1 Ziele des religionsdidaktischen Forschungsformats „wissenschaftstheoretische Selbstvergewisserung“

Religionsdidaktik kann sich unter Rekurs auf eine eigene scientific community, eigene Begrifflichkeiten, Theorien und Methoden, eigene Publikationen sowie eigene Geltungs- und Evidenzansprüche ihrer Forschung einerseits als weitgehend eigenständige wissenschaftliche Disziplin begreifen (Stichweh, 2020, S. 96), andererseits ist sie konstitutiv mit diversen Bezugswissenschaften so eng verknüpft, dass sie nur als „interdisziplinär arbeitende Verbundwissenschaft“ (Woppowa, 2018, S. 19) oder als „Integrationswissenschaft“ (Biehl, 2005, S. 13) bezeichnet werden kann – wobei der Aspekt der Interdisziplinarität noch zu problematisieren sein wird. Eine solche Verbundwissenschaft ist in besonderer Weise darauf angewiesen, dass sie ihre Verortung und Vernetzung bzw. ihre Relationierung und Positionierung immer wieder systematisch reflektiert und die Verhältnisbestimmungen der zu integrierenden verschiedenen wissenschaftlichen Diskurse gegebenenfalls neu justiert. Mit Blick auf die Religionsdidaktik zeigt sich dabei, dass sie nicht nur auf ein immer komplexeres Bedingungsfeld religiösen Lernens und Lehrens reagiert, sondern sich auch ihre Bezugswissenschaften korrespondierend immer stärker ausdifferenzieren (Schröder, 2012, S. 271). Von daher steigen der Klärungsbedarf und die Ansprüche an die wissenschaftstheoretische Reflexion. Es gilt, das Proprium oder die grundlegende Problemkonstellation der Religionsdidaktik immer wieder in den verschiedenen Bezügen durchzudeklinieren und zu fragen, was die unterschiedlichen wissenschaftlichen Diskurspartner zur Profilierung und Bearbeitung der Fragestellung nach den Rahmen- und Gelingensbedingungen religiösen Lehrens und Lernens beizutragen haben. Ohne erheblichen Theorieverlust zu riskieren, kann auf diese anspruchsvolle Selbstreflexion der Disziplin nicht verzichtet werden, auch wenn darauf zu achten ist, dass sie keine lähmende Wirkung entfaltet, sondern den disziplingeschichtlichen Fortschritt tatsächlich befördert (Boschki & Gronover, 2007, S. 3). Religionspädagogische und religionsdidaktische Wissenschaftstheorie ist trotz aller etablierten Strukturen und Begründungsmuster ein nach wie vor dynamisches Feld, das in jeder Weise ein eigenes Forschungsformat (GFD, 2016) rechtfertigt. Zugleich spannt sie mit ihrem Format den Denk- und Forschungshorizont für die Religionspädagogik und -didaktik insgesamt auf und kann damit auch explizit und implizit andere Forschungsformate mitformatieren. Das soll in diesem Beitrag durch den mehrfachen Rekurs auf das Format der Konzeptionsentwicklung exemplarisch gezeigt werden. Damit wird der Impuls aufgenommen, „die Entwicklung religionsdidaktischer Konzepte und die wissenschaftstheoretische Reflexion der Religionspädagogik“ zusammen als Grundlagentheorien und damit auch als Grundlagenforschungsformate der Religionsdidaktik aufzurufen (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 350), wobei in diesem Beitrag das wissenschaftstheoretische Format klar konturiert im Vordergrund steht. Im übergeordneten Sinne klärt das wissenschaftstheoretische Forschungsformat die epistemologischen Voraussetzungen des Faches und verfolgt demnach zum einen wesentliche Ziele in der Rekonstruktion der Erkenntnisinteressen und Erkenntnisvoraussetzungen im Verbund der disziplinprägenden Diskursformationen zu einer bestimmten Zeit inklusive der zu verzeichnenden Paradigmenwechsel im Wandel der Zeiten. Zum anderen kann sie durch die Anregung innovativer Verknüpfung von Diskursfeldern verschiedener Bezugswissenschaften auch prospektiv und konstruktiv bei der Ausarbeitung neuer religionsdidaktischer Ansätze und Zielbestimmungen religiösen Lernens wichtige Impulse setzen (vgl. zu dieser doppelten Grundausrichtung Gennerich & Riegel, 2015, S. 1).

Im Sinne des Kernanliegens, mit diesem Beitrag die wissenschaftstheoretische Metareflexion und Selbstvergewisserung als eigenes Forschungsformat auszuweisen, sollen die Forschungsthemen so dargestellt werden, dass die nach wie vor strittigen Gelenkstellen der Verortung und die offenen enzyklopädischen Fragen, sowie die derzeit wissenschaftstheoretisch besonders produktiven Bereiche betont werden, um dazu anzuregen, in diesem Feld weiterführend zu forschen. Dass allerdings bei der Darstellung des Feldes selbst schon bestimmte Perspektiven verfolgt, z.T. auch eigene Zuschreibungen und Systematisierungen vorgenommen werden, ist unumgänglich. Der Beitrag beschreibt demnach nicht nur, sondern betreibt auch selbst im Ansatz eine wissenschaftstheoretische Verortung der Disziplin, ist also trotz des begrenzten Umfangs, limitierter Differenzierungsmöglichkeit in diesem Rahmen und notgedrungener selektiver Literaturauswahl dennoch ein Teil des Formats und zeigt, wie Forschende wissenschaftstheoretisch betrachtet selbst als unhintergehbarer Faktor in die Entwicklung von Problemstellungen und wissenschaftlichen Bearbeitungsstrategien involviert sind.

2 Forschungsfelder und -themen im Kontext „wissenschaftstheoretischer Selbstvergewisserung“ der Religionsdidaktik

Um die Darstellung der komplexen wissenschaftstheoretischen Reflexion der Religionsdidaktik zu strukturieren, wähle ich aus analytischen Gründen einen dreiteiligen Zugriff, der zugleich auch die Forschungsfelder kennzeichnet. Zunächst geht es um eine Entfaltung der verschiedenen Wissenschaftsdiskurse, die in vielfältiger Interaktion miteinander die Gegenstandsbereiche der Religionsdidaktik in Reaktion auf die Anregungen aus der Praxis mit konstituieren bzw. den vielstimmigen Begründungszusammenhang für die Forschungsanliegen der Religionsdidaktik bereitstellen. Sie lassen sich in der Perspektive einer zunehmenden Weitung und Ausdifferenzierung ordnen und sind eigens auf die Grundanliegen ihres „Zusammenspiels“ hin zu befragen. Sodann lassen sich wissenschaftstheoretisch relevante Querschnittsdimensionen bzw. Fragehorizonte ausmachen, die sowohl in einem eigenen wissenschaftstheoretischen Forschungsformat immer mit zu berücksichtigen sind, als auch in anderen religionsdidaktischen Forschungsformaten indirekt eine Rolle spielen können und zwar ohne dabei schon auf die Auswahl der Bezugsdiskurse im Einzelnen festgelegt zu sein. Schließlich lassen sich wissenschaftstheoretische Klassifizierungen der Religionspädagogik einschließlich der -didaktik ausmachen, die selbst schon im Rekurs auf verschiedene Wissenschaftsdiskurse zustande kommen und beanspruchen, das Ganze des Faches zu fokussieren bzw. aus einer bestimmten Perspektive zu rekonstruieren und zu orientieren (vgl. dazu den Ansatz von Heger, 2017).

2.1 Wissenschaftstheoretische Verhältnisbestimmungen und Verortungen der Religionsdidaktik im Kontext unterschiedlicher Diskurse

2.1.1 Das Verhältnis von Religionsdidaktik und Religionspädagogik

Bereits die Verhältnisbestimmung von Religionsdidaktik und Religionspädagogik, die man als inneren Kern oder ersten Schritt der wissenschaftstheoretischen Einbettung verstehen kann, ist komplizierter, als man annehmen möchte. So schlagen Riegel und Rothgangel vor, die Religionsdidaktik als denjenigen Teilbereich der Religionspädagogik zu verstehen, „welcher sich insbesondere auf den institutionellen Kontext Schule bezieht, wobei in der Religionspädagogik darüber hinaus auch andere religiöse Lernorte wie Familie, Konfirmandenarbeit, religiöse Erwachsenenbildung etc. reflektiert werden.“ (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 339). Hier wären Religionspädagogik und   -didaktik der Sache und der Reichweite ihrer Fragestellungen nach quasi äquivok gebraucht und nur hinsichtlich des Lernortes und seiner besonderen Anforderungen unterschieden. Alternativ lässt sich jedoch auch so differenzieren, dass der Religionspädagogik in grundlegender und umfassender Weise die wissenschaftliche Reflexion der theologisch und pädagogisch ausgewiesenen Grundbegriffe und -bestimmungen, der Intentionen und Begründungsfiguren sowie der vielfältigen (religions-)psychologischen und (religions-)soziologischen Bedingungen religiöser Bildung an allen Lernorten zugewiesen wird und sie damit auch im Sinne eines Oberbegriffs die Gemeindepädagogik einschließt, während die Religionsdidaktik ebenso strukturell an allen Lernorten „nach den Bedingungen und Gestaltungsoptionen konkreter Lehr-Lernprozesse im Kontext religiöser Bildung“ fragt, sodass sich ihre Reflexionsperspektiven auf „die Interaktionen von Lehrenden, Lernenden, Unterrichtsgehalt sowie Medien und Methoden“ ausrichten und sie die entsprechende Planung, Durchführung und Evaluation von Unterrichtsprozessen wissenschaftlich untersucht, begleitet und orientiert. (Kumlehn, 2017, S. 194 und S. 215; vgl. zur Rekonstruktion des vielstimmigen Verhältnisses auch Heger, 2017, S. 84–86). In pragmatischer Perspektive kann die Konzentration des Verständnisses von Religionsdidaktik als umfassende Theorie religiöser Bildung und des Lehrens/Lernens am Lernort Schule bzw. im schulischen Religionsunterricht das Gespräch mit den anderen Fachdidaktiken erleichtern und fokussieren. In rein wissenschaftstheoretischer Abgrenzung ist jedoch auch das, jeweils alle Lernorte umfassende und nach genauerer Aufgabenstellung und Fragerichtung strukturell differenzierte, Verständnis von Religionspädagogik und Religionsdidaktik der Sache nach stimmig (vgl. so auch Schröder, 2012, S. 276). Hier ist also auf jeden Fall für unterschiedliche Forschungsformate eine erste Positionierung unumgänglich, um das eigene Projekt klar zu verorten. Im Sinne der strukturell gedachten zweiten Perspektive sind auch religionsdidaktisch ausgerichtete Forschungsformate im Konfirmandenunterricht oder der Erwachsenenbildung denkbar, die in der Beschränkung der Religionsdidaktik auf den Lernort Schule ausgeschlossen sind oder eben anders zugeordnet werden müssen.

Von dieser Kernverhältnisbestimmung aus gelten jedenfalls die im Folgenden dargestellten weiterreichenden Verortungen in verschiedenen Diskursen jeweils für die Religionspädagogik inklusive ihrer Didaktik im umfassenden Sinne, wobei jedoch im Interesse dieses Beitrags der Lernort Schule vorrangig Beachtung findet.

2.1.2 Das Verhältnis von Religionspädagogik (inklusive ihrer Didaktik) und Theologie (in Gestalt ihrer verschiedenen Disziplinen)

Bisher gilt die Religionspädagogik in Deutschland – trotz einzelner Tendenzen einer auch stärker religionswissenschaftlich akzentuierten Verortung oder einer institutionell anderen Anbindung – als theologische Teildisziplin (z.B. Englert, 1995, S. 152; Schröder, 2012, S. 265–266, Schweitzer, 2005, S. 78), sodass das Verhältnis zur Fachwissenschaft Theologie wissenschaftstheoretisch zuerst zu klären ist. In enzyklopädischer Perspektive ist die Religionspädagogik dabei sowohl hinsichtlich ihres spezifischen und nicht substituierbaren Beitrags zum Gesamtanliegen der Theologie zu befragen als auch hinsichtlich ihres jeweiligen Verhältnisses zu den anderen Teildisziplinen der Theologie. Friedrich Schweitzer bestimmt diesbezüglich den genuinen Beitrag der Religionspädagogik im Zusammenhang der theologischen Disziplinen als Reflexion der beiden miteinander verbundenen Aspekte der „Generationentatsache einerseits und de[s] Bildungsanspruch[s] des Christentums andererseits“ (Schweitzer, 2005, S. 78). D.h., es geht um die Vermittlung und Aneignung der jüdisch-christlichen Traditionen im Generationenverbund im Sinne der Ermöglichung und Beförderung religiöser Bildung im Deutungshorizont des Christentums, wobei davon ausgegangen wird, dass über das jüdisch-christliche Menschenbild und den Zusammenhang von Glauben, Lernen, Erkennen und Verstehen (vgl. dazu exemplarisch Dtn 6, 20–25; Jesu Gleichnis-Didaktik, Lk 24,13–35; Apg 8, 26–40 und die paulinische Theologie) das Bildungsanliegen der jüdisch-christlichen Tradition selbst elementar eingestiftet ist (Domsgen, 2019, S. 25–39; Schröder, 2012, S. 20–32) und von da aus immer wieder neu jeweils gegenwartsbezogen auszulegen und in einer eigenen Theorie religiöser Bildung im Kontext von Allgemeinbildung differenziert auszuarbeiten ist (vgl. z.B. Dressler, 2018, S. 68–95; Schweitzer, 2014; Kunstmann, 2002).

Hinsichtlich des Verhältnisses zu den anderen Teildisziplinen ist zunächst die Verbindung mit der Praktischen Theologie in den Blick zu nehmen. Denn nicht zuletzt um dieses Verhältnis wird aktuell wissenschaftstheoretisch in enzyklopädischer Perspektive (noch immer oder wieder neu) gerungen (vgl. die verschiedenen Beiträge in Schlag & Schröder, 2020). So kann die Religionspädagogik (vor der Entwicklung der schulischen Religionspädagogik beschränkt auf die Katechetik) einerseits auf einer Ebene mit Homiletik, Liturgik, Poimenik und Kybernetik nach wie vor als ein Handlungsfeld der Praktischen Theologie neben anderen begriffen werden, andererseits haben sich ihre akteursbezogenen Professionalisierungsdiskurse und die institutionellen Bezüge soweit ausdifferenziert, dass man die Religionspädagogik auch selbständig neben der Praktischen Theologie als eigene theologische Disziplin und eben nicht als praktisch-theologische Subdisziplin sehen kann. Ohne sich schon eindeutig für Unter- oder Nebenordnung entscheiden zu müssen, gilt jedoch unbedingt festzuhalten, dass beide Bereiche über ihre Grundlagenarbeit zum Verstehen der religiösen Lebenswelt und Praxis und der Bedingungen religiöser Vermittlung in der Spätmoderne aufs engste miteinander verbunden sind (Englert, 1995, S. 155; Schröder, 2012, S. 271–272; Heger, 2017, S. 77–79) und auch über Rezeptionsprozesse derselben human- und kulturwissenschaftlichen Diskurse (wie z.B. zur Religionshermeneutik, Semiotik, Performanz, Narrativität) zur Bearbeitung der Probleme religiöser Kommunikation in den unterschiedlichen Handlungsfeldern vielfältig verknüpft sind (Kumlehn, 2020). Diesen Linien könnte in dem wissenschaftstheoretischen Forschungsformat auch weiter nachgegangen werden, um Analogien und Differenzen zur wechselseitigen Erhellung der Problemlagen und entsprechender Strategien im Umgang mit ihnen aufzuzeigen.

Eine wissenschaftstheoretisch sensible Religionspädagogik/Religionsdidaktik bleibt zudem auf das Gespräch mit der Systematischen Theologie angewiesen. Denn diese ist in ihrer Deutung, und hermeneutischen Erschließung des Sinngehalts des christlichen Glaubens für das Selbst-, Welt- und Gottesverhältnis sowie seiner kritischen Reflexion in Verantwortung vor dem Wahrheitsbewusstsein einer jeweiligen Zeit von grundlegend orientierender Bedeutung für alle Vermittlungsprozesse (Biehl, 2005; Axt-Piscalar, 2005; Korsch, 2005; Riegel & Gennerich, 2015, S. 5). Christliche Religion als eine bestimmte Form der Lebensdeutung zu entfalten, verbindet systematische Theologie und Religionspädagogik, wobei sich die systematische Theologie dieser Aufgabe vorrangig unter Rückgriff auf die grundlegenden Reflexionsformen des Glaubens und der Denkbewegungen in Tradition und Gegenwart zuwendet, während die Religionspädagogik von den Verstehensvoraussetzungen der Subjekte und ihren (religiösen) Wirklichkeitserfahrung her auf die Erschließung der Tradition zugreift (Kumlehn, 2013). Eine wechselseitige Durchdringung beider Dynamiken ist für nachhaltige Bildungsprozesse jedoch unerlässlich. Dabei sind neben der materialen Entfaltung der Gehalte des christlichen Glaubens vor allem auch die sogenannten Prolegomena von erheblicher Relevanz, in denen das Grundverständnis des Verhältnisses von Spiritualität, Religiosität, Religion und christlichem Glauben und die Grundbedingungen religiöser Rede und Ausdruckskultur reflektiert sowie das jeweilige Wirklichkeits- und Wahrheitsverständnis entfaltet wird (Kumlehn, 2013). Nicht zuletzt das spannungsreiche Verhältnis zwischen der protestantisch zentralen Einsicht in die Unverfügbarkeit des Glaubens und der zugleich notwendigen Auslotung der Möglichkeiten religiösen Lernens und religiöser Bildung gilt es für religionsdidaktische Forschungsformate zu reflektieren, um zu unterscheiden, was operationalisierbar ist und was den Lernprozessen und ihrer wissenschaftlichen Beobachtung prinzipiell entzogen bleibt (Anselm, 2005, S. 85–88; Schröder, 2012, S. 196–231; Schweitzer, 2006, S. 26–37)

Über diesen für alle Vermittlungsprozesse wichtigen Diskurs mit der systematischen Theologie hinaus ist z.B. der Rekurs auf die Kirchengeschichte für alle kirchengeschichtsdidaktischen Anliegen unaufgebbar und der Austausch mit den exegetischen Fächern Neues- und Altes Testament, der schon in der systematischen Theologie aufgenommen werden sollte, ist für die Religionsdidaktik ebenfalls elementar, insbesondere für ihre bibeldidaktischen Ansätze. Zusammenfassend lässt sich im Sinne der Verschränkung von religionsdidaktischen Forschungsformaten sagen, dass das wissenschaftstheoretisch kundige Gespräch mit den verschiedenen theologischen Disziplinen auch für das Forschungsformat einer „didaktischen Rekonstruktion von Unterrichtsgegenständen“ (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 350) zentral ist. Dabei ist die Konstitution dieser Unterrichtsgegenstände freilich nicht im Sinne einer einfachen, einlinigen Übertragung oder Abbildkorrelation theologischer Einsichten zu denken. Vielmehr entsteht in der religionsdidaktischen Aufnahme in Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Lernenden eine eigene Transformation der theologischen Gehalte. Religionspädagogik erweist sich in dieser Weise selbst als „theologieproduktiv“ (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 353) und kann auf andere theologische Diskurse ihrerseits anregend zurückwirken (vgl. Heger, 2017, S. 539). Dabei muss ein differenzierter Theologiebegriff auch didaktischen Ansätze einer Kinder- und Jugendtheologie zugrunde liegen (z.B. Schlag & Schweitzer, 2011). Zugleich kann die Religionspädagogik die anderen theologischen Disziplinen auf didaktische Implikationen in ihren Vollzügen aufmerksam machen. Jenseits aller Hierarchisierungsbestrebungen sollte der enzyklopädische Diskurs im Gesamtzusammenhang der Theologie von daher zu einer vielfältigen Kooperation der Disziplinen beitragen und davon ausgehen, dass sich alle Disziplinen wechselseitig voraussetzen und „brauchen“ (Schweitzer, 2005, S. 72.82).

2.1.3 Das Verhältnis von Religionspädagogik (inklusive der Didaktik) und Human-, Sozial- und Kulturwissenschaften

Interessanterweise trat die moderne Religionspädagogik nach ersten entsprechenden Weichenstellungen im Gefolge der Aufklärung (z.B. bei Salzmann, Diesterweg und Herbart) als eine eigene wissenschaftliche Disziplin in Überschreitung der kirchlichen Katechetik im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert in Erscheinung, als das Gespräch mit der Pädagogik (und Psychologie) verstärkt gesucht wurde (Englert, 1995, S. 148). So setzten sich z.B. Niebergall und Kabisch in je unterschiedlicher Akzentuierung mit der Reformpädagogik und der Religionspsychologie von James und Wundt auseinander. Dieser Bezug auf die pädagogischen Diskurse wird seitdem mit einer Unterbrechung in der Zeit der Evangelischen Unterweisung endgültig seit der Mitte des 20. Jahrhunderts schrittweise in den verschiedenen Ansätzen des hermeneutischen und problemorientierten Religionsunterrichts als ebenso grundlegend für die wissenschaftliche Verortung der Religionspädagogik und -didaktik angesehen wie deren theologischen Verortungen. Bereits unter Abschnitt 2.1.2 wurde dargelegt, dass die Arbeit am Bildungsbegriff angeregt und vertieft durch die Auseinandersetzung mit pädagogischen Bildungstheorien für das Selbstverständnis der Religionspädagogik und -didaktik maßgeblich war und ist (z.B. Nipkow, 1998; Kunstmann, 2002; Schweitzer, 2014). Darüber hinaus gibt es immer wieder starke Impulse aus der allgemeinen Pädagogik, die religionspädagogisch intensiv aufgenommen und diskutiert werden. Zuletzt sind diesbezüglich vor allem die Debatten um die Kompetenzorientierung und Bildungsstandards (Sajak, 2007; Obst 2010) sowie der Inklusionsdiskurs (z.B. Schweikert, 2017) zu nennen. Ähnlich wie im Gespräch mit der Theologie gilt auch hier, dass diese Diskurse nicht eins zu eins in der Religionspädagogik rezipiert werden, sondern vor ihrem spezifischen Fragehorizont und aufgrund der theologischen Grundierungen im Menschenbild und in der Zielbestimmung von Bildung adaptiert und spezifisch akzentuiert werden. Im Sinne eines wissenschaftstheoretischen Forschungsformats wären solche Wechselwirkungen und Transformationsprozesse in der Aufnahme von pädagogischen Diskursen differenziert zu untersuchen. Gleiches gilt für die Rezeption von Modellen der Allgemeinen Fachdidaktik in der Religionsdidaktik, die sie mit ihren bereichsspezifischen Anforderungen verknüpft, wie man es insbesondere an der Aufnahme der bildungstheoretischen, später kritisch-konstruktiven Didaktik Wolfgang Klafiks z.B. im Elementarisierungsansatz sehen bzw. jüngst in der Aufnahme der konstruktivistischen Didaktik Kersten Reichs in der konstruktivistischen Religionsdidaktik nachzeichnen kann (vgl. Woppowa, 2018, S. 22–24; Leimgruber & Ziebertz, 2001, S. 38–40).

Neben der Pädagogik und der Allgemeinen Fachdidaktik sind weitere humanwissenschaftliche Disziplinen prägend für die religionspädagogische und religionsdidaktische Forschung. Dazu gehören vor allem die Entwicklungs- und Religionspsychologie, die zu eigenen Modellen religiöser Entwicklung und Identitätsbildung geführt haben (Büttner & Dieterich, 2013), sowie die Soziologie und Religionssoziologie, die das Bedingungsfeld religiöser Sozialisation und spätmoderner religiöser Partizipationsmuster im Spannungsfeld von Individualisierungs-, Pluralisierungs- und Globalisierungsprozessen aufzeigen (Fechtner, 2017). Die humanwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen bieten der Religionspädagogik und -didaktik neben der gründlichen Analyse des Bedingungsfeldes „Konzepte und Theorien, um die von ihr untersuchten religiösen Lern- und Bildungsprozesse zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen, zielorientiert zu beeinflussen und kritisch zu evaluieren.“ (Gennerich & Riegel, 2015, S. 7).

Bisher wissenschaftstheoretisch noch eher wenig eigens gewürdigt wird die intensive Aufnahme philosophischer und kulturwissenschaftlicher Ansätze, um das Verstehen religiöser Ausdruckskulturen und Kommunikationsformen zu befördern und entsprechend für religionsdidaktische Lernwege fruchtbar zu machen, die in einem Kontext zunehmender konfessioneller Ungebundenheit einen Erstkontakt mit expliziter christlicher Religion und ihren Ausdruckskulturen und -praxen gestalten müssen. Dabei geht es darum, die schon dem Lerngegenstand inhärenten Merkmale religiöser Kommunikation freizulegen und mit entsprechenden Lernwegen konstruktiv zu verschränken. Das gilt z.B. für die Aufnahme von Symboltheorien in der Symboldidaktik (Biehl, 1989), für die Aufnahme phänomenologischer und ästhetischer Theorien in einer wahrnehmungsorientierten Religionsdidaktik (z.B. Heimbrock, 1998), für die Aufnahme von semiotischen Theorien in der Zeichendidaktik (Meyer-Blanck, 2002) und für die Aufnahme von Theater- und Performanztheorien in der performativen Religionsdidaktik (Klie & Leonhardt, 2003).

2.1.4 Eine wissenschaftliche Disziplin im „Übergang“: Religionspädagogik und ihre Didaktik im produktiven Spannungsfeld verschiedener Diskursräume

Wenn gilt, dass sich die Religionspädagogik inzwischen im gleichberechtigten Gespräch mit den theologischen Disziplinen und der Pädagogik sowie anderen human- und kulturwissenschaftlichen Diskursen konstituiert, bleibt dennoch in wissenschaftstheoretischer Sicht die Aufgabe bestehen, das Verhältnis dieser grundlegenden Diskurse zueinander genauer zu charakterisieren. Wegweisend waren diesbezüglich die Bestimmungen von Karl Ernst Nipkow, der die Religionspädagogik als „interdisziplinäre[n] Prozeß“ (1975, S. 137) bezeichnet hat und von einem im heuristischen Sinne „konvergenztheoretisch-dialektischen Orientierungsmodell“ ausging (S. 177), wonach Theologie und Pädagogik in einer unauflöslichen Dynamik von Zusammenhang und Unterscheidung aufeinander bezogen und die religionspädagogischen Ansätze zur Lösung ihrer Vermittlungsaufgaben „in den Schnittpunkten eines vielperspektivischen (mehrdimensionalen) Koordinatengefüges“ zu suchen sind (S. 178). „Religionspädagogik sieht in dieser Spielart ihr Proprium darin, jedes ihrer Themen theologisch und pädagogisch zu reflektieren und dies mit Argumenten der jeweils anderen Disziplin einzufordern.“ (Schröder, 2012, S. 268; vgl. ähnlich Englert, 1995, S. 154; Grethlein, 2005, S. 23–25). Friedrich Schweitzer spitzt diese These dahingehend zu, dass er die Zuordnung so formuliert: „Die Religionspädagogik gehört vollständig zur Theologie, zugleich aber ebenso vollständig zur Pädagogik […] Die Einheit der Theologie muß dann ebenso wie die der Pädagogik so verstanden werden, daß sie eine gleichzeitige Zugehörigkeit ihrer Teile zu anderen Wissenschaften nicht aus-, sondern einschließt.“ (1996, S. 150). Angesichts dieser Modelle wechselseitiger Verschränkung erscheint es mir vor allem geboten, in wissenschaftstheoretischen Forschungsprojekten die unterschiedlichen Diskursräume sehr differenziert wahrzunehmen und jeweils problem- und themenbezogen sehr genau auszuweisen, welche Teildiskurse jeweils miteinander interagieren und vor allem wie sie in ihrer wechselseitigen Durchdringung in religionspädagogischer Absicht etwas Neues, Drittes hervorbringen, das weder in dem einen noch in dem anderen Bezugsdiskurs aufgeht. Dabei sind bleibende Spannungen, die sich zwischen den theologischen und pädagogisch-humanwissenschaftlichen Wirklichkeitsdeutungen ergeben können, nicht aufzulösen, sondern in Analogie und Differenz religionsdidaktisch produktiv zu wenden, indem Perspektivenwechsel zur wechselseitigen Erhellung inszeniert und ausgewiesen werden. Dabei ist wie in der Einleitung angedeutet, die Frage der intendierten Interdisziplinarität in der Religionspädagogik noch einmal zu problematisieren. Denn es ist zu konstatieren, dass die Religionspädagogik zwar intensiv Diskurse aus anderen Disziplinen rezipiert und sich diese zur Beförderung des eigenen Erkenntnisinteresses innovativ anverwandelt, dass aber diese Bewegung keineswegs in den anderen Disziplinen einen entsprechenden Widerhall findet und auch Forschungsprojekte in der Regel nicht im strengen Sinne interdisziplinär angelegt sind. Angesichts dieses Befundes schlagen Riegel und Rothgangel vor, „das Verhältnis der Religionsdidaktik zu den Erziehungs-, Human- und Sozialwissenschaften als intradisziplinär im Sinne Johannes van der Vens zu begreifen (1990, S. 103–130). Ein intradisziplinäres Verhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Wissenschaft Theorien und Methoden aus anderen Wissenschaften für die eigene Forschung übernimmt und in den eigenen Erkenntnisprozess integriert.“ (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 355; entsprechend schon Gennerich & Riegel, 2015, S. 8). Auch wenn der Begriff „intradisziplinär“ vielleicht nicht so günstig ist, weil er doch das Missverständnis einer disziplinären Binnenorientierung befördern könnte, ist der Sache nach das Desiderat der beschriebenen Asymmetrie im Gespräch der Disziplinen im Sinne einer einlinigen Rezeption in aller Schärfe festzuhalten. Es wäre hier ein vorrangiges Anliegen weiterer wissenschaftstheoretischer Forschung, Formate anhand übergreifender Themen, wie z.B. dem Inklusionsdiskurs zu entwickeln, die einen „echten“ wechselseitigen Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen anregen könnten, der davon ausgeht, dass auf Seiten aller Diskurspartner Veränderungen am Theoriedesign und erweiterte Perspektiven auf die untersuchten Sachverhalte möglich werden können. Dieses wechselseitige Anregungspotential wäre dann in der Evaluation der Projekte eigens auszuweisen.

2.2 Wissenschaftstheoretische Querschnittsdimensionen

Quer zur Verortung der Religionspädagogik und -didaktik in den zuvor beschriebenen Diskursfeldern und unabhängig von einer diesbezüglichen Positionierung im Einzelnen hat ihre wissenschaftliche Theoriebildung in jedem Fall die folgenden Querschnittsdimensionen des Verhältnisses von Praxis und Theorie sowie von Empirie, Hermeneutik und Ideologiekritik/Deutungsmachtanalyse zu reflektieren.

2.2.1 Das Verhältnis von Praxis und Theorie

Die Entstehung der modernen wissenschaftlichen Religionspädagogik im Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert verdankt sich ganz wesentlich Impulsen aus der Praxis, in der Lehrkräfte ein eigenes Selbstbewusstsein entwickelt und unter Rekurs auf ihre Erfahrungen darauf aufmerksam gemacht haben, dass ein katechetisches Modell am Lernort Schule zunehmend nicht mehr auf Resonanz stößt und die Relevanz der zu vermittelnden Inhalte nicht einfach gesetzt werden kann, sondern sich allererst erweisen muss. Sie haben sich zu Interessenverbänden zusammengeschlossen und eigene Publikationsorgane gegründet, die den Druck auf eine wissenschaftliche Reflexion, die diesen Notwendigkeiten einer zu verändernden Praxis nachgeht, erhöht haben (vgl. Roggenkamp, 2001; Schweitzer, Simojoki, Moschner & Müller, 2010). Damit korrespondiert in institutioneller Hinsicht die Tatsache, dass neben der universitären Pfarrerbildung und der dort betriebenen Katechetik als Teil der Praktischen Theologie die auf die Schule bezogene Religionspädagogik und -didaktik zunächst in der „Ausbildung von Volksschullehrerinnen und -lehrern und der Praxisreflexion von Religionslehrpersonen“ ihren Ort hatte (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 341). Dass das Verhältnis von Theoriebildung und Praxisreflexion in der wissenschaftlichen Religionspädagogik immer wieder in einem kritisch-dynamischen Prozess wechselseitiger Erhellung zu denken ist, hat schon Friedrich Schleiermacher in seinen Pädagogikvorlesungen 1826 angebahnt, indem er betont: „Die Dignität der Praxis ist unabhängig von der Theorie; die Praxis wird nur mit der Theorie eine bewußtere“ (Winkler & Brachmann, 2000, S. 11). Entsprechend versteht er die Pädagogik als „Kunstlehre“, die Voraussetzungen reflektiert und Handlungsoptionen eröffnet, wobei die Anwendung von Regeln jedoch selbst nicht regelhaft hergestellt werden kann, sondern pädagogischer Intuition und Erfahrung durchaus einen kreativen Raum lässt (vgl. Kumlehn, 2019a, S. 14).

Religionspädagogik als „Theorie der Praxis“ kann dabei so verstanden werden, dass diese Theorie immer auf die Praxis rekurriert und sie genau wahrzunehmen versucht, jedoch zugleich notwendig in Distanz zu ihr verbleibt, um überhaupt ihre „kritisch-konstruktive Kraft“ entfalten zu können (Schröder, 2012, S. 269) und in relativer Freiheit neue Perspektiven zu entwerfen, die sich freilich dann auch wieder in der Praxis bewähren müssen: „Sie weiß darum, dass ihr Nachdenken und Entwerfen allein die Praxis nicht schon verändert; Nachdenken und Entwerfen muss vielmehr denen einleuchten, die praktisch tätig sind, und von ihnen kontextgerecht beziehungsweise eigenverantwortlich realisiert werden“ (Schröder, 2012, S. 269). Dass das durchaus ein Prozess ist, der mit erheblichen Transformationsprozessen, unter Umständen auch Differenzierungsverlusten einhergehen kann und erneut einer wechselseitigen kritischen Reflexion bedarf, zeigen erste Versuche, die Rezeption von bestimmten didaktischen Ansätzen in der Praxis empirisch zu überprüfen (z.B. Dressler, Klie & Kumlehn, 2012). Hier wären in Zukunft in Fortsetzung wissenschaftstheoretischer Selbstreflexion vermehrt Forschungsformate im Sinne der erweiterten „Wirkungsforschung“ zu entwerfen, die differenziert die Prozesse des Übergangs von wissenschaftlichen Theorieelementen in konkrete Praxis beobachten und die tatsächliche Wirkung von religionsdidaktischen Konzeptionen hinsichtlich möglicher Lernergebnisse überprüfen.

2.2.2 Das Verhältnis von Empirie, Hermeneutik und Ideologiekritik/Deutungsmachtanalyse

Die hohe Wertschätzung der Praxis als Ort der Erkenntnis und konstitutiver Bezugspunkt aller religionspädagogischer Theoriebildung setzt notwendig eine empirisch orientierte Forschung aus sich heraus, die über verschiedene Methoden quantitativer und qualitativer Sozialforschung, Unterrichtsvideographien usw. im induktiv-explorativen Zugriff versucht, Praxisphänomene genau zu beobachten, zu beschreiben und zu verstehen. Es geht dabei um evidenzbasierte Generierung von Erfahrungswissen. Allerdings ist schon im Kontext dieser Forschung wissenschaftstheoretisch darauf hinzuweisen, dass sowohl die Erhebung empirischer Daten als auch ihre Auswertung selbstverständlich unauflöslich mit Deutungsprozessen und impliziten oder expliziten (wertenden) Vorannahmen, Setzungen und Positionierungen verbunden ist, die die Ergebnisse dieser Forschung nicht als reines „Abbild der Wirklichkeit“ oder „nackte Tatsachen“ erscheinen lassen, sondern als eine überprüfbare Annäherung an das Vorfindliche. Entsprechend ist „die Erkenntnis gewachsen, dass Erhebungen vorstrukturiert sein müssen, um relevant zu sein, dass jede Beobachtung standortgebunden ist und dass letztlich jede Antwort eine bestimmte, ausgewählte Frage voraussetzt.“ (Leimgruber & Ziebertz, 2001, S. 32). Deutungs- und Verstehensprozesse sind für die Religionspädagogik in wissenschaftstheoretischer Perspektive nicht nur in Verbindung mit empirischer Forschung, sondern darüber hinaus vor allem im Sinne einer grundlegenden Hermeneutik differenziert zu betrachten und hinsichtlich der verschiedenen Formen der Sinngenerierung und des Sinnverstehens, inklusive der Wahrnehmung von Sinnabbrüchen und des Nicht-Verstehens, zu entfalten. Es braucht eine ausgearbeitete Deutungstheorie, die reflektiert, wie sich Wirklichkeit und Deutung zueinander verhalten und Erfahrungen als gedeutete Erlebnisse zu verstehen sind. Es ist nicht alles Deutung, sondern Wirklichkeit widerfährt uns und liegt uns immer schon voraus, aber ohne Deutung, und sei sie noch so elementar, ist für uns nichts von Bedeutung. Dabei sind Deutungen immer perspektivisch und selektiv. Sie lenken die Aufmerksamkeit und lassen uns Bestimmtes sehen und anderes nicht. (vgl. Kumlehn, 2019b, S. 3–6;  Korsch, 2005). Deutungskompetenz gehört von daher nicht nur zu den basalen wissenschaftlichen Voraussetzungen religionspädagogischer Forschungsanliegen, sondern gilt auch im schulischen Bereich als Grundkompetenz in den religionsdidaktischen Kompetenzrastern (Riegel & Rothgangel, 2020, S. 346), um Religion als Lebensdeutung und Lebensform im christlichen Deutungshorizont begreifen zu können. Sie ist mit der hermeneutischen Kompetenz zwar nicht deckungsgleich, aber aufs engste verbunden. In Auseinandersetzung mit hermeneutischen Theorien unterschiedlichen Zuschnitts (vgl. einführend Pannenberg, 1973, S. 157–224; Lauster, 2005) sind Prozesse des Verstehens in der Auslegung religiöser Symbole, Metaphern, Texte und Praxen anzubahnen und dabei existentiell mit Formen der Daseins- und Lebenswelthermeneutik zu verschränken, um subjekt- und erfahrungsorientiert die Relevanz christlich religiöser Deutungswelten und Gestaltungsoptionen zu erschließen. Religions- und Kulturhermeneutik helfen zudem, Spuren von Religion in verschiedenen Praxisfeldern und Bereichen des öffentlichen, kulturellen Lebens zu entdecken. Schließlich geht es um die Erhebung von Verstehensvoraussetzungen am Orte des lernenden Subjekts und um eine essentielle hermeneutische Kompetenz der Lehrenden. Sie müssen eine eigene Ausdrucks-, Sprach- und Übersetzungskompetenz entwickeln, um mögliche Sinngehalte christlicher Religion auch für Schülerinnen und Schüler mithilfe verschiedener Lernwege heuristisch freizulegen, die mit diesen Traditionen nicht vertraut sind.

Deutungsprozesse sind in unterschiedlicher Weise mit Werthaltungen und normativen Implikationen, mit Geltungs- und Wahrheitsansprüchen verknüpft und das gilt in besonderer Weise auch für religiöse Deutungen. Von daher ist in wissenschaftstheoretischer Perspektive schon im Gefolge der kritischen Theorie auf die Notwendigkeit von ideologiekritischen Selbstreflexionen der Religionspädagogik aufmerksam gemacht worden, die solchen Ansprüchen nachgeht und sie offenlegt, um Emanzipation und Mündigkeit im Umgang mit ihnen zu befördern. Es geht dabei auch um die Wahrnehmung der Ambivalenz von Religion, die sich nicht nur als lebensdienlich, sondern auch als lebenshemmend erweisen kann und die von daher immer zugleich der religions- und ideologiekritischen Betrachtung bedarf (vgl. Nipkow, 1975, S. 189–192; Leimgruber & Ziebertz, 2001, S. 33; ausführlich Heger, 2017, 137–182). Ideologiekritische Zugänge haben die vielfältigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse durchaus mit im Blick. Eine grundsätzliche Wahrnehmung von Machtstrukturen wäre jedoch in Zukunft auch auf einer basalen hermeneutischen Ebene m.E. verstärkt in den religionspädagogischen und religionsdidaktischen Diskurs aufzunehmen, denn Macht ist nicht nur in kritischer Hinsicht auf der Akteurs- und Institutionsebene wahrzunehmen, sondern im Sinne von Ermöglichungs- oder Verunmöglichungsstrukturen schon auf der Deutungsebene selbst zu verfolgen. Wer hat die Macht zur Deutung und welche Macht entfalten Deutungen? Welche (rhetorischen) Strategien nutzen Deutungen, um sich angesichts konkurrierender Deutungen Aufmerksamkeit und Geltung zu verschaffen? Wie gelingt es Deutungen mit starken Metaphern oder Erzählungen neue Sichtweisen der Wirklichkeit zu ermöglichen und dabei gegebene Ordnungsmuster unserer Wahrnehmung und Weltdeutung in ihren Grenzen zu verschieben (vgl. Kumlehn, 2019b). In zukünftigen wissenschaftstheoretisch ausgerichteten Forschungsprojekten könnten solche Kombinationen von Ideologiekritik und Deutungsmachtanalyse im religionsdidaktischen Feld initiiert werden, denn subtile Deutungsmachtprozesse finden sich in unterrichtlichen Kommunikationsprozessen in der Aushandlung von Deutungskonflikten auf unterschiedlichen Ebenen. Exemplarisch wäre z.B. an die Untersuchung von interreligiösen Lerneinheiten zu denken, die vielfältig Anlass bieten, verdeckte und offenen Geltungsansprüche zu kommunizieren und mit möglichen Deutungskonflikten umzugehen.

Im Spannungsfeld von Empirie, Hermeneutik und Ideologiekritik/Deutungsmachtanalyse gilt strukturparallel Ähnliches wie im Kontext der anderen bereits dargestellten wissenschaftstheoretischen Verhältnisbestimmungen. Denn der Komplexität religionspädagogischer Theoriebildung wird man nur gerecht, wenn man eine Verschränkung dieser Forschungsdimensionen annimmt und reflektiert verfolgt. (vgl. Englert, 1995, S. 161; 167) Entsprechend formulieren Leimgruber und Ziebertz: „Hermeneutik ohne Ideologiekritik läuft Gefahr, Ideologie zu produzieren; Hermeneutik ohne Empirie läuft Gefahr, die Wirklichkeit aus dem Blick zu verlieren; Empirie ohne Hermeneutik läuft Gefahr, positivistisch verstanden zu werden; Empirie ohne Ideologiekritik kann dazu führen, Faktenwissen unkritisch zu übernehmen oder als Herrschaftswissen einzusetzen; Ideologiekritik ohne Hermeneutik führt zu Positionalismus, und Ideologiekritik ohne Empirie droht selbst zur Ideologie zu werden.“ (2001, S. 34).

2.3 Wissenschaftstheoretisch fokussierte Ansätze religionspädagogischer Theoriebildung und ihre Orientierungsleistungen für die Religionsdidaktik

Nach den Darstellungen der verschiedenen Diskursfelder und Querschnittsdimensionen sollen nun noch sehr knapp einige Ansätze der wissenschaftstheoretischen Ausrichtung religionspädagogischer Forschung vorgestellt werden, die in bestimmter Weise auf ausgewählte Diskursformationen zugreifen und den Anspruch haben in ihrer Perspektive das Ganze des Faches reflektieren und orientieren zu können. Dabei ist als erstes die Negativbestimmung festzuhalten, dass die gegenwärtige scientific community der Religionspädagogik und -didaktik die frühere Zuschreibung, sie sei eine Anwendungswissenschaft eindeutig zurückweist und nicht als Selbstbeschreibung wählt (vgl. z.B. Englert, 1995, S. 149; Boschki & Gronover, 2007, S. 7). Das gilt zumindest für das Verständnis, Religionsdidaktik übernehme schlicht Erkenntnisse aus der Fachwissenschaft und transportiere diese lediglich in den Vermittlungskontext. Dass jedoch nach wie vor von „Anwendungsforschung“ im Kontext der Religionsdidaktik gesprochen wird (siehe die Einleitung von Riegel & Rothgangel für dieses Heft), zeigt doch, dass auch hier differenzierter gefragt werden muss, wie sich religionsdidaktische Forschung zur Dimension von „Anwendung“ – z.B. bei der Generierung von Unterrichtsgegenständen und der Analyse von Unterrichtsprozessen im Dienste der Handlungsorientierung – verhält.

Auf formaler Ebene ist die weitverbreitete Kennzeichnung als Verbund- oder Integrationswissenschaft schon einleitend genannt worden, um dann entsprechend im Durchgang durch die unterschiedlichen Bezugsdiskurse begründet und entfaltet zu werden. Eine im semantischen Sinne grundlegende Charakterisierung besteht auch in der Zuschreibung, die Religionspädagogik sei (wie die Praktische Theologie) eine moderne Krisenwissenschaft (Grethlein, 1998, S. 11), deren (permanentes) Krisenbewusstsein sich aus diversen Umwälzungen der modernen und spätmodernen Gesellschaft speist, die dazu führt dass religiöse Kommunikation und die Kommunikation über Religion unter zunehmend fragilen Bedingungen im Unterricht stattfinden und dass – wie mehrfach erwähnt – aufgrund fehlender religiöser Sozialisation vielfach ein Erstkontakt mit expliziter christlicher Religion gestaltet werden muss. Entsprechend ist das religionspädagogische Theoriebemühen darauf gerichtet, seismographisch auf die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu reagieren und immer neue religionsdidaktische Ansätze zu entwerfen, die die Anforderungen existenzerschließender Begegnung mit religiöser Tradition und Kommunikation in sich aufnehmen. Ganz wesentlich aus dem Krisenbewusstsein der späten sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts heraus hat sich die Religionspädagogik dann explizit als hermeneutische Wissenschaft verstanden und entsprechend den hermeneutischen Religionsunterricht hervorgebracht, der unter Bezug auf die Existentialphilosophie und die Theologie Bultmanns in kritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition und Geschichte bildungsorientiert das Verstehen der eigenen Existenz im Spiegel des christlichen Glaubens anregen wollte.

Unter Rekurs auf ein reflektiertes Theorie-Praxisverhältnis und diverse Handlungstheorien wird die Religionspädagogik in der Folgezeit unter dem Einfluss der kritischen Theorie Frankfurter Schule als Handlungswissenschaft konzipiert. Sie nimmt ihre Handlungsfelder in sozialwissenschaftlicher und humanwissenschaftlicher Perspektive wahr und analysiert das Bedingungsfeld des Handelns korrespondierend mithilfe empirischer Forschung. Zugleich will sie vor diesem Hintergrund handlungsorientierend wirken, indem sie im Abgleich mit der Empirie auch in theologischer Perspektive ihre Zielbestimmungen religiöser Bildung hermeneutisch reflektiert und theoretische Ressourcen bereitstellt, um Praxis entsprechend neu wahrzunehmen und zu gestalten. Im Sinne eines weiten Handlungsbegriffs verbindet sie sich mit Theorien des kommunikativen Handelns (z.B. im Gefolge von Habermas) und rückt dann auch sprachliches Handeln bzw. Ausdruckshandeln in den Fokus (Heger, 2017, S. 184 und S. 196–197; Boschki & Gronover, 2007, S. 10). Im Abgleich von Ist- und intendierten Soll-Zuständen kann sie sowohl auf die Anleitung von best practice-Modellen als auch auf Wahrnehmung von Störungen der Praxis als Handlungsanreiz ausgerichtet sein (Heger, 2017, S. 189). Mit Blick auf die intendierten Soll-Zustände ist allerdings ideologiekritisch und deutungsmachtsensibel zu fragen, welche normativen Aspekte die Kriterien für den Soll-Zustand gelingender Praxis jeweils mitbestimmen. In religionsdidaktischer Adaption dieser Ausrichtung der Religionspädagogik hat sich zunächst die problemorientierte Didaktik entwickelt, die mit starkem ethischen Akzent und gesellschaftspolitischer Sensibilität subjekt- und erfahrungsorientiert die Befähigung zum mündigen Handeln in christlicher Verantwortung befördern wollte. Gegenwärtig können sich aber auch Formen der Religionsdidaktik, die sich an der „Kommunikation des Evangeliums“ ausrichten (Domsgen & Schröder, 2014) oder sich dem Elementarisierungskonzept und der Kinder- und Jugendtheologie widmen, dieser Grundorientierung zuordnen lassen, ohne darauf festgelegt zu sein (z.B. Schweitzer & Schlag, 2011).

Allerdings hat die Beobachtung, dass bewusste religiöse Erfahrungen, die schulisch nachträglich in hermeneutischer und problemorientierter Perspektive reflektiert werden sollen, oft nicht vorausgesetzt werden können, dazu geführt, die Praktische Theologie und die Religionspädagogik selbst stärker ästhetisch auszurichten, um die Wahrnehmung religiöser Phänomene auf mehreren Ebenen allererst einzuholen. Entsprechend formiert sich die Disziplin als Wahrnehmungswissenschaft. Als Bezugstheorien kommen jetzt die Ästhetik und vor allem die Phänomenologie im Anschluss an Merleau-Ponty und Waldenfels zum Tragen. Es geht wissenschaftstheoretisch um die Wahrnehmung der Leibdimension in der Erkenntnis, um phänomenologische Erschließungen der (religiösen) Lebenswelt und die religionshermeneutische Spurensuche in der Alltagskultur (Heger, 2017, S. 287–374; Heimbrock, 1998). Es folgen die ästhetisch grundierte Symboldidaktik (Biehl, 1989) und eine phänomenologische Religionsdidaktik (Kirchhoff, 2007). Später entwickeln sich unter Bezug auf Zeichen-, Performanz und Theatertheorien auch die semiotische und die performative Religionsdidaktik (Meyer-Blanck, 2002; Klie & Leonhard, 2003). Diese didaktischen Ansätze integrieren jedoch auch handlungswissenschaftliche Aspekte so wie vice versa die eher handlungs- und kommunikationswissenschaftlich ausgerichteten Ansätze gegenwärtig die Relevanz der Wahrnehmungsorientierung in der Regel nicht in Frage stellen, sodass man ohne Harmonisierungsanspruch von einander ergänzenden wissenschaftstheoretischen Perspektiven oder Ansätzen religionspädagogischer Forschung je unterschiedlicher Akzentuierung und Schwerpunktsetzung sprechen kann.

3 Methoden

Im wissenschaftstheoretischen Forschungsformat können alle religionspädagogisch relevanten Forschungsmethoden zum Tragen kommen, wobei die im engeren Sinne empirischen Forschungssettings eher zur Überprüfung der Tragfähigkeit und Relevanz wissenschaftstheoretischer Reflexionen und religionsdidaktischer Konzeptionsentwicklungen in der Praxis ins Spiel kommen. Ähnliches gilt für handlungsorientierende Zugänge, die ebenfalls indirekt vermittelt über wissenschaftstheoretisch sensible Konzeptionsentwicklung relevant werden.

Historische Forschungsmethoden wie Quellenstudium, Archivarbeit usw. spielen eine Rolle, wenn wissenschaftstheoretische Diskursformationen und Entwicklungen rekonstruiert werden sollen. In systematischer Perspektive sind vor allem die grundlegenden hermeneutischen Methoden, die die „verstehende Produktion von Theorien“ betreiben (Riegel & Rothgangel in der Einleitung zu diesem Heft), von zentraler Bedeutung für das wissenschaftstheoretische Forschungsformat. Dazu gehören intensive Lektüre und Erschließung von interessanten Bezugstheorien und Diskursen, die systematisch aufbereitet, strukturiert und kritisch in ihrer Reichweite und Orientierungskraft für das bessere und weiterführende Verstehen der eigenen Disziplin reflektiert werden müssen. Innovationskraft liegt dabei vor allem in einer neuen Relationierung und Verknüpfung von Diskursen oder Teildiskursen im Spannungsfeld von theologischen Bezügen und anderen Wissenschaften. Im hermeneutischen Zugriff können sowohl rekonstruktive als auch prospektiv-konstruktive Intentionen verfolgt werden, um die Entwicklung des Faches zu verstehen bzw. neue Forschungsperspektiven und religionsdidaktische Konzepte zu entwerfen.

Zunehmend wichtig werden komparative Methoden, weil die wissenschaftstheoretischen Verortungen in anderen Ländern ganz anders erfolgen können (Schweitzer, 2006, S. 273; Gennerich & Riegel, 2015, S. 5) und interessante und herausfordernde Perspektiven für das Selbstverständnis des Faches in unserem Kontext bieten, die möglicherweise auch anregend für hiesige Problemlösungsstrategien sein können. Verglichen werden können darüber hinaus konfessionelle Unterschiede und deren spezifischen wissenschaftstheoretischen Zuschnitte sowie interreligiöse Analogien und Differenzen, wenn z.B. gefragt wird, wie sich die islamische Religionspädagogik im Wissenschaftssystem verortet. Schließlich ist der Vergleich verschiedener Fachdidaktiken voranzutreiben und dabei das Spezifikum religionsdidaktischer Forschung im Kontext eines gesellschaftlich immer wieder hochgradig legitimationsbedürftigen Faches im Blick zu behalten.

4 Herausforderungen im Kontext des wissenschaftstheoretischen Forschungsfeldes und Forschungsformats

Das wissenschaftstheoretische Forschungsformat, wie es hier dargestellt worden ist, ist eindeutig der Grundlagenforschung der Religionspädagogik inklusive ihrer Didaktik zuzuordnen. In der sachlogischen Reihenfolge religionsdidaktischer Forschungsformate gehört es demnach m.E. nicht ans Ende, sondern an den Anfang einer auf die inneren Zusammenhänge der Forschungsformate ausgerichteten Anordnung (anders die Reihung der Forschungsformate bei Riegel & Rothgangel in der Einleitung zu diesem Heft). Denn dieses Forschungsformat ist elementar damit befasst, die vielfältigen Bezugstheorien der Religionsdidaktik im besonderen Spannungsfeld von Theologie und anderen Wissenschaften zu erfassen und vor allem in ihrer konstitutiven Interaktion für das Selbstverständnis des Faches auszuloten. Die Erhebung und Systematisierung der Bezugstheorien ist damit das am stärksten und nachhaltigsten formatierende Element dieses Formats. Religionsdidaktische Forschung wissenschaftstheoretisch zu verorten, trägt entsprechend wesentlich dazu bei, die grundsätzlich geforderte Legitimation religiöser Bildung am Lernort Schule zu unterstützen. Der Gegenstandsbereich wissenschaftlicher Selbstverortung nimmt dabei die Religionsdidaktik als Ganzes in den Blick, sodass die Ausdifferenzierung vor allem hinsichtlich der begründeten Unterscheidung religionsdidaktischer Ansätze mit Blick auf ihre unterschiedlichen Bezugstheorien erfolgt und in der Regel keine weiteren Detailebenen religionsdidaktischer Fragestellungen angesteuert werden. Allerdings finden auf der Meta- und Mesoebene im wissenschaftstheoretischen Forschungsformat alle grundsätzlichen Quellen religionsdidaktischer Forschung Berücksichtigung: Fach- und Bezugswissenschaften, religiöse Praxen, soziokulturelle Kontexte sowie religiöse relevante anthropologische Aspekte. Dabei liegt eben die vorrangige Formationsdynamik darin, die drei Quellen der Anthropologie, der religiösen Praxen und der soziokulturellen Kontexte als Impulsgeber für die Theoriebildung wahrzunehmen und zu integrieren.  

Als besondere Herausforderung im Prozess der wissenschaftstheoretischen Selbstvergewisserung der Religionsdidaktik ist festzuhalten, dass es angesichts der ausdifferenzierten Bezugstheorien und ihrer diversen Binnendiskurse von zentraler Bedeutung sein wird, Forschungssettings zu entwerfen, die die Einheit des Faches über sein genuines Ziel der Erforschung von religiösen Bildungsprozessen und religiösen Lehr-Lernarrangements inklusive ihrer Rahmenbedingungen vermitteln sowie seine hochgradige Ausdifferenzierung gleichermaßen im Blick behalten. Ansonsten sind die herausfordernden Anschlussstellen für weitere wissenschaftstheoretische Forschung in der Darstellung der Felder und Themen bereits markiert worden und müssen nicht wiederholt werden. Der Formatbegriff im Sinne der GFD (GFD, 2016) lässt zwar nicht unbedingt neue wissenschaftstheoretische Forschungsfragen hervortreten, aber er verhilft dazu, die Forschungsfelder, Gegenstände und Methoden gleichermaßen zu berücksichtigen und reflektiert zu systematisieren und transparent auszuweisen.

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Prof. Dr. Martina Kumlehn, Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock.