiöser Pluralität scheint die Konvergenz mit dem Mindset guter Lehre zu unterbrechen, bzw. die Instruktion und die Konstruktion als dominierende Vorstellungen zur Hochschullehre suchen sich passende Modellierungen des Gegenstandes. Dabei ist aber bei D3 sogar möglich, dass die rot codierten Stellen im Profil religiöser Pluralität von D3, anders als wir im Hinblick auf die bisherigen Ergebnisse hypothetisch annehmen würden, nicht zu einer primär instruktiven Lehrform führt. Die rot codierten Stellen bleiben für sich, privat. Das Lehrkonzept ist stabiler als das Thema, so dass D3 unabhängig vom persönlichen Mindset religiöser Pluralität ganz unterschiedliche Lehrentscheidungen treffen kann. Diese Annahme gilt im Übrigen auch für lehrendenzentrierte Lehrpersonen wie beispielsweise D2, die ihre Lehre stark instruktiv gestaltet.

Für die Lehrenden des Clusters 3 deutet sich an, dass Hochschullehre einen sehr starken und disziplinierenden Kontext bildet, dem sich der Gegentand der Lehre fügt.

3.2 Interpretation der Ergebnisse der Verknüpfung

Die Analyse der Clusterbeziehungen hat ergeben, dass sich zwei Formen von strukturellen Bezügen zwischen den beiden Mindsets zeigen. Die erste wurde anhand der Clustergruppen 1 und 2 des Mindsets religiöser Pluralität aufgezeigt und kann wiederum in zwei Formen unterschieden werden, die sich strukturell ähnlich sind. Es konnten einerseits Korrelationseffekte zwischen den Profilen von Cluster 1 religiöser Pluralität und den Clustern A und B der guten Lehre ausgemacht werden. Das grüne, emotional-involvierte Mindset religiöser Pluralität führt zu einer Vorstellung von Lehre, die Dialog und Begegnung ins Zentrum stellt. Diese Korrelation zeigt sich erstmalig in diesem Projekt. Analog zum Vorgängerprojekt besteht andererseits weiterhin die strukturelle Wirkung zwischen dem gelben Cluster 2 religiöser Pluralität, das emotional gedämpfte und pluralitätskonforme Mindset, und einem Mindset guter Lehre, das Instruktion mit Dialog verschränkt (vgl. Reis et al., 2020a). Daneben konnte in der dritten Clustergruppe beobachtet werden, dass es keine direkte Beziehung zwischen den Mindsets gibt. Das Mindset religiöser Pluralität dominiert nicht die Lehrvorstellung, sondern die Rückrichtung scheint der Fall zu sein. Es lässt verschiedene Lehrvorstellungen zu. Daraus leiten wir die Hypothese ab, dass sich zwei Gruppen von Lehrenden unterscheiden lassen: Die eine Gruppe beschreibt ihre Lehre sehr stark vom Gegenstand her. Hier folgen die Lernformen dem konkreten Gegenstand des interreligiösen Lernens. Die andere Gruppe reflektiert die Lehre stärker von den fachkulturellen Rahmenbedingungen an der Hochschule, insbesondere denen der christlichen Religionslehrer*innenbildung.

4 Vermittlung von Gegenstand und Kontext in der Professionalität

Die bisherige Rekonstruktion der Mindsets guter Lehre und ihre Beziehungen zu den Mindsets religiöser Pluralität hat in diesem Projekt zu einer deutlichen Erweiterung geführt. Hochschullehre hat auch schon im Vorgängerprojekt die Lehrenden in der islamischen Religionslehrer*innenbildung diszipliniert und nach Standards suchen lassen, die die eigenen Spannungen in dem Verhältnis zwischen den Religionen nicht die Lehre prägen lassen. Dies geschieht vor allem über die Instruktionsorientierung religionskundlicher Inhalte. Diese Disziplinierung lässt sich über die Biographien der Lehrenden aufgrund der fragilen institutionellen Bedingungen und der eigenen heterogenen Lehrbiographien (vgl. Kamcili-Yildiz, 2020) als Versuch verstehen, dem Hochschulsystem und seinen Erwartungen gerecht zu werden. In diesem Projekt lassen sich ganz andere Lehrbiographien rekonstruieren und auch die institutionellen Bedingungen sind für die Lehrenden wesentlich etablierter. In den Codier-Prozessen ist von Anfang an der Eindruck entstanden, dass die Lehrenden hier eher strategisch immer wieder Bezug auf theologische oder hochschuldidaktische Fachsprache genommen haben, die eigenen Methoden reflektieren und vor allem nicht nur einen abwertenden Umgang mit Differenzen vermeiden, sondern auch Differenzen z.B. in Form von Konflikten um die Wahrheitsfrage geradezu in der Lehre offensiv aufgreifen wollen. Die im Vorgängerprojekt beobachtete Produktion von neutraler Indifferenz (vgl. Reis, Wittke, Mauritz, Hillebrand & Kamcili-Yildiz, 2020b) wird hier bewusst vermieden. Die befragten Lehrenden sind offenbar ganz anders in den Diskurs um interreligiöses Lernen an der Schule oder auch die Kompetenzanforderungen an die Lehrkräfte eingearbeitet und denken von hier her ihr Lehrhandeln. Um die Aussagen über Lehre und die Form dieser Aussagen im Material zu fassen, haben wir ein neues Aussagenfeld mit drei Hauptkategorien eingeführt: das der Professionalisierung mit den Kategorien der Redestrategien, der Referenznahme und des Umgangs mit Ambivalenzen. Eine Profession dient dazu, Krisensituationen auf neue Lösungen hin zu strukturieren. Dafür werden sozial heterogene Prozesse durch die Vermittlung widersprüchlicher gesellschaftlicher Erwartungen mit Hilfe von Regelsystemen bearbeitet. Es ist geradezu ein Merkmal von Lehrprofessionalität, dass die individuellen biographischen Bedingungen nicht dominieren, sondern das gesellschaftliche Mandat leitet an, Transformationen zu vollziehen. Genau diese emotionale Distanz und Entbiographisierung im Handeln befähigt Professionelle, stellvertretende Deutungen für andere vorzunehmen (vgl. Helsper, 2004, S. 302–303; Schütze, 2000, S. 50–52; Tuna, 2019, S. 275–279).

 Abb. 10 Auflistung der Haupt- und Subkategorien aus der Oberkategorie „Professionalisierung“, erstellt mit dem Tool „Code-Matrix-Browser“ von MAXQDA 2020 mit Markierung der häufigsten Nennungen

Um die These weiter zu erhärten, dass sich die Lehrenden in ihren Antworten als Professionelle ihres Faches zeigen, haben wir auf der einen Seite deduktiv Codes gebildet, die die obigen Merkmale von Professionalität fassen können. Wir haben aber auch Codes zusammengezogen, die induktiv am Material gewonnen wurden. Abb. 10 zeigt die gewählten Codierungen in den drei Hauptkategorien Redestrategien, Referenzrahmen Dozierende und Pädagogische Dilemmasituationen/Differenzstärke und deren Häufigkeiten im Material.

Die Auswertung macht auf Folgendes aufmerksam:

  1. Alle Lehrenden haben Aussagen getätigt, die in die von uns gebildete Kategorie der Professionalisierung fallen. Besonders hohe Werte zeigen sich bei den Subkategorien der Redestrategien, die die Referenznahme auf Fachsprache belegen. Auch wenn diese Bezüge nicht immer Grad 3 einer korrekten und elaborierten fachsprachlichen Verwendung entsprechen, ist auffällig, dass die Lehrenden versuchen, ihr Tun auf diese Weise zu begründen, zu plausibilisieren oder zu legitimieren.

  2. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist, dass Lehre von den Studierenden, ihren späteren Kompetenzanforderungen oder Bedürfnissen hergedacht wird.

  3. Ebenso wichtig scheint es den Lehrenden zu sein, die eigene Praxis als orientiert an Rechtsnormen oder guten Modellen auszuweisen.

  4. Die eigene Methodik, um die Ziele zu erreichen, wird explizit benannt.

  5. Ganz zentral ist die Bereitschaft, in die Differenzen der Religionen einzusteigen und auch Konflikten um die Wahrheitsfrage nicht auszuweichen. Auffällig ist, dass Konflikte nicht nur explizit gemacht, sondern auch stehengelassen und abgedämpft werden – vielleicht gerade auch als studierendenorientierte Reaktion darauf, dass es in emotionalen und aggressiven Situationen Lehre leichter macht, wenn Differenzen „wegmoderiert“ werden. So verfolgen die einen, wie D4, mit Neugier, die anderen mit Sorge, dass sich „das Befremdungsgefühl wirklich einstellt“ (Transkript_D1, Pos. 16).

Bei den obigen fünf zentralen Subkategorien fällt auf, dass sie auf der einen Seite stärker vom Gegenstand (Konfliktbewusstsein und Bezugnahme auf fachliche Diskurse zum interreligiösen Lernen) und auf der anderen Seite eher von Erwartungen an die Hochschullehre (Studierendenorientierung [shift from teaching to learning], Orientierung an den Normen des Hochschulkontextes) geprägt sind. Die Orientierung an Methoden kann wie beim Problembased Learning an hochschuldidaktischen oder auch gegenstandsbezogenen theologiedidaktischen Konzepten, wie beim Komparativen Lernen, erfolgen. Der Verweis auf die eigene Professionalisierung ist bei den Lehrenden immer vorhanden, aber sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wenn D4 z.B. vor allem auf die Bereitschaft abhebt, Konflikte explizit zu machen und zu bearbeiten, und zwar aus Gründen der Studierendenorientierung und weil es die Rechtsnormen der Curricula erwarten, dann formt D4 die Professionalisierung so aus, dass die begründbare dialog- und komparativorientierte Lehrform über die Methoden Raum für die Studierenden schafft. Die Professionalisierung vermittelt auf diese Weise zwischen Gegenstands- und Kontextbezug, ohne einen Pol aufzugeben.

Bezieht man dieses Ergebnis auf die beiden empirisch unterschiedenen Gruppen von Lehrenden, dann verstärkt die Professionalisierungsbehauptung der Lehrenden die Passung oder mildert auch die Antinomie zwischen den Regelsystemen des interreligiösen Lernens und des Hochschulkontextes. Im Falle von D4 haben wir zuvor die Kongruenz zwischen dem Mindset religiöser Pluralität und dem Mindset guter interreligiöser Lehre im Sinne einer Lehre festgestellt, in der die Studierenden durchaus differenzstarke offene, dialogische Situationen erleben können, um später auch in der Schule solchen Situationen begegnen zu können. Didaktische Verfahren und Interesse an methodischer Klarheit können diese Dialoge in ihrer Wucht mindern, Lehre funktional und durchführbar machen, bauen aber auch eine Spannung im Lehrvorhaben auf. Aber erst diese Orientierung macht die Lehre passend für den Hochschulkontext und mildert die Antinomie zwischen Emotion und Kognition sowie Positionierung und Verfahren. In der Vorstellung als Professionelle wird es möglich, Lehre im Umgang mit der Antinomie als durchführbar zu denken. Umgekehrt kann D7 über professionelles Handeln das Interesse an Instruktion von religionskundlichem Wissen als dem Hochschulkontext angemessen begründen. Interreligiöse Konflikte werden nicht erfahrbar, sondern sind kognitive Gegenstände. Aber auch diese Form lässt sich als Vermittlung von Gegenstand und Hochschulerwartung als Lösung eines Problems begründen, dass Dialoge und Begegnung ohne dieses religionskundliche Wissen kaum ertragreich sein können. Diese Professionalisierungsschicht macht deutlich, dass sich in diesem Projekt die Bezüge verändern. Die Professionalisierung vermittelt zwischen Kontext- und Gegenstandsorientierung und steuert damit auch, inwiefern die Mindsets als Präkonzept eine Rolle spielen oder nicht. Gleichzeitig ist die Professionalisierung in den Interviews eine Strategie, Lehrvorstellungen als im Diskurs legitim zu begründen. Sie ist also selbst gelenkt, z.B. von der Bereitschaft, Konflikte in der Lehre zuzulassen oder auch von der hochschuldidaktischen Verfahrensorientierung. Die Professionalisierung ist kein Garant für gute Lehre, sondern gewährleistet, dass die Lehrenden Entscheidungen begründet treffen. Je nach Mindset-Verhältnis und Professionalisierungswirkung kann die Lehre in der Praxis immer noch unterschiedlich aussehen. Ob diese Annahmen in der konkreten Lehre Konsequenzen haben, werden Reis, Saß und Borchert (2022) in den videographierten Lehrsituationen untersuchen.

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Dr. Dr. Oliver Reis, Professor für Religionspädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Inklusion am Institut für Katholische Theologie an der Universität Paderborn

Caroline S. Hasenberg, Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Islamische Theologie an der Universität Paderborn

An der Datenerhebung und -auswertung war außerdem beteiligt: Sophie Hofmeister, Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Praktische Theologie und Religionspädagogik am Institut für Evangelische Theologie der Universität Osnabrück

  1. Bei den Rollenkonstrukten nehmen wir verallgemeinernd die weibliche Form, weil es von der Vorstellung einer Lehrperson dem grammatischen Geschlecht am nächsten kommt.