Von „EinFach Übersetzen“ und „“Religion verstehen“ über „Evangelischer Religionsunterricht“ und „Nachdenken über Spiritualität“ zu „Kulturelle Vielfalt in der Schule“ und „Studienbuch Inklusion“ – Hinweise auf religionspädagogisch interessante Neuerscheinungen

1 Religionspädagogik und Religionsdidaktik

Den Auftakt für den diesmaligen Überblick bildet das von Werner Haußmann, Andrea Roth, Susanne Schwarz und Christa Tribula im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-037466-9) herausgegebene anregende Buch EinFach Übersetzen. Theologie und Religionspädagogik in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit. In der Einleitung schreiben die Herausgebenden: „Mit dem vorliegenden Band wird die (relativ) neu eingespielte Übersetzungsmetapher aufgegriffen und in Bezug und/ oder im Rahmen von Öffentlichkeit intradisziplinär, interdisziplinär, interreligiös und international weitergedacht. Ausgehend von den thematischen Schwerpunkten der Autor*innen und ihren regionalen wie binnentheologischen oder Außen-Perspektiven werden sowohl die Übersetzungsmetapher wie das Öffentlichkeitsverständnis gefasst und bearbeitet. Darin liegt die Chance, die mögliche Spannbreite dieser Konzepte auszuloten, ohne sie vorschnell zu reglementieren, zu standardisieren oder zu verwerfen. Naheliegend ist in dem Zusammenhang, dass die Spannbreite der Zugänge jener hier vorliegenden Beiträge von einer begrifflichen Neufassung oder Artikulation bestehender Konzepte und Ideen unter dem Übersetzungsbegriff bis hin zu einer prinzipiellen Diskussion der Tragweite oder konzeptionellen Fassung des Übersetzungsbegriffes reicht. In dieser Spann- bzw. Rezeptionsbreite spiegeln sich sowohl die aktuelle Plausibilität wie auch die Relevanz der eingebrachten Übersetzungsmetapher und ihr innovatorisches Potenzial, aber auch ihre wahrgenommenen Grenzen wider.“ (41) Der Band ist wie folgt dreigegliedert: „Im ersten Teil „Turn of translation?" – Tragweite und Gebrauch der Übersetzungsmetapher wird die konzeptionelle Fassung sowie die legitimatorische Verwendung der Übersetzungsmetapher diskutiert, wie sie aus Sicht der Autoren aktuell religionspädagogisch angedacht ist.(35-93) … Inhalt des zweiten Teiles sind Übersetzungsprozesse im religionspädagogischen Kontext: Aufgaben und Anwendungen. In diesem Kapitel kommen Autor*innen zu Wort, die das Potenzial wie auch die Grenzen der Übersetzungsmetapher an konkreten religionspädagogisch-didaktischen Ansätzen, Dimensionen und Aufgaben durchspielen und reflektieren. (97-199) … Mit Über-Setzungen im und für den (öffentlichen) Dialog ist der dritte Teil des Bandes überschrieben. Innerhalb dieses Kapitels wird der religionsunterrichtliche wie auch -pädagogische Binnenraum überschritten, und es werden Bezüge zu anderen Öffentlichkeiten hergestellt. Die Übersetzungsmetapher dient hierbei sowohl als Klammer für die Herstellung jener Bezüge wie auch als Gegenstand methodologischer und semantischer Reflexion.“ (21-27) Eine insgesamt äußerst gelungene kritische und mehrperspektivische Reflexion des Begriffs und der Aufgabe der Übersetzung durch evangelische, katholische, muslimische und jüdische sowie intra-, interdisziplinäre und internationale Perspektiven! Religion verstehen. Beiträge zur Religionshermeneutik und zu religiöser Bildung lautet der Titel des ebenfalls im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-038162-9) erschienenen Buches von Bernhard Dressler. Die darin gesammelten Beiträge verdeutlichen den „roten Faden“ seines theologischen und religionspädagogischen Denkens. Im Vorwort schreibt der Verfasser erklärend: „Ich bin zur Realisierung dieses Wunsches zudem dadurch ermutigt worden, dass meine Verortung der Religionsdidaktik in einer Theorie allgemeiner Bildung auch in anderen Fachdidaktiken, insbesondere der Mathematik und der Naturwissenschaften, auf Resonanz gestoßen ist. Diese Resonanz hat wohl damit zu tun, dass ich religiöse Lehr- und Lernprozesse besonders energisch bildungstheoretisch akzentuiere und ihre erzieherischen Begründungen – die Erzeugung von Gesinnungen, ,,Einstellungen" und Gefühlen – für theologisch und pädagogisch problematisch erachte. Im Hinblick auf die Förderung von Urteilsfähigkeit im Sinne einer umfassenden Allgemeinbildung, also mit dem Ziel der Kompetenz zur Partizipation an der kulturellen Gesamtpraxis, ist die Religionspädagogik mit den anderen Fächern des Bildungskanons verbunden. In dieser Hinsicht sollte der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen keinen Sonderstatus beanspruchen. Freilich scheint mir mit dem, was man – kritisch zugespitzt – eine Tendenz zur Sozialpädagogisierung der Religionspädagogik nennen kann, auch eine Selbstüberschätzung verbunden zu sein: Als solle und könne sie mit ihrer vergleichsweise marginalen Rolle in den kirchlichen Institutionen und Praxisfeldern und mehr noch im öffentlichen Schulwesen nicht nur für die Tradierung der christlichen Religion, nicht nur für die Verarbeitung von Traditionsabbrüchen und -umbrüchen verantwortlich sein, sondern auch für die Verankerung sogenannter „Werte" im Bewusstsein und im psychischen Haushalt von Kindern und Jugendlichen; neuerdings auch wieder für die Stabilisierung von Demokratie und die Beachtung politischer und sozialer Gerechtigkeit. Als könne ein einzelnes (kleines) Schulfach gegen die sozialisatorische Wirkmacht sozialer Lebenswelten und Herkunftsmilieus aufkommen. Und als könne und solle Religion funktionalisiert werden – statt erschlossen und verstanden zu werden, weil es sie als einen unersetzlichen Modus unseres kulturellen Gesamtlebens gibt, und nicht, weil sie für außerhalb ihrer selbst liegende Zwecke gut ist. Kritisch angeeignet und reflektiert gestaltet soll die christliche Religion als Quelle der Deutung und Führung eines bewussten Lebens in der kulturellen Moderne zu verstehen gegeben werden. Ob und wie der christliche Glaube dann in der Lebenswirklichkeit zu einer tragenden Kraft werden kann, liegt außerhalb religionspädagogischer Verfügungsmacht. In dieser Perspektive wird die Religionspädagogik nicht nur anschlussfähig an andere Fachdidaktiken und an gehaltvolle und allgemeine bildungstheoretische Perspektiven, sondern sie kann zugleich eine ihr eigene Theologizität gewinnen, die freilich innerhalb der religionspädagogischen Ausbildungs- und Studiengänge einer verstärkten Grundierung durch fundamentaltheologische Orientierungen bedarf. So soll und kann die Religionspädagogik vor einer drohenden Horizontverengung zwischen Sozialpädagogisierung und kleinkariertem Empirismus bewahrt werden.“ (7f.)

Rainer Möller und Clauß Peter Sajak zeichnen als Herausgeber der im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-036420-2) veröffentlichten völligen Neubearbeitung Religionspädagogik für Erzieherinnen. Ein ökumenisches Arbeitsbuch verantwortlich, die auf eine gemeinsame, konfessionsverbindende Praxis der religionspädagogischen Ausbildung an Fachschulen und Fachhochschulen sowie der religionspädagogischen Fortbildung der unterschiedlichen Träger zielt. Die fünf Kapitel dieses empfehlenswerten Lehr- und Studienbuches spiegeln die Kompetenzbereiche, die in der religionspädagogischen Aus- und Fortbildung entwickelt und bearbeitet werden müssen: „Im ersten Kapitel geht es um die Professionalität und die Berufsrolle von Erzieherinnen in religionspädagogischen Handlungskontexten. Hier werden auch die Kompetenzen im Einzelnen ausgeführt, die Erzieherinnen in der religionspädagogischen Praxis brauchen, um professionell zu arbeiten. Im zweiten Kapitel wendet sich der Blick zum Kind als »Adressaten« religionspädagogischer Praxis. Kenntnisse von grundlegenden Forschungen zur psychischen, kognitiven, moralischen und religiösen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind bedeutsam für die Entwicklung professioneller religionspädagogischer Handlungskonzepte, ebenso wie Einsichten in die gesellschaftlich konstruierten Veränderungen, die das »Konzept« von Kindheit im Laufe der Geschichte erfahren hat. Da die Resilienzforschung in der gegenwärtigen Kindheitspädagogik eine große Rolle spielt, wird dieses Thema explizit aufgenommen und religionspädagogisch durchdacht. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit Religion und religiöser Identität als gesellschaftlichen Kontexten religionspädagogischer Aus- und Fortbildung. Dabei geht es zunächst um die Klärung des Religionsbegriffs, um die gesellschaftliche Verortung von Religion und· insbesondere um die Spezifitäten jugendlicher Religiosität. Auf das für sozialpädagogische Kontexte wichtige Thema der religiösen Sozialisation wird eingegangen, bevor die gesellschaftspolitisch aktuell kontroverse und die Auszubildenden auch persönlich stark bewegende Frage der religiösen Identität diskutiert wird. Die Klärung der eigenen religiösen Identität, so das Anliegen dieses Arbeitsbuches, soll die Persönlichkeit des/der Einzelnen stärken und vor fundamentalistischen, das »Eigene« überbetonenden und das »Andere« abwertenden und ausgrenzenden Einstellungen und Haltungen bewahren. Im vierten Kapitel werden unterschiedliche religionspädagogische Konzeptionen dargestellt und die diesem Arbeitsbuch zugrundeliegende eigene Konzeption entwickelt. Den gegenwärtigen Herausforderungen der elementarpädagogischen Praxis, den Veränderungen im Verständnis von Kindern und von religiöser Identität entspricht am ehesten ein religionspädagogisches Konzept, das auf eine alltagsorientierte Bildung von Kindern im Raum der Kindertagesstätte fokussiert. Religiöse Bildung kommt in dieser Sicht nicht von außen, sondern ist so in den Alltag der KiTa integriert, dass sie in bestimmten Situationen des Zusammenlebens von Kindern und Erwachsenen als eine Dimension durchscheint und, wenn möglich, als vertiefendes religionspädagogisches Angebot explizit gemacht wird. Einige Situationen aus dem Alltag der Kindertagesstätte, in denen die religiöse Dimension aufscheint, werden exemplarisch beleuchtet und als Anregung für eigene Projekte in der Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen bearbeitet. Im Blick: auf die grundlegende Kompetenzorientierung in diesem Arbeitsbuch scheint es didaktisch angebrachter, religionspädagogische Kompetenzen an »echten« Situationen aus der Praxis von Kindertagesstätten auszubilden als entlang traditioneller religionspädagogischer Themenkomplexe, bei denen der Bezug zur Praxis erst sekundär hergestellt wird. Im fünften Kapitel schließlich werden exemplarisch einschlägige Methoden vorgestellt, die für die religionspädagogische Praxis bedeutsam sind. Damit wird der Einsicht Rechnung getragen, dass neben den personalen, theologischen und didaktischen Kompetenzen gerade auch die methodischen Fähigkeiten die Professionalität einer Erzieherin konstituieren.“ (9f.) Ebenfalls im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-034074-9) ist in der bewährten Reihe Kompendien Praktische Theologie der Band Religionspädagogik von Birte Platow erschienen. Die Autorin möchte die Lesenden einladen, „über dargestellte historische Entwicklungen und Zusammenhänge, empirische Befunde zu den Bedingungen von religiösen Lernprozessen oder aber die Darstellung des fachspezifischen Profils der Disziplin hinaus zu überlegen, worin unaufgebbare Alleinstellungsmerkmale religiöser Bildung im Kontext von Bildung generell in der heutigen Praxis oder aber der Zukunft religiöser Bildung liegen könnten.“ (9)  Zurecht schreibt die Verfasserin weiter: „Religiöser Bildung wohnt nämlich in ihren Ursprüngen wie heute ein enormes kritisches wie emanzipatorisches Potenzial inne. So ermutigt eine Selbstwahrnehmung, wie sie in der christlichen Theologie angelegt ist, zu kontinuierlicher kritischer Selbstfindung ebenso wie zu Akzeptanz. In dieser Perspektive gilt weiter: der Mensch ist niemals das, was er sein könnte und sein will; aus dieser Differenz ergibt sich ja gerade eine Bildungsaufgabe, aber eben auch die Freiheit gegenüber fremden und überfremdenden Ansprüchen aus dem Umfeld des Individuums. Eine religiös begründete Wahrnehmung des Subjekts stellt daher auch einen Gegenentwurf – oder in gewisser Weise einen Protest – zu dominant funktionsbezogenen Abbildungen des Menschen dar, wie sie mitunter in der Wahrnehmung des Individuums durch die Gesellschaft aber auch in manchen Bildungstheorien sowie deren bildungspolitischen Realisierungen anzutreffen sind.

Das kritisch emanzipatorische Potenzial christlich-theologisch fundierter Bildung ist u. a. mit dem christlichen Menschenbild zu begründen, das eine der frühsten Wurzeln des Bildungsgedankens darstellt. Was eine religiös gebildete Persönlichkeit in ihrem persönlichen Umfeld vermag, kann die Religionspädagogik im disziplinübergreifenden Diskurs auf wissenschaftlicher wie bildungspolitischer Ebene leisten. Als Rekonstrukteurin und Deuterin einer theologischen Konstitution von Bildung und als Patin der allgemeinen Pädagogik kommt der Religionspädagogik die Aufgabe zu, vor den je aktualen Bedingungen Entwicklungen und vorherrschende Konzipierungen von Bildung (kritisch) zu reflektieren.“ (10)

Religiöse Bildung und demokratische Verfassung in historischer Perspektive lautet der Titel des von Gregor Reimann und Michael Wermke in der Reihe „Studien zur religiösen Bildung“ in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-06131-0) herausgegeben Sammelbandes mit Beiträgen zu Fragen des Verhältnisses von religiöser Bildung und spezifischen, die religiöse Erziehung in einem weiteren Sinne betreffenden Verfassungsfragen. Überwiegend liegt der Fokus auf dem demokratischen Kontext der Weimarer Republik: „Gilt diese einerseits als letztlich scheiternder Versuch der Demokratisierung einer Gesellschaft, so ist deren Bedeutung für die Grundlegung von Religionsunterricht und Religionspädagogik bis in die jüngsten Diskussionen um die Artikel 4, 7 und 141 des Grundgesetzes hinein nicht zu unterschätzen. Inwieweit ist religiöse Bildung im öffentlichen Raum der Schule Ausdruck des demokratischen Selbstverständnisses unserer Gesellschaft und welchen Beitrag vermag religiöse Bildung zur Gestaltung der Demokratie beitragen? Die einzelnen Beiträge loten in fünf Themenschwerpunkten folgende Dimensionen thematisch und methodologisch jeweils mit Blick auf ihre Folgen im 20. und 21. Jahrhundert aus: das Verhältnis von Weimarer Verfassung und Religionsunterricht, transnationale und regionale Perspektiven, Medien, die Vorgeschichte religiöser Bildung im 18. und 19. Jahrhundert.“ (12) Wermke schreibt in seiner Einleitung „Die Weimarer Republik als ein Laboratorium der Demokratie“: „Die einzelnen Beiträge, die den Einfluss von Religion auf Demokratisierungsprozesse, aber auch deren gesellschaftliche Auswirkungen in den Fokus stellen, zeigen die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und einem sich verstetigenden Umgang mit Religion auf. Auffällig ist die zentrale Stellung, die aus historischer, soziologischer, politischer und religionspädagogischer Sicht den Schulkompromissen für die Frage nach der Demokratisierung des Schulsystems bis in die Gegenwart hinein eingeräumt wird.“ (16) Bildung unter dem Leitbild weltweiter Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt des von Andreas Benk im Grünewald Verlag (ISBN 7867-3200-6) herausgegebenen interdisziplinären Bandes Globales Lernen im Mittelpunkt. Der Herausgeber schreibt in seiner Einführung: „Globales Lernen in der Schule ist eine interdisziplinäre Aufgabe, zu der sehr unterschiedliche Disziplinen und alle Schulfächer etwas beitragen können. Entsprechend vielgestaltig ist auch der vorliegende Band. Er enthält Beiträge aus den Perspektiven von Philosophie, Allgemeiner Pädagogik, Politikwissenschaft, Soziologie, Ökonomie, Geographie, Biologie, Ernährungswissenschaft, Textiltechnologie und -didaktik, Kulturastronomie, Medienbildung, Interkulturalität, Genderforschung, inter- und transdisziplinären Methoden der Wissensintegration, Kunst und Theologie.“ (10f.) Der sehr lesenswerte Schlussbeitrag des Herausgebers „Globales Lernen als Kernaufgabe religiöser Bildung“ (213-224) skizziert den biblischen, theologischen, sozialethischen und religionspädagogischen Horizont, in den Globales Lernen aus christlicher Perspektive eingebunden ist. Globales Lernen unter der Leitperspektive weltweiter Gerechtigkeit erweist sich dabei nicht als eine zusätzliche Aufgabe religiöser Bildung neben anderen, sondern zählt zu deren Kernaufgaben. Dem Religionsunterricht kommt dabei eine gesellschaftliche Bildungsaufgabe mit politischer und ideologiekritischer Relevanz zu, die zugleich individueller Überforderung vorbeugen kann.“ (213). Benks Überlegungen münden in die Feststellung: „Im Religionsunterricht kann Globales Lernen in einen religiösen Sinnhorizont eingebunden werden, der sowohl Überforderung als auch Resignation auffangen und Gelassenheit und Hoffnung stärken kann, ohne nur zu vertrösten. Zu diesem Sinnhorizont zählen die schon genannten biblischen Visionen einer umfassend lebensfreundlichen Welt und deren stimulierende und handlungsleitende Wirkung, die realistische Sicht auf Fehlbarkeit und Vergänglichkeit des Menschen, die Anerkenntnis der Grenzen menschlicher Machbarkeit und schließlich der biblische Glaube, dass die Grenze des Menschenmöglichen nicht schon die Grenze unserer Hoffnung bestimmt.“ (223f.)

Im Rahmen der Evangelischen Bildungsberichterstattung ist vom Comenius-Institut im Waxmann Verlag (ISBN 8309-4062-3) der fünfte Band Evangelischer Religionsunterricht. Empirische Befunde und Perspektiven aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen herausgegeben worden. Carsten Gennerich, Peter Schreiner und Nicola Bücker sind die Autoren und die Autorin dieses äußerst informativen Buches. Im Vorwort schreiben Schreiner als Direktor und Friedrich Schweitzer als Vorstandsvorsitzender des Comenius-Instituts: „Die Erteilung des Religionsunterrichts ist in Deutschland eine staatliche Aufgabe der Bundesländer, die durch das Grundgesetz vorgegeben ist. Insofern handelt es sich nicht um ein kirchliches, sondern um ein staatliches Bildungsangebot, auch wenn es Religionsunterricht ebenso an Schulen in kirchlicher und freier Trägerschaft gibt. Die Kirchen sowie andere Religionsgemeinschaften sind am Religionsunterricht insofern beteiligt, als das Grundgesetz vorgibt, dass dieser Unterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften" erteilt wird. Damit haben Kirchen und Religionsgemeinschaften eine Mitverantwortung für das Gelingen des Religionsunterrichts, die sie bewusst wahrnehmen. Für eine solche Bildung als Teil der allgemeinen Bildung in der Schule tritt ausdrücklich die evangelische Kirche ein. Daraus erklärt sich auch, dass der Religionsunterricht hier zum Gegenstand einer Evangelischen Bildungsberichterstattung wird. Trotz seiner hochrangigen rechtlichen Grundlage ist der Religionsunterricht in Deutschland immer wieder in der Diskussion. Einerseits wird die Plausibilität des bestehenden konfessionellen Ansatzes hinterfragt, weil sich die gesellschaftliche Situation wesentlich verändert habe und andere Formen von religionsbezogenem Unterricht als erforderlich angesehen werden. Andererseits nimmt die Erwartung zu, dass der Religionsunterricht zur Lösung gesellschaftlicher Probleme wie Fremdenfeindlichkeit, Populismus etc. beitragen und insbesondere ein gelingendes Zusammenleben in der Gesellschaft unterstützen soll. Zugleich wird deutlich, dass die unterschiedlichen Formen von Religionsunterricht stark kontextuell geprägt sind und von jeweiligen lokalen und regionalen Bedingungen mitbestimmt werden. In den Bundesländern und Schulformen haben sich unter dem Dach von Art. 7,3 bzw. von Art. 141 GG verschiedene Organisations- und Unterrichtsformen für den Religionsunterricht entwickelt. Auch dabei wirken sich die religiösen Voraussetzungen in der Gesellschaft aus. Wesentliche Veränderungen betreffen die sinkende Zahl der Mitglieder der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche sowie die Zunahme derjenigen, die sich als konfessionslos oder jedenfalls als kirchenfern verstehen. Hinzu kommt, dass die Bundesrepublik Deutschland vielfältiger und bunter geworden ist, auch im Blick auf Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit. Mit mehr als 4 Millionen Angehörigen in Deutschland zeigt inzwischen vor allem der Islam eine deutliche Präsenz. Ebenso besteht auch im europäischen Kontext kein einheitliches Verständnis hinsichtlich des Religionsunterrichts. In Frankreich gibt es ihn, abgesehen von Elsass und Lothringen, nur an katholischen Schulen; in manchen Ländern wird er seit langem multireligiös oder religionskundlich erteilt (England und Wales auf der einen, Schweden auf der anderen Seite); manche Länder haben in jüngerer Zeit den konfessionellen Religionsunterricht durch eine nichtkonfessionell ausgerichtete Alternative ersetzt (Norwegen, Schweiz und Luxemburg); in wieder anderen Ländern gibt es einen mit Deutschland vergleichbaren Unterricht (u.a. Belgien, Österreich sowie die südeuropäischen Länder). Schließlich hat es der Religionsunterricht auch mit konkurrierenden Plausibilitätsmustern zu tun, die eine gesellschaftliche Vielfalt an Sinnangeboten mit sich bringen. Eine christliche Orientierung ist ein Angebot unter vielen· anderen Angeboten geworden. In diesem Kontext kann ein Bildungsbericht zum evangelischen Religionsunterricht zu einem empirisch fundierten dialogbereiten Blick auf die aktuelle Situation des Faches beitragen, um seine Stärken und Schwächen als Teil allgemeiner Bildung diskutieren zu können. Damit leistet der Bericht auch einen Beitrag zur Klärung der Zukunft religiöser Bildung in der Schule. Der vorliegende Bildungsbericht beschreibt die Entwicklung des evangelischen Religionsunterrichtes in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen, drei Bundesländer mit insgesamt acht Landeskirchen. Diese waren bereits in einer ersten Phase der Bildungsberichterstattung beteiligt. Der Bericht basiert auf Daten, die entweder von den Bundesländern oder den Landeskirchen erhoben werden, und umfasst je nach verfügbaren Angaben Entwicklungen von Beginn der 1980er Jahre bis zum Schuljahr 2016/17. Zentrale Themen sind Schülerzahlen, Teilnahmequoten sowie die Unterrichtsversorgung und die Situation der Lehrkräfte. Ein besonderes Augenmerk gilt dem konfessionell-kooperativ ausgerichteten konfessionellen Religionsunterricht sowie den am Religionsunterricht teilnehmenden Schülerinnen und Schülern und deren konfessionellem Hintergrund. Insgesamt will der Bericht zu zukunftsfähigen Perspektiven und einer weiteren Öffnung des Faches im Blick auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft beitragen.“ (7f.) Dies ist zweifellos sehr gut gelungen!

2 Praktisch-Theologische Handlungsfelder

In der bewährten Reihe „Lehrwerk Evangelische Theologie“ ist in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-05488-6) als siebter Band Praktische Theologie von Isolde Karle erschienen. Im Vorwort zu dem mehr als 700 Seiten umfassenden schreibt die Autorin über ihr Konzept: „Es ist bestrebt, einen Überblick über das Fach Praktische Theologie zu geben und das Interesse an der Komplexität und Vieldimensionalität der praktisch-theologischen Disziplin zu wecken. Das Werk ist zugleich eine Gesamtdarstellung der Praktischen Theologie. Das Fach wird sowohl mit Blick auf seine historische Genese als auch seine gegenwärtigen Diskurse reflektiert. (…) Ein Lehrbuch versucht, möglichst objektiv die Pluralität praktisch­theologischer Konzeptionen und Diskurse zu beschreiben. Zugleich ist eine Gesamtdarstellung immer auch von den Forschungsinteressen und -schwerpunkten des Autors oder der Autorin geprägt. Es hat eine spezifische Signatur und ein eigenes Profil. Das vorliegende Lehrwerk ist durch zwei grundlegende Perspektiven gekennzeichnet: Es ist (1) interdisziplinär ausgerichtet und führt einen intensiven Diskurs mit den Sozialwissenschaften. Es fragt (2) nach der Relevanz der Evangeliumskommunikation für die Gegenwart und rezipiert dazu Forschungsergebnisse aus den anderen theologischen Disziplinen. (1) Ohne eine differenzierte gesellschaftliche Analyse ist es für die Praktische Theologie nicht möglich, die Ambivalenzen modernen Lebens realistisch zu erfassen. Dabei ist die emanzipatorische und freiheitliche Seite der Moderne zu würdigen. Zugleich sind die psychisch belastenden Folgewirkungen überindividueller Dynamiken für die moderne Lebensführung in den Blick zu nehmen. Dieser sozialwissenschaftliche Blick – mit vielfältigen Bezugnahmen auf die Biographie-, Identitäts-, Gender- und Körperlichkeitsdiskurse – durchzieht das ganze Lehrbuch: Es gilt, die gegenwärtige soziale Lage tiefenscharf wahrzunehmen und die Herausforderungen, die sich für Religion und Kirche ergeben, möglichst präzise zu beschreiben. Erst vor diesem Hintergrund ist es möglich, die Fragen nach religiöser Sinn- und Lebensdeutung, nach den Gestaltungsmöglichkeiten religiöser Kommunikation und nicht zuletzt nach den Chancen und Grenzen kirchlich verantworteter Praxis zu analysieren und zu reflektieren. (2) Für die hier vorgelegte praktisch-theologische Gesamtdarstellung ist der Theologiebezug der Praktischen Theologie konstitutiv. Es werden biblische, kirchen-und dogmengeschichtliche Traditionen und Impulse aufgenommen und nach der gegenwärtigen Relevanz von zentralen Theologumena evangelischer Theologie für die religiöse Praxis gefragt. Dabei wird auch den ethischen und politischen Implikationen der Evangeliumskommunikation Rechnung getragen. Das Buch beginnt mit einer Reflexion zum Selbstverständnis der Praktischen Theologie. Daran schließen sich religions- und kirchensoziologische Überlegungen zur Funktion von Religion, Kirche und Pfarrberuf an. Es folgen die Hauptteile der Praktischen Theologie – Homiletik, Liturgik, Poimenik und die Theorie der Kasualien. Historische Perspektiven und aktuelle Diskurse kommen dabei gleichermaßen zu ihrem Recht. Nur so ist es möglich, ein differenziertes Bild der jeweiligen Subdisziplin, ihrer Leitbegriffe und Leitfragestellungen zu gewinnen. Abgeschlossen wird das Lehrwerk mit zwei kleineren Kapiteln zu den Themen Diakonie und Medienkommunikation. Die praktisch-theologische Reflexion erfolgt dabei nicht nur deskriptiv, sondern auch handlungsorientiert. Sie zielt im Sinne Schleiermachers auf die Verbesserung der religiösen und kirchlichen Selbstwahrnehmung und Praxis.“ (XVf.) Die Verfasserin geht insgesamt von folgendem Verständnis aus: „Praktischer Theologie geht es darum, gesellschaftliche und kirchliche Dynamiken sowie die individuelle Lebensführung differenziert beobachten zu lernen und sich dazu unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden und Perspektiven zu bedienen. Sie ist im Hinblick auf ihre Fragestellungen, Forschungsmethoden, interdisziplinären und intradisziplinären Bezüge vielfältig und entwickelt in ihrer multiplen Verflochtenheit ihr eigenes theologisches Profil. Auf diese Weise bereichert sie nicht nur den wissenschaftlichen Diskurs, sondern dient auch der Orientierung theologisch zu verantwortender Praxis, für die sie Modelle des Gelingens entwickelt.“ (31) Eine gelungene Vermittlung gegenwartsbezogenen theologischen Grundwissens!

Reflexionen, Dimensionen und praktische Umsetzungen enthält das im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht (ISBN 525-70277-2) von Heinzpeter Hempelmann, Benjamin Schliesser, Corinna Schubert, Patrick Todjeras und Markus Weimer in der Reihe „Kirche und Milieu“ herausgegebene HandbuchMilieusensible Kommunikation des Evangeliums. Im Vorwort erklären die Herausgebenden: „Die Rede von der »Kommunikation des Evangeliums« ist aus der Praktischen Theologie und der kirchlichen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Vor über 50 Jahren brachte Ernst Lange sein Anliegen mit diesem Ausdruck auf den Punkt: »Wir sprechen von Kommunikation des Evangeliums und nicht von 'Verkündigung, oder gar Predigt', weil der Begriff das prinzipiell Dialogische des gemeinten Vorgangs akzentuiert und außerdem alle Funktionen der Gemeinde, in denen es um die Interpretation des biblischen Zeugnisses geht – von der Predigt bis zur Seelsorge und zum Konfirmandenunterricht – als Phasen und Aspekte ein- und desselben Prozesses sichtbar macht.«. Die Formel machte Furore, wurde weiterentwickelt und zu einem Leitbegriff von groß angelegten praktisch-theologischen Entwürfen. Ebenso hat sich die Milieutheorie in den vergangenen Jahren einen festen Platz im praktisch-theologischen Diskurs erobert. Auch die Kirchen setzen sich intensiv mit den Haltungen der verschiedenen Milieus zu religiösen Fragen und Praktiken auseinander. Der zweite Band der Reihe »Kirche und Milieu« mit dem Titel »Auf dem Weg zu einer milieusensiblen Kirche« dokumentiert dieses Anliegen eindrücklich. In den beiden anderen Bänden der Reihe haben wir uns mit den kirchlichen Kernhandlungen Taufe und Bestattung auseinandergesetzt. Ziel der Reihe ist es, Impulse und Inspiration für milieusensibles kirchliches Handeln vor Ort zu bieten und zu einer wachen Wahrnehmung der Lebenswelten der Menschen einzuladen. Der vorliegende Band »Milieusensible Kommunikation des Evangeliums« knüpft an diese Vision an. Er bringt Ernst Langes Schlagwort mit der Lebensweltforschung ins Gespräch: Wenn wir das biblische Zeugnis dialogisch vergegenwärtigen, tun wir dies nicht eindimensional bloß mit Worten, so zentral das Wort in Kirchen reformatorischer Prägung auch ist (solo verbo). »Kommunikation des Evangeliums« ereignet sich auch mittels unterschiedlicher Medien. Ihr Gelingen hängt von etlichen Faktoren wie dem Zeitpunkt/-raum, dem Ort, der Performanz, der Dimension des Persönlichen, des Sinnlichen, aber auch der ethischen und sozialdiakonischen Konkretion ab. All diese Dimensionen, die freilich nur eine Auswahl darstellen, werden· in dem Band praxisrelevant für die SINUS-Milieus durchkonjugiert unter der Leitfrage, wie wir in unserem kirchlichen Handeln eine milieusensible Kommunikation des Evangeliums fördern können. Die Reihe »Kirche und Milieu« will Theorie und Praxis verbinden. Das Ansinnen spiegelt sich auch in der Struktur des Bandes wider: In einem ersten Hauptteil finden sich orientierende Beiträge zu den beiden Themenfeldern »Kommunikation des Evangeliums« und »Milieutheorie«, der zweite Hauptteil beleuchtet die verschiedenen Dimensionen (verbal, medial, temporal, lokal, performativ, persönlich, diakonisch, sinnlich) zunächst in einem grundsätzlichen Beitrag, und ein bzw. zwei weitere Beiträge sind stärker an der Praxis ausgerichtet. Beschlossen wird dieser Teil von einem Literaturbericht, der eine Schneise schlägt in den Wald der zahlreichen Publikationen zum Thema. Der dritte Hauptteil bietet eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse in tabellarischer Form, darüber hinaus finden sich dort Illustrationen und Kurzübersichten für die konkrete Arbeit in der Gemeinde, die auch als digitales Zusatzmaterial zum Download bereitstehen. Das Fazit nimmt in Rückblick und Ausblick einige der zentralen Fragestellungen des Bandes auf und versucht, Impulse für ein weiteres Gespräch zu geben.“ (13f.)

Warum wir theologisches Nachdenken brauchen untersucht Hans-Martin Gutmann in seinem im EB Verlag (ISBN 86893-321-5) veröffentlichten Buch Engagierter Protestantismus. Darin „werden theologische Orientierungen vorgestellt, die gegenüber dem theologisch-kirchlichen Mainstream ihrer Zeit nicht dominierend und teilweise widerständig waren. Ihre zeitgenössischen Protagonist*innen lagen zudem in vielen zentralen Punkten im Streit miteinander. Dieser Streit muss aber so heute nicht mehr geführt werden. Diese Untersuchung wählt deshalb einen anderen Weg. Die in diesem Buch aufgearbeiteten Traditionen werden mit Hilfe ihrer historisch-gesellschaftlichen Kontextualisierung so verstanden, dass ihre Perspektiven einander nicht ausschließen, sondern für theologische Orientierung heute in Wahrheit einander notwendig brauchen: Als notwendige Verbindung von Parteilichkeit, Gestaltfindung, Deutlichkeit und Selbstdistanz – und sozialer Verantwortung. In meinen Augen sind dies entscheidend notwendige Dimensionen eines engagierten Protestantismus heute – in der deutschen Gesellschaft unter der Bedingung pluraler und zunehmend krisenförmiger Gesellschaftlichkeit in globalem Kontext. Die Kirche muss ihre Milieuverengung aufbrechen und mehr Energie in den Austausch mit den Menschen unserer Zeit investieren. Dafür können die in diesem Buch begangenen theologischen Spuren heilsame Erinnerungen lebendig machen. Die wichtigste theologische Entwicklung der Nachkriegszeit, die ökumenische Befreiungstheologie, wird in diesem Buch nicht in ihren Positionen vorgestellt, sondern als Methode angewendet. Durch die konsequente historische und gesellschaftliche Kontextualisierung theologischer Aussagen und kirchlicher Praxis kann diese Methode auch Entscheidungen und Positionalisierungen ans Tageslicht bringen, die in der Eigenlogik der theologischen Konzepte nicht gewollt waren. Diese methodische Voraussetzung erlaubt, bei aller deutlichen Sympathie, eine kritische Distanz zu den in diesem Buch versammelten theologischen, aber auch politischen Positionen.“ (13f.) Das impulsreiche Buch endet mit einer Ermutigung für die Inhalte des Konziliaren Prozesses zu kämpfen: „Es muss heute darum gehen – und hier kann engagierter Protestantismus eine wichtige Stimme sein –, Kompetenzen und Handlungsbereiche zu erweitern, in denen Menschen einander nicht als Mittel, sondern als Zweck ansehen. Die gottesdienstliche, diakonische, seelsorgliche und öffentlich-politische Arbeit der Kirche kann helfen, diese Handlungsbereiche in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit darzustellen und zu erweitern. Engagierter Protestantismus wird daran mitarbeiten, die „freie Liebespflege", also das hilfreiche Engagement von Menschen außerhalb von kirchlich-institutionellen Strukturen zu unterstützen. Wie kann den zerstörerischen Folgen einer – mittlerweile konkurrenzlos gewordenen – totalen „freien" Marktwirtschaft begegnet werden? Wie können sie eingefangen, gemindert, begrenzt werden in innenpolitischer (soziale Polarisierung, Umweltzerstörung, Preisgabe von Grundrechten des Grundgesetzes) und globaler (Krieg, Hunger, politische Entrechtung, Flüchtlingsbewegungen) Perspektive - ohne den damit verbundenen Überforderungen durch Vereinfachungen zu begegnen, die selbst wieder zerstörerische Folgen haben werden? Solche Vereinfachungen lassen sich vielerorts beobachten: Sei es, dass die brisanten Aufgabenfelder aus dem Eigentlichen, dem „Proprium" der Kirche ausgegrenzt oder umgekehrt selbst zur Bekenntnisfrage dogmatisiert werden. Sei es, dass die eigene Hilflosigkeit in blinder Betriebsamkeit oder aber im Rückzug aus Problembereichen ausagiert wird. Engagierter Protestantismus beinhaltet auch die Perspektive, die kirchliche Arbeit zu entprofessionalisieren und die christliche Gemeinde insgesamt als Subjekt ihrer Praxis wahrzunehmen. Als Ziel kann formuliert werden: Die Kompetenz aller Betroffenen soll in einer Kommunikation entfaltet werden, die wechselseitig verbindlicher Beziehung genauso Raum lässt wie der Entfaltung individueller Lebensstile. Besser als andere gesellschaftliche Orte kann die christliche Gemeinde zu einem Lernfeld werden, wie Ermutigung zur Solidarität mit der Wahrnehmung der Anderen in seiner*ihrer Eigenständigkeit versöhnt werden kann. Engagierter Protestantismus kann ein Raum werden, individuelle Freiheit und soziale Verantwortung zu verbinden. Weil wir nicht alles richtig machen müssen – auch in dem, was wir als notwendig erkennen. Weil die Geistkraft Gottes Mut und Lebensmacht schenkt, für das Leben einzutreten. Im Kampf für Gerechtigkeit. Für Frieden. Für die Bewahrung der Schöpfung.“ (299f.)

Wie Seelsorge wirkt lautet der Titel der von Kerstin Lammer im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-036424-0) in der Reihe „Praktische Theologie heute“ veröffentlichten empirischen Evaluationsstudie zu vier Seelsorge-Modellprojekten der EKD. Im Fazit zu ihrer innovativen Untersuchung schreibt die Autorin: „Die Zielgruppenerreichung der Seelsorge war in den evaluierten Modellprojekten gegenüber der anderer kirchlicher Handlungsfelder bemerkenswert: Es wurden in vergleichsweise höherem Maße Erwachsene mittleren Alters (50 % U50; 35 % U40), Erwerbstätige (60 %), Männer (42 %) und Nicht­Kirchenmitglieder (28 % erreicht. Die Zufriedenheit mit der Seelsorge ist bei allen Beteiligten außerordentlich hoch; dies entspricht Vorbefunden. Erwartungen an die Seelsorge bzw. an die Seelsorgedienstleistungen der Kirche wurden von Adressat_innenseite (übereinstimmend mit Vorbefunden) eher im Bereich psychosozialer bzw. therapeutisch-zwischenmenschlicher als im Bereich religiös-spiritueller Unterstützung gestellt. Unter den Anlässen zur Inanspruchnahme der Seelsorge wurden religiös-spirituelle Bedarfe zu 0 % genannt; das Erwartungsprofil rituelle/religiöse Stärkung war am wenigsten vertreten (23 %), dagegen das Erwartungsprofil Selbstthematisierung und Akzeptanzerfahrung (46 %) am häufigsten. Ein anderes Bild zeigt sich im Blick auf die Wirkungen. 90 % der befragten Adressat_innen bewerten die Seelsorge im Vergleich zu anderen kirchlichen Handlungsfeldern als besonders wichtig oder wichtig; aus der qualitativen Adressat_innenbefragung wird deutlich, dass die Seelsorge für eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben der Kirche gehalten und an die Kirche die Erwartung geäußert wird, sich durch die Seelsorge weniger als „starre" Institution und vielmehr als den Menschen und ihren Lebenslagen und Lebensthemen in relevanter Weise zugewandt zu zeigen. Auf Anbieter_innenseite war das Anliegen, psychosoziale Nöte und Krisen zu lindern, prioritär vertreten; daneben an eher nachgeordneter Stelle auch die Anliegen, Adressat_innen bei der „Sinn- und Gottsuche" zu unterstützen und deren Kirchenbild und Kirchenbindung zu verbessern. Für sich selbst erwarteten die Seelsorger_innen Kompetenzzuwächse und berufliche und persönliche Sinnerfüllung durch die Seelsorgearbeit. Quantitativ konnten drei Erwartungsprofile und vier Wirkungsprofile, vor allem aber diverse anzunehmende Wirkfaktoren der Seelsorge identifiziert werden. Die wichtigsten Befunde im Blick auf anzunehmende Wirkfaktoren der Seelsorge sind: Ergebnisse der Psychotherapieforschung, nach denen die Beziehungsgestaltung bzw. die interpersonale Kompetenz der Berater_innen der stärkste anzunehmende Wirkfaktor der Beratung ist und methodische Variablen sich vergleichsweise deutlich geringer auswirken, konnten hier erhärtet werden. Als weitere anzunehmende Wirkfaktoren erwiesen sich entgegengebrachtes Verständnis, Segnungshandlungen und Dauer der seelsorglichen Zuwendung. Adressat_innenbezogene Variablen wie Geschlecht, Bildungsstand, Kirchenbindung und Eigeninitiative zur Inanspruchnahme der Seelsorge konnten dagegen im Unterschied zu Vorbefunden nicht als Prädiktoren bzw. anzunehmende Wirkfaktoren bestätigt werden. Einzig die adressat_innenbezogene Variable Alter zeigte sich als schwach wirksam, allerdings mit im Vergleich zu Vorstudien umgekehrtem Vorzeichen: jüngere Adresssat_innen waren in den EKD-Seelsorge-Modellprojekten tendenziell zufriedener mit der erlebten Seelsorge als ältere. Als Wirkfaktoren konnten quantitativ errechnet werden: Die Qualität der seelsorglichen Beziehungsgestaltung, das entgegengebrachte Verständnis und die Segnung.“ (321f.) Insgesamt konnte quantitativ und qualitativ ein breites Spektrum an Wirkungen der Seelsorge identifiziert werden. Der interessante Band schließt mit den Feststellungen: „Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Seelsorgearbeit in den EKD-Seelsorge­Modellprojekten Zielgruppen erreicht hat, die in der gesamtkirchlichen Arbeit sonst weniger erreicht werden und hohe und breite Wirkungsgrade bei allen Beteiligten erzielten konnte. Offenbar hat die Seelsorge in den EKD­Modellprojekten u. a. zur Steigerung der beruflichen Kompetenz, Zufriedenheit und Sinnerfüllung der hauptamtlichen Anbieter_innen, zur Wertschätzung kirchlicher und pastoraler Kompetenzen bei anderen Hilfeagenturen und Berufsgruppen sowie zur Steigerung der Lebensqualität und zur Lebensvergewisserung der Adressat_innen beitragen können. Als ausschlaggebende Wirkfaktoren konnten die Qualität der seelsorglichen Beziehungsgestaltung, die entgegengebrachte Verständnis und die Symbol­ und Ritualkompetenz der Seelsorger_innen identifiziert werden. In bemerkenswert vielen Fällen und in erstaunlich hohem Maße ist die Seelsorge auch zur missionarischen Gelegenheit für die Kirche geworden – offenbar um so mehr, je weniger sie mit missionarischer Absicht und mit missionarischem Impetus daherkam.“ (325). Inhaltlich sehr gut passt an dieser Stelle das als vierter Band in der Reihe "Evangelische Berichterstattung“ im Waxmann Verlag (ISBN 8309-4041-8) vom Comenius-Institut herausgegebene Werk Evangelische Schulseelsorge. Empirische Befunde und Perspektiven. Den Autoren Thomas Böhme, Harmjan Dahm und Peter Schreiner gelingt unter Mitarbeit von Nicola Bücker eine hervorragende empirische Betrachtung und Weiterentwicklung dieses kommunikativen, schultheoretisch fundierten Geschehens im Lern- und Lebensraum Schule, eine eindrucksvolle Erschließung des Selbstverständnisses, der Tätigkeiten und Zielvorstellungen der fortgebildeten Seelsorgerinnen und Seelsorge in der Schule sowie eine präzise Erfassung der Fülle der bestehenden Formen und deren Bedeutung für die konkrete Praxis der Schulseelsorge! In Resümee und Ausblick werden die zehn wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst(106-112).

Regina Polak ist die Verfasserin der beiden spannenden Bände Migration, Flucht und Religion. Praktisch-Theologische Beiträge Band 1: Grundlagen (ISBN 7867-3088-0) und Band 2: Durchführungen und Konsequenzen(ISBN 7867-3104-7), die beide im Grünewald Verlag erschienen sind. Der erste Band widmet sich theologisch-hermeneutischen sowie sozialwissenschaftlichen und empirischen Grundlagen der Frage nach dem Verhältnis von Migration, Flucht und Religion und gliedert sich in zwei Teile: „Der erste Teil befasst sich mit dem Phänomen Migration als einem „Ort der Theologie" und bietet eine Fülle theologischer Zugänge zu einem vertieften Verständnis des Phänomens. Der Beitrag „Flucht und Migration als Chance?" zeigt – als eine Art theologischem „Vorzeichen" – auf der Basis einer Situationsanalyse, dass diese Phänomene auch als „Enthüllungsvorgänge" gesehen werden können, die die Sünde von Menschen ebenso sichtbar machen wie sie sich in einen Ort der Erfahrung der Gnade Gottes verwandeln können. Dies geschieht, indem sie die Möglichkeit bieten, in Verschiedenheit und Gerechtigkeit zusammenleben zu lernen. Der Beitrag ,,Migration als Ort der Theologie" beschreibt zunächst aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive die Herausforderungen, vor die das „Age of Migration" Theologie und Kirche stellt. Auf der Basis zweier theologischer Konzepte – den „Zeichen der Zeit" und den “loci theologici" im Sinne theologiegenerativer Orte – wird Migration sodann theologisch reflektiert, um im nächsten Schritt auf der Basis von Gesprächen mit Migrantinnen kritische Rückfragen an die Theologie zu stellen und den Wunsch nach mehr Migrationssensibilität zu formulieren. Den Anforderungen und Fragen, die sich für Theologie und Kirche stellen, widmet sich vertieft auch der Beitrag ,,Migration: Herausforderung für Theologie und Kirche". Dazu gehören u.a. die Wahrnehmung der Veränderungen in der Aufnahmegesellschaft sowie die Sensibilität für die Subjekte der Migration, die Sprache über Migrantinnen und die wissenschaftliche Theorienentwicklung. Migration wird aus biblischer und systematischer sowie der Sicht des kirchlichen Lehramtes reflektiert. Eine Fülle an Reflexionsfragen, denen man sich in der Praxis stellen kann, soll schließlich dabei helfen, Migration zum Segen werden zu lassen. Sie ranken sich um die Themen kultureller und religiöser Diversität, Gerechtigkeit und Religion im öffentlichen Raum. Der Beitrag „Migration: Heimkehr zu Gott und seiner Sozialordnung" legt abschließend eine praktisch-theologische Auslegung der Heiligen Schrift vor und zeigt, dass und inwiefern Migration ein zentraler Lernort für Glaube und Theologie zahlreicher biblischer Texte war – und auch hinkünftig werden kann. Der zweite Teil des ersten Bandes bietet sozialwissenschaftliche Perspektiven und vertieft so den empirischen Einblick in das Phänomen Migration. Der Beitrag „Religion im Kontext von Migration: mehr als ein Integrationsfaktor" reflektiert ausgewählte religions- und sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse zu diesem Thema. Wie sich Religion im Kontext von Migration zeigt – in der Forschung lange ein unterbelichtetes Thema – wird am Beispiel Wien exemplarisch verdeutlicht. Sodann wird im interdisziplinären Gespräch begründet, warum bei einer Analyse von Migration Religion nicht ausgespart werden darf und worin der Gewinn liegt, sich mit Religion im Kontext von Migration interdisziplinär und theologisch zu beschäftigen. Der Beitrag „'Wir sind keine Indianer!' Pastoraltheologische Reflexionen zu den Erfahrungen einer katholischen Migrationsgemeinde in Wien" widmet sich christlichen Migrationsgemeinden und zeigt auf der Basis inhaltsanalytisch ausgewerteter Leitfadeninterviews mit Mitgliedern einer kroatischen Gemeinde in der Erzdiözese Wien Einblicke in Bedeutung und Funktion einer solchen Gemeinde für Migrantlnnen. Diese Interviews wurden im Rahmen meines qualitativ-empirischen Forschungsprojektes „Religiosität und Migration" (2012-2013) zur Frage durchgeführt, wie diese sich wechselseitig verändern. Ausgewählte Ergebnisse, die anhand konkreter Erfahrungen von kroatischen Katholiklnnen, deutschen ProtestantInnen und serbisch-orthodoxen Gläubigen verdeutlichen, welche Rolle Religiosität im Migrationsprozess spielt und ob bzw. wie sie sich dabei verändert, werden im Beitrag „Die Erfahrungen von Migrantinnen zur Sprache bringen" erstmals veröffentlicht. Den Abschluss bildet ein Beitrag zum Verhältnis „Religion und Integration: Ein exemplarischer Überblick", der sich jenem Thema widmet, das in der öffentlichen Diskussion zumeist im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Der Beitrag gibt Einblick in ausgewählte Theorieansätze und eröffnet differenzierte Sichtweisen auf das Thema Integration sowie die Rolle, die Religion darin spielt, spielen kann und soll.

Die acht Beiträge des vorliegenden Bandes bilden die Basis für weiterführende praktisch-theologische Überlegungen, die im zweiten Band: „Konsequenzen und Vertiefungen" entfaltet werden und sich vor allem der Frage des Zusammenlebens – der Convivenz – in einer Migrationsgesellschaft und den Herausforderungen für Theologie und Kirche widmen.“ (20f.) Passend zu diesem Thema empfiehlt sich die Lektüre des in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-05840-2) von Andrea Bieler, Isolde Karle, HyeRan Kim-Cragg und Ilona Nord herausgegebenen Bandes Religion and Migration. Negotiating Hospitality, Agency and Vulnerability. Die Autorinnen schreiben in ihrer Einführung: „The book is divided into three parts. The organizing principle of the book is thematic. A thematic approach strives for a holistic integration of theoretical and practical perspectives of the academic discourse on religion and migration. These themes serve as a frame of reference and sites of negotiation for reflecting on migration realities, and creating and changing religious meanings and practices. The first theme in part 1 is Migrants' Agency and Changing Landscapes of Religion where authors deal with the agency of migrants and how migration affects changes in religious practices and reasoning. Agency is understood as the conscious shaping of belief and practice; it includes as well the responses to difficult and at times threatening circumstances that people on the move experience. (…) The second section of the book is devoted to Rethinking Hospitality and Horne. It probes a critical interrogation of both notions. Both of these are powerful constructs that undergird religious and political practices and discourse. Both are highly ambiguous. lt is under debate if these concepts are helpful at all for a critical theological reflection on migratory practices. (…) Part 3 deals with the themes Public Discourse and Religious Practice in which is­sues of vulnerability and agency are negotiated. Practices such as Pentecostal healing, interpreting the bible as a spiritual, cultural and political resource for people on the move and addressing issues about migration in preaching and public Speech will be brought to the fore. (…) Finally, we hope that readers will find this book and its conversational journey helpful. Together, the chapters call for robust scholarship on religion that is in conversation with migration studies. Such scholarly work is in need of a delicate and deliberate theoretical discourse, which is non-binary between theory and practice, between mundane and sacred, between secular and religious, and between host and guest. We hope this book serves as an invitation to all who are interested in nuancing the intricacies that are integral to the diversity of migration experiences that are implicated in religious communities. lt strives to offer a sustained and nuanced articulation of ambiguity and ambivalence, promise and peril that are involved in migration as a nexus of and locus for theological reflection and for negotiating sites of hospitality, agency and vulnerability.” (12ff.) Dies ist zweifellos gelungen!

Also kommt nicht mehr der Weihnachtsmann, sondern es kommt das Christkind. Ethnografische Fallstudie zur religiösen Elementarbildung in mehrheitlich konfessionslosem Kontext lautet der Titel der ebenfalls bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN374-06217-1) veröffentlichten Hallenser Dissertation von Sabine Blaszcyk. Die annähernd 700 Seiten umfassende innovative Untersuchung versteht sich als „praxeologischer Beitrag zur Erforschung religiöser Bildung im Kontext mehrheitlicher Konfessionslosigkeit und erweitert damit die bisher kleine Datenbasis zu religiösen Lernprozessen in ostdeutschen Kindertageseinrichtungen. Die Untersuchung stellt empirische Befunde zur Verfügung, die in Sachsen­Anhalt in der Kita »Waldkinder« erhoben wurden. Diese Einrichtung wechselte im Jahr 2010 von einer bisher kommunalen in eine evangelische Trägerschaft. Im Projektzeitraum (Juni 2013 - Mai 2014) waren sowohl Erzieherinnen wie auch Familien mehrheitlich konfessionslos. Die Studie geht vor allem der Frage nach, mit welchen sozialen Ordnungen und Praktiken religiöse Bildung in diesem Bezugsrahmen hergestellt wird. Zugleich – und bisher einmalig in der deutschen Forschungslandschaft der Religionspädagogik – wird empirisches Material zu einem Trägerwechsel erhoben.

Die Studie gliedert sich in vier große Hauptkapitel. Die Abfolge der Kapitel entspricht nicht der Chronologie der Untersuchung. Entsprechend ethnografischer Grundprinzipien stand am Beginn des Forschungsprojektes das Einarbeiten in diesen Stil qualitativer Forschung sowie die Aufenthalte im Feld mit der Erhebung des empirischen Materials. Die Auseinandersetzung mit religionssoziologischen Impulsen trat während der Interpretation der Daten hinzu. Die Wahrnehmung anderer religionspädagogischer Forschungsarbeiten, theoriegeleiteter Konzepte der Religionspädagogik für den Elementarbereich sowie institutioneller Verlautbarungen der evangelischen Kirche Deutschlands erfolgte erst in der Endphase der Untersuchung. Dieses Vorgehen diente der Beförderung des analytischen Befremdens – einem Grundprinzip ethnografischer Forschung. Um eine ausreichende Lesbarkeit und Einsichtnahme in die Dateninterpretationen zu gewährleisten, wurde davon Abstand genommen, die vorliegende Studie der Chronologie der einzelnen Arbeitsschritte folgen zu lassen. Kapitel A skizziert maßgebliche Kontexte des Forschungsgegenstandes: mehrheitliche Konfessionslosigkeit, Kindertageseinrichtungen (im Horizont des humanökologischen Modells) sowie das institutionelle Verständnis evangelischer Bildungsverantwortung im Elementarbereich. Einen größeren Raum nimmt anschließend der Überblick zur bisherigen religionspädagogischen Forschungslandschaft im Elementarbereich ein. Diese Analyse dient nicht nur dem Zweck, die vorliegende Studie hinreichend zu begründen. Da die bisherige religionspädagogische Forschung im Elementarbereich fast ausschließlich theorie­orientierte Empirie ist, gewährt die Übersicht zugleich Einblicke in aktuelle Diskurse um die religiöse Bildung in diesem Feld der Religionspädagogik. Die Zugrundelegung eines theoriegeleiteten religionspädagogischen Konzeptes erfolgt für die vorliegende Studie nicht, da eine solche Rahmung dem praxeologischen Forschungsansatz der Studie widerspräche. Kapitel B stellt das ethnografische Design der Studie vor. Da im Bereich der Praktischen Theologie bzw. der Religionspädagogik Deutschlands ethnografische Forschung keineswegs geläufig ist, ist es notwendig, dieses Forschungsprogramm detaillierter darzulegen. Dazu werden zunächst allgemeine Bezüge zur Praxeologie aufgewiesen, um die Grundprinzipien der Ethnografie in den Kontext sozialwissenschaftlicher Forschung einzubetten. Daran anschließend wird der Frage nachgegangen, wie religiöse Praxis überhaupt praxeologisch erforscht werden kann. Dabei kommen zwangsläufig Reflexionen zum Religionsbegriff und die religionssoziologischen Impulse des Ethnografen und Soziologen P. Bourdieu sowie die raumsoziologischen Ideen des Soziologen B. Latour in den Blick, die sich in der Interpretationsphase der erhobenen empirischen Daten als wesentliche und hilfreiche Referenzgrößen erwiesen. Daran anschließend wird die Methodologie der Ethnografie im Allgemeinen wie im speziellen Fall der vorliegenden Studie entfaltet. Kapitel C bildet den Hauptteil der Studie und widmet sich der Darlegung der empirischen Befunde mittels des humanökologischen Modells. Den Kern der Untersuchungen stellen die ethnografischen Beobachtungen in der Kita »Waldkinder« dar. Diese Analysen und Befunde bilden den umfangreichsten Teil im Kapitel (C IV) und folgen in ihrer Systematik dem Kodierparadigma der Grounded Theory. Die Befunde der Interviews sowie der Dokumentenanalyse sind notwendige Ergänzungen, um einerseits die religiöse Bildung in der Kita »Waldkinder«, möglichst komplex wahrzunehmen und andererseits den Trägerwechsel 2010 nachträglich zu erhellen. Kapitel D widmet sich ausgewählten Befunden in religionspädagogischer Perspektivierung.“ (6ff.) Als sechster Band der Evangelischen Bilungsberichterstattung ist vom Comenius-Institut im Waxmann Verlag (ISBN 8309-9152-6) das Buch Kirche mit Kindern unterwegs. Empirische Befunde – Konzepte – Desiderate erschienen. Die beiden Herausgebenden Kirsti Greier und Bernd Schröder stellen im Vorwort die Gliederung der Beiträge in vier Kapitel vor: „Kommentare aus praktisch-theologischer Perspektive stellen wissenschaftliche Sichtweisen auf dieses Praxisfeld dar, das in Praktischer Theologie und Religionspädagogik zumeist nur am Rande in den Blick kommt. Obschon „wissenschaftlich", sollen und wollen sie verständlich und nachvollziehbar Reflexionsräume und Herausforderungen identifizieren. Kommentare aus ökumenischer und interreligiöser Perspektive weisen auf analoge Angebote in anderen christlichen Konfessionen und vergleichbare Bildungsformen für Kinder in anderen Religionen hin. Ursprünglich war uns hier an einem deutlich weiteren Spektrum an Beiträgen gelegen, doch es erwies sich als unmöglich, weitere Autorinnen und Autoren zu gewinnen, die jeweils aus der Binnensicht anderer Denominationen oder Religionen heraus einen entsprechenden Beitrag schreiben. Das Kapitel Vertiefung: Die Vielzahl der Angebote, ihre historischen Wurzeln und ihr konzeptionelles Profil leuchtet Hintergründe aus: Es beschreibt Spielarten gottesdienstlicher Angebote mit Kindern, deren Kenntnis im Bildungsbericht vorausgesetzt wird, aber womöglich nicht vorausgesetzt werden kann. Die abschließenden Folgerungen für die Praxis und die Ausbildung stammen aus der Feder professioneller oder langjährig erfahrener ehrenamtlicher Akteurinnen bei der Konzipierung und Durchführung gottesdienstlicher Angebote für Kinder. Hier steht die Frage im Zentrum, wie das Arbeitsfeld weiterentwickelt werden kann und soll, wie die vielen – schon jetzt bemerkenswert zufriedenen – Mitarbeitenden weiterhin gut und womöglich noch besser unterstützt und gefördert werden können.“ (8) Ein gelungener Beitrag, den gottesdienstlichen Angeboten mit Kindern in Kirche und Theologie in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen!

In ihrem im Matthias Grünewald Verlag (ISBN 7867-3190-0) veröffentlichten Buch Was ist Stunde schlägt. Eine ästhetisch-theologische Zeitansage mit Kunst begeben sich Claudia und Stefan Gärtner auf die Suche nach der Zeit mit Kunstwerken als Kompass. Sie schreiben dazu in der Einleitung: „Wer heute die Zeit wissen will, die oder der ruft dafür in der Regel nicht mehr bei der Auskunft an oder schaut den Kirchturm hinauf. Wir sind von Uhren und anderen Zeitmessern umgeben. Doch damit ist die Frage, was die Stunde schlägt, nur oberflächlich beantwortet. Auch dass der Mensch ein zeitliches Wesen ist, reicht als Antwort nicht aus. Die Zeit ist mehr, dichter, bunter und tiefer als das, was die Uhr anzeigt. Die objektive Zeit ist nämlich nur eine der möglichen Zeitformen. Es gibt die subjektive Zeit, die nicht selten mit der messbaren im Streit liegt. Es gibt die lange vergessene Erinnerung, die plötzlich wieder ins Bewusstsein tritt. Es gibt die Angst vor der Zukunft, aber auch die Hoffnung. Es gibt das persönliche Zeitempfinden und den mit anderen geteilten Augenblick. Und es gibt die menschliche Lebenszeit und die Ewigkeit. Damit ist der temporale Horizont angedeutet, vor dem dieses Buch entstanden ist. Es geht darin um eine Suche nach der Zeit. Dazu sollen – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben - ihre vielfältigen Aspekte ausgeleuchtet werden. So erfahren Menschen heute zum Beispiel Beschleunigung, aber auch Entschleunigung und manchmal erzwungene Verlangsamung. Sie erleben Gleichzeitigkeit, haben die Erwartung einer besseren Zukunft, spüren den inneren Rhythmus ihres Körpers, verdrängen manchmal die Vergangenheit und sie haben Sehnsüchte. Um eine solche Fülle unterschiedlicher Zeiterfahrungen in den Blick zu bekommen, reicht theologisches Nachdenken nicht aus, selbst wenn es sich durch die Philosophie und die Sozialwissenschaften inspirieren lässt. Die Zeit hat Aspekte, die sich nur unzureichend durch wissenschaftliche Reflexion allein ergründen lassen. Inspirierend scheint da der Weg über die Kunst zu sein. Sie ist "ganz besonders fähig, uns erfahren zu lassen, wie wir als Menschen zeitlich geprägte Wesen sind. Es gibt Kunstwerke, die die Zeit aufrollen, mit der Zeit spielen, die Zeit herausfordern oder sie scheitern lassen." (Hermsen) Kunst soll darum im Weiteren nicht als bloße Illustration dessen funktionieren, was bereits über die Zeit feststeht. Ganz im Gegenteil: sie ist eine eigenständige Erkenntnisquelle. Darum bringen wir in diesem Buch ästhetische und theologische Einsichten über die Zeit miteinander in ein anregendes Gespräch. Denn ein Bild sagt mehr als tausend Worte). In Kunstwerken lässt sich aber nicht nur bloßes Wissen über die Zeit aufspüren, das den theologischen Zugriff übersteigt, diesen ergänzt und anregt. Darüber hinaus ermöglichen die ästhetischen Arbeiten selbst ein unmittelbares Erleben, weil sich die Betrachtung in Gegenwart und Geschichte vollzieht und sich dabei oftmals ein eigener Zeithorizont entfaltet. Kunst gibt also nicht nur zu denken, sondern zu schauen. Darum ist dieses Buch auch ein Bilderbuch: es lädt nicht nur zum Lesen, sondern darüber hinaus zur Betrachtung ein.“ (9)

Ingo Reuter hat im Verlag Königshausen & Neumann zwei Bücher über ungewöhnliche kulturgeschichtliche Phänomene geschrieben. Zum einen Surfaces – Oberflächen. Haut, Spiegel, Kleidung, Wasser, Bildschirm und Erde (ISBN 8260-6506-4), in dem versucht werden soll, „einiges genauer zu betrachten, das man als Oberfläche bezeichnen kann, sich den Oberflächenphänomenen der Gegenwartskultur zu nähern, um etwas davon zu erfassen. Man kann natürlich nicht einfach im Jetzt verharren. Wenn sich heute Oberflächen in bestimmter Weise zeigen, stellt sich die Frage, wie das zu anderen Zeiten gewesen ist. Welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Betrachtung des Vergangenen für heute anhand der Begriffsperspektive Oberfläche? Zu hoffen wäre, dass sich aus der Perspektive des Oberflächenbegriffs etwas Signifikantes über die Jetztzeit zeigen lässt, gerade auch im Dialog mit verschiedenen kulturellen Zeiten und Räumen.“ (9) Der Autor möchte „die Oberfläche als Resonanzfläche und Übergangsmembran zu verstehen, anhand derer sich etwas über Welt, Gesellschaft und die Menschen erkennen lässt. Es geht also gerade um eine wechselnde Blickperspektive auf der Grenze zwischen lnnen und Außen und nicht um das Zerreißen von Schleiern. Zudem ist die Beschäftigung mit der Oberfläche, dem Äußerlichen, kulturell nicht zu vernachlässigen.“ (11) Zum anderen „The Walking Dead“ Über(-)Leben in der schlechtesten aller möglichen Welten. Interpretation einer Fernsehserie (ISBN 8260-6595-8), zu dessen Beginn der Verfasser ausführt: „Zerlumpte, halbverrottete Gestalten zerren an einem Maschendrahtzaun, der sich bedenklich biegt und schließlich birst. Die Zombies brechen durch. Die wenigen überlebenden Menschen, die sich ihnen entgegenstellen, kämpfen verzweifelt entschlossen um ihr Überleben. Doch das ist nur der Anfang. Schlimmere Feinde warten: andere überlebende, bedrohlicher als die Untoten, das Unmenschliche, das in jedem Menschen schlummert... Man fragt sich: Wie geht es weiter? Geht es immer so weiter? Wo begann die Zombiekatastrophe, und wie wird alles enden? Bis jetzt tappt der Zuschauer im Dunkeln. Weder woher die Apokalypse kam, ist klar, noch wo die Reise enden soll. The Walking Dead (TWD) ist eine überaus erfolgreiche Fernsehserie. Sieht man von einigen Längen und leichten dramaturgischen Schwächen einzelner Staffeln ab, vermag die Serie zu fesseln und verführt zum Binge­Watching. Neben dem reinen Anschauen stellt sich bald schon ein Nachdenken und Assoziieren ein. Manche Bilder rufen spontan andere wach, die man schon kannte. Einiges erweist sich offenkundig als Anspielung. Angesichts mancher Folgen werden gewichtige philosophische Probleme aufgeworfen. Metaphysische Fragen kommen auf, Fragen nach Wesen und Lebensweise des Menschen, seiner Bestimmung, dem Sinn seines Lebens. Nach der Apokalypse ist vor der Apokalypse. In TWD spiegeln sich viele Fragen der Gegenwart, für die es keine Zombies brauchte. Aber die erhöhen den Druck der Fragestellungen. Die postapokalyptische Situation lässt manche Fragen wie unter einem Brennglas erscheinen. In diesem Buch lege ich eine Interpretation der Serie TWD vor. Das heißt nichts anderes, als dass versucht werden soll, die Serie nicht nur zu sehen und mitzuerleben, emotional mit zu durchleiden, sondern sie zu verstehen. Verstehen aber heißt: in Beziehung setzen. Viele Aspekte der Serie, Bilder, Personen, Handlungen, Sätze sollen verbunden werden mit Gedanken und Problemen aus Vergangenheit und Gegenwart unserer Kultur und Zivilisation. So kann ein Verstehen der Serie helfen, dass der Zuschauer sich selbst und seine Welt besser versteht. TWD offenbart einiges über die präapokalyptische Welt, die Gegenwart, das wert ist, in den Blick zu nehmen. Neben vielen Einzelanalysen durchzieht dieses Buch ein roter Faden. Die Interpretation von TWD als Gesamtwerk mündet in zwei grundlegende Thesen. Die erste These lautet: TWD ist ein dystopischer Weltentwurf, der radikal pessimistisch über Mensch und Gesellschaft urteilt und keinerlei Raum für Hoffnung und Erlösung lässt.TWD verkörpert filmisch ein Zeitgefühl, das die Lage des Menschen als wenig hoffnungsvoll und sein Wesen als gefährlich und gefährdet beurteilt, wo zivilisatorische Schranken wegfallen. Da, wo die schützenden Institutionen der Zivilisation wegbrechen, droht auch der Mensch in einen Naturzustand zurückzufallen, in dem er für seinen Nächsten ein Raubtier ist. Ein Kampf aller gegen alle droht. Wie mit einer solchen Diagnose umzugehen ist, ist Frage und Herausforderung in einem. Zuerst einmal gilt es, die verheerende Diagnose, die uns die Drehbuchschreiber entgegenschleudern, zur Kenntnis zu neh­men. Zu fragen ist sodann danach, welche Konsequenzen man aus diesem serienepischen Monument der Verzweiflung zieht. Die zweite These lautet folglich: TWD ist eine filmische Mahnung, die Zivilisation mit ihren Institutionen zu bewahren, die Versorgung, Rechtssicherheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden gewährleisten können. Denn jenseits dessen warten die Wölfe. Oder die Zombies.“ (7f.)

3 Biblisch-Theologische Perspektiven

In der bewährten Reihe „Studienbücher Theologie“ ist im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-036108-9) in dritter, überarbeiteter Auflage und auf dem neuesten Stand der Fachdiskussion das Standardwerk Einleitung in das Neue Testament von Martin Ebner und Stefan Schreiber herausgegeben worden. Das über 600 Seiten umfassende Studienbuch möchte „grundlegende Fragen klären, die sich vor der Lektüre eines neutestamentlichen Buches stellen, z.B. nach dem Verfasser oder der Zeit der Abfassung. Daher orientiert sich die vorliegende Einleitung weitgehend an der kanonischen Reihenfolge der Bücher: Auf eine Einführung zu Kanon und Text (Teil A) folgen die Evangelien (Teil B), die Apostelgeschichte (Teil C), die Briefe (Teil D) und die Offenbarung (Teil E). Übergreifende Fragen sind in jedem Teil an den Anfang gestellt. Die Behandlung der einzelnen Schriften gliedert sich grundsätzlich in drei Abschnitte, so dass man rasch die Antwort auf spezielle Fragen finden kann: (1) Struktur: Bei narrativen Texten wird die innere Struktur der Erzählung (Plot), bei diskursiven Texten die Struktur der Argumentation analysiert. (2) Entstehung: Darunter werden nicht nur die Abfassungszeit, sondern auch verarbeitete Quellen und Traditionen, Vorstufen des Textes bzw. Teilungshypothesen diskutiert. (3) Diskurs: Die Perspektive wird dargestellt, unter der die christliche Botschaft profiliert wird: in welches kulturelle Milieu sie spricht, wogegen sie sich absetzt, welche Inhalte sie dafür einsetzt. Es wird gezeigt, wie sich »Theologie« in geschichtlichen Situationen entwickelt.“ (9) Eine umfangreiche bibeldidaktische Studie zum ´Kanon im Kanon´ ausgewählter bibeldidaktischer Konzeptionen, Lehrpläne und Religionsbücher legt Julian Enners mit seiner im LIT Verlag (ISBN 643-14200-9) veröffentlichten Siegener Dissertation ´Kanon im Kanon´ und Bibeldidaktik vor. In der Hinführung schreibt der Verfasser zum Aufbau seiner Arbeit: „Diese Arbeit folgt der Ausgangsthese, dass ein bibeldidaktischer „Kanon im Kanon" des Religionsunterrichts existiert. Diesen gilt es zu ermitteln, seine Zusammensetzung zu gewichten und kritisch zu würdigen. Dass dieser „Kanon im Kanon" nicht einfach einem Missverständnis entspringt, sollte klar sein. Er ist das Resultat der Notwendigkeit des Auswählens. Angesichts der Fülle des Kanons hat es schon seit langer Zeit und mit sehr verschiedenen Ausgangspunkten Versuche der Reduzierung auf das Wesentliche und des Herausstellens von Elementarem gegeben. Hierauf gilt es zunächst zu achten. Diese Arbeit beginnt mit einem Überblick über das Werden des Kanons und markante Versuche einer Würdigung des Kanons. Danach werden auch Versuche des begründeten Eruierens eines Kanons im Kanon dargestellt und beurteilt. Eine eigene Positionierung stellt den Abschluss dieses Kapitels dar. Darauf folgt eine Darstellung des kompetenzorientierten Paradigmas und seiner Implikationen für die Inhaltsseite des Religionsunterrichts im Allgemeinen und die Bibeldidaktik im Speziellen. Eine groß angelegte Umsteuerung des Bildungswesens hat die Schulen und mit ihnen auch den konfessionell gebundenen Religionsunterricht erfasst. Deren Voraussetzungen und Auswirkungen sollen, zugespitzt hinsichtlich des Horizonts dieser Arbeit, geklärt werden. Relevant sind sie hier insofern, als die Umsteuerung für den Unterricht eine Outcomeorientierung im Gegensatz zu einer Inputorientierung anstrebt, was zu einer Destruktion oder doch zumindest weniger starken Pointierung eines denkbaren Kanons an verbindlichen (biblischen) Inhalten für den Unterricht führen müsste. Anschließend wird ein Analysegang durch verschiedene bibeldidaktische Konzeptionen unternommen und diese werden pointiert daraufhin befragt, ob und wie sie den Bibelkanon wahrnehmen und ob und wie sie eine Auswahl der biblischen Inhalte für den Religionsunterricht grundlegen. Danach werden schulische Lehrpläne, Richtlinien und Curricula einer Analyse unterzogen bezüglich der in sie aufgenommenen Bibelstellen und der Ziele, die mit biblischem Lernen von ihnen verfolgt werden. Ferner werden auch Religionsbücher gleichsam als Primärmedien des Religionsunterrichts in ähnlicher Weise wie die amtlichen Vorgaben untersucht: Welche Bibelstellen sind aufgenommen worden? Kommt das Religionsbuch auf den Kanon zu sprechen? Werden übergreifende Motive konturiert? Findet die Vielfalt des Kanons im Religionsbuch (annäherungsweise) Resonanz? Eine darauf folgende Längsschnittanalyse zu Gleichnissen in Lehrplänen und Religionsbüchern versucht, mittels einer Mikroperspektive, die nur eine bestimmte Gattung fokussiert und daher weniger die Fläche als vielmehr einzelne Standorte auf dieser Fläche berücksichtigen will und kann, die These der Arbeit auf einer anderen Ebene zu bestätigen. Beschlossen wird die Arbeit mit einer die gewonnenen Erkenntnisse bündelnden Sammlung von zusammenfassenden Thesen in zugespitzter Form und dem Aufzeigen von weiterführenden Forschungsperspektiven.“ (25f.) Insgesamt ein eindrückliches Plädoyer für mehr Bibel im Religionsunterricht und ganze Perikopen oder ganze Schriften! Die vierzig Gleichnisse Jesu lautet der Titel der im Herder Verlag (ISBN 451-38670-1) veröffentlichten Neuerscheinung von Gerhard Lohfink, der darin die Gleichnisse Jesu mit Diamanten vergleicht, die „schon während ihrer frühesten Überlieferung und dann vor allem in den Evangelien selbst eine Fassung erhalten haben. Edelsteinfassungen sind nicht nur selbst wertvoll. Sie sind notwendig. Sie heben den Stein hervor, halten, bewahren und schützen ihn. Und sie müssen zur Deutung der Gleichnisse Jesu mitherangezogen werden. Die Kirche braucht beides: das ständige Achthaben auf ihre Tradition und zugleich die historische Kritik, die nach dem Ursprung zurückfragt. Aber das Ganze muss noch viel radikaler formuliert werden: Wir haben das wahre Bild Jesu immer nur in der Verkündigung der Kirche und niemals an dieser Verkündigung vorbei. Peter Stuhlmacher formuliert zu Recht: »Die historische Kritik ist ein wertvolles Arbeitsmittel, aber wenn es um die Exegese biblischer Bücher geht, muss sie eingebettet werden in den Rahmen der kirchlichen Tradition.« All das musste gesagt werden, damit das Folgende nicht falsch verstanden wird. Nachdem es aber gesagt ist, kann ich zu dem kommen, worum es in diesem Buch geht. Es geht um den Ursprung. Es geht um die älteste Form der Jesusgleichnisse und um ihre ursprüngliche Aussage. Es geht also um eine der wichtigsten Fragen der Evangelienauslegung – und um Probleme, welche die Jesusforschung seit langem in Atem halten. Ich greife in diesem Buch dankbar auf die Arbeiten vieler Neutestamentler zu den Gleichnissen Jesu zurück. Allerdings geht es mir nicht um einen Forschungsüberblick und auch nicht in erster Linie um rein wissenschaftliche Auseinandersetzungen. Ich möchte nichts anderes tun, als diese kühnen und oft überraschenden Texte meinen Leserinnen und Lesern zu erschließen. (…) Auffällig ist auch, dass all diese Gleichnisse von bewundernswerter Erzählkunst zeugen. Aber wichtiger noch: Sie sprechen in einer Weise vom Kommen der Gottesherrschaft, dem zentralen Thema der Verkündigung Jesu, wie es nur im Gleichnis möglich ist. Und schließlich führen sie uns zu Jesus hin. Fast jedes Gleichnis entbirgt uns – diskret und verborgen – das Geheimnis Jesu selbst.“ (11ff.) Ebenfalls im Herder Verlag (ISBN 451-38632-9) ist der von Michael Fricke, Georg Langenhorst und Thomas Schlag herausgegebene Sammelband Jugendbibeln – Konzepte, Konkretionen, religionspädagogische Chancen erschienen, dessen Gesamttableau wie folgt aussieht: „In der ersten Abteilung ,,Konzepte" finden sich Analysen im Hinblick auf das Phänomen der Gattung Jugendbibel, die dahinterliegende Konzepte sichtbar machen. Christoph Melchior fragt nach der historischen Dimension und Entwicklung von Jugendbibeln. Nadja Boeck zeigt, wie sich die Vielfalt, die man auf dem gegenwärtigen Markt der Jugendbibeln antreffen kann, in eine Ordnung bringen lässt. Georg Langenhorst setzt sich mit der Frage auseinander, über welches Profil die Gattung „Jugendbibel" im Unterschied zur „Kinderbibel" verfügt beziehungsweise verfügen sollte. Marion Keuchen zeigt exemplarisch die Funktionen von Illustrationen in historischen und gegenwärtigen Jugendbibeln auf. Robert Schelander analysiert, welche Ziele die zusätzlichen Texte und Beigaben in Jugendbibeln erfüllen. Aus Sicht des Judentums beschreibt Bruno E. Landthaler, wie Jugendliche in der Begegnung mit der Tora ihre „jüdische Identität" ausbilden. Die zweite Abteilung „Konkretionen" gibt denen das Wort, die auf der ,,Produzentenseite" von Jugendbibeln stehen. Michael Langer stellt die „Y-Bibel" der katholischen Kirche vor und Martin Dreyer die Volxbibel als Bibelübersetzung mit Open-Source Charakter. Thomas Ebinger führt in die „KonApp" ein und stellt dabei Überlegungen zur ersten ·digitalen Jugendbibel für die Konfi-Arbeit an. Schließlich vermittelt Sandra Huebenthal einen Einblick in das jüngst auf den Markt gekommene Jugendbibelprojekt „WIR erzählen DIE BIBEL. Texte der Einheitsübersetzung aus ungewöhnlicher Perspektive". Die dritte Abteilung fragt nach „religionspädagogischen Chancen'' der Begegnung von Jugendlichen mit der Bibel. Ulrich Schwab wendet sich dem anderen Pol der „Jugendbibel", nämlich dem Konzept der „Jugend" zu und stellt dar, wie die Welt der Jugendlichen ergründet werden kann und in welchen Interessensgebieten sich Jugendliche bewegen. Hanna Roose führt in das Unterrichts- und Forschungsprojekt des „biblischen Gesprächs" ein, das einer offenen Begegnung von Jugendlichen mit der Bibel dienen soll. Martina Steinkühler fragt nach den Möglichkeiten, wie Jugendliche eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der Bibel unter den Bedingungen der Spätmoderne beginnen können und illustriert diesen Weg konkret mit Erzählbeispielen. Michael Fricke analysiert „Die Bibel in Bildern von Quint Buchholz" und deren religionspädagogisches Potential für Jugendliche. Elisabeth Naurath zeigt mit ihrem Beitrag „I bims, die Bibel". Bibeldidaktische Wege zu und mit Jugendlichen von heute" auf, welchen Grundsätzen eine moderne Bibeldidaktik folgen sollte. Thomas Schlag legt abschließend dar, inwiefern Jugendbibeln als Medium jugendtheologischer Bildung fungieren können, und nimmt dafür zugleich wesentliche Einsichten der hier versammelten Beiträge auf.“ (9f.) Simone Merkel ist die Verfasserin des in der Neukirchener Verlagsanstalt (ISBN 7615-6699-2) veröffentlichten Lese- und Lernbuches Bibelerzählen. Impulse – Methoden – Beispiele, das sich als Beitrag zur Verlebendigung des biblischen Erzählens versteht: „Mit einem ausführlichen Praxisteil zeigt es Ansätze auf dem Weg zu einer Didaktik des mündlichen Bibelerzählens. Das erste Kapitel ist ein Informations- und Theorieteil. Begriffliche Abgrenzungen und Klärungen werden vorgenommen und Begründungszusammenhänge aufgezeigt. Mit Sieben Merkmalen des Erzählens wird das Mündliche charakterisiert. Der Blick auf das System Erzähler – Hörer – Text beleuchtet das Wirkfeld des Erzählens und führt schließlich zum Imperativ des Bibelerzählens. Um das Erzählen in eine lebendige Praxis zu überführen, braucht es mehr als theoretische Betrachtungen. Darum stellt das zweite Kapitel das Mundwerk in den Vordergrund. Praxisnah und anwendungsorientiert laden vielfältige Aufgaben zum Entwickeln und freien Erzählen von Alltags- und Fantasiegeschichten ein. Anleitungen, Erklärungen und leicht nachvollziehbare Lernschritte unterstützen den Weg zur Mündlichkeit. Sieben Erzählregeln runden das Kapitel ab. Den Hauptteil des Buches bildet das dritte Kapitel mit seinem Fokus auf Bibel, Bibeldidaktik und Bibelerzählen. Es verbindet die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel mit theologischen Impulsen und Fragestellungen. Informationen, Übungen und konkrete Beispiele markieren den Weg zur individuellen Erarbeitung eines Bibeltextes. Vom Handlungsfaden der Geschichte über den Fokus des Textes bis hin zur Erzählvariante bleiben Erschließung und Aneignung persönliche theologische Arbeit. Die Anleitungen eröffnen mögliche Wege von Text über Herz und Verstand zur Mündlichkeit und ermutigen zum Erzählen. Kompakt fassen Sieben Schritte zur Erarbeitung eines Bibeltextes und Sieben Hinweise zum Bibelerzählen den Lernweg des Kapitels zusammen. Weitere Erzählbeispiele bietet darüber hinaus das vierte Kapitel. Das Verinnerlichen und Aneignen nimmt das fünfte Kapitel in den Blick. Es lenkt die Aufmerksamkeit vom Erzähler auf die Hörer und die Rahmenbedingungen der Präsentation. Sieben elementare Erzählregeln geben Tipps unter anderem auch für das Erzählen für Kinder. Erzählanlässe werden in den Blick genommen und führen schließlich mit sieben Schritten zur eigenen Erzählung zum Blick auf den gesamten Lernweg. Abschließend fragt das sechste Kapitel, was am Ende des Lernweges übrig bleibt. Es bietet sieben Ermutigungen zum kreativen Ungehorsam und wirft ein Blitzlicht auf aktuelle Entwicklungen.“ (8f.) Ebenfalls in der Neukirchener Verlagsanstalt (ISBN 7615-6701-2) ist das Praxisbuch für die Gruppenarbeit Aufstellungsarbeit mit Figuren zu biblischen Geschichten von Elke Hartebrodt-Schwier erschienen, in dessen Einleitung die Autorin schreibt: „Die Teilnehmenden dürfen sich von den Geschichten berühren lassen. Die Bibel ist angefüllt mit dem, was Menschen als ihre Erfahrungen mit Gott dort eingetragen haben. Sie begegnen den biblischen Erlebnismomenten, sich selbst und anderen. Beweglich ist auch die biblische Szene in ihrer Bedeutung fürs Hier und Jetzt. Die Teilnehmenden kehren nicht leer zurück, sondern berührt mit einem geweiteten Blick auf das, was sie selbst im Leben bewegt. Was die Seele bewegt, ist zugleich beweglich für neue Handlungswege in der Zukunft. Im ersten Teil des Buches befindet sich eine theoretische Einführung in die Methode mit vielen Tipps für die Praxis. Im zweiten Teil werden beispielhaft biblische Geschichten vorgestellt. Frauen und Männer aus dem Alten und Neuen Testament laden dazu ein, sich mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen mit Gott und Jesus auf den Weg zu machen. Sie verkörpern nicht irgendwelche Tugenden, sondern sind unterwegs zu sich selbst, um sich im Ganzen zu erkennen. Es sind Begegnungsgeschichten, die anrühren. Gleichzeitig sind es auch „Dilemmageschichten". So wie sich bei diesen biblischen Personen Sicht- und Handlungsweisen in der Begegnung mit Gott und Jesus verändern, dürfen wir uns im Entdecken und Schauen dieser Geschichten berühren und verwandeln lassen. Zu jeder biblischen Geschichte gibt es kurze Informationen zum Text. Auch der Aufbau und die Hinführung zur Aufstellungsarbeit werden beschrieben.“ (10f.)

4 Spiritualität – Theologie und Literatur

Im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht (525-56460-8) ist unter der Herausgeberschaft von Peter Zimmerling das über 920 Seiten umfassende Werk Handbuch Evangelische Spiritualität Band 3: Praxis erschienen. Nach der Geschichte und Theologie der Spiritualität geht es in diesem Band um die Praxis der Spiritualität. Er möchte „einen Überblick über die Formen geben, in denen evangelische Spiritualität heute praktisch gelebt wird. Bei der Konzeption des Bandes wurde schnell deutlich, dass sich die Praxisformen evangelischer Spiritualität inzwischen so stark ausdifferenziert haben, dass es selbst in einem Handbuch unmöglich sein würde, alle darzustellen, sodass eine Auswahl getroffen werden musste. Ein Kriterium dabei war, möglichst alle grundlegenden Formen evangelischer Spiritualität in einem eigenen Artikel zu behandeln. Darüber hinaus sollten wenigstens auch die bekannteren neueren Formen berücksichtigt werden (wie Segnung, Salbung, Kirchenräume, Lichterbäume, Meditation, Enneagramm, Exerzitien, Geistliche Begleitung, Spiritual Care, Glaubenskurse, Pilgern etc.), ohne Vollständigkeit zu erstreben. Die Vielfalt der Formen evangelischer Spiritualität hat ihre Ursache nicht zuletzt darin, dass der reformatorische Glaube sich von Anfang an durch eine „Begeisterung für das Alltägliche" auszeichnete und das ganze Leben durchdringen wollte: sowohl das individuelle als auch das gesellschaftliche. Im Laufe der weiteren Geschichte traten in der Praxis evangelischer Spiritualität immer wieder neue und andere Formen in den Vordergrund. Es gibt eine Biografie der Frömmigkeitsformen – man denke nur an die Rolle des freien Gebets oder auch des Abendmahls. Diese hängt mit Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen, aber auch mit solchen der gesellschaftlichen Gemütslage, mit theologischen Neuentdeckungen und mit Wandlungen des Gottesbildes zusammen.“ (22f.) Der Herausgeber schreibt zum Aufbau dieses eindrucksvollen Werks: „In fünf Kapiteln wird die Weite der gegenwärtigen Praxis evangelischer Spiritualität dokumentiert. Dabei setzen die einzelnen Kapitel jeweils mit den Basics ein und führen von dort in die Weite. Im ersten Kapitel werden Gemeinde und Kirche als primärer Resonanzraum evangelischer Spiritualitätspraxis beschrieben. Die Erkenntnis, dass vier Sozialgestalten für die Kirche essenziell sind (Ortsgemeinde, Regionalkirche, Universalkirche, besondere Gemeinschaften wie Kommunitäten), verbietet eine Engführung auf die Parochie als einzig legitime Gestalt von Kirche. Das zweite Kapitel geht vom Gottesdienst als dem traditionellen Zentrum der Praxis evangelischer Spiritualität aus. Nach CA, Art. 5 und 7 ist die Versammlung der Gläubigen, in der gepredigt wird und die Sakramente gefeiert werden, nicht nur der Ort, wo Kirche ist, sondern auch der Ort, an dem Gott den Gläubigen seinen Geist gibt – ubi et quando visum est deo, wo und wann es ihm gefällt. Die gottesdienstliche Gemeinschaft bekommt auf diese Weise für die Praxis evangelischer Spiritualität orientierenden Charakter. Die einzelnen Artikel dieses Kapitels beschreiben je unterschiedliche Aspekte der gottesdienstlich begründeten gemeinschaftlichen Praxis evangelischer Spiritualität. Im dritten Kapitel werden ausgehend von den Grundformen Gebet und Bibellese vor allem Formen der individuellen Spiritualitätspraxis beschrieben. Schon im Neuen Testament fungiert das persönliche Gebet als Merkmal des Christseins. Nach der Bekehrung des Paulus heißt es von ihm: „Siehe, er betet" (Apg 9,11). Für Luther bilden „oratio, meditatio, tentatio" – Gebet, Bibellese, Anfechtung – die entscheidenden Merkmale theologischer Existenz, wobei für ihn jeder Christ Theologe ist. Das vierte Kapitel beschreibt die Bedeutung gelebter Spiritualität für unterschiedliche Formen der Seelsorge (und umgekehrt). Dieses Kapitel steht exemplarisch für die Öffnung der Praxis evangelischer Spiritualität für katholische Formen (am Beispiel von Exerzitien und Geistlicher Begleitung), aber auch für Erkenntnisse aus den Humanwissenschaften (im Zusammenhang mit einer trinitarischen Seelsorgekonzeption) und gleichzeitig für die zaghafte Wiederentdeckung vergessener Formen evangelischer Spiritualität (Exorzismus). Umgekehrt wird deutlich, dass evangelische Spiritualität eine Bereicherung für die Humanwissenschaften bedeuten kann (Spiritual Care, Diakonie). Die Artikel des letzten Kapitels zeigen, wie evangelische Spiritualität in den verschiedenen Feldern heutiger Lebenswelten praktiziert wird. Ausgehend von traditionellen Verwirklichungsfeldern wie Familie, Schule, Beruf und Kunst werden auch neu gewonnene Felder wie Freizeit und Gesellschaft thematisiert. Dabei zeigt sich, dass schon die traditionellen Bewährungsfelder heute einer enormen Ausdifferenzierung unterliegen. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Spurensuche: Welche Rolle spielen alte und vor allem neue elektronische Medien für (evangelische) Spiritualität? Dabei wird erkennbar, dass auf die Praxis evangelischer Spiritualität an dieser Stelle ganz neue Herausforderungen zukommen, aber auch große Chancen und Möglichkeiten liegen.“ (39f.) Ein großartiger Schlussstein des herausragenden dreibändigen Handbuchs! Nachdenken über Spiritualität. Warten – Entscheiden – Suchen lautet der Titel des von Werner Greve und Carsten Jochum-Bortfeld im Georg Olms Verlag in Kooperation mit dem Universitätsverlag Hildesheim (ISBN 487-15846-4) herausgegebenen Buches mit in Inhalt und Formfacettenreichen transdisziplinären Dialogen zu Spiritualität heute. In ihrer Einführung schreiben die beiden Herausgeber: „Über Spiritualität zu sprechen statt Spiritualität zu (er)leben impliziert, anscheinend unvermeidlich, vergegenständlichende Distanz. Auch wenn man sich einfühlsam und respektvoll nähert: Vermutlich kann aus argumentativem, also der Nüchternheit verpflichtetem Blickwinkel die Erfahrung der Überschreitung weltlicher Grenzen, oder die Sehnsucht danach, niemals recht spürbar werden. Natürlich kann diese Erfahrung oder Sehnsucht ihrerseits thematisiert werden: Aber dies objektiviert sie ihrerseits – das damit verbundene Empfinden kann so wiederum nicht recht eingefangen oder ausgedrückt werden. Man könnte dies das „Qualia"-Problem des Nachdenkens über Spiritualität nennen. Diese Unvermeidlichkeit kann natürlich auch die vorliegende Edition nicht vermeiden. Etwas von dem, wovon Spiritualität handelt, ist oder geht verloren, wenn man über sie spricht. Über Spiritualität geordnet nachzudenken kann, bei allem Respekt, das je individuelle Bekenntnis ernstlicher Ehrfurcht oder Sehnsucht nicht ausdrücken. Man könnte das bedauern, zum Beispiel aus der Sorge, dass Unvoreingenommenheit zur sozialen oder individuellen Erosion dessen, was sie da so nüchtern erwägt, am Ende beiträgt; dieser Sorge scheint die Nähe von ,,wertfrei" zu „wertlos" gefährlich groß. Aber man kann die unvermeidliche Distanzierung ebenso begrüßen, in der Sorge eben, dass das Bekenntnis, also die Festlegung auf den eingenommenen Standpunkt, ein das Für und Wider unvoreingenommen abwägendes Argumentieren erschweren wird. Diese Sorge freilich wäre, unvermeidlich, ihrerseits Bekenntnis einer wertenden Position. Wie man es auch ansieht – man sieht es aus einer, und also nicht einer anderen, Perspektive an: Loyalität und Fairness neigen zur Divergenz. Das gilt offenbar für die soeben angestellte Erwägung nicht minder: auch sie konstatiert ein Dilemma, anstelle in ihm Stellung zu beziehen. Ein Trost für die, die die Stellungnahme, das Bekenntnis vermissen, mag die Einsicht sein, dass auch der Metastandpunkt einer ist: Auch wenn ich die Wahl habe zwischen engagierter Positionierung und neutraler Erwägung, habe nicht die Wahl, zu wählen oder nicht – und die Entscheidung, die Wahl selbst zu thematisieren, drückt natürlich ihrerseits eine getroffene Wahl aus: wiederum für die Nüchternheit. Derartiges Für und Wider führt niemals an die Tür eines Auswegs: an einer Entscheidung führt kein Weg vorbei. In diesem Spannungsfeld liegt die vorliegende Edition, die Beiträge aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen versammelt, die in einen die Grenzen des je eigenen Faches vielfach überschreitenden Dialog über Möglichkeiten und Varianten dessen eintreten, was heute Spiritualität ist oder sein kann. Ihr Zweck ist es nicht, die angesprochenen Spannungen zu bestreiten oder aufzulösen, ihr Zweck ist es eher schon, sie zu zeigen, vielleicht im Lesen einzelner Beiträge oder im kontrastierenden Lesen verschiedener Beiträge erlebbar werden zu lassen. Den Ausgangspunkt und das unmittelbare Gegenüber in diesen Dialogen bildet stets der Text „Spiritualität heute" von Toni Tholen. Er war die einzige Vorgabe für alle Beiträge, sonst gab es keine, weder in Bezug auf die inhaltliche Frage noch auf die zu wählende Form, umso weniger in Bezug auf die Haltung, die der jeweilige Beitrag einnimmt. Dementsprechend ist die Spannbreite der Beiträge groß: fachlich, stilistisch und in der Intention. Ein wichtiger Ausgangspunkt von Tholens Überlegungen zur Spiritualität ist in der Tat die These, dass innerhalb des Diskurses der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften religiöse oder spirituelle Überlieferungen und das Bekenntnis zu ihnen heute keinen rechten Ort mehr zu finden scheinen: ihre Anschlussfähigkeit innerhalb heutiger Wissenschaft ist geschwunden. Das schließt gewiss nicht aus, über Spiritualität wissenschaftlich nachzudenken, auch nicht, über Haltungen zu ihr wissenschaftlich nachzudenken – seine Überlegungen sind vielmehr gerade ein Beispiel für beides. Zugleich nehmen seine Überlegungen den eigenen Ausgangspunkt selbst ebenfalls explizit als Thema auf, beziehen die Diagnose der fehlenden Resonanz von Geistlichkeit in der wissenschaftlichen Gegenwart in die Überlegungen gerade ein – nicht zuletzt mit der Frage, was dieses Fehlen funktional kompensieren könnte. Franziskus Knoll ist der Autor des im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-032521-0) erschienenen Buches Mensch bleiben! Lehrbuch Anthropologie, Ethik und Spiritualität für Pflegeberufe. Es intendiert folgende Aspekte: „Anthropologisches, ethisches und spirituelles Grundlagenwissen vermitteln; zu einer kritischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Zugängen zum Mensch-Sein anregen und zur Multiperspektivität einladen; zum Nachdenken über persönliche und beruflich-professionelle Werthaltungen anregen; anthropologische Hintergründe ausgewählter ethischer Ansätze und deren Pflegerelevanz erörtern (Tugendethik, Theologische Ethik, Pflichtenethik,         Utilitarismus und Care-Ethik); konkrete ethische Entscheidungsfindungs- und Reflexionsmodelle beschreiben; zur ethischen Reflexion der eigenen Berufsrolle in interdisziplinären Bezügen und zur Artikulation der eigenen Position vor dem Hintergrund des eigenen Professionsverständnisses und der Verantwortungsdimensionen anregen; Spiritualität als eine potentiell-wirksame Dimension im individuellen Umgang mit Lebens-, Krankheits- und Alterungsprozessen des Menschen begreifen helfen; die Suche nach und die Einbindung von spirituellen Ressourcen der     Pflegenden in die persönliche Lebensgestaltung und das berufliche Handeln fördern.“ (14) Der Verfasser schreibt zum Ertrag seiner Gedanken: „Während auf den ersten Blick Anthropologie, Ethik und Spiritualität drei völlig unterschiedliche Kategorien zu sein scheinen und ihnen eigene Traditionen und Sachlogiken zu eigen sind, ist ihnen doch ein Potenzial wechselseitiger Bereicherung inhärent. Wie auch für die ethischen Ansätze zeigen sich für die spirituelle Dimension Möglichkeiten einer anthropologischen Rückbindung und damit theoretischen Verankerung. Im Blick auf die Ethik verkörpern die Aspekte der geformten Aufmerksamkeit, Motivation und Identität drei ethisch relevante Bereiche, die auch Anliegen und Praxis der Spiritualität berühren. Denn: Professionelles Wahrnehmen erfolgt nicht neutral, d. h. welche Belange eine Pflegekraft in ihrem beruflichen Handlungsfeld als relevant erachtet, hängt damit zusammen, welche Einstellungen sie leiten. Spiritualität kann hier für ethisch relevante Aspekte sensibilisieren, die den Einzelnen dann zum Handeln motivieren. Darüber hinaus können Spiritualität und Ethik die eigene Identität als Mensch und Pflegekraft i. S. der Entdeckung der eigenen Werturteile und Präferenzen oder der Heranbildung eines eigenen Habitus stärken helfen. Während sich die ethische Disziplin (heute) häufig auf Entscheidungsprozesse und konkrete Handlungen zu fokussieren scheint, kann die Spiritualität daran erinnern, dass nicht nur etliche Aspekte den tatsächlichen, ethisch relevanten Entscheidungen vorgelagert sind, sondern auch jene Werte im Bewusstsein halten, die über eine (kurzfristige) Bedürfnisbefriedigung hinausgehen. Umgekehrt kann die ethische Reflexion Parameter bereitstellen, die den Einzelnen im Blick auf dessen spirituelles Leben darin unterstützen können, herauszufinden, welche spirituellen Ausdrucksformen insofern als gut zu bewerten sind, weil sie etwas (moralisch) Gutes erstreben und nicht (nur) dem Eigennutz oder dem Schaden anderer dienen. Darüber hinaus wurden in diesem letzten Kapitel nicht nur wissenschaftlich begründete Aspekte zur Entdeckung und Adressierung der spirituellen Dimension der anvertrauten Menschen erörtert und ein exemplarischer Praxistransfer aufgezeigt, sondern auch einige Anregungen zur Entdeckung der eigenen Spiritualität Pflegender gegeben. Spiritualität hat eine nachgewiesene Bedeutung für den Pflegeempfänger, die Angehörigen, für den (professionellen) Pflegeauftrag, für die Institution sowie für die Pflegeperson und deren Alltagsgestaltung. Demgemäß gilt es sich auch künftig mit anthropologischen, ethischen und spiritualitätsbezogenen Themen auseinanderzusetzen, um Mensch zu bleiben!“ (362)

164 Gedichte zu biblischen Themen, Motiven und Figuren enthält der von Georg Langenhorst im Verlag Katholisches Bibelwerk herausgegebene anregende Band Und er spricht mit leisen Deuteworten. Im Fokus des Buches sollen stehen: „eine Erinnerung und Aktualisierung der biblischen Inhalte, gleichzeitig aber auch ein Verweis auf die unvergleichliche sprachliche Produktivkraft der Bibel. Von Anfang an hat sie zu Weiter- und Nachdichtungen, aber auch zu völlig eigenständigen erzählerischen und poetischen Ausgestaltungen und Anknüpfungen angeregt. Neben der Erzählwelt der griechischen Mythen ist sie das große Themen-, Figuren- und Sprachreservoire, aus dem die unterschiedlichen Gattungen der Literatur schöpfen, vor allem die Poesie, auf die wir uns hier beschränken. Die im Folgenden präsentierten Gedichte wurden alle in deutscher Sprache verfasst. Sie stammen aus der Zeitspanne vom 17. bis zum 21. Jahrhundert und aus den unterschiedlichen geistigen Hallräumen von Katholizismus, Protestantismus, Islam, Judentum und Atheismus. Sie ermöglichen im breit aufgespannten Panorama Antworten auf die Frage: Wie wird die Bibel in der deutschsprachigen Lyrik bis in unsere Zeit hinein aufgegriffen und dichterisch fruchtbar gemacht?“ (15) Der Autor schreibt über den neuen Zugang in dieser Anthologie:  „Präsentiert werden jeweils vier Gedichte zu den zentralen Gestalten und Erzählungen, aber auch zu thematischen oder ästhetischen Grundmustern der Bibel. Dadurch sollen mehrere Perspektiven ausgelotet werden: einerseits die Entwicklung der inhaltlichen Ausgestaltungen, die von bloßer Paraphrasierung über die Dramatisierung, Psychologisierung und Historisierung der biblischen Vorlagen hin zu frei assoziativen Anknüpfungen reicht; andererseits die Entfaltung der poetischen Gattungen über Ballade, Hymne, strophig-singbares Lied, Sonett, Parlan­do-Text bis hin zu konkreter Poesie. Das Besondere liegt dabei in der Aufnahme zahlreicher bislang kaum beachteter Texte aus dem 21. Jahrhundert. Während frühere Anthologien nur wenige zeitgenössische Texte integrieren, wird hier so oft wie möglich die Deutespur bis in die unmittelbare Gegenwart ausgezogen. Dass und wie die Bibel tatsächlich bis heute kulturprägend bleibt, lässt sich so über die historischen Entfaltungen hinweg bis in unsere Lebenswelt nachzeichnen.“ (18) 24 alttestamentliche und 17 neutestamentliche Zugänge belegen eindrücklich: „Die Bibel ist das Buch der Geschichten: zwischen Mensch und Mensch sowie zwischen Mensch und Gott. Sie drängen von innen heraus dazu, weitergeschrieben zu werden. Sie laden zu Ver-Dichtungen ein, in denen sich ihre Zeit, ihre Gesellschaft, das Leben Einzelner spiegelt. Immer wieder anders. Immer wieder neu.“ (19)

Das religiöse Erbe im Werk Gianni Vattimos und Hans Magnus Enzensbergers untersucht Ulrike Irrgang in ihrer im Verlag Grünewald erschienenen Dresdner Dissertation Das Wiederauftauchen einer verwehten Spur. Im Vorwort führt die Verfasserin zunächst aus: „Es ist das Anliegen einer kontextbewussten Theologie, eine anschlussfähige Gottesrede im und für einen säkularen Raum zu entfalten. Das Gespräch mit zeitgenössischen Philosophen und Schriftstellerinnen kann dafür wegweisende Perspektiven eröffnen. Im Anderen der Philosophie und Dichtung nach Spuren einer religiösen Offenheit zu suchen, vermag jene sprachproduktiven Kräfte freizusetzen, die der häufig konstatierten Spracharmut gegenwärtiger Theologie entgegenwirken können. Darüber hinaus vermittelt dieses Gespräch ein Gespür für die oftmals gebrochene Präsenz des jüdisch-christlichen Erbes in unserer Gegenwartskultur. Auf facettenreiche und spannungsvolle Weise spiegelt sich diese Präsenz zwischen Verlust und Wiederfinden im Denken Gianni Vattimos und in der Lyrik Hans Magnus Enzensbergers. Im Gespräch mit beiden Autoren vermag so anschaulich zu werden, auf welche Art die biblische Erzählung und ihre Geschichte auch in der säkularen Kultur unserer Tage in ein Geschehen von Ruf und Antwort zu verwickeln vermag.“ (11) Sodann erklärt die Autorin in ihrer Einleitung: „Vattimo und Enzensberger sind Exponenten eines neuen Rückgriffs auf ihr religiöses Erbe in bleibender Säkularität. Im Zuge der nun folgenden Analyse der religiösen Motive in den Werken Vattimos und Enzensbergers und dem darauffolgenden Vergleich dieser beiden Gestalten von ‚Wiederkehr' sollen zwei Zugänge zur Frage nach der Rolle von Religion und Christentum im gegenwärtigen Kontext von Säkularisierung und Pluralisierung mit der dieser Thematik angemessenen Tiefenschärfe bestimmt werden.“ (41) In der Schlussbetrachtung heißt es dann: „Gerade angesichts einer gegenwärtig neu auflebenden Sehnsucht nach Fundamenten, letzten Sicherheiten bzw. geschlossenen kulturellen und religiösen Identitäten haben Vattimos und Enzensbergers Neurezeptionen religiöser Motive, welche die Unabgeschlossenheit menschlicher Deutungen und die Unverfügbarkeit eines Letzten betonen, bleibend etwas zu sagen. Aufgrund ihrer Erfahrung politischer Totalitarismen und einer auf Autorität fixierten Kirche stehen sie für einen skeptischen Vorbehalt gegenüber allen Denkgestalten, die sich absolut setzen. Zugleich erschöpfen sich Vattimos und Enzensbergers Neuaufnahmen religiöser Motive nicht darin, lediglich diese letzte Offenheit und Entzogenheit eines Grundes zu umkreisen. Das Proprium ihrer ‚Wiederkehr der Religion' besteht vielmehr darin, auf die unabwendbare Erfahrung des Zweifels und der Grundlosigkeit ein neues Licht zu werfen. Gerade angesichts dieser Erfahrung vermag Religion nämlich in ihrem ureigenen Wesenszug aufzuleuchten: als „Wagnis des Vertrauens". Für Vattimo lebt christliche Existenz aus diesem riskanten Wagnis des Vertrauens in eine ‚große Erzählung'. Gerade im Bewusstsein der Partikularität und Kontingenz dieser Erzählung hält er sich in freundschaftlicher Treue zu ihr. Auch in Enzensbergers Lyrik eröffnet die Meditation eines Grundvertrauens immer wieder transzendentale Frageräume. Die in den Werken beider Autoren begegnende Dialektik von Verlust und Neuaneignung ihres religiösen Erbes kann als Ausdruck dafür gelesen werden, dass der Sinn des Christlichen immer noch im Enthüllen begriffen ist. Vattimos Interpretation der Inkarnation als kenosis weist in diese Richtung: Die biblische Botschaft ruft in eine kenotische Bewegung hinein, in ein Geschehen von Ruf und Antwort, in je neue Gestalten ihrer Entäußerung in den Lebenswelten der säkularen Spätmoderne. Eine solche Sichtweise vermag eine konstruktive Verhältnisbestimmung von Christentum und Säkularisierung hervorzubringen, wie sie Vattimos Denken nahelegt. In Vattimos und Enzensbergers Zugängen zum eigenen religiösen Erbe erscheint dieses als „offenes Narrativ", welches in den Tiefenschichten einer säkularen und pluralen Kultur bleibend wirksam ist. Dies nämlich bezeugen Vattimos und Enzensbergers Neuzugänge zur Religion: Im Wurzelgeflecht der säkularen Kultur fließt, unter der Oberfläche verifizierbarer Minorisierungs- und Verdunstungsprozesse traditioneller Religiosität, ein religiöser Tiefenstrom. Diesen unterirdischen, vielleicht sogar subversiven, Tiefenschichten der jüdisch-christlichen Erzählung in der säkularen Kultur gegenüber wachsam zu sein und sie erkennbar zu machen, kann dazu verhelfen, eine mehrdimensionale Geschichte der Säkularisierung zu erzählen, die einer eindimensionalen Verlustlogik entgegensteht. Damit bezeugen die wiederauftauchenden Spuren des religiösen Erbes bei Vattimo und Enzensberger jene „kulturelle Unabgegoltenheit des Religiösen" in der säkularen Spätmoderne, von der ausgehend sich Sinn und Bedeutung der jüdisch-christlichen Erzählung unter spätmodernen Rezeptionsbedingungen neu darstellen lassen.“ (364f.)

5 Interreligiöse Bildung

Eine anschauliche Einführung in den Fachbereich der Religionen und in die Didaktik der heiligen Schriften bietet Kurt Schori in seinem im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-037687-8) veröffentlichten Buch Glaubensüberlieferungen verstehen. Im Vorwort schreibt der Autor: „Der wesentliche Punkt meiner Ausführungen besteht darin, die Dokumente der religiösen Traditionen ebenso wie die aktuellen rituellen, spirituellen und ethischen Vollzüge nicht von ihren Unterschieden her zu verstehen, sondern von ihren Gemeinsamkeiten. Ich sehe diese Gemeinsamkeiten vor allem darin, dass Dokumente, rituelle Vollzüge, spirituelle Anweisungen und ethische Vorgaben – so sehr sie sich an der Oberfläche auch unterscheiden – sich auf vergleichbare existentielle Fragen und Probleme beziehen und wesentliche Einsichten darüber liefern, wie Menschen in verschiedenen Kulturen mit diesen Fragen und Problemen umgegangen sind. Diese Fragen zu verstehen und die Dokumente der religiösen Traditionen sachgerecht auf sie zu beziehen, das halte ich einerseits für unerlässlich im Umgang mit Glaubensüberlieferungen, andererseits ist es auch das Ziel der Ausbildung. Darüber hinaus bietet das Buch im 2. Teil auf diesem Hintergrund einen Zugang zur Lektüre der Referenztexte an Beispielen.“ (5) Das Buch enthält im ersten Teil „Religiöse Fragen: Klärung von Perspektiven“ folgende sechs Kapitel (15-130): 1. Glaubensfragen 2. Hermeneutik: Gegenstandsbestimmung und Herangehensweise 3. Die Gottesfrage: Gibt es Gründe für Gott? 4. Die Schuldfrage – Messianismus in den Religionen 5. Die Bekenntnisfrage – Warum Menschen sich positionieren müssen 6. Der Gottesdienst – rituelle Kommunikation. Der zweite Teil „Heilige Texte verstehen“ (133-246) besteht aus folgenden acht Kapiteln: 1. Einleitung 2. Genesis (1. Mose) 1,1-2,4: Die Schöpfungserzählung – oder die Frage, ob Menschen überhaupt leben wollen 3. Sure 78: Eine Schöpfungserzählung aus dem Koran – oder wie Schöpfung und Gericht zusammenhängen 4. Genesis (1. Mose) 22,1-19: Die Isaaksopferung – oder was hat das Opfer mit mir zu tun? 5. Exodus (2. Mose) 1,1-4,30: Die Berufung Mose zum Anführer des Volkes beim Auszug aus Ägypten – oder wie die Männerbefreiung aus dem Mut von Frauen entspringt 6. Matthäus 13,24-30: Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen – oder die Tücken des Bösen 7. Mt 5,17-20; 38-48: Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst – oder das Herzstück des christlichen Glaubens 8. Johannes 7,53-8,11: Jesus und die Ehebrecherin – oder die Vertuschung der Geschichte des Christentums. Die Überlegungen des Verfassers münden in die Sätze: „Der Rückgewinnung des Erbes, das in den Religionen – und insbesondere in deren Referenzschriften –aufbewahrt ist, würde ich deshalb eine hohe Priorität in jedem Bildungssystem einräumen. Außerdem ist mit der hier vorgeschlagenen Rückgewinnung die Hoheit der Menschen, der Schüler und Schülerinnen über ihre eigenen religiösen Haltungen verbunden. Dadurch, dass die Texte überprüfbar gemacht werden – überprüfbar an den eigenen Erfahrungen – kann die individuelle religiöse Hoheit eingelöst werden. Es ist nicht die Sache der Lehrenden im Religionsunterricht der Schule darüber zu befinden, welche Stellungnahmen und Bekenntnisse schließlich für die Schüler und Schülerinnen einleuchtend sind und welchen sie sich deshalb anschließen; wichtig ist nur, ihnen einen Weg zu eröffnen, der es ihnen ermöglicht, solche Entscheidungen zu treffen.“ (246) Johannes von Lüpke hat im Calwer Verlag (ISBN 7668-4526-9) biblisch-theologische Impulse für das interreligiöse Gespräch unter dem Titel Wahrheit im Dialog veröffentlicht. Er fragt darin: „Was also ist Wahrheit, wenn es um Religion geht? Was ist Wahrheit im Verhältnis des Menschen zu einer transzendenten Wirklichkeit, über die wir nicht so Bescheid wissen können, wie wir über die Dinge in dieser Welt Wissen erwerben können?“ (9) Der Verfasser nimmt zwei Fragen in seinem Büchlein auf: „Wie verhält sich die eine ganze Wahrheit zur Vielfalt der Erscheinungen, in denen uns Religion begegnet? Sodann: Wie können und sollen Menschen Wahrheit erkennen? Ist Erkenntnis religiöser Wahrheit Sache der Vernunft oder des Glaubens?“ (10) Leben und Lehre der christlichen Kirchen beinhaltet das im Narr Francke Attempto Verlag als UTB (ISBN 8252-5254-0) veröffentlichte informative Studienbuch Grundwissen Konfessionskunde von Gisa Bauer und Paul Metzger. In dem Vorwort heißt es dazu: „Das „Grundwissen Konfessionskunde" wählt einen theologischen Zugang zu seinem Fachgebiet und ermöglicht damit einen grundlegenden Zugriff auf seinen Gegenstand. In der Einleitung wird dieses Ordnungsprinzip näher erläutert. Ihm liegt die Beobachtung zugrunde, dass alle Konfessionen den Anspruch erheben, apostolisch zu sein, dies aber in ihrer Theologie, ihrer Struktur, ihrer Institution oder Ordnung unterschiedlich umsetzen. Dieses Prinzip bildet ein Grundgerüst, das es erlaubt, die einzelnen Konfessionen relativ einfach zu klassifizieren. Der Leserin/ dem Leser wird so eine erste Orientierung im Fachgebiet ermöglicht. Zudem werden Aufgabe und Gegenstand einer Konfessionskunde beschrieben und das ekklesiologische Grundproblem jeder Konfession verdeutlicht. Im Anschluss skizziert das zweite Kapitel einen Überblick über die Ausdifferenzierung des Christentums in seiner Geschichte. Es entlastet damit die historische Darstellung der einzelnen Konfessionen und gibt Auskunft über die wichtigsten Entwicklungen der Kirchengeschichte, die verschiedene Konfessionen hervorbringen. Die einzelnen Konfessionen werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Jede Kirche wird in drei Perspektiven dargestellt, die je nach Kirche zuweilen voneinander im Detail abweichen können. Grundsätzlich wird zunächst gemäß dem theologischen Zugriff dieser Konfessionskunde die konkrete Realisierung der Apostolizität der jeweiligen Kirche vorgeführt. Dies beinhaltet die der Umsetzung inhärenten theologischen Grundsatzentscheidungen. Diese erste Perspektive stellt damit im Ergebnis die wesentlichen dogmatischen Aussagen der jeweiligen Kirche dar. Die zweite Perspektive skizziert die eigenständige, historische Entwicklung der Kirche und hilft dadurch, deren Eigenheit besser zu verstehen. Die dritte Perspektive widmet sich den grundsätzlichen Lebensvollzügen der Kirche. Es ist notwendig, hier auszuwählen und dabei gerade die charakteristischen Wesensmerkmale zu erfassen. In der Regel werden die Sakramente, die Organisationsformen, verschiedene Ausprägungen der Konfessionsfamilie und weitere Wesensmerkmale der Kirchen behandelt. Mittels der dogmatischen, der historischen und der phänomenologischen Perspektive soll also ein möglichst aussagekräftiges Bild der jeweiligen Kirche skizziert werden. Im dritten Kapitel beschreiben wir zunächst die Kirchen, die darauf bestehen, dass ihre höchsten geistlichen Würdenträger in einer personellen Nachfolge der Apostel stehen. Diese Auffassung teilt die römisch-katholische Kirche z.B. mit den orthodoxen und anglikanischen Kirchen. Das vierte Kapitel stellt die Kirchen dar, die ihre Apostolizität in erster Linie durch ihre Treue zum apostolischen Zeugnis realisieren. Dort, wo das Prinzip „Allein die Schrift" hervorgehoben und zum Kennzeichen der Kirche erklärt wird, gilt die Apostolizität als gegeben. Zu dieser evangelischen Konfessionsfamilie gehören neben den deutschen „Landeskirchen" vor allem die im deutschen Kontext sogenannten „Freikirchen", deren problematische Bezeichnung eigens thematisiert werden muss. Das fünfte Kapitel widmet sich der Kirche (und ihrer Vorgängerin), die die Apostolizität der Kirche nur da vollgültig realisiert sieht, wo es lebende Apostel gibt. Dieser Ansatz unterscheidet sich fundamental von den bisher behandelten Kirchen, sodass die Neuapostolische Kirche als eigener Typus von realisierter Apostolizität in den Blick genommen werden muss. Das abschließende Kapitel beschäftigt sich mit den gegenwärtig heftig umstrittenen Themen zwischen und in den Konfessionen. Es gehört zum Erkenntnisgewinn dieser Konfessionskunde, dass sich nicht nur zwischen Konfessionen Diskussionen entspinnen, sondern immer mehr auch in den Konfessionen selbst. Die Trennlinien zwischen den Konfessionen verblassen im Alltag des gelebten Glaubens und neue Fronten und Gräben tun sich auf. Was dies für die Konfessionskunde bedeutet, wird zum Abschluss betrachtet.“ (10)

Potentiale religiöser und interreligiöser Kompetenzentwicklung in der frühkindlichen Entwicklung ist die im Waxmann Verlag (ISBN 8309-8967-7) veröffentlichte, ausgezeichnete Tübinger Habilitationsschrift von Christoph Knoblauch überschrieben. Sie hat als Fokus die Konstruktion von Wertorientierung und Reflexion existentieller Erfahrungen in einem religiös pluralen Erziehungs- und Bildungsumfeld. Der Verfasser schreibt zum Aufbau der umfangreichen Untersuchung: Die Arbeit entwickelt ein Forschungsdesign, „das der Forderung das Kind, als eigenständiges Subjekt und Konstrukteur, in die Mitte des Forschungsinteresses zu stellen, aus pädagogischer, entwicklungspsychologischer und theologischer Perspektive folgt. Die Untersuchung von Potentialen religiöser und interreligiöser Kompetenzentwicklung im frühkindlichen Bildungsbereich fokussiert dabei konsequent die Dokumentation, Analyse und Erörterung kindlicher Aussagen und Diskussionen. Die Erfahrungen, Vorstellungen, Fragen und Diskussionsthemen von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren stellen somit den zentralen Forschungsgegenstand dar, die Perspektiven von Fachkräften und Eltern komplementieren diesen Forschungszugang. Vor diesem Hintergrund gliedert sich die vorliegende Arbeit in drei Teile. Teil I: Im ersten Teil der Arbeit werden die Begriffe religiöse und interreligiöse Bildung in frühpädagogischen Kontexten erörtert und in Hinblick auf das Forschungsprojekt diskutiert: Perspektiven religiöser und interreligiöser Bildung werden vor dem Hintergrund der pluralen Lern- und Lebenswelt Kindertageseinrichtung reflektiert, die Begriffe »Kindertheologie« und »religionssensible Bildung« werden im religionspädagogischen Diskurs erschlossen, Herausforderungen und Chancen interreligiöser Bildung werden besprochen und im Kontext inklusiver Bildungskonzepte diskutiert. Vor dem Hintergrund eines Forschungszugangs der kindlichen Aussagen, Erfahrungen und Diskussionen fokussiert werden biblische Gleichnisse als Herausforderung für die kindliche Interpretation erschlossen und in Hinblick auf die Forschungsmethodik diskutiert. Teil II: Der zweite Teil der Arbeit konzentriert sich (a) auf die Konzeptualisierung des Kompetenzbegriffs im Kontext religionspädagogischer empirischer Forschung, (b) die Entwicklung des Forschungsdesigns und (c) die Diskussion einer funktionalen und für die Kindheitsforschung angepassten Forschungsmethodik: Die multiperspektivische Entwicklung der Forschungsziele, die interdisziplinärere Erschließung des Kompetenzbegriffs und die Diskussion der Forschungsparameter Wertorientierung« und »existentielle Erfahrungen« liegen diesem Teil zugrunde. Auf dieser Basis werden Hypothesen gebildet, ein deduktives Kategoriensystem entworfen, Forschungsmethoden reflektiert und Auswertungsprozesse vorgestellt. Als Kern dieses Teils steht die interdisziplinäre Diskussion des Kompetenzbegriffs: Entwicklungspsychologische, pädagogische und bildungspolitische Perspektiven werden im Kontext des religionspädagogischen Diskurses zur religiösen und interreligiösen Kompetenz diskutiert und in Hinblick auf die frühkindliche Pädagogik erschlossen. Dieser Kern ist Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Forschungsdesigns, das die religionspädagogische Fragestellung nach Potentialen religiöser und interreligiöser Kompetenzentwicklung in der frühkindlichen Pädagogik im Horizont weiterer wissenschaftlicher Disziplinen reflektiert und somit zu einem Komponentenmodell führt, das die empirische Untersuchung religiöser und interreligiöser Kompetenzentwicklung in frühkindlichen Kontexten ermöglicht. Die prozesshafte Entwicklung des qualitativen Designs, die Entwicklung der empirischen Studie und die Auswertungsmethoden im Rahmen einer Perspektiventriangulation (Kinder, Eltern, Fachkräfte) komplettieren diesen Teil der Arbeit. Besonderes Merkmal der Studie ist die konsequente Fokussierung kindlicher Aussagen und Diskussionen: Kinder werden als Koproduzenten von Forschung betrachtet, deren persönliche Lebenswelt in die wissenschaftliche Wahrnehmung von Erwachsenen aufzunehmen ist – die Außenperspektive von Erwachsenen soll dabei durch die »Binnensicht« auf Kindheit, durch Kinder selbst, erweitert werden. Teil III: Im dritten Teil der Arbeit wird den Ergebnissen der Studie Raum gegeben: Zunächst erfolgt eine schrittweise Auswertung der Ergebnisse aus den Kinderinterviews, die sich an der Konzeptualisierung des Kompetenzbegriffs orientiert und die vielfaltigen Themen und Erfahrungen der Kinder in unterschiedlichen Kompetenzschritten darstellt. Die Diskussion dieser Ergebnisse im Kontext der deduktiven Kategorien und die Entwicklung induktiver Kategorien, so wie eine erste Diskussion möglicher Förderfaktoren religiöser und interreligiöser Kompetenz ermöglichen einen differenzierten Überblick über die Ergebnisse der Kinderbefragung. Im Rahmen dieser ersten Auswertung wird den befragten Kindern eine Stimme verliehen, die im religionspädagogischen Diskurs häufig eingefordert, aber bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurde. In einem weiteren Schritt wird die Auswertung der Perspektiven von Eltern und Fachkräften vorgestellt und in Hinblick auf die Ergebnisse aus der Kinderbefragung diskutiert. Diese Perspektiventriangulation ermöglicht eine elaborierte Diskussion der bisherigen Ergebnisse und eine Überprüfung der Hypothesen aus verschiedenen Perspektiven. Abschließend werden die Ergebnisse der Studie im Kontext aktueller religionspädagogischer und bildungspolitischer Fragestellungen diskutiert und in Hinblick auf ihre Relevanz für die Arbeit der Kindertageseinrichtungen reflektiert.“ (18ff.) Dieses Buch gehört in jede Handbibliothek zum Thema „Frühkindliche Entwicklung und Bildung“! Spannende Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung von Praxisprojekten der Stiftung Kinderland in Baden-Württemberg enthält der von Friedrich Schweitzer, Lena Wolking und Reinhold Boschki ebenfalls im Waxmann Verlag (ISBN 8309-9101-4) herausgegebene achte Band der renommierten Reihe „Interreligiöse und Interkulturelle Bildung im Kindesalter“ mit dem Titel Interkulturell-interreligiös sensible Bildung in Kindertageseinrichtungen. Boschki und Schweitzer markieren zwölf plausible Anforderungen für interkulturell-interreligiös sensible Bildung in Kitas. Sie schreiben in ihrem Überblick: „Aus den dargestellten Befunden ergeben sich Anforderungen und Aufgaben für Kindertageseinrichtungen, die zunächst insbesondere von den Trägern der Einrichtungen aufgenommen und dann zusammen mit den pädagogischen Fachkräften realisiert werden sollten. In Kurzform und thesenartig sind folgende Anforderungen zentral: 1. Interkulturell-interreligiös sensible Bildung stellt heute eine Pflichtaufgabe für alle Einrichtungen dar. Sie sollte als ein allgemeiner Standard angesehen werden. Kinder haben ein Recht auf religionspädagogische Begleitung, gerade auch in interkulturell-interreligiöser Hinsicht. 2. Alle Träger stehen vor der Aufgabe, den Auftrag der Einrichtungen im Blick auf interkulturell-interreligiös sensible Bildung in den Einrichtungen für sich zu klären und die Fachkräfte entsprechend zu unterstützen. 3. Der Lern- und Bildungsbereich »Sinn, Werte, Religion« muss in den Einrichtungen ebenso ernst genommen werden wie die Aufgaben der körperlichen, emotionalen, sprachlichen, kreativen und sozialen Entwicklung. Eine erste Orientierung in Sachen Kultur(en) und Religion(en) ist für Kinder nicht nur persönlich hilfreich, sondern angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen auch notwendig. 4. Auch Kinder ohne Religionszugehörigkeit und ihre Eltern müssen mit ihren besonderen Bedürfnissen bei der interkulturell-interreligiös sensiblen Bildung berücksichtigt werden. Die Aufgabe, sich mit verschiedenen Religionen und Weltanschauungen vertraut zu machen und eine eigene Orientierung zu gewinnen, stellt sich aber ganz unabhängig von der Religionszugehörigkeit für alle Kinder. 5. Im Zentrum interkulturell-interreligiös sensibler Bildung müssen besonders in der Kita die von den Kindern oft alltäglich wahrgenommenen gelebten Formen von Religion und Religionen stehen. Auch dabei müssen Kinder ohne Religionszugehörigkeit im Blick sein. 6. Die Erfahrungen aus interkulturell-interreligiös engagierten Einrichtungen sollten anderen Einrichtungen als Lernchance zugänglich gemacht werden. Eine Weiterentwicklung der Einrichtungen sollte als Lernen aus der Praxis verstanden werden. 7. Zur professionellen Handlungskompetenz pädagogischer Fachkräfte gehört in einer kulturell und religiös pluralen Gesellschaft auch der professionelle Umgang mit Kultur(en) und Religion(en). 8. Die Ausbildung interkultureller und insbesondere interreligiöser Kompetenz bei den Fachkräften muss gesichert werden. Langfristig geht es dabei um eine Neuausrichtung in der Ausbildung, kurz und mittelfristig um ein systematisch aufgebautes verpflichtendes Fortbildungsangebot. Auch Langzeitfortbildungen wären hier sinnvoll. Die von den Fachkräften weithin als unzureichend beschriebene Vorbereitung auf die Praxis in zunehmend multikulturellen und multireligiösen Umfeldern ist nicht zufriedenstellend. 9. Fortbildungsangebote sollten auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnitten sein und sich zugleich an einem auch inhaltlich systematisch· ausgewiesenen Qualifikationshorizont orientieren. Es muss gewährleistet sein, dass sich Fachkräfte mit Judentum, Christentum und Islam vertraut machen und dass sie die Fähigkeit erwerben können, sich selbständig Kenntnisse zu weiteren Religionen zu erarbeiten. 10. Ein eigener Schwerpunkt sowohl in der Praxis der Einrichtungen als auch in der Fortbildung muss die auf interkulturell-interreligiös ausgerichtete Elternarbeit sein. 11. Die bei muslimischen Fachkräften vielfach vorhandenen Potentiale besonders zur religionspädagogischen Begleitung muslimischer Kinder sowie im Blick auf interreligiöses Lernen sollten verstärkt genutzt werden. Dies setzt ein Angebot mit entsprechenden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten voraus, die für alle Fachkräfte erreichbar sind. 12. Generell ist von Einrichtungen und ihren Trägern – ob für staatliche, kirchliche oder andere privat getragene Institutionen – zu erwarten, dass den verschiedenen Kultur(en) und Religion(en) mit Achtung und engagierter Toleranz begegnet wird. Ein offenes und am Austausch mit anderen Kulturen und Religionen interessiertes Klima ist die beste Voraussetzung für ein positives Miteinander in der Kita selbst, aber auch in der Gesellschaft.“ (19ff.)

In der bewährten Schriftenreihe „Religionen im Dialog“ ist im Waxmann Verlag (ISBN 8309-9064-2) der Band Interreligiöser Dialog, Gender und dialogische Theologie von Carola Roloff, Katja Drechsler, Marius van Hoogstraten und Andreas Markowsky erschienen. Die Autorinnen und Autoren fragen und erklären in ihrer Einleitung: „Wie kann also mit Differenz umgegangen werden, die einer grundsätzlichen Ebenbürtigkeit Sorge trägt? Das ist die Frage, die sowohl feministische Bewegungen als auch den interreligiösen Dialog bewegt. Diese Differenzlinien, Religion und Geschlecht, scheinen im wissenschaftlichen Diskurs eher getrennt voneinander betrachtet zu werden, während sie gesellschaftlich meist verschränkt miteinander verhandelt werden. Die Ängste vor dem religiös Anderen bzw. dessen Ablehnung und Ausgrenzung werden häufig mit der (vermeintlichen) Sorge um Geschlechtergerechtigkeit begründet: Wie gehen die mit ihren Frauen um? Müssen wir nicht unsere Frauen vor solchen Männern schützen? In diesem Buch wollen wir, Theologen und Theologinnen des interreligiösen Dialogs, daher eine Expedition durch Regionen der wissenschaftlichen Diskussion von Geschlecht unternehmen, um die Wechselwirkung zwischen religiöser und geschlechtlicher Differenz besser in den Blick zu bekommen und weiterführende Erkenntnisse für den Dialog zu sammeln. Denn: Interreligiöser Dialog ist – bei aller Wertschätzung seiner auf Verständigung ausgerichteten Zielsetzung – in Bezug auf die Gender-Frage in hohem Maße defizitär. Dieses Defizit wiegt deswegen umso schwerer, als wir begründet davon ausgehen, dass gerade Fragen der Geschlechtergerechtigkeit für den interreligiösen Dialog einen zentralen Stellenwert haben. Diese Diskrepanz nehmen wir in der vorliegenden Publikation auf, indem wir analysieren, inwiefern und in welcher Weise die Gender-Frage einen wesentlichen Impuls für eine interreligiös-dialogische Theologie geben könnte. Unsere Arbeitshypothese geht davon aus, dass der interreligiöse Dialog von Anfang an und bis heute weitgehend androzentrisch ist, dass diese Dominanz analytisch aufgebrochen und diese Analyse in der Folge im Rahmen einer dialogischen Theologie einen angemessenen Stellenwert erfahren muss. Dies ist das zentrale Vorhaben, dessen wir uns im Folgenden annehmen.“ (11f.) Im Resümee heißt es zudem zu drei Ebenen Dialogischer Theologie als weiterführende Perspektiven: „Zusammenfassend sei dargelegt, welche weiteren Forschungsfelder sich aus dieser Studie ergeben. Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Forschung mit Blick auf die Entwicklung einer dialogischen Theologie ist, dass sich im Zusammenspiel der vorliegenden Texte drei Ebenen unterscheiden lassen, auf der sich eine dialogische Theologie abspielt. Diese drei Felder dialogischer Theologie, die es weiter zu beforschen gilt, sind: dialogische Theologie als Public Theology, dialogische Theologie als Möglichkeit einer Hermeneutik des Verdachts und dialogische Theologie als die theoretische Frage nach Differenz. Dialogische Theologie als Public Theology: In ihrer Rolle als Public Theology muss Geschlechtergerechtigkeit ein Thema für dialogische Theologie sein, weil die Unterdrückung von Frauen und geschlechtliche Normierung von Körpern in der Gesellschaft Fakt sind. Patriarchat gehört zur Realität: eine dialogische Theologie sollte dieses also thematisieren. Greift sie dieses Thema nicht auf, bleibt sie begrenzt. Dialogische Theologie als Hermeneutik des Verdachts: Zweitens tritt dialogische Theologie als eine kritische Theologie auf. Die Herstellung und Hierarchisierung von religiöser Differenz bzw. die Ausgrenzung und Unterordnung des religiös Anderen scheinen immer bereits mit Geschlecht zusammenzuhängen. Es gilt zu erforschen und zu hinterfragen, wie religiöse Differenz sich im Feld von Patriarchat und Hierarchie verortet, und wie die zwei Achsen der diskursiven Herstellung von Differenz sich stärken und/oder behindern. Diese Fragen gelten nicht nur den konservativen bzw. frauenfeindlichen Elementen exklusivistischer oder dialogfeindlicher Theologien, sondern vor allem den liberalen Theologien und denen, die den Dialog befürworten. Mit anderen Worten lässt sich in diesem Rahmen fragen, wie Gender- und religiöse Differenzen interagieren, wie also z.B. religiöse Differenz durch den Bezug auf Gender konstruiert und verhandelt wird. Dialogische Theologie als die theoretische Frage nach Differenz: Drittens ist auf methodisch-theoretischer Ebene des Projekts festzustellen: Dialogische Theologie kann in dem Gespräch mit feministischen Theologien und der Rezeption von Genderstudien und - theorie theoretische Ressourcen finden, die ihre Sicht auch auf religiöse Differenz herausfordern und vertiefen. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Gender wird eine komplexe und vielschichtige Betrachtung von (sexueller) Differenz unternommen, die sich für eine Betrachtung religiöser Differenz als sehr fruchtbar erweisen könnte, auch wenn der theoretische Rahmen, der für die Auseinandersetzung mit sexueller Differenz eignet, nicht ohne Weiteres auf religiöse Differenz anwendbar ist. In dieser gegenseitigen Übersetzung und Verhandlung entsteht so etwas wie eine dialogische Öffentlichkeit, ein öffentlicher umstrittener Raum. Dieser ist nicht reibungsfrei, sondern stets agonistisch: die Rolle einer dialogischen Theologie heißt auch, kritisch die Frage nach der Verortung religiöser Tradition in der säkularen Öffentlichkeit zu stellen, sowie die Grundlage zu schaffen für religionsübergreifende Solidarität zwischen emanzipatorischen Bewegungen. Dialogische Theologie ist also immer auch Public Theology und somit nicht rein historisch-deskriptiv, denn ihr Ziel ist die ergebnisoffene Veränderung, Erweiterung oder Transformation des eigenen theologischen Standpunkts. Dadurch, dass sie Argumente beitragen oder Handlungsorientierung geben kann, wenn Reformen anstehen oder sich Gegenbewegungen formieren, ist sie auch in der Lage, zu stärkerem gesellschaftlichem Zusammenhalt, mehr gelebter Toleranz und Friedensbildung beizutragen. Im Dialog der Disziplinen wird Neues sichtbar.“ (198 ff.) 

Zwei weitere interessante Bände sind in der Schriftenreihe „Studien zur Islamischen Theologie und Religionspädagogik“ im Waxmann Verlag erschienen: Zum einen der von Yasar Sarikaya, Dorothea Ermert und Esma Öger-Tunc herausgegebene Sammelband Islamische Religionspädagogik: didaktische Ansätze für die Praxis (ISBN 8309-8996-7), der folgende Beiträge enthält:  „Yasar Sarikaya leitet den Band mit einem Artikel über die Frage der Differenz anhand eines praktischen Beispiels aus der Lebenswirklichkeit der Muslime ein. Dorothea Ermert setzt sich in ihrem Beitrag mit dem religionsdidaktischen Ansatz des Ästhetischen Lernens als einer Möglichkeit des Lernens mit allen Sinnen auseinander. Esma Öger-Tunc widmet sich in ihrem Artikel der Relevanz interreligiöser Kompetenzen im islamischen Religionsunterricht. Volker Ahmad Qasir stellt den Einsatz von Gleichnissen im islamischen Religionsunterricht in der Grundschule vor. Rida Inam beschäftigt sich mit Disparitätsnarrativen. Diese geben, Aufschluss darüber, wie die Kluft zwischen Islam und Westen über Jahrhunderte aufrechterhalten wurde. Betül Karakoc beschäftigt sich mit einer Darstellung der Stärken und Schwächen des islamischen Religionsunterrichts und des Religionsunterrichts in Moscheegemeinden. Gökcen-Sara Tamer-Uzun stellt am Beispiel des Themas Engel dar, wie lebendiger islamischer Religionsunterricht in der Praxis aussehen kann. Matthias Olk setzt sich in seinem Beitrag mit der aktuellen pädagogischen Herausforderung der Inklusion auseinander und bezieht diese auf den islamischen Religionsunterricht. Julia Vallen widmet sich in ihrem Artikel der Vorbildfunktion des Propheten Muhammad.“ (8ff.) Zum anderen die verdienstvolle Innsbrucker Dissertation Islamische ReligionslehrerInnen auf dem Weg zur Professionalisierung (ISBN 8309-9086-4) von Mehmet H. Tuna, die in folgendem Kontext steht: „Heute noch sind im islamischen Kontext einzelne Institutionen wie Moscheen und Koranschulen zu finden, die Elemente des alten Medrese­-Systems beibehalten haben. Bezeichnungen wie Imam, Scheich oder Hodscha etwa sind nach wie vor gebräuchlich und erfreuen sich in der Gesellschaft großer Beliebtheit. Bisweilen werden diese Titel auch dann verwendet, wenn die damit angesprochene Person gar keine abgeschlossene Ausbildung vorweisen kann. So bilden der Moscheeunterricht und die islamische Bildungstradition den Nährboden für Anforderungen, die von den Lernenden, den Eltern und der Gesellschaft immer wieder an die islamischen Religionslehrerinnen (im Folgenden kurz: IRL) und den IRU herangetragen werden. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Herausforderung der Professionalisierung der IRL. Den Anfang bilden der Aufriss der Problemstellung und die Entwicklung der Forschungsfragen (Kapitel 2). Daran schließt sich – in Kapitel 3 – ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand der Forschung in diesem Bereich an. In Kapitel 4 folgen die Begriffsbestimmung und die Erörterung diverser theoretischer Zugänge zur (Lehrerlnnen-) Professionsforschung. Als Nächstes wird die Situationsanalyse als die erkenntnisleitende theoretische Perspektive eingeführt und die methodische Vorgehensweise erläutert (Kapitel 5). Kapitel 6 hat dann die Präsentation der Ergebnisse zum Inhalt. Anschließend werden die Ergebnisse zu Thesen verdichtet (Kapitel 7). Den Thesen folgt die Diskussion der Ergebnisse aus religionspädagogischer und professionstheoretischer Perspektive. (Kapitel 8). Die Betrachtung der Ergebnisse im Kontext der Bildung bildet das Abschlusskapitel (Kapitel 9).“ (17) Zu den Forschungsfragen schreibt der Autor: „Für die Untersuchung des Forschungsanliegens sind mehrere (Typen von) Forschungsfragen von Bedeutung, die im Folgenden dargestellt werden. Die ‚Leitfrage‘: die den heuristischen Rahmen des gesamten Forschungsvorhabens bildet, lautet wie folgt: Welche Elemente und Faktoren sind im Hinblick auf ein Professionalitäts- und Professionalisierungskonzept für den Beruf der islamischen Religionslehrlnnen relevant? Diese Frage bezieht sich also auf die theoretischen Zugänge, die aus der Empirie gewonnenen Erkenntnisse sowie die professionsorientierte Konzeptualisierung; für die gesamte empirische Untersuchung sind weitere, spezifisch auf den empirischen Teil ausgerichtete Forschungsfragen notwendig. Leitend ist die folgende Frage: Welches Professionalisierungsprofil zeigt sich mit Blick auf die islamischen Religionslehrerinnen? Zur eingehenden Erörterung dieser Frage werden für den empirischen Teil weitere, detailliertere Forschungsfragen formuliert: 1. Welche subjektiv-biografischen Konzepte {,beliefs' und ,views') kennzeichnen islamische Religionslehrerinnen hinsichtlich ihrer Rolle als Lehrkraft und welche Berufsauffassung haben sie? i. Was kennzeichnet aus Sicht der lehrenden eine gute Religionslehrkraft? ii. Was sind die Aufgaben eines guten lehrenden in der Selbstperspektive? iii. Was beinhaltet für sie ein qualitätsvoller Religionsunterricht? 2. Was sind in den Augen der Religionslehrerinnen die größten Herausforderungen für die Professionalität (mit Blick auf die eigene Person, die Schülerinnen, die Interaktion und Kommunikation mit Schülerinnen/Kolleginnen etc. und den Kontext wie Schulleitung/Schulbehörde/Wirtschaft/Gesellschaft usw.)? 3. In welchen Wissens- und Kompetenzbereichen halten islamische Religionslehrerinnen eine Ergänzung ihrer Kompetenzen für notwendig? Im Anschluss werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung mit den bestehenden Professionstheorien in Beziehung gesetzt, um daraus allenfalls Erkenntnisse zur Professionalisierung der IRL zu gewinnen und Konsequenzen zu formulieren.“ (24f.)

In ihrem im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-035677-1) veröffentlichten, kompetenzorientierten Buch Kulturelle Vielfalt in der Schule untersucht Ingrid Wiedenroth-Gabler sehr anschaulich das Thema Islam als Herausforderung in der Schule. Die Verfasserin schreibt zu ihren Intentionen: „In Anlehnung an ein bekanntes Zitat glaube ich, dass der Schulfrieden und damit der gesellschaftliche Frieden auch vom Religionsfrieden abhängen. Nun versuche ich in diesem Buch, beide Dimensionen miteinander zu verbinden, da bisherige Konzepte zum interkulturellen Lernen islamische Religion zu wenig einbeziehen und interreligiöse Dialog-Modelle oft ausschließlich auf >Religion< abzielen, zu wenig auf kulturelle und weltanschauliche Vielfalt eingehen, die sich gesellschaftlich auch durch zunehmende Religionslosigkeit zeigt. Mir ist bewusst, dass insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Islam auch politische Implikationen hat, national und global. Selbstredend verurteile ich jede Form von gewalttätigem Extremismus, ob nun in Form von Islamismus oder Islamfeindlichkeit, ich versuche, einen konstruktiven, pragmatischen Beitrag zum Umgang mit kultureller und religiös-weltanschaulicher Vielfalt zu leisten. Von Hause aus Evangelische Theologin und Religionspädagogin habe ich durch intensive Studien der Islamwissenschaften und Kulturwissenschaften in den letzten Jahren fachliche und reflexive Kompetenzen erworben. Durch die Beteiligung an der Qualifizierung islamischer Religionslehrkräfte in Niedersachsen bin ich intensiv mit gelehrter und gelebter islamischer Religion in Berührung gekommen. Wissen, Erfahrungen und Reflexionen möchte ich Ihnen mit diesem Buch zur Verfügung stellen. Dazu werde ich jeweils die Kapitel der Hauptteile >Kulturelle Vielfalt< und >Herausforderung Islam< mit einer persönlichen problemorientierten Perspektive einleiten, betitelt als >Impressionen<. Da dies keine theoretisch-wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein kompetenzorientiertes Buch mit Handlungsanregungen sein soll, werden die nötigen Grundinformationen zunächst komprimiert und übersichtlich aufbereitet, dem schließen sich praxisorientiert >Diskussionen< an. Das dritte Hauptkapitel liefert konstruktive unterrichtsrelevante Konkretionen, anhand exemplarischer Konflikt-Fälle und anhand des Programms >!WIR!< zum Aufbau weltanschaulich-interreligiöser Kompetenz. Deren maßgebliche Bausteine {Brille, Netzwerk, Respektschranke, Deutungsrahmen, Schatzkiste, Brücke und Baustein) werde ich anhand der theorieorientierten Ausführungen begründen und in dem Praxisteil entfalten.“ (10f.) Entwicklungschancen für Lehrende und Lernende in interreligiösen Kontexten beinhaltet die im LIT Verlag (ISBN 643-14355-6) erschienene didaktische Studie Das Schattenprinzip im Religionsunterricht von Volker Garske. In der Einleitung skizziert der Autor den Aufbau seines Buches: „Ich beginne mit dem Buch Jona (Kapitel 1), weil die historisch-kritische Exegese von einer Therapie Gottes spricht (genitivus subjectivus; Gott ist der Therapeut), die wir mit heutigem psychologischem Vokabular durchaus als Schattentherapie bezeichnen können. Das gilt auch für Gottes Therapie im Sinne des genitivus objectivus: Gott wird durch die Niniviten therapiert. Insofern drängt sich die Therapie des Propheten Jona als veranschaulichender Einstieg geradezu auf. Wir werden sehr gut beobachten können, welche Mühen es Jona kostet, sich dem eigenen Schatten zu stellen, aber auch, welchen Gewinn wir gerade in interreligiösen Kontexten mit einer Schattensensibilität erzielen können. Da Gott sich im Buch Jona selbst einer Schattentherapie erfolgreich unterzieht, während Jona zögert, lassen sich sowohl gelungene als auch misslungene Momente der Schattenarbeit sinnfällig nebeneinanderstellen. Hat der Erzähler des Buches Jona also nachweislich Interesse an einer Rezeption der Therapie auf Seiten des Lesers, liegt die Sache beim Propheten Elija (Kapitel 2) etwas anders. Wir können mit Hilfe der Exegese rekonstruieren, wie einerseits einige Erzähler fatalerweise Elijas Verschattung bewusst als Eigenschaft der Stärke untermauern, während im Laufe der Textentstehung sich andererseits auch Gegenstimmen einmischen, die seine Verschattung kritisch bewerten, indem sie in diversen Erzählungen den Leser auf die Spur des Potenzials des sog. lichten Schattens bringen. Indem wir anschließend das AT verlassen und das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15) in den Blick nehmen (Kapitel 3), lassen sich die zum AT gewonnenen Einsichten mühelos auf die Erzählstrategie Jesu übertragen, der seinen Hörern ebenfalls bildhaft Chancen und Gefahren der Schattenarbeit vor Augen führt. Abgerundet wird der Hauptteil mit einer Schattenanalyse zu Katharina von Siena (Kapitel 4), wobei sich hier am deutlichsten zeigt, wie weite Teile der christlichen Theologie Schwierigkeiten haben, die erkennbaren Verschattungen einer Heiligen überhaupt zu akzeptieren und zielführend in didaktische Perspektiven aufzunehmen. Jedes Kapitel wird mit grundsätzlichen, prägnanten Vorüberlegungen zum korrelativen didaktischen Rahmen eröffnet (1). Anschließend folgt die für die Unterrichtsvorbereitung obligatorische exegetische und religions- bzw. kirchengeschichtliche Sachanalyse (2), aus der dann psychologische Vertiefungen zur jeweiligen Schattenproblematik abgeleitet werden. Bei der Analyse zum Buch Jona erfolgt diese psychologische Vertiefung in Form eigener Unterkapitel zu den jeweiligen Hauptszenen des Buches recht ausführlich, um dem Leser das Verständnis für das Schattenprinzip zu erleichtern. Aufbauend auf diesen anhand des Buches Jona gewonnenen psychologischen Grundkenntnissen, können in den nachfolgenden Analysen die Ausführungen zur Schattenthematik gebündelter in den Gedankengang eingespeist werden. Aus der exegetischen und psychologischen Sachanalyse ergeben sich wiederum theologische und didaktische Perspektiven (3) für die (Hoch-) Schularbeit. Schließlich bietet jedes Kapitel am Ende dem Leser einen Fragenkatalog an, der sich plausibel aus dem Kapitelinhalt ergibt, der Impulse zur eigenen Schattenarbeit setzt (4) und der sich auch für die Arbeit in Schule und Gemeinde nutzen lässt.“ (33f.)

Schließlich sind an dieser Stelle drei weitere hilfreiche Neuerscheinungen im Bereich interreligiöser Bildung vorzustellen: Erstens das in der Neukirchener Verlagsanstalt (ISBN 7615-6682-4) erschienene, sehr empfehlenswerte Nachschlagewerk Illustrierter Atlas der Weltreligionen von Tim Dowley, das mit mehr als 50 Karten eine eindrucksvolle Visualisierung der geografischen und historischen Entwicklung der Weltreligionen bietet. Der Verfasser erklärt in seinem Vorwort: „Dieser Atlas möchte die großen Weltreligionen und ihre Ableger untersuchen: ihre Ursprünge und ihre geschichtliche Entwicklung, ihren heutigen Einfluss und ihre geografische Verteilung. Auch einige Religionen der antiken Welt werden unter die Lupe genommen. Da das Buch verhältnismäßig kurz ist, war es notwendig, die Auswahl von Themen und historischen Zeitabschnitten einzugrenzen. (…) Die den Karten zugeordneten Texte sind nicht vorrangig dazu gedacht, eine vollständige Erklärung der Geschichte und Entwicklung der Weltreligionen zu bieten. Vielmehr sind sie ein Kommentar, der dabei helfen soll, die dazugehörigen Karten zu verstehen und zu interpretieren. Die unterschiedlichen Abschnitte des Buches sind weitestgehend chronologisch in der Reihenfolge der Entstehung oder Gründung der einzelnen Religionen angeordnet. Ein Zeitstrahl hilft darüber hinaus, die Geschichte und Entwicklung der Religionen zu überblicken und miteinander zu vergleichen.“ (11) Zweitens das im Calwer Verlag (ISBN 7668-4487-3) veröffentlichte Lesebuch für das interreligiöse Lernen Was Bibel und Koran erzählen, das von Kristina Augst, Anke Kaloudis, Birgitt Neukirch und Esma Öger-Tunc erarbeitet worden ist. Es enthält nach dem Einführungskapitel „Was ist die Bibel? Was ist der Koran?“ die fünf Hauptkapitel „Bibel und Koran erzählen von Gott/Allah“, „Bibel und Koran erzählen vom Menschen“, „Bibel und Koran erzählen von Jesus/Isa“, „Der Koran und die Hadithe erzählen von Muhammad“ sowie „Wie Menschen ihren Glauben zeigen und leben“. Ein gelungenes gemeinsames Lesebuch von Christinnen und Christen, Musliminnen und Muslimen, das sehr gut helfen kann, die eigene und die jeweils andere Religion besser zu verstehen! Drittens die ebenfalls im Calwer Verlag (ISBN 7668-4508-5) von Monika Tworuschka veröffentlichte Geschichte zum Judentum Ist das nicht Sara? In diesem durchaus auch sehr gut als Begleitlektüre im Religions- und Geschichtsunterricht der Sek I geeigneten Taschenbuch erfolgt eine gelungene Verbindung aus spannender Handlung und Einführung in den jüdischen Glauben. Die Leserinnen und Leser können in diesem Buch viel über das Judentum lernen und „interessante, aber auch sehr traurige Dinge erfahren“ – so wie Sara in der Geschichte!

6 Bilderbücher

Ronja Padurlar hat im Hottenstein Buchverlag (ISBN 935928-98-4) das wundervolle und äußerst bibliophile Buch Auf der Suche mit sehr anmutigen Zeichnungen von Micha Kloth auf buntfarbigen Ausklappseiten veröffentlicht. Die Geschichte vom Igel, der seine Heimat verliert und sich auf die Suche nach neuen Freunden und einem neuen Zuhause begibt, ist in Versform geschrieben und betont die positiven Eigenschaften Mut, Mitgefühl, Fleiß, Selbstvertrauen und Zufriedenheit gegenüber Naturgewalten, Vorurteilen, Selbstsucht und Intoleranz. Es mündet in die Einsicht des Igels am Schluss des Buches: „Ein Leben ohne Heim und Freundschaft ist / nur ein großer Haufen voller Mist.“ Im NordSüd Verlag (ISBN 314-10528-9) ist in neuem Großformat das beliebte Trostbuch Heule Eule von Paul Friester mit Illustrationen von Philippe Goossens herausgekommen, in dessen Mittelpunkt die kleine Heule Eule steht, die erst dann zu heulen aufhören konnte, als sie einräumen muss den Grund für ihr Heulen vergessen zu haben. Ebenfalls ein kleines Eulenkind steht im Mittelpunkt des im Verlag Gerth Medien (ISBN 95734-638-4) veröffentlichten Buches Gott lässt dich nicht allein von Christie Thomas mit anmutigen Illustrationen von Sydney Hanson. Der nachdenkliche kleine Eulenjunge Emil stellt seinem Papa viele „Was ist, wenn …“-Fragen und erhält von diesem als Zuspruch, Trost und Erinnerung einen kleinen „Gott ist da“-Stein. Die großen Fragen des Lebens spielen auch in dem im NordSüd Verlag (ISBN 314-10446-6) erschienenen faszinierenden Buch Ida und der fliegende Walfisch von Rebecca Gugger mit phantasievollen Illustrationen von Simon Röthlisberger eine wichtige Rolle. Das kleine Mädchen namens Ida macht mit dem freundlichen fliegenden Wal eine abenteuerliche Reise hinter die Sterne. Ein bezauberndes Buch zu den Themen Kleines und Großes, Normales und Besonderes, Bekanntes und Fremdes, Nichts und Fülle, Einsamkeit und Freundschaft. Eine von Gabriella Barouch ausdrucksstark illustrierte Geschichte über die unendlich vielen Begabungen in jedem von uns hat im Wimmelbuchverlag (ISBN 947188-85-7) Kobi Yamada für Kinder ab vier Jahren geschrieben: Vielleicht – Eine Geschichte über die unendlich vielen Begabungen in jedem von uns. Ausgehend von der Frage „Hast du dich jemals gefragt, warum du hier bist?“ enthält das Buch viele wertvolle Zusagen wie „In dir steckt so viel“, „Dein Leben gehört dir“, „Mache alles mit Liebe“, „Du trägst schon alles in dir, um bedeutsame Dinge zu tun“ und mündet in den Impuls „Und weil du hier bist … ist alles möglich.“ Jutta Treiber zeichnet als Autorin verantwortlich für das in der Verlagsanstalt Tyrolia (ISBN 7022-3829-2) mit skurrilen Illustrationen von Susanne Eisermann als mehrsprachige Ausgabe auf Deutsch, Kroatisch-Bosnisch-Serbisch-Montenegrinisch, Türkisch, Englisch und Arabisch erschienene Buch Na ja, in dem ein Figurendoktor die Wünsche eines Dreiecks („Ich bin zu spitz“), eines Kreises („Ich bin zu rund“) und eines Quadrats („Ich bin zu eckig“) durch Beschneidung, Einpassung, Abkantung oder Zuspitzung zu erfüllen versucht. Doch mit den Ergebnissen sind die geometrischen Formen immer noch unzufrieden und sie sehnen sich nach der Individualität der Ausgangsform zurück. Die Individualität stellt auch das im Verlag arsEdition (ISBN 8458-3303-3) von Britta Sabbag veröffentlichte Buch Das kleine Stinktier Riechtsogut mit bunten Bildern von Igor Lange in den Vordergrund, in dem sich das kleine Stinktier der Ansage seiner Eltern widersetzt, dass ein richtiges Stinktier doch für sein Leben gern bis zum Himmel zu stinken habe. Mit dem gerechten Aufteilen dreier leckerer Pilze sind der große Bär und sein Freund, das kleine Wiesel, in dem Buch Zwei für mich, einer für dich beschäftigt. Das im Moritz Verlag (ISBN 89565-357-5) erschienene Buch mit anregenden Dialogen und lustigen Illustrationen von Jörg Mühle eignet sich unter anderem sehr gut zur Thematisierung von Gerechtigkeit, Teilen, Aushandeln und Schlitzohrigkeit. Ein eiskalter Fisch lautet der Titel des von Frauke Angel ebenfalls bei der Verlagsanstalt Tyrolia (ISBN 7022-3842-1) veröffentlichten Buches für Kinder ab vier Jahren, in dem anregende Aquarelle von Elisabeth Kihßl enthalten sind, die diese mit Buntstift und Bleistift auf strukturiertem Papier kombiniert hat. Die Geschichte erzählt auf liebevolle-berührende Weise vom Tag, an dem der Goldfisch Onno gestorben ist, und inwiefern dieser Verlust dazu führt, die kleine Familie zusammenzubringen, Gefühle und Sehnsüchte zuzulassen und Gemeinsamkeit sowie Nähe und Geborgenheit spüren zu lassen. Eine Art Auferstehungsgeschichte ganz anderer Art enthält das von Elena Pasquali in der Übersetzung von Notker Wolf getextete und mit Illustrationen von Alison Jay versehene Buch Das Wunder von Ostern, das im Gabriel Verlag (ISBN 522-30556-3) erschienen ist und textgetreu die Passionsgeschichte nacherzählt. Für Kinder ab acht Jahren hat Rainer Oberthür ebenfalls im Gabriel Verlag (ISBN 522-30536-5) das sehr empfehlenswerte kind- und sachgemäße Buch Die Zehn Gebote mit poetischen Bildern von Barbara Nascimbeni veröffentlicht. In hervorragender Bild-Text-Relation gibt der Autor ermutigende Impulse und Erklärungen: „Wem Großes zugetraut wird, der kann auch anderen Großes zutrauen. Wir können es schaffen mit Gottes Zusage, die verspricht: ICH BIN euch nah! Wie wollen wir leben? Die Zehn Gebote können uns helfen, eigene Antworten zu finden.“ Oliver Jeffers ist Autor und Illustrator der im NordSüd Verlag (ISBN 314-10523-4) erschienenen anspruchsvollen modernen Geschichte Die Fabel von Fausto: „Einst lebte ein Mann, der glaubte, ihm gehöre alles. Und er ging hinaus in die Welt, um sich anzusehen, was seins war.“ Während Blume, Schaf, Baum, Feld, Wald, See und Berg sich ihm mehr oder weniger freiwillig unterwerfen, widersetzt sich ihm das Meer. Da Fausto nichts verstanden hat und leider auch nicht schwimmen konnte, obsiegt das Meer: „Dem Meer tat es leid, aber es machte weiter wie bisher.“

7 Unterrichtswerke und -materialien

Für den Religionsunterricht in heterogenen Klassen der Primarstufe haben im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (ISBN 525-70292-5) Gunther vom Stein, Anja Kneffel und Dina Brischke differenzierte Arbeitsangebote zum Thema Gottes gute Zeichen. Religiöse Symbole entdecken in der Grundschule veröffentlicht. Sie schreiben dazu in der Einleitung: „Gottes gute Zeichen – dahinter verbergen sich verschiedene Symbole unseres Lebens, obwohl diese – im Gegensatz zu Zeichen – offener hinsichtlich ihrer Bedeutung sind. Dem Wortsinn nach bedeutet Symbol (griechisch: symbolon) »das Zusammengefügte, das Kennzeichen«. So versteht man unter symbolisieren das Zusammenfügen von etwas, das vorher getrennt war. Symbole verweisen neben dem Offensichtlichen und Sichtbaren auf eine Bedeutung, die nicht auf den ersten Blick sichtbar ist und individuell verschieden sein kann. In unserem Sprachgebrauch nutzen wir Symbole und Bilder sehr selbstverständlich; manchmal auch wenig reflektiert. Ziel dieses Buches ist es, die Schülerinnen und Schüler für die Verwendung und Deutung von Symbolen zu sensibilisieren und deren Mehrwert für sich selbst erfahrbar zu machen. Vieldeutigkeit und Bedeutungsoffenheit gelten bei der Auseinandersetzung mit den Symbolen als religionsdidaktische Prinzipien. Gerade die Offenheit im Umgang mit Symbolen lässt auch ambivalente Deutungen zu. So kann z.B. Wasser Leben spenden und Leben zerstören, der Weg kann zum Ziel führen oder ein Irrweg sein usw. Die SuS verknüpfen ihre Lebenserfahrungen mit Symbolen und bringen Gefühle zum Ausdruck. Die Auseinandersetzung mit Symbolen im Unterricht bietet den SuS die Chance, Lebensorientierung und Halt zu finden. Daher gliedert sich das Buch in vier existenzielle Erfahrungen des Lebens, denen die Symbole zugeordnet werden: sicher und unsicher sein – behüten und behütet sein –     tragen und getragen sein – verbunden und frei sein. Ausgehend von diesen Erfahrungsbereichen werden durch die Symbole subjektive Wertigkeiten im Alltag der SuS aufgespürt, um dann auf dieser Basis »tiefer einzutauchen« und das nicht Sichtbare zu erkunden. Die aufgeführten Symbole sprechen die SuS ganzheitlich an, sie setzen Gefühle frei und eröffnen Fantasien.“ (4)

14 lebendige Schulgottesdienste für die Sek I und II, die existentiell ansprechen, enthält das von Stephan Goldschmidt, Annerose Fromke und Manfred Seifert in der Neukirchener Verlagsanstalt (ISBN 7615-6698-5) herausgegebene Buch Das Himmelreich zum Greifen nahe. Zurecht heißt es im Vorwort: „Schulgottesdienste machen Spaß und können zu bedeutsamen Höhepunkten im Schuljahr werden. Die hier vorgelegten Gottesdienste sind dafür gute Beispiele. Schulgottesdienste haben ihren Ort auf der Schwelle. Sie sind „Grenzgänger": Sie verbinden auf eine kreative Weise das Schuljahr mit dem Kirchenjahr und den Schulalltag mit der Kultur kirchlicher Feste. Schulgottesdienste sind aber auch deshalb Grenzgänger, weil sie nach verschiedenen Logiken funktionieren, beispielsweise der von Pädagogik und Liturgik. Gleichzeitig verbinden sie die Logiken der unterschiedlichen Fächer wie Religions-und Ethikunterricht, Musik, Deutsch, Politik, Geschichte u. ä. miteinander. Die Schwellensituation macht sich auch darin bemerkbar, dass Schulgottesdienste lebensweltliche Fragen mit biblisch-theologischen Themen verknüpfen. Schulgottesdienste werden sowohl in der Schule und als auch in der nahegelegenen Kirche gefeiert, in Kooperation mit der Ortsgemeinde und anderen außerschulischen Partnern. Das Bewusstsein des besonderen Ortes auf der Schwelle hat Konsequenzen für die Ausgestaltung des Schulgottesdienstes: Er ist nicht die Fortsetzung des Religions-, Ethik- oder Musikunterrichts mit anderen Mitteln. Und er ist auch kein Format, das zur Präsentation schulischer Leistungen dient. Schulgottesdienste sollen Spaß machen, zum Experimentieren reizen und abseits der schulischen Leistungslogik Gelegenheiten bieten, sich – vor Gott und vor den Menschen – auszuprobieren und den Glauben (wieder) zu entdecken.“ (7) Zehn gute Gründe für Gott. Die Zehn Gebote für unsere Zeit von Stephan Sigg enthält in überarbeiteter und aktualisierter, den Lebenswelten heutiger Jugendlicher angepasster Neuausgabe im Gabriel Verlag (ISBN 522-30525-9) zehn herausfordernde Geschichten, die zeigen, wo in unserem Alltag die Zehn Gebote aktuell werden und welche Antwort sie darauf haben. Stephan Sigg ist zugleich auch der Verfasser der im Verlag Tyrolia mit ausdrucksstarken Fotos erschienenen neuen „sportlichen Jugendgebete für Teamplayer und Einzelkämpfer“ mit dem Titel Startklar (ISBN 7022-3845-2) sowie „das kleine Powerbuch zur Firmung“ Ich glaub an dich (ISBN 7022-3805-6) voller Ermutigungen, guter Wünsche und kreativer Gestaltung.

 Zwei neue empfehlenswerte Religionsbücher für die Sekundarstufe I sind erschienen: Zum einen das Arbeitsbuch für den evangelischen Religionsunterricht im 7. Schuljahr an Mittelschulen in Bayern Kursbuch Religion Elementar7, das im Calwer Verlag (ISBN 7668-4444-6) von Hans Burkardt und Eva Weigand bearbeitet wurde und die folgenden fünf Kapitel samt Methodenkiste und Reli-Lexikon enthält: 1. Die Zehn Gebote 2. Scheitern und Neubeginn 3. Kirche im Wandel 4. Verantwortung übernehmen 5. Jüdischer Glaube und jüdisches Leben. Zum anderen das von Lars Bednorz, Ralf Brandhorst, Friederike Gosdzinski, Sarah Jakobi, Antje Roggenkamp, Michael Wallner und Derek Zückert bearbeitete Unterrichtswerk für Evangelische Religion an Gymnasien theologisch 7, das wie folgt aufgebaut ist: „In „Glaube findet Sprache" geht es darum, wie sich Religion und der persönliche Glaube jedes Menschen konkret ausdrücken können: ob in eher traditionellen Formen wie Gebeten und dem Gottesdienst – oder auf eher unkonventionelle Weise, die manchmal erst bei genauerem Hinsehen als religiös erkennbar wird, wie durch Musik, Tanz, Kunst und selbst durch das Internet ... „Kirche hat Geschichte" will dich vor allem über die Entstehung und Ausbreitung des Christentums in den ersten Jahrhunderten informieren: Wie sah das Leben der ersten Christen in ihren Gemeinden aus? Welche Konflikte hatten sie zu bewältigen, welche Gefahren zu bestehen? Wie konnte es kommen, dass aus einer so kleinen Gruppe, die Jesus nachgefolgt ist, eine Weltreligion wurde? Eine weitere Weltreligion wirst du in dem Kapitel „Islam" kennenlernen. Auch hier lernst du etwas über die Ursprünge und Geschichte dieser Glaubensrichtung, von der sich sogar manches in unserer eigenen Kultur wiederentdecken lässt. Das Augenmerk wird darüber hinaus auf den heutigen Islam gelenkt: seine Glaubenspraktiken und verschiedenen Strömungen in unterschiedlichen Ländern. Jeder hat Wünsche – du bestimmt auch. In „Ich und meine Wünsche" lernst du diese zu reflektieren und nach deren Ursprüngen zu fragen. Was unterscheidet positive Sehnsüchte von solchen, die bei genauerem Hinsehen lebenshindernd sind? Welche Vorbilder beeinflussen unsere Hoffnungen? Auch die Ziele und Zukunftsbilder berühmter Persönlichkeiten sollen dir hier vorgestellt werden. Ein speziell christliches Thema bildet den Abschluss dieses Buches: „Nächstenliebe und diakonisches Handeln der Kirche". Vielleicht weißt du schon, dass Diakonie „Dienst" bedeutet. Doch wie genau vollziehe die Kirche ihren Dienst der Nächstenliebe – und warum tut sie das eigentlich? Wie kann auch jeder Einzelne Diakonie in seinem Alltag leben und an welchen Persönlichkeiten kann man sich hier orientieren?“ (3)

Für die Klassen 7-10 hat Marita Koerrenz im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (ISBN 525-70263-5) lebensnahe Materialien unter dem Titel Schöpfung gestalten. Mit Jugendlichen Religion und Ethik denken veröffentlicht. In den einleitenden Gedanken heißt es: „Die künftigen Generationen in den Blick zu nehmen und ihre Lebensgrundlagen zu bewahren, ist bei alledem ein biblisches Thema, das es neu zu entfalten gilt. Dieser Aufgabe widmet sich der vorliegende Band. Im Aufbau des Heftes wird, ausgehend von den biblischen Quellen, nach den Bezügen von Mensch-Welt-Gott gefragt. In den Mittelpunkt rückt dabei die Dynamik theologischen Redens von der Schöpfung als ein Beziehungsgeschehen. Die Welt als Gottes Schöpfung zu verstehen, meint nicht, eine naturwissenschaftliche Aussage über den Entstehungsprozess der Welt treffen zu müssen. Der Begriff »Schöpfung« unterliegt keinem Zwang, kommunikativ auf die Vorstellungen von einem Gott, der in sechs Tagen die Welt aufbaut, zurückgreifen zu müssen. Die Rede von »Schöpfung« in der Theologie versteht sich als ein Glaubenssatz. SuS können lernen, dass ein solch biblisches Verständnis von Schöpfung Zugänge zum Verständnis von Leben zu öffnen vermag, die der rein naturwissenschaftlichen Betrachtung von Welt fehlt. Der Band möchte dazu ermutigen, biblische Schöpfung als eine Bereicherung der Wahrnehmung von Mensch, Welt und Gott verstehen zu lernen. Dazu nimmt er die SuS mit auf eine gedankliche Reise von der Urgeschichte zu der Wahrnehmung des Menschen als Gast auf dieser Erde, über die Entfremdung des Menschen von seiner ihm ursprünglich zugedachten Rolle als Ebenbild Gottes bis hin zu der globalen Bedrohung durch den menschengemachten ungebremsten Klimawandel. Mit dem Bezug zu »Fridays for Future« knüpft das Thema inhaltlich an den weltweiten Protest heutiger Jugendlicher an. Eingebunden in das theologische Nachdenken über Schöpfung bleibt der Weckruf zur Panik eine durchaus notwendige, aber nicht die letzte Handlungsoption. Vielmehr sieht sich der christliche Glauben im weiten Raum aus biblischer Herkunft und ökumenischer Gegenwart in eine Zukunftsperspektive gestellt, die Gott den Menschen zusagt und dadurch Umkehr ermöglicht.“ Projektorientiertes Stationenlernen zur Reich-Gottes-Lehre in den Klassen 7 bis 10 steht im Mittelpunkt der im Calwer Verlag (ISBN 7668-4527-6) erschienenen Anregungen und Kopiervorlagen Neue Zugänge zu den Gleichnissen Jesu von Tanja Unewisse. Die Autorin gibt in der Einleitung einen Überblick über das abwechslungsreiche Projekt: „Das im Folgenden dargestellte Unterrichtsprojekt zu Jesu Gleichnissen enthält verschiedene Zugänge zu den biblischen Texten, die in Form einer Stationenarbeit aufbereitet sind. Zentral ist neben dem Textverständnis auch ein umfassendes „Arbeiten mit dem Text" und ein „Erleben" und „Bedenken" der Inhalte. Behandelt werden insbesondere folgende Gleichnisse: „Der verlorene Sohn", ,,Die Arbeiter im Weinberg", ,,Der barmherzige Samariter", ,,Die bösen Weingärtner", ,,Das Weltgericht" und „Das verlorene Schaf". Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit erhalten, auf möglichst unterschiedlichen Wegen und mit abwechslungsreichen Aufgaben, Zugänge zu den Inhalten und ihrer Bedeutung für ihr eigenes Leben zu gewinnen. Einige Stationen sind differenziert angelegt und können nach individuellem Leistungsvermögen bearbeitet werden. Im Referenzrahmen für die Qualitätsanalyse sind auch Elemente, wie das Organisieren, Reflektieren und das Nutzen von Strategien impliziert. Gleichzeitig ist ein kooperatives Miteinander mit einem hohen Maß an Eigenbeteiligung erwünscht. Inwiefern solche Projekte auch zur Schulkultur gehören, muss jede Schule selbst erproben, aber selbstgesteuertes Lernen, individuelle Lernwege und Schülerorientierung sind wesentliche Elemente für die Qualitätsanalyse. Je mehr Schülerinnen und Schüler an differenziertes Arbeitsverhalten gewöhnt sind, desto mehr sind sie in der Lage, verschiedene Aufgabenformate zu verstehen. Durch die abwechslungsreiche Aufgabengestaltung kann so die Motivation gesteigert werden. Die Basisstation kann grundsätzlich für den gemeinsamen Unterrichtseinstieg fungieren, die Zielstation wäre wie eine Auswertung der Stationenarbeit zu betrachten. Im Anschluss können die Endstationen zur Reich-Gottes-Lehre auf inhaltlicher Ebene ergänzt werden. Zudem sind die Spiele in den Endstationen dazu da, ein Gesamtbild der von Jesu erzählten Gleichnisse zu schaffen. Die Puzzleteile aus allen Stationen sollen sich hier zusammenfügen.“

In der bewährten Reihe „RU praktisch- Berufliche Schulen“ hat Matthias Günther die im Calwer Verlag (ISBN 525-77239-3) veröffentlichten Bausteine Liebe(n) lernen erarbeitet. Zur Konzeption schreibt der Verfasser: „Kein Thema beschäftigt Menschen mehr als die Liebe. Sie steht für Erfahrungen von Sinnfindung und Sinnhaftigkeit, mit ihrer Entbehrung auch für Erfahrungen von Sinnverlust und Sinnlosigkeit. Liebe(n) muss gelehrt und gelernt werden – auch in der Schule – durch die Reflexion gemachter Erfahrungen und als Vorbereitung auf zukünftige Erfahrungen. Große Unterrichtsthemen wie »Liebe« und »Tod« bedürfen mehr als andere Themen der Reduktion. Alle relevanten Aspekte des Themenfeldes »Liebe« den Schülerinnen und Schülern vorstellen zu wollen, würde in die »Vollständigkeitsfalle« (Martin Lehner) führen: sie könnten kaum eigene Lernerfolge erfahren. Die vier Module »Was ist Liebe?«, »Gottes Liebe und die Liebe zu Gott«, »Nächstenliebe als Beruf« und »Wenn die Liebe endet« orientieren sich an der Lebens- und (zukünftigen) Berufswelt der Schülerinnen und Schüler. Das Material öffnet ihnen Räume zur Aneignung von Kompetenzen im Umgang mit der Liebe untereinander, in der Entwicklung von Empathiefähigkeit gegenüber ihnen später in ihrem Berufsalltag anvertrauten Menschen und als kritische Kategorie zur Beurteilung gesellschaftlichen, auch religiösen Lebens.“ (5)

Eine hervorragende Einführung legt Christiane Thompson in der Reihe „Grundrisse der Erziehungswissenschaft“ im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-026165-5) mit dem Titel Allgemeine Erziehungswissenschaft vor. Die Verfasserin schreibt in ihrer Einleitung zum Aufbau des Bandes: „Der Band ist in drei Teile gegliedert, die aufeinander verweisen und dennoch unabhängig voneinander gelesen werden können. Der erste Teil trägt den Titel »Aspekte wissenschaftlicher Grundlegung«. Er verbindet wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftstheoretische Gesichtspunkte. Das erste Kapitel geht auf die Geschichte der Wissenschaft ein und rekapituliert wichtige Zäsuren und Entwicklungen rund um die abendländische Wissenschaftsvorstellung. Im zweiten Kapitel kommt die Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft genauer in den Blick. Es werden einige Aspekte zur Geschichte und Herausbildung des Faches beschrieben, insbesondere auch die Frage diskutiert, um was für eine Wissenschaft es sich eigentlich bei der Erziehungswissenschaft handelt. Das dritte Kapitel geht auf das wissenschaftliche Arbeiten ein im Hinblick auf die Frage, welche Operationen und Tätigkeiten des Denkens für dieses Arbeiten von besonderer Bedeutung sind. Der Fokus liegt daher auf der Bildung der Argumentationsfähigkeit. Im zweiten Teil werden jene Begriffe vorgestellt, die im Fach als »       Grundbegriffe« herangezogen bzw. diskutiert werden: »Erziehung«, »Bildung«, »Lernen«, »Kompetenz« und »Sozialisation«. Insgesamt zielt die Darstellung weniger darauf ab, mit diesen Begriffen einen fertigen erziehungswissenschaftlichen Grundbestand vorzustellen, als vielmehr deutlich zu machen, dass mit diesen Begriffen spezifische Problemstellungen formuliert werden. Diese Problemstellungen sind es, welche die Erziehungswissenschaft vor beständige Reflexions-und Praxisaufgaben stellen. Dazu gehört selbst auch die Frage, in welcher Weise sich die Begriffe als »pädagogisch« begreifen lassen. Es ließen sich mit guten Gründen auch weitere Begriffe anführen (z. B. Beratung), die aus Gründen des Umfangs hier nicht berücksichtigt worden sind. Für den Begriff der Erziehung im vierten Kapitel besteht eine zentrale Problemstellung darin, dass mit ihr ein widersprüchlicher Prozess von Freiheit und Zwang beschrieben wird. Im fünften Kapitel wird der Begriff der Bildung als humanistischer und moderner Begriff vorgestellt, der für das Versprechen der Verbesserung und Kultivierung des Menschen steht. Es wird aber auch gezeigt, dass und wie - aus historischer Perspektive - die Idee der Bildung selbst Prozesse der Modernisierung unterlaufen hat. Das sechste Kapitel hebt einen pädagogischen Begriff des Lernens von objektivistisch orientierten Lernbegriffen ab, indem insbesondere auf Aspekte der Sinngeladenheit und des Erfahrungsbezugs im Lernen eingegangen wird. Ausgehend von den PISA-Studien wird im siebten Kapitel die Frage aufgeworfen, inwiefern es sich beim Begriff der Kompetenz um einen pädagogischen Begriff handelt. Diese Frage wird im Horizont der Kritik diskutiert, die am Begriff der Kompetenz vorgebracht worden ist. Im achten Kapitel wird der Begriff der Sozialisation thematisiert. Im Zentrum steht, wie in Theorien der Sozialisation der Erwerb gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit beschrieben wird – und welche Vorstellungen von »Gesellschaft« darin impliziert sind. Der dritte Teil greift wichtige erziehungswissenschaftliche Problemfiguren auf, die einen Einblick in allgemein erziehungswissenschaftliche Diskurse geben und zu denen es jeweils umfängliche Auseinandersetzungen und Debatten gibt. Das neunte Kapitel befasst sich mit der erziehungswissenschaftlichen Problemfigur der Wirksamkeit. Kern des Kapitels ist die Einsicht, dass sich pädagogisches Handeln nicht in technologischer Manier vollzieht. Auseinandergelegt wird, was dies für erziehungswissenschaftliches Wissen und seine Übersetzung in Handlungszusammenhänge heißt. Das zehnte Kapitel spannt einen Bogen von der Differenz zur Alterität – der Andersheit des Anderen oder Fremdheit. Ausgangspunkt ist, dass das Erziehungs- und Bildungssystem in Deutschland von Ungleichheiten geprägt ist. Was bedeutet dies für pädagogisches Denken und Handeln? Wie lässt sich vermeiden, dass wir unser Gegenüber in Raster einordnen, die wir uns von ihm gemacht haben? Das elfte Kapitel greift die Frage nach dem Menschen auf: Pädagogische Ansätze und Theorien sind mit bestimmten Menschenbildern verbunden, die immer auch machtvoll und begrenzend sind. Wie eine kritisch-anthropologische Reflexion vorzunehmen ist, wird im Kapitel einerseits anhand eines klassischen anthropologischen Ansatzes und andererseits an jüngeren transhumanistischen Ansätzen nachvollzogen. Zum Ende des Kapitels wird anknüpfend an jüngste kritisch-posthumanistische Debatten gefragt, wie der Begriff der Bildung in Zeiten der Klimakatastrophe und anderer Weltprobleme gedacht werden kann. Wie anhand des knappen Überblicks deutlich werden kann, legt diese Einführung die Aufmerksamkeit auf grundlegende Problemstellungen der Pädagogik und Erziehungswissenschaft. Sie stellt unterschiedliche Deutungsangebote vor, wie mit diesen Problemstellungen umgegangen werden kann – wie diese gedacht werden können. Dabei finden klassische Positionen wie gegenwärtige Ansätze Berücksichtigung. Das Ziel besteht darin, Gedankengänge zu entwickeln, welche die Unterschiedlichkeit von wissenschaftlichen Denkweisen oder sogar den Widerstreit innerhalb der Erziehungswissenschaft sichtbar machen. Das ist es, was die Bezugnahme auf eine »Allgemeine Erziehungswis­senschaft« ausmacht: die Arbeit an pädagogischen Vorstellungen, Begriffen und Theorien, so dass Kommunikation und Auseinandersetzung darüber möglich werden, welche Folgen es zum Beispiel hat, wenn wir einen Sachverhalt als »Bildung« oder als »Kompetenzentwicklung« beschreiben. Die Allgemeine Erziehungswissenschaft übernimmt damit die Funktion, Statthalter unterschiedlicher Denkwege innerhalb des Faches zu sein. Indem sie vergangene und gegenwärtige Ansätze miteinander ins Gespräch bringt, eröffnet sie außerdem die Möglichkeit, neue pädagogische Deutungen und Theoretisierungen aufzunehmen.“ (15ff.)

Ulrich Heimlich und Ewald Kiel haben im Verlag Julius Klinkhardt als UTB (ISBN 8252-5248-9) den vorzüglichen umfangreichen Wegweiser für die Lehrerbildung Studienbuch Inklusion herausgegeben. Die Herausgeber schreiben zum Inhalt: „Das „Studienbuch Inklusion" richtet sich an alle Lehramtsstudierenden (auch ohne Vorkenntnisse im Bereich der Sonderpädagogik) und zielt darauf ab, ein Grundwissen zum Zusammenhang von Inklusion und Sonderpädagogik zu vermitteln. Dazu werden zunächst die sonderpädagogischen Förderschwerpunkte von namhaften Expertinnen und Experten des jeweiligen Faches in prägnanter und praxisnaher Weise vorgestellt (Kap. 1.0). Sodann wird das inklusive Schulsystem im Überblick dargestellt, so wie es sich international in einer Vielfalt an inklusiven Settings derzeit herausbildet. Neben inklusiven Schulen als Schulen für alle ist hier auch an spezielle Klassen in allgemeinen Schulen zu denken, in die ausschließlich Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen werden. Außerdem existieren daneben nach wie vor in vielen Ländern der Welt eigenständige Organisationsformen als Unterstützungssysteme für allgemeine Schulen wie Förderschulen und Förderzentren sowie mobile sonderpädagogische Angebote (Kap. 2.0). Die Anforderungen des inklusiven Unterrichts und der inklusiven Schulentwicklung stehen abschließend im Mittelpunkt, um deutlich zu machen, welche Veränderungen in Unterricht und Schulleben erforderlich sind, um ein inklusives Schulsystem zu entwickeln (Kap. 3.0).“ In der Einleitung „Inklusion als Leitbild – Vielfalt der Wege“ zum dritten Teil „Inklusiver Unterricht und inklusive Schulentwicklung“ führt Ulrich Heimlich plausibel aus: „Mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland im März 2009 stehen potenziell alle Lehrkräfte in allen Schulformen vor der Aufgabe, auch Schülerinnen und Schüler mit Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) zu unterrichten. Zugleich betrifft das Konzept der Inklusion die Schule als System, wenn das Ziel erreicht werden soll, dass alle Schülerinnen und Schüler in allen Schulen willkommen geheißen werden. Die Gestaltung des inklusiven Unterrichts und die Entwicklung einer inklusiven Schule stehen im folgenden Kapitel im Mittelpunkt. Die UN-BRK gibt zwar in Art. 24 das Ziel vor, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu entwickeln. Es wird allerdings nicht konkret ausgeführt, wie dieses inklusive Bildungssystem letztlich aussehen soll oder wie der Weg zu diesem inklusiven Bildungssystem zu gestalten ist. Es besteht allenfalls eine Verpflichtung, konkrete Schritte zu diesem Ziel hin zu unternehmen und darüber zu berichten, wie im ersten Staatenbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) von 2011 erstmals geschehen. Die Umsetzung der UN-BRK wird in Abhängigkeit von den jeweiligen nationalen Bildungssystemen stattfinden. Insofern wird es gravierende Unterschiede in der Inklusionsentwicklung zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern geben. Während einige Länder nach einer Phase der Exklusion im Sinne eines Ausschlusses von Bildungsmöglichkeiten vor der Aufgabe stehen, das Bildungsrecht von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung bzw. SPF zunächst einmal zu verwirklichen, indem ihnen der Zugang zu Bildungseinrichtungen gewährt wird, stehen andere Länder vor der Herausforderung ein vielfach differenziertes und historisch gewachsenes Bildungssystem an die neuen inklusiven Anforderungen anzupassen. In Deutschland müssen wir ab der Sekundarstufe von einem viergliedrigen Schulsystem ausgehen. Dabei sollte bewusst sein, dass in kaum einem anderen Land der Welt Kinder nach der 4. Klasse der Grundschule auf unterschiedliche Bildungsgänge wie Mittelschule, Realschule und Gymnasien verteilt werden. In Deutschland ist zusätzlich ein differenziertes Förderschulsystem entstanden, mit nahezu jeweils einer eigenständigen Schule für eine Behinderungsart. Anfang der 1970er Jahre war diese Entwicklung eines separierenden Systems weitgehend abgeschlossen (Phase der Separation). Zugleich begann ab 1973 (vgl. Deutscher Bildungsrat 1974) eine integrative Gegenbewegung, die das Ziel ausrief, für mehr Begegnung im Bildungssystem Sorge zu tragen und vorher getrennte Schülergruppen wieder zusammenzuführen (Phase der Integration). Diese Bemühungen um mehr Gemeinsamkeit im Bildungssystem als Aufgabe von demokratischen Gesellschaften führten aus Modelversuchen in einigen Bundesländern und nach einer intensiven kritischen Diskussion zur Anerkennung der allgemeinen Bildungseinrichtungen wie Kindertageseinrichtungen und Schulen als möglichem Förderort auch für Kinder und Jugendliche mit Behinderung bzw. SPF. Bestätigt wurde diese Entwicklung schließlich auch durch die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK) von 1994 zur sonderpädagogischen Förderung, die die nachrangige bzw. subsidiäre Funktion der sonderpädagogischen Förderung in den Vordergrund rückte und der Integration in die allgemeine Schule einen Vorrang einräumte. Mit der UN-BRK ist nun eine Phase der Inklusion eingeleitet, in der es Bildungseinrichtungen zu entwickeln gilt, die von vornherein auf jegliche Form von Aussonderung bzw. Separation verzichten. Inklusion bedeutet also im Unterschied zur Integration nicht die Zusammenführung von vorher getrennten Gruppen. sondern die Entwicklung eines Bildungssystems, in dem diese Trennung nicht mehr erforderlich ist. Ziel ist es, Formen von Bildungsteilhabe und sozialer Teilhabe anzubieten, die alle in gleichberechtigter (und nicht nur in gleicher) Weise und in selbstbestimmter Form wahrnehmen können. Menschen mit Behinderung wollen das Recht auf Teilhabe wahrnehmen und auch etwas einbringen in die Gesellschaft sowie in Bildungsprozesse. Die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit SPF in eine Schule, verändert erfahrungsgemäß die Schule als System. Erste Überblicke über die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems in verschiedenen Ländern der Welt zeigen, dass eine Vielfalt an inklusiven Settings entsteht, um Bildungsteilhabe zu erreichen. Diese reichen vom inklusiven Unterricht, an dem alle teilhaben und zu dem alle etwas beitragen, bis hin zu quasi-therapeutischen Einzelfördersituationen von Kindern und Jugendlichen mit umfassenden Verhaltensproblemen, die ein Lernen in Gruppen komplett überfordern würde. Zu seinem inklusiven Bildungssystem zählen nach gegenwärtigem Stand: inklusive Schulen als Schulen für alle; Klassen von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung bzw. SPF in allgemeinen Schulen; Förderzentren ausschließlich für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung bzw. SPF. Förderzentren werden zunehmend Teil eines regionalen Inklusionsnetzwerkes und kooperieren mit den allgemeinen Schulen in der Region. Über mobile sonderpädagogische Förderangebote kommt es zu Kooperationsprojekten, in denen sonderpädagogische Förderangebote in allgemeine Schulen verlagert werden können. Umgekehrt öffnen sich Förderzentren mancherorts bereits für Schülerinnen und Schüler ohne Behinderung bzw. ohne SPF und verändern sich so zu inklusiven Schulen bzw. zu Schulen ohne Schülerinnen und Schüler, die als Kompetenzzentren nur noch Dienstsitz der sonderpädagogischen Lehrkräfte sind.

Zwei Entwicklungsaufgaben aus der Sicht von Lehrkräften sollen vor diesem Hintergrund nun im Mittelpunkt stehen. Eine erste Entwicklungsaufgabe stellt sich Lehrkräften aller Schulformen in einem inklusiven Bildungssystem bezüglich der Weiterentwicklung ihres Unterrichts, damit alle Schülerinnen und Schüler daran teilhaben und dazu beitragen können. Dazu liegen sowohl einige Modelle inklusiver Didaktik im Sinne von Begründungszusammenhängen (Kap. 20.1) vor als auch langjährige Erfahrungen zu den besonders geeigneten Methoden des inklusiven Unterrichts (Kap. 20.2) und den zentralen Prinzipien inklusiven Unterrichts (Kap. 20.3). Weitgehend ungeklärt war bis vor kurzem noch die Bewältigung der konkreten Planungsaufgabe zum inklusiven Unterricht. Dazu wird abschließend das Modell der inklusionsdidaktischen Netze vorgestellt und an Beispielen aus verschiedenen Lernbereichen illustriert (Kap. 20.4). Ein besonderes Problem in heterogenen Lerngruppen stellt die Leistungsbewertung dar, die auch im inklusiven Unterricht Lehrkräfte immer wieder vor große Herausforderungen stellt (Kap. 20.5). Letztlich steht der inklusive Unterricht für eine gute Unterrichtsqualität. Inklusion und Qualität bedingen sich auch auf dem Gebiet des Unterrichts gegenseitig. Die Merkmale des guten Unterrichts sind deshalb auch gute Voraussetzungen für den inklusiven Unterricht (Kap. 20.6). All diese Anforderungen an den inklusiven Unterricht machen in der Summe deutlich, dass diese Aufgabe nicht im „Einzelkämpfertum" bewältigt werden kann und gut entwickelte Kooperations­ und Teamstrukturen benötigt (Kap. 20.7). Die zweite Entwicklungsaufgabe in einer inklusiven Schule besteht im Wesentlichen in der Gestaltung eines inklusiven Schulkonzepts. Die Weiterentwicklung einer Schule zu einer inklusiven Schule ist eine Aufgabe, an der früher oder später das gesamte Kollegium beteiligt sein sollte (Kap. 21.1). Als hilfreich hat sich hier erwiesen, dass über Unterricht und Erziehung hinaus die internen und externen Kooperationsprozesse zwischen den pädagogischen und anderen Fachkräften thematisiert werden. Inklusive Schulentwicklung ist kein Feld für Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer (s. Kap. 17.0 zur inklusiven Schule). Deshalb empfiehlt es sich hier insbesondere, Veränderungen auf mehreren Ebenen der pädagogischen Arbeit in Schulen vorzunehmen. Das benötigt Zeit und kann nicht über Nacht bewerkstelligt werden. Aber es liegen inzwischen erprobte und praxisnahe Materialien dazu vor. Nach der Klärung der Frage, wie Schulentwicklung beginnt (Kap. 21.2) und welche Wege und Leitideen dazu vorliegen (Kap. 21.3) wird die Aufgabe der inklusiven Schulentwicklung aus der Perspektive der Akteurinnen und Akteure im Einzelnen dargestellt (Kap. 21.4 und Kap. 21.5). Sowohl für die Entwicklung des inklusiven Unterrichts als auch für die inklusive Schulentwicklung gilt ein erhöhter Kooperationsbedarf aller Beteiligten. Insofern dürfte sowohl die interne als auch die externe Kooperation in inklusiven Schulen zu den unabdingbaren Voraussetzungen gelingender Entwicklungsprozesse auf der Ebene des Unterrichts und auf der Ebene der Schule als System zählen.“ (245ff.)

Zuletzt gilt es zwei Neuerscheinungen anzuzeigen zum Bereich Glaube und Naturwissenschaft: Zum einen den von Stefan Altmeyer, Rudolf Englert, Norbert Mette, Andrea Schulte und Mirjam Zimmermann im Comenius-Institut Münster (ISBN 943410-27-3) redigierten, äußerst hilfreichen religionspädagogischen Reader Weltbilder: Glaube – Naturwissenschaft. Die Redaktionsgruppe skizziert im Vorwort das Spannungsfeld: „>>Ich habe viele unterschiedliche Vorstellungen von Gott und dem Glauben. Einige widersprechen sich sogar, wie ich befürchte, obwohl sie nebeneinander gemeinsam mein Gottesbild ausmachen. (...) Ein Teil von mir hat sich einen eigenen Gott ausgedacht, und zwar einen, an den ich sehr gut glauben könnte. Zum Beispiel glaube ich nicht an die Schöpfung des Himmels und der Erde durch Gott (sondern an den Urknall und die Evolution). (...) Ich glaube nicht an ein Eingreifen Gottes in den Alltag der Menschen. Ich glaube nicht, dass er uns vor Unfällen oder Krankheiten schützt. Nach meiner Vorstellung ist Gott nicht allmächtig, sodass ich nicht an seiner Allgüte zweifeln müsste. (...) Nach dieser Vorstellung kann man Gott nicht anklagen wegen einer Naturkatastrophe, einem Todesfall oder vielen anderen Dingen. (...) Gott kann die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen und sich auch nicht ins ‚real life' einmischen.<< (Tanja -10. Klasse Gymnasium, Name geändert) Nicht erst seit heute stehen sich die unterschiedlichen Weltzugänge, die mit den beiden Großbegriffen „Glaube" und „Naturwissenschaft" markiert sind, wie höchst spannungsreiche Pole gegenüber. Was über Jahrhunderte als eine Art Kampf der Weltbilder nicht nur die größten Denkerinnen und Denker, sondern auch viele einfache Menschen auf der Suche nach Orientierung und Lebenssinn heftig bewegte, ruft allerdings heute nur mehr selten Auseinandersetzungen von größerer Breitenwirkung hervor. Es scheint, als seien die Schlachten geschlagen, der Kampf entschieden und die Gebiete zwischen Naturwissenschaft und Glaube klar aufgeteilt. Mit der entscheidenden Wendung, dass der Bereich, für den der Glaube, wenn nicht Deutungshoheit, so doch zumindest Plausibilität beanspruchen könnte, einen verschwindend geringen Teil dessen ausmacht, was die eingangs zitierte Schülerin als ‚real life' bezeichnen dürfte. Entsprechend lang fällt die Liste von Tanjas „ich glaube nicht" - Sätzen aus: Nicht an Gott als Schöpfer kann sie glauben, nicht an sein Handeln, genauso wenig an seinen Schutz wie an irgendeine Möglichkeit, er könne Macht über die Natur ausüben. Natürlich wissen wir längst, dass Tanja mit diesen Abweisungen traditioneller Glaubenssätze alles andere als alleine dasteht. Und doch gibt es eine zweite, nämlich positive Lesart dieses Textes, der im Religionsunterricht an einem Gymnasium entstanden ist. Um sie wahrzunehmen, muss man sich von der eingespielten Deutung verabschieden, das Verhältnis zwischen Glaube und Naturwissenschaft als eine Geschichte des Kampfes zweier Weltbilder zu lesen, aus denen die eine Seite als Sieger, die andere als Verlierer hervorgegangen ist. Solche einfachen Unterscheidungen sind bei weitem nicht so alternativlos wie sie scheinen. Traut man sich, die Perspektiven zu wechseln, öffnen sich Fenster auf ganz neue Sichtweisen. Denn ist es nicht auch eine Befreiung, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse bestimmte Glaubensvorstellungen ‚erledigt' haben? Müsste man die durch die Naturwissenschaften vorangetriebenen Erkenntnisfortschritte nicht vor allem als einen Segen wahrnehmen, da sie neben allen damit einhergehenden Erweiterungen und Verbesserungen von Lebensmöglichkeiten eben auch die einmalige Chance eröffnen, den Glauben für diese veränderten Wirklichkeiten neu zu denken? Tanja jedenfalls macht von diesen Möglichkeiten ganz selbstverständlich Gebrauch. Vieles, was sie aus der Glaubensüberlieferung kennt, kann sie ablegen, ohne deshalb den Gottesgedanken und die Gottesbeziehung aufzugeben. Im Gegenteil, all das hat erst bewirkt, dass sie sich einen Gott „ausgedacht" hat, an den sie „sehr gut glauben könnte". Das klingt vielleicht nach einer einfachen und unterkomplexen Lösung. Doch so leicht macht es sich Tanja keineswegs; sie schreibt weiter: >>Und warum sollte man denn an Gottglauben? Die Wissenschaft vermittelt das Gefühl, dass sie jedem Geheimnis auf der Spur ist und es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie auch das letzte Geheimnis gelüftet hat. Für mich ist nichts Göttliches an der Physik, und wenn ich in den tiefblauen Nachthimmel sehe, wird mir zwar ganz schwindelig vor dieser Weite, aber warum sollte ich sofort an Gott denken, nur weil etwas meine Vorstellungskraft übersteigt?<< Wenn naturwissenschaftlich geprägte Weltbilder religiöse Vorstellungen ins Wanken bringen, dann sind es – folgt man dem Gedankengang der Schülerin – wohl insbesondere solche, die auf schnelle Gewissheiten setzen und auf Erfahrungen des schwindeligen Taumels statt auf bewusstes Erkennen rekurrieren. Von Tanja und ihrem Text lässt sich darüber hinaus auch positiv lernen: Auch wo man sich von alten Gewissheiten verabschiedet und dem Taumel unmittelbaren Ergriffenseins misstraut, ist die Frage nach Gott keineswegs erledigt; gerade das Gegenteil ist der Fall, dort wird es erst spannend. Doch wie könnte Glauben jetzt noch gehen? Diese wahrhaft ‚große Frage' steckt hinter Tanjas Text, der nur auf den ersten Blick wie eine Absage an zentrale Glaubenssätze wirkt, die auf der Basis eines naturwissenschaftlichen Weltbildes entwickelt wurde. Die Frage nach dem Glauben angesichts naturwissenschaftlicher Weltzugänge stellt auch den roten Faden dar, der die in diesem Buch zusammengestellten Texte miteinander verbindet – vom theologischen ,Klassiker' über naturwissenschaftliche Selbstreflexionen bis hin zu aktuellen empirischen Erkenntnissen und Unterrichtsvorschlägen. Der erste Teil nimmt dabei den Ausgang bei erkenntnistheoretischen Grundfragen der Naturwissenschaften, wobei naturwissenschaftliche Zugänge zur Wirklichkeit in ihren Möglichkeiten wie in ihren Grenzen in den Blick genommen werden. Daran anschließend widmet sich der zweite Teil ausdrücklich dem Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften, indem zunächst naturwissenschaftliche und anschließend theologische Stimmen zu Wort kommen. Wendet man den Blick von diesen grundlagentheoretischen Reflexionen hin zu religiösen Lernprozessen im Kontext naturwissenschaftlich geprägter Lebenswelten, treten typische religionspädagogische Spannungsfelder zutage, die in den Texten des dritten Teils angesprochen und bearbeitet werden. Der abschließende vierte Teil stellt schließlich unterschiedliche didaktische Wege vor, die auf exemplarische Weise verdeutlichen, wie die Spannung zwischen Glaube und Naturwissenschaft in der Planung und Gestaltung von Lernprozessen sowohl bedacht, als auch möglicherweise fruchtbar gemacht werden kann.“ (9f.) Zum anderen das im mvg Verlag (ISBN 7474-0008-1) erschienene Büchlein Über Gott den Urknall und Anfang des Lebens von Harald Lesch. Zum Abschluss dieses Literaturberichts als Kostprobe daraus das letzte Kapitel „Gott, Physik und die Kreativität des Universums“: „Ich habe ja zu Anfang gesagt, dass ich ein ganz naives Gottesbild habe. Ich halte Gott für jemanden, der unglaublich scharf darauf ist, neue Möglichkeiten auszuprobieren. Der neugierig ist, der staunt darüber, was die Welt so mit sich selbst anstellt. Der sich vor allen Dingen darüber freut, wenn wir uns in Freiheit für ihn entscheiden. Dabei gibt es allerdings auch die Möglichkeit, dass man sich gegen ihn entscheidet. Das kann man ruhig machen. Über diesen berühmten Abgrund des Zweifels müssen ja alle drüber, und zwar sowohl diejenigen, die glauben, als auch diejenigen, die nicht glauben. Die einen fragen sich: »Mensch, glaube ich denn eigentlich an was Ordentliches?«, und die anderen: »Ist denn mein Unglaube so zweifelsfrei?« Also, der Zweifel ist das, was mich mit Gott am allermeisten verbindet. Der Zweifel und die Lust auf etwas Neues, nämlich die Lust auf neue Möglichkeiten, immer wieder hoffnungsvoll einen weiteren Schritt zu gehen, etwas Neues auszuprobieren. Denn wenn sich etwas zeigt in dieser Welt, dann ist es vor allen Dingen dieser unglaubliche Drang zur Kreativität. Wenn man den Beginn des Universums vergleicht mit dem, was sich heute allein auf diesem kleinen Planeten alles in verschiedenen Erscheinungsformen entwickelt hat aus diesem homogenen Anfangsbrei. Da ist ja nicht nur das Universum daraus geworden, sondern zum Beispiel auch Blumen. Mir ist es einmal so gegangen. Ich habe in meinem Garten ein Buch über Elementarteilchenphysik gelesen und dann bin ich darüber eingeschlafen und als ich wieder aufgewacht bin, sah ich eine kleine, blaue Traubenhyazinthe vor mir. Und dann dachte ich mir so: »Meine Güte, was ist das für ein Universum, das aus Quarks eine kleine blaue Traubenhyazinthe macht!« Und in diesem Sinne, glaube ich, kann man tatsächlich auch mit einer ganz naiven Vorstellung von Gott in diesem Universum Astrophysik betreiben. Es könnte nämlich sein, dass Gott es so eingerichtet hat, dass die Dinge sich selbst machen. Und das finde ich eine ganz wunderbare Aussicht. In diesem Sinne!“ (75ff.)