Die Nutzung internetbasierter Kommunikation im Kindesalter hat sich in den vergangenen Jahren, sowohl im Hinblick auf das kindliche Umfeld als auch im Hinblick auf die eigene Nutzung durch die Kinder, weit ausgedehnt (KIM Studie, 2018). Ihr wird im soziologischen und pädagogischen Kontext häufig eine Entgrenzung attestiert (Hugger, 2018). Zugleich befinden wir uns aber hinsichtlich der Wahrnehmung und Verwendung im schulischen Kontext weitestgehend in einer Phase der Begrenzung, die gekennzeichnet ist von mangelnder Ausstattung der Schulen mit den technischen Notwendigkeiten, mangelnder Ausbildung der Lehrkräfte im Umgang mit den technischen Möglichkeiten und vor allem mangelnder Reflexion der Chancen und Risiken einer Digitalisierung der Schule. Um dieser Begrenzung aus religionspädagogischer Perspektive entgegen zu wirken, ist eine Bearbeitung in religionspädagogischer wie religionsdidaktischer Hinsicht notwendig. Angesichts der angedeuteten Entgrenzungen des sich gegenwärtig vollziehenden Transformationsprozesses zielt der folgende Beitrag darauf ab, eine allgemeine religionspädagogische und -didaktische Grundvermessung in exemplarischer Form vorzunehmen; er hat somit einen propädeutischen Charakter. Ausdrücklich möchte er zur weiteren Reflexion und praktischen Erprobung der hier vorgelegten Überlegungen anregen und ggf. zur Falsifizierung einladen. Die folgenden Überlegungen spiegeln nur einen exemplarischen Aspekt der religionsdidaktischen Perspektive wider, indem versucht wird die Herausforderungen der Mediatisierung im Horizont eines bereits bestehenden religionsdidaktischen Entwurfs, nämlich der Kindertheologie, zu reflektieren.[1]

Die mit dem Vorhaben einhergehende Eingrenzung des Themas lässt sich in dreifacher Weise begründen: Zum Ersten wird im Folgenden die Grundschule fokussiert, da diese Schulform und Altersgruppe bislang meist aus dem Blick gerät und vernachlässigt wird, wenn es um Fragen der Mediatisierung geht (Nord, 2019, S. 111).[2] Dabei kann gerade der Zeit vor einer intensiven eigenen Nutzung digitaler Medien im informellen Bereich durch die Schülerinnen und Schüler, wie sie meist mit dem Schulwechsel auf eine weiterführende Schule einhergeht, ein besonderes religionspädagogisches Interesse zukommen – so die These dieses Artikels (vgl. hierzu weiter 3.1). Zum Zweiten lässt sich diese Fokussierung durch die Reichweite begründen: Bis auf geringe Ausnahmen besuchen alle Kinder die Grundschule und werden darüber hinaus (vielfach aus pragmatischen Gründen) zum Teil auch gemeinsam und nicht nach Konfessionen/Religionen getrennt unterrichtet. Und zum Dritten zeichnet sich der religionsdidaktische Entwurf der Kindertheologie sowohl durch seine Aktualität als auch seine Erprobung aus. Kindertheologie wird nicht nur seit 2002 umfangreich in den Jahrbüchern für Kindertheologie ausgearbeitet und erfährt seit einigen Jahren in der Jugendtheologie eine Weiterführung, sondern spiegelt sich sowohl in Grundschul-Lehrwerken als auch Grundschulcurricula in nicht unerheblichem Maße wieder (so z.B. in der ersten Leitlinie des niedersächsischen Kerncurriculums, 2006, S. 9, „Religionsunterricht ist der Ort, wo Kinder mit ihren Fragen zu Wort kommen. Kinder stellen existentielle Fragen nach Gott und der Welt […]“).

Als leitende Fragestellungen lassen sich formulieren: Inwiefern kann die Kindertheologie einen Beitrag zum Umgang mit Mediatisierung leisten? Welchen Wert hat sie im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der Mediatisierung der Lebenswelt und der Schule?

Hierfür gilt es zunächst den Horizont der Kindertheologie aufzuspannen und in einem zweiten Schritt den Begriff der Mediatisierung zu ergründen. Auf dieser Grundlage lassen sich in einem dritten Schritt Herausforderungen mediatisierter Kommunikation in kindertheologischer Perspektive diskutieren. Die Ausführungen enden in einer Zusammenfassung, die den besonderen religionspädagogischen und religionsdidaktischen Wert kindertheologischer Erwägungen in der Auseinandersetzung mit Mediatisierung zu benennen versucht.

1 Kindertheologie

Die Kindertheologie verweist unter Rückgriff auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse darauf, dass Kinder als Konstrukteure ihrer Wirklichkeit wahrgenommen werden müssen (Bucher, 2002, S. 13–14). Sie geht daher mit einem grundlegenden Perspektivwechsel einher (Schweitzer, 2003, S. 9; EKD Synode, Halle 1994): Kinder sind demnach nicht nur als Thema der Theologie, sondern auch als Subjekte ihres Glaubens und als Produzenten von Theologie wahrzunehmen (Härle, 2004). In dieser Hinsicht zielt sie im schulischen Kontext auf die Förderung religiöser Kompetenz, indem sie die theologische Frage-, Argumentations- und Reflexionsfähigkeit der Kinder fördert (Kraft & Schreiner, 2007, S. 22). Kindertheologische Kompetenz lässt sich als kognitive Fähigkeit des Stellens und Verarbeitens von theologischen Fragen, sowie als Fähigkeit des metaphorischen Denkens empirisch beschreiben. Sie befähigt die Kinder zur Bearbeitung von Paradoxien und hermeneutischen Fragen und trägt letztlich zur religiösen Kompetenz im Hinblick auf die Lösung theologischer Fragen bei (Zimmermann, 2015b, S. 1):

„Sie [die kindertheologische Kompetenz, AKL] ist erlernbar, überprüfbar und ausbaufähig, im Sinne einer Handlungs- und Kommunikationskompetenz in Anwendungssituationen abrufbar und kann formal und inhaltlich, z.B. hinsichtlich von Konsistenz, Abstraktion, Sprachlichkeit, Verwendung von Fundamentalkategorien, der Generierung kausaler Systeme und der Anschlussfähigkeit an Interpretationen und Systeme, analysiert und gemäß didaktischer Ziele ausgewertet und gefördert werden.“ (Zimmermann, 2015b, S. 1)

Spätestens seit dem Leitartikel von Friedrich Schweitzer im zweiten Jahrbuch für Kindertheologie (2003, S. 9[3] So steht im Fokus des Begriffs der Mediatisierung insbesondere der Medienwandel im Zusammenhang mit dem konkreten Erleben und den Erfahrungen der Menschen in einer Prozessperspektive (2017b, S. 14). Durch diese Ausrichtung auf den medialen, sozialen und kulturellen Wandel in der Perspektive der Menschen (und weniger in der Perspektive der Medien und deren technischer Möglichkeiten, Krotz, 2017c, S. 27) eignet sich der interdisziplinär ausgerichtete Mediatisierungsbegriff in besonderer Weise für eine religionspädagogische Auseinandersetzung, da es ihm weniger um „Digitalisierung“ geht, unter der die technischen Möglichkeiten und ihre Durchsetzung reflektiert werden, sondern vielmehr um die Reflektion einer

„ständige[n] potenzielle[n] Verbundenheit jedes Individuums mit allen anderen Individuen und Institutionen, also eine zunehmende und radikale Verdichtung von Vergemeinschaftung bzw. Vergesellschaftung, [die …] als besonderes Kennzeichen des Entstehens einer computerkontrollierten digitalen Infrastruktur gesehen werden [kann]“ (2017b, S. 28).

Dabei gibt es nicht die Mediatisierung. Vielmehr ist jeder Mediatisierungsschub durch verschiedene mögliche Pfade der Mediatisierung gekennzeichnet, „über die im Falle einer Demokratie per gesellschaftlicher Aushandlung und unter Berücksichtigung angemessener Diskursregeln entschieden werden muss“ (Krotz, 2017a, S. 353 im Rückgriff auf Habermas). Die Befähigung zur Teilhabe an diesen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen lässt sich auch als religionspädagogische Aufgabe begreifen.

Eingehender verarbeitet wurde der soziologische Mediatisierungsansatz in der deutschsprachigen Religionspädagogik bislang wenig (vgl. etwa Nord & Zipernovsky, 2017; Nord & Palkowitsch-Kühl, 2017; Palkowitsch-Kühl, 2018; Palkowitsch-Kühl, 2019)[4]: Obgleich z.B. Bernd Schröder (2014, S. 219–220) die notwendige intensive Auseinandersetzung mit Mediatisierung anmahnt und auch Manfred Pirner in Weiterführung der Ansätze zur medienweltorientierten Religionsdidaktik (2012) den Mediatisierungsansatz aufnimmt (2019), lassen sich nach wie vor auch neuere religionspädagogische Monographien finden (so z.B. zur Subjektorientierung von Kunstmann (2018) oder auch zur bildungstheoretischen Grundlegung des Religionsunterrichts in performanzorientierter Perspektive von Dressler (2018)), die einen Verzicht auf eine intensive ergebnisoffene Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Mediatisierung nahelegen. Diese Polarisierung religionspädagogischer Reflexion verwundert umso mehr, als die „Medialität von Kommunikation […] ein […] theologisches Thema [ist], das grundlegende Dialektiken der Kommunikation mit Gott aktualisiert“ (Schröder, 2012, S. 684–685). Die Auseinandersetzung mit Mediatisierung ist somit kein Thema, das von außen auf die Religionspädagogik einwirkt, sie liegt vielmehr in der Theologie und damit der Religionspädagogik selbst begründet.

Wer sich mit Mediatisierung und damit, wie der Soziologe Dirk Baecker formuliert, mit der „vierten Medienepoche der Menschheit“ (2018, S. 10) auseinandersetzen möchte, sieht sich mit einer ganzen Reihe an Transformationen konfrontiert, die der Medienwandel der Digitalisierung insbesondere durch die neuen Kommunikationsformen der „interaktive[n] Kommunikation zwischen Mensch und Computer“ auslöst (Krotz 2017c, S. 29–30). Baecker versucht diese Transformation in soziologischer Perspektive in 26 Thesen zu fassen und formuliert in der dritten These: „Die Kulturform der nächsten Gesellschaft ist nicht mehr Gleichgewicht, das Telos oder die Grenze, sondern die Komplexität“ (2018, S. 61). Er konstatiert, dass es kein Zufall sei, dass gerade in Zeiten gesteigerter Komplexität die Weisheitslehren früherer Zeiten, wie wir sie u.a. bei den Kirchenvätern finden, an Interesse gewinnen, denn bereits sie reflektierten, wie mit dem Unverfügbaren, „dem Unkontrollierbaren“ umzugehen sei (2018, S. 73). Diese Zugänge können gemäß Baecker auch für die vierte Medienepoche von Interesse sein. Diese gilt es in religionspädagogischer Hinsicht im Blick auf Mediatisierung fruchtbar zu machen.

 

3 Mediatisierung als religionspädagogische Herausforderung im Horizont kindertheologischer Erwägungen

 3.1 Kindersoziologische Perspektive

Kindheit zeigt sich heute als mediatisierte Kindheit, deren Orte und Kommunikationsformen mehr und mehr von Medien durchdrungen sind. Laut KIM-Studie 2018 haben fast alle Kinder potenziell die Möglichkeit zu Hause das Internet (98%), den Fernseher (100%) und ein Handy/Smartphone (97%/89%) zu nutzen (2019, S. 9). Als Herausforderungen lassen sich daher einerseits Entgrenzungen durch internetbasierte Kommunikation festhalten, die von Tillmann und Hugger, z.B. hinsichtlich neuer Raumerfahrungen, der generationalen Ordnung, oder auch des doing family beschrieben werden und von denen auch Kinder betroffen sind (2014, S. 34–36), auch wenn sie selbst digitale Medien noch in geringerem Umfang nutzen (Hugger, 2018, S. 252).

Andererseits ist die Medienwelt der Kinder laut KIM-Studie 2018 zugleich durch Stabilität gekennzeichnet. Hier kommt dem Fernseher nach wie vor eine hohe Bedeutung zu und auch Bücher werden gerne rezipiert (2019, S. 85).

Zugleich verweist die Studie aber auch auf Entgrenzungen, wenn jedes zehnte Kind angibt, dass es im Internet bereits auf Inhalte gestoßen ist, die nicht für Kinder geeignet waren; 5% der befragten Kinder hatten dabei Kontakt mit ihnen unangenehmen und 4% mit ängstigenden Inhalten (KIM-Studie, 2018, S. 13–15).

In Bezug auf die schulische Nutzung digitaler Geräte zeigt sich eher eine Begrenzung, die durch den geringen Einsatz digitaler Geräte im Unterricht gekennzeichnet ist (Hugger, 2018, S. 259): Nur fast ein Drittel der Schülerinnen und Schüler verwenden einmal in der Woche einen klassischen Computer im Unterricht (31%), mobile Geräte werden mit ca. 15% noch seltener einmal pro Woche eingesetzt und nur bei einem Zehntel der Schülerinnen und Schüler kommt einmal in der Woche ein Smartboard zum Einsatz (KIM-Studie, 2018, S. 50–52). Dabei werden durch die Lehrkräfte vielfach lediglich Präsentations- und Recherchekompetenzen der Schülerinnen und Schüler angeregt (Palkowitsch-Kühl, 2018, S. 300). Dies führt dazu, dass Kinder ihre Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien vor allem in non-formalen und informellen Bildungsprozessen erwerben, weniger in formalen Bildungszusammenhängen.

Darüber hinaus verdeutlicht die KIM-Studie einen Anstieg der Nutzung digitaler Medien am Übergang von der Grund- zur weiterführenden Schule: Den 11‑13-Jährigen stehen nicht nur mehr (eigene) Geräte zur Verfügung, sie nutzen diese zunehmend auch alleine in unterschiedlichen Kontexten, z.B. bei ihren Hausaufgaben, der Kommunikation mit Freunden und Eltern (z.B. über WhatsApp) und der Freizeitgestaltung beim Spielen von Computerspielen oder der Rezeption von Bewegtbildern, z.B. via YouTube und Streaming-Diensten (KIM-Studie, 2018, S. 14–15.36).

Insofern kann der Grundschulzeit, als der Zeit vor diesem Anstieg, eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Unterstützung erster Schritte im Bereich digitalisierter Kommunikation zukommen, eben bevor die Kinder und Jugendlichen digitale Medien nur noch alleine und im informellen Bereich nutzen. Insbesondere die Erfahrungen der Kinder in Bezug auf Entgrenzungen in der eigenen Lebenswelt könnten hier m.E. einen wichtigen Zugang bilden, um Grundlagen für eine reflektierteTeilhabe an den notwendigen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zu legen (Krotz, 2017a, S. 354.361), bevor die Kinder und Jugendlichen sich allein in medialen Welten bewegen, denn sie tragen im Sinne einer eher präventiv orientierten Reflexion zur Stärkung ihrer „Personalkompetenz“ (Pirner, 2019, S. 45) bei. Wird eine solche Reflexion erst in der Sekundarstufe I und damit in der Jugendtheologie verortet, nimmt sie die Lebenswelt der Kinder, die ja beispielsweise auch schon Fragen nach dem Umgang mit Gerechtigkeit oder Leid bei den Kindern hervorruft, verkürzend wahr. Als präventiv kann sie gelten, weil sie die Wahrnehmung der Kinder im Hinblick auf selbst erfahrene Fehlentwicklungen mediatisierter Kommunikation schärft und verbalisieren hilft. Dies kann einerseits dazu beitragen der Umwelt der Kinder zu signalisieren, dass sie eben nicht nur Objekte mediatisierter Kommunikation sind, sondern auch als Subjekte wahrgenommen werden müssen und andererseits das kindliche Gefühl für defizitäre Kommunikationen stärken und als Beitrag bei der Entwicklung eines eigenen Maßstabes für angemessene mediatisierte Kommunikation bewahren helfen.

In kindertheologischer Perspektive kann daher insbesondere die Dimension der Theologie der Kinder die soeben formulierten Herausforderungen bedenken helfen, denn sie betont den Einbezug existenzieller Fragen der Kinder. Da diese existenziellen Fragen zunehmend auch Fragen mediatisierter Kommunikation beinhalten (werden), unterstreicht die Theologie der Kinder die damit verbundene notwendige religionspädagogische Reflexion. Dabei werden die Kinder als „eigenständige und aktive Konstrukteure“ (Zimmermann, 2012, S. 112) ihrer theologischen Vorstellungen anerkannt, sodass Entgrenzungen und Begrenzungen der Kommunikation im Nahfeld zur Sprache kommen können. Der damit verbundene Perspektivwechsel auf die Kinder könnte darüber hinaus auf die in soziologischer Hinsicht notwendige Teilhabebefähigung an gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen auch von Kindern aufmerksam machen.

Die von Friedrich Schweitzer genannten existenziellen Fragen der Kinder können daher in folgender Weise (im Anschluss an dessen Formulierungen, 2003, S. 12, vgl. oben 1.1) in Bezug auf Mediatisierung konkretisiert werden:

(1) Wer bin ich und darf ich im Kontext mediatisierter und nicht mediatisierter Kommunikation sein? (Die Frage nach mir selbst.)

(2) Wo begegnen mir Sterben und Tod (Erstbegegnung (nur) in den Medien? vgl. Rose/Schreiner, 2002)? Mit wem kommuniziere ich wie, wann und wodurch über Sterben und Tod? Und in der Weiterführung auch: Wie verhält es sich mit der Endlichkeit in mediatisierten Kommunikationen („Stirbt“ man auch im Internet?)? Welchen Sinn hat das Leben im Kontext interaktiver Kommunikation zwischen Mensch und Computer? (Die Frage nach dem Zusammenhang von Endlichkeit und Unendlichkeit und die Frage nach dem Sinn von Kommunikation.)

(3) Wo finde ich Schutz und Geborgenheit angesichts mediatisierter Kommunikation? (Die Frage nach Gott.)

(4) Warum soll ich andere auch in mediatisierten Kommunikationen gerecht behandeln? (Die Frage nach dem Grund ethischen Handelns.)

(5) Warum glauben manche Kinder an Allah und wie drückt sich ihr Glaube in mediatisierten Kommunikationen aus? Und auch: Wie drückt sich mein Glaube/der Glaube in meinem Umfeld/christlicher Glaube in mediatisierten Kommunikationen aus? (Die Frage nach der Religion der anderen und ihren Frömmigkeitsformen.)

Die Erweiterung der Fragen Schweitzers verdeutlichen die besondere Relevanz einer kindertheologischen Perspektive für mediatisierte Kommunikation. Die Wahrnehmung der Kinder als Subjekte und Konstrukteure ihrer eigenen Theologie in einer Lebensphase, die zeitlich vor einer intensiven eigenen Nutzung mediatisierter Kommunikationsformen liegt, kann dabei m.E. nur als religionspädagogischer Gewinn gewertet werden. Dabei dürfen die Fragen aufgrund ihres Abstraktionsgrades nicht als Fragen älterer Schülerinnen und Schüler missverstanden und damit die Thematisierung auf die Jugendtheologie verschoben werden. Auch Vor- und Grundschülerinnen und -schüler sehen sich mit diesen konfrontiert und bringen z.B. ihr Unbehagen mit mediatisierten Kommunikationen auf anderen (non-)verbalen Wegen zum Ausdruck. Wer beispielsweise auf einem Spielplatz den deutlich differenten elterlichen und kindlichen Umgang mit Smartphones beobachtet (während die Eltern die kindlichen Aktivitäten lediglich (falls überhaupt) durch die Linse ihres Smartphones wahrnehmen, ignorieren die Kinder die Geräte und erwarten die volle elterliche Aufmerksamkeit) bekommt eine Ahnung davon. Die Frage „Wer darf ich im Kontext mediatisierter Kommunikation sein?“ ließe sich dann aus kindlicher Perspektive in folgender Weise konkretisieren: Bin ich ein „Gegenstand“ der Dokumentations-Freude meiner Mutter oder habe ich (als Geschöpf Gottes) ein Recht auf face-to-face Kommunikation mit ihr? Die exemplarisch aufgeführten Fragen machen daher auf die große Aufgabe der Selbstkonstruktionsprozesse der Kinder aufmerksam, bei der sie Unterstützung auch im Rahmen formellen Lernens in religionspädagogischer Hinsicht bedürfen, z.B. in der Anbahnung oder Weiterentwicklung in der von Pirner differenzierten „Personalkompetenz“ (2019, S. 45) und auf der Grundlage der Leitlinien einer medienweltorientierten Religionsdidaktik (2012, 167–168).

3.2 Medienpädagogische Perspektive

Während in schulpolitischer Hinsicht bislang die Auseinandersetzung mit der Technologisierung der Schulen im Vordergrund steht – verwiesen sei hier auf den kürzlich verabschiedeten DigitalPakt (BMBF, 2019) – wird in medienpädagogischer Hinsicht versucht, den Blick auf die notwendigen didaktischen Veränderungen zu lenken. Mediatisierung erfordert demnach eine veränderte Didaktik, die digitale Medien nur dann einsetzt, wenn sie ihren besonderen Mehrwert in didaktischer Hinsicht benennen kann. Dies hat grundsätzliche Auswirkungen auf die Lernkultur der Schule und die schulischen Strukturen insgesamt. So konstatieren die Medienpädagogen Grünberger und Münte-Goussar, dass es „nicht mehr um Lernen mit und über Medien“ gehe, sondern dass die „neuen soziokulturellen Bedingungen […] die Organisationsweisen des Lernens, die Lehr-/Lernkultur und insbesondere die grundlegende Organisation von Schule […] in Frage“ stellen (2017, S. 130). Medienpädagogische Modelle helfen die Herausforderungen deutlich zu machen und konkrete Schritte zu benennen. So formulierte z.B. die Forschungsgruppe Elementarinformatik der Universität Bamberg (FELI) ausgehend von der Beobachtung, dass sich Kinder hochmotiviert zeigen digitale Medien zu nutzen, diese allerdings häufig rein konsumierend verwenden, die Notwendigkeit zur Integration elementarinformatischer Lerneinheiten im Grundschulunterricht, die vier Kriterien Genüge leisten muss:

(1) Sie sollten die Beziehung zwischen Mediennutzung und den dahinterliegenden informatorischen Konzepten wahrnehmen helfen, indem Schülerinnen und Schüler dazu befähigt werden sich die „Funktionsweise technischer Geräte durch ‚Warum?‘- und ‚Wie funktioniert das?‘-Fragen zu erschließen“.

(2) Sie sollten einen aktiven und um Verstehen bemühten Zugang zur Mediennutzung eröffnen können.

(3) Sie können in den gegenwärtigen Fachunterricht eingebunden werden, sodass es keines eigenen Faches „Informatik“ in der Grundschule bedürfe.

(4) Hierfür sei die Erarbeitung einer Handreichung für Lehrkräfte von Nöten, die es ihnen ermögliche Informatikthemen in ihren Fachunterricht zu integrieren (Schmid & Gärig-Daugs, 2018, S. 100–101).

Mit dem SAMR-Modell des US-amerikanischen Medienpädagogen Ruben Puentedura liegt hierzu ein weitreichendes Analyse-Modell vor, das den Einsatz digitaler Medien im Unterricht einerseits beschreibbar macht und andererseits dessen Mehrwert für den Unterricht zu benennen hilft (vgl. Heinen & Kerres 2015, S. 118): Auf der Stufe der Substitution werden analoge Medien durch digitale Medien lediglich ersetzt; auf die möglichen methodischen Erweiterungen digitaler Medien wird hingegen verzichtet, wenn ein Text z.B. auf einem Bildschirm und nicht in einem Buch gelesen wird.

Auf der Stufe der Augmentation lassen sich methodische Veränderungen finden, bei denen die digitalen Medien neue Funktionen im Verhältnis zu analogen Medien eröffnen, z.B. wenn eine Rechtschreibhilfe genutzt wird oder digitale Karten mit zusätzlichen Informationen angereichert sind. Ebenso wie auf der ersten Stufe erkennt Puentedura „keine grundlegende Veränderung von Unterricht, sondern nur eine Erweiterung des bestehenden Repertoires an Handlungsmöglichkeiten“ (Heinen & Kerres, 2015, S. 118).

Grundlegende Veränderungen lassen sich hingegen auf der dritten Stufe der Modifikation finden, wenn digitale Medien für grundlegende neue Arbeitsweisen eingesetzt werden, so z.B. durch Software, die entdeckendes Lernen unterstützt (Heinen & Kerres, 2015, S. 118).

Wenn digitale Medien dazu führen, bestehende Grenzen schulischen Lernens aufzuheben und so neue Lernaufgaben zu formulieren, die zuvor nicht möglich gewesen wären, dann ist Puentedura zur Folge die Stufe der Redefinition erreicht (Heinen & Kerres, 2015, S. 118).

Abb. 1: SAMR-Modell

(Darstellung entnommen aus Heinen & Kerres, 2015, S. 118.)

„Puentedura geht davon aus, dass der pädagogische Nutzen digitaler Medien mit den Stufen zunimmt“ (Heinen & Kerres, 2015, S. 118). Darüber hinaus verweist Puentedura auf die grundsätzliche Veränderung des Lernens, der Lehr-/Lernkultur sowie der grundlegenden schulischen Organisation, die auf der vierten Stufe zu erwarten sind (Grünberger & Münte-Goussar, 2017, S. 130).

In kindertheologischer Perspektive kann insbesondere die Dimension der Theologie mit Kindern einen Beitrag zur Bearbeitung der genannten Veränderungen leisten. Denn der Theologie mit Kindern geht es um ein gemeinsames Fragen, das sowohl eine Symmetrie zwischen Laien- und wissenschaftlicher Theologie, als auch zwischen den Generationen konstitutiv voraussetzt und das von Interesse für die Modifikation und Redefinition von schulischen Lehr-Lern-Prozessen sein kann. Kindertheologie könnte ihr bisheriges methodisches Repertoire explizit im Hinblick auf digitalisierte Kommunikation reflektieren und ggf. ausweiten, um auf diese Weise einen Beitrag zur Modifikation und Re-Definition von Lehr-Lern-Prozessen zu leisten. Ein möglicher Anknüpfungspunkt könnte z.B. die von Zimmermann vorgestellte „mimetische Kinderexegese“ sein, bei der es um einen „kreativen Prozess der Übertragung, Anwendung und Vergegenwärtigung“ biblischer Figuren, biblischer Gattungen oder auch spezifischer biblischer Denk- und Sprechweisen geht (Zimmermann, 2015a, S. 30–35, bes. 32). Die Veröffentlichung und intergenerationale Diskussion konkreter Produkte dieser mimetischen Kinderexegese–z.B. in Form von gestalteten Bilderzyklen in (geschützten Formen in) Social Media – könnten über den engen Kontext der Unterrichtsstunde hinausweisen und neue Lernformen ermöglichen. Da Kindertheologie nicht auf den schulischen Kontext begrenzt ist, könnte diese Horizontöffnung im Hinblick auf informelles und non-formales Lernen für den Religionsunterricht nutzbar gemacht werden.

Obgleich dies gegenwärtig noch ein Desiderat darstellt, könnte m.E. die inhaltliche Orientierung am Evangelium in laientheologischer und theologischer Hinsicht und die symmetrische Kommunikation für die medienpädagogischen Herausforderungen fruchtbar gemacht werden. Die starke inhaltliche Orientierung sowie die Ausrichtung auf symmetrische Kommunikation würden dabei einer (ggf. befürchteten) rein ökonomisch begründeten informatik- und medienorientierten Entfremdung des Religionsunterrichts entgegenwirken können. Dabei rückt in medienpädagogischer Hinsicht der aktive Umgang mit mediatisierten bzw. von Mediatisierung beeinflussten Kommunikationen und das Verstehen in den Vordergrund, während in religionspädagogischer Hinsicht zugleich eine inhaltliche und auf symmetrische Kommunikation hin ausgerichtete Orientierung erfolgt. Hier kann den oben genannten existenziellen Fragen der Kinder (vgl. 3.1) eine leitende Funktion zukommen.

3.3 Bildungstheoretische Perspektive

In den Medien- und Bildungswissenschaften wird darauf hingewiesen, dass sich insbesondere das Lehren und Lernen im Zuge des Medienwandels verändert (de Witt, 2003, S. 137). Dabei kommt dem selbstgesteuerten und selbstverantwortlichen Lernen eine große Bedeutung zu (de Witt, 2003, S. 139). Da Lernen aber keine Ethik in sich trägt (Lämmermann, 2005, S. 41), muss notwendigerweise eine bildungstheoretische Orientierung erfolgen, die das Ziel des Lernens im Kontext der Mediatisierung benennt.

Im Anschluss an den Bildungswissenschaftler Rainer Kokemohr (2007) und auf Basis humanistischer Bildungstheorie beschreiben die Medienpädagogen Grünberger und Münte-Goussar (2017) die grundlegende Transformation des Bildungsbegriffs. Dieser könne sich nicht mehr am „selbstreferentiellen Subjekt“ orientieren, bei dem Bildung die Selbst-Werdung des Subjekts zum Ziel habe, sondern müsse sich aufgrund postmoderner und poststrukturalistischer Denktraditionen von dieser Vorstellung verabschieden. Bildung sei vielmehr als ein „Anders-Werden“ zu verstehen, sodass Subjektivität nicht mehr „selbst-, sondern sozial-referentiell gedacht“ werden muss (ebd., S. 125). Bildung ist somit „Bildung im Medium“, was bedeutet, dass Subjekt und Welt aufgrund ihrer engen Verflochtenheit nicht voneinander zu trennen sind: Die Dichotomie von Selbst und Welt ist daher aufgehoben (ebd., S. 125–126). Darüber hinaus „etablieren sich soziale Beziehungen zunehmend in einer sowohl online als auch offline basierten ‚Blended Welt‘“ (ebd., S. 127). Soziale Beziehungsverhältnisse in der Schule zeigen sich demgegenüber aber nach wie vor durch eine „offline-basierte Hierarchie“ (ebd., S. 127), die sich im Gefälle einer wissenden Lehrperson und der noch-nicht-wissenden Schülerinnen und Schüler ausdrückt.

Es lässt sich daher festhalten, dass weder die Aufhebung der Dichotomie von Welt und Selbst, noch die Aufhebung der Dichotomie zwischen Online und Offline bereits in der Schule angekommen ist (ebd., S. 127). Der schulische Bildungsbegriff entspricht daher nicht den gegenwärtigen lebensweltlichen Anforderungen.

In kindertheologischer Perspektive kann insbesondere die Dimension der Theologie für Kinder die Veränderungen des Bildungsbegriffs zu bedenken helfen. Denn die Transformation des Bildungsbegriffs von einem selbst-referentiellen zu einem sozial-referentiellen Subjekt-Begriff erfordert einerseits einen symmetrischen Kommunikationsbegriff, der die hierarchiefreie Beziehung zwischen den Subjekten und ihrer Theologie in den Mittelpunkt stellen und andererseits Anstöße für (neue) Selbstkonstruktionsprozesse der Kinder geben kann. Zu beidem kann die Theologie für Kinder ihren Beitrag leisten, da sie sich sowohl auf die Herstellung einer Balance zwischen existenziellen kindlichen und genuin theologischen Fragen als auch auf die sinnvolle Ergänzung durch theologische Denkanstöße zu Selbstkonstruktionsprozessen der Kinder verpflichtet weiß. Dabei geht es nicht nur um die Konfrontation mit fremden und vielleicht „zunächst unverständlichen Theologumena“ (Zimmermann, 2012, S. 116), die Denk- und Verstehensprozesse bei den Kindern in Gang setzen können. Es geht darüber hinaus auch um die Reflexion des veränderten Bildungsbegriffs, in dem die Dichotomie von Welt und Subjekt aufgehoben ist und das Subjekt nicht mehr selbst-, sondern sozial-referenziell verstanden werden muss.

Hierzu könnte m.E. eine kindertheologisch angemessene Reflexion basaler Kommunikationsformen des Christseins beitragen, die sich nach Christian Grethlein im Beten, Segnen und Erzählen zeigen (2018a, S. 168–203). Alle drei zeichnen sich sowohl als elementar biblisch als auch menschlich und anthropologisch konstante Kommunikationsformen aus, die auf ein soziales Gegenüber ausgerichtet sind und damit der Sozial-Referentialität von Bildung Rechnung tragen könnten. Nicht zuletzt lassen sich alle drei in mediatisierten Kommunikationen finden (vgl. etwa praybox.de, BlessU2, #dnkgtt u. Ä.)

3.4 Religionspädagogische Perspektive

In theologischer Hinsicht zeigt sich der menschliche Umgang mit Transzendenz und Kontingenz stets auf Medien verwiesen (Grethlein, 2018b, S. 361; Pirner, 2012, S. 160; 163–166). Sie stehen in einem Resonanzverhältnis, das gegenwärtige Verschiebungen sichtbar werden lässt (Thomas, 2012, S. 72). Der systematische Theologe Günther Thomas benennt daher religionspädagogisch relevante Herausforderungen, von denen insbesondere vier im vorliegenden Zusammenhang bedeutsam sind:

Er konstatiert zunächst, dass Kommunikationen zunehmend in leiblicher Abwesenheit erfolgen und „Erfahrungsräume, die gezielt auf leibliche Gegenwart zielen, […] zur knappen kulturellen Ressource“ werden (2012, S. 73–75). Er fragt daher, welche Rolle physischer Ko-Präsenz hinsichtlich religiöser Kommunikation zukomme, ob z.B. der Heilige Geist primär unter den Bedingungen leiblicher Gegenwart wirke. Seine Beobachtung, dass internetbasierte Kommunikation eine imaginierte Gemeinschaft hervorrufe, wirft die Frage auf, inwiefern diese für weltweite rituell-liturgische Inszenierungen genutzt werden könnte. In diesem Zusammenhang kommt auch neu entstehenden Frömmigkeitsformen eine besondere Bedeutung zu (vgl. Lienau, 2009; Neumaier, 2016; Lienau, 2018).

Daneben verändert mediatisierte Kommunikation zweitens die Raumkonstellationen, sodass Menschen sich in dauerhafter Konfrontation mit fernem Leiden und dessen moralischen Fragestellungen sehen (Thomas, 2012, S. 74).

Im Zuge der Mediatisierung kommt es drittens zu einem beschleunigten Wechsel der Themen moralischer Kommunikation, die die unvermeidliche Selektion der Aufmerksamkeit zur Folge haben. Damit erhalte das „Jetzt“ eine größere Bedeutung, sodass „die gesellschaftliche Kommunikation hierdurch ihr eigenes effektives Vergessen“ organisiere (Thomas, 2012, S. 76).

Und viertens führe die Ausweitung medialer Kommunikation zu einem „Anwachsen von Gefühlskommunikation“, bei der es primär um den „sozialen Akt der Kommunikation und nicht um den Inhalt“ gehe (Thomas, 2012, S. 76). Diese Form der Kommunikation orientiere sich an therapeutischen Beziehungen (Thomas, 2012, S. 79).

Auf die Frage, wie angemessen mit diesen Verschiebungen umgegangen werden kann, gibt Grethlein einen Hinweis. Die Kommunikation des Evangeliums erfolgt seiner Meinung nach unter den Bedingungen der Mediatisierung in den Dimensionen der Kontextualisierung und der Kontrakulturation (2018b, S. 373). Demnach erhalte in kontextueller Dimension der Einzelne neue Wirkungsmöglichkeiten, sodass das bislang nicht eingelöste Paradigma des Allgemeinen Priestertums neue Chancen auf Realisierung erhalte. Denn das Evangelium werde in mediatisierter Kommunikation eben nicht in der „Autorität von Institutionen, sondern [… in] der Authentizität des Einzelnen kommuniziert“ (2018b, S. 373 im Rekurs auf Nassehi, 2008, S. 188–190).

In kontrakultureller Dimension macht Grethlein allerdings darauf aufmerksam, dass die „für die Kommunikation mit Gott notwendige Konzentration und Ruhe“ (2018b, S. 375) durch die beschleunigten Lebensvollzüge gefährdet seien. Insofern müssten die beiden Dimensionen in ein „sinnvolles Verhältnis zueinander gesetzt werden“ (2018b, S. 375). Sowohl im Hinblick auf die von Thomas formulierten religionspädagogischen Herausforderungen, als auch im Hinblick auf die von Grethlein genannte Balance, kann Kindertheologie bei der Bearbeitung ihren Beitrag leisten:

  • So kann Kindertheologie im kopräsent erfolgenden Gespräch einen kontrakulturellen Impuls zur Auseinandersetzung mit leiblicher Abwesenheit geben.

  • Kindertheologie kann im Hinblick auf veränderte Raumkonstellationen in kontextueller Dimension die Konfrontation mit fernem Leid reflektieren helfen.

  • Sie kann wiederum in kontrakultureller Dimension dem Vergessen und der Orientierung am Jetzt entgegenwirken, wenn sie auf die Erfahrungen der Menschen mit Gott in der Geschichte aufmerksam macht.

  • Und Kindertheologie kann nicht zuletzt durch die inhaltliche Orientierung die anwachsende Gefühlskommunikation relativieren helfen und somit letztlich insgesamt einen Beitrag zur Herstellung eines sinnvollen Verhältnisses zwischen Kontextualisierung und Kontrakulturation im Religionsunterricht leisten.

4 Der kindertheologische Beitrag im Umgang mit Mediatisierung

In den vorangegangenen Ausführungen wurde ein positiver Blick auf den Kontext von Mediatisierung und Kindertheologie geworfen, der weniger die Desiderate und Gefahren, sondern eher den Gewinn einer kindertheologischen Betrachtung erweisen sollte. Dieser positivistische Blick ist angesichts der hohen Relevanz des gegenwärtigen Transformationsprozesses, den die Mediatisierung mit sich bringt, und der bisherigen Vernachlässigung des Metaprozesses der Mediatisierung in der religionspädagogischen Auseinandersetzung durchaus angeraten, darf aber nicht verhehlen, dass die Risiken bewusst ausgeblendet wurden und daher in weiteren intensiven Analysen erwogen werden müssten.

 Ziel dieser skizzenhaften Ausführungen sollte es sein, exemplarisch den Wert kindertheologischer Erwägungen für eine religionspädagogische Auseinandersetzung mit Mediatisierung zu benennen, um in ersten Ansätzen zu verdeutlichen, dass sich aktuelle religionspädagogische Entwürfe im Hinblick auf die Reflexion der Mediatisierung als gewinnbringend erweisen können.

 Kindertheologie erweist sich in der

  • Theologie von Kindern als bedeutsam für eine Reflexion, da sie helfen kann die durch Mediatisierung beeinflusste Lebenswelt der Kinder einzuholen und sie als Konstrukteure ihrer eigenen Theologie auch im Hinblick auf Mediatisierung ins Gedächtnis zu rufen. Damit erweist sie sich insbesondere in soziologischer Perspektive als gewinnbringend, da sie einerseits eine für die Mediensozialisation wesentliche Lebensphase hervorhebt. Andererseits verweist sie darauf, dass auch Kinder zur reflektierten Teilhabe an gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen in der Lage sein können.

  • Theologie mit Kindern als bedeutsam für die Auseinandersetzung, da sie helfen kann die herausragende Bedeutung symmetrischer Kommunikationsvollzüge hervorzuheben, bei der die Methodik den inhaltlichen Erfordernissen anzupassen ist. Damit erweist sie sich in medienpädagogischer Perspektive als anschlussfähig, um veränderte Lehr- und Lernprozesse im Sinne einer Modifikation oder Re-Definition im Religionsunterricht zu initiieren.

  • Theologie für Kindern als bedeutsam für die Auseinandersetzung, da sie helfen kann die Notwendigkeit von Selbstkonstruktionsprozessen der Kinder zu bedenken und auf die ausgewogene Balance zwischen kindlichen und theologischen Fragen hinzuweisen. Damit erweist sie sich in bildungstheoretischer Hinsicht dann als anschlussfähig, wenn sie die Transformation vom selbst- zum sozial-referentiellen Bildungsbegriff mit vollziehen kann, was angesichts der Orientierung am Gespräch und damit an der basalen Kommunikationsform des Erzählens möglich erscheint.

Insgesamt kann Kindertheologie vielfältige Anstöße für eine gewinnbringende Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Mediatisierung in religionspädagogischer Perspektive liefern. Diese gilt es in religionsdidaktischer Hinsicht weiter zu ergründen und in die religionspädagogische Reflexion in Bezug auf Mediatisierung einzuspielen.

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PD Dr. Anna-Katharina Lienau, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Praktische Theologie und Religionspädagogik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster.

  1. Dieser Zugang ist bislang noch nicht näher ausgeführt worden. So äußert sich beispielsweise Damaris Knapp in ihrer 2018 erschienenen Dissertation über die metakognitive Dimension der Kindertheologie in Bezug auf „Medien“ lediglich im Hinblick auf Bilder. Auf die Verwendung von digitalen Medien oder Theologisieren im Kontext der Mediatisierung geht sie nicht ein. Allerdings konstatiert sie im Zusammenhang zum Medium Bild, dass „Theologisieren nicht ausschließlich auf das Gespräch fokussiert sein sollte. Unterschiedliche Medien ermöglichen unterschiedliche Zugänge und haben ihr je eigenes Potenzial“ (S. 124). Medien haben ihrer Meinung nach eine „Brückenfunktion“, die „Einblicke in die Wirklichkeit und das Denken anderer geben“ (S. 165) können.

  2. Zweifelsohne ließe sich der Blick auch auf die Sek I oder Sek II zuwenden, denn auch hier befindet sich die Auseinandersetzung mit Mediatisierung in den Anfängen. Insbesondere bei der Mediennutzung im Unterricht zeigt sich aber ein deutlicher Unterschied zwischen der Grundschule und den weiterführenden Schulen, der eine eigene Thematisierung der Grundschulzeit und damit verbunden der Kindertheologie als angeraten erscheinen lassen: Während lediglich 2% der Grundschullehrkräfte digitale Medien vielfältig nutzen, liegt dieser Wert in den weiterführenden Schulen bei 11% (Förderschulen) bis 29% (Gesamtschulen) (Schmid, Goertz & Behrens, 2017, S. 29). Eine jugendtheologische Weiterführung ist durchaus angeraten, kann aber im Rahmen dieses Beitrages nicht geleistet werden.

  3. Zur Abgrenzung gegen den Begriff der Medialisierung und der damit implizierten Perspektiven vgl. Birkner, 2017. Im Folgenden wird der Begriff der Mediatisierung in seiner soziologischen Lesart verwandt, nicht in seiner historischen (als Unterwerfung von Besitzungen unter die Landeshoheit) oder in seiner juristischen (als (völkerrechtliche) Vermittlung im Konfliktfall) Lesart.

  4. In praktisch-theologischer Perspektive sei hier auf Rosenstock & Sura (2018), Merle (2019) und Grethlein (2018b), aber auch auf Hjarvard (2008), Lundby (2014), Lövheim (2014), Campbell & Garner (2016), Campbell (2017) verwiesen.